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RECHT

Ungeschriebene Regeln der Technik

(c) diego cervo / iStock / Thinkstock - diego cervo / iStock / Thinkstock - © diego cervo / iStock / Thinkstock
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Baumaterialien, Bautechnik und Bauverfahren werden ständig weiterentwickelt. Neue Baustoffe und Maschinen erlauben neue Baumethoden. Nicht alles Neue ist tauglich, aber vieles bewährt sich und wird im Baualltag übernommen.

Haben sich bestimmte bautechnische Verfahren etabliert, werden sie zu anerkannten Regeln der Technik. Das sind bautechnische Regeln, die von der Wissenschaft als theoretisch richtig belegt wurden und sich dann, von Bauexperten in der Praxis erfolgreich angewandt, durchgesetzt haben, erläutert die Arbeitsgemeinschaft für Bau- und Immobilienrecht ( ARGE Baurecht ) im Deutschen Anwaltverein (DAV).

Manche dieser anerkannten Regeln der Technik münden in eine DIN-Norm, andere werden in weitere Regelwerke übernommen. Das ist praktisch, weil damit jeder am Bau Beteiligte jederzeit alle Vorschriften nachlesen und sich danach richten kann.

Bautechnik ist schneller als die Normung


Problematischer wird es immer dann, wenn die anerkannten Regeln der Technik nicht niedergeschrieben sind, wenn es sich also um ungeschriebene anerkannte Regeln der Technik handelt. Laut ARGE Baurecht gibt es solche Regeln relativ häufig, weil sich die Bautechnik ständig weiterentwickelt und neue Verfahren erprobt werden, während die alten quasi noch im Normenausschuss abgestimmt werden – die Realität ist oft schneller als die Normung.

Ein klassisches Beispiel beim Bauen ist der Schallschutz. Längst gehen die technischen Möglichkeiten für den Schallschutz und die Erwartungen der Bauherren über die in der diesbezüglich existierenden DIN-Norm angegebenen Werte hinaus. Ein anderes Beispiel ist das barrierefreie Bauen. Auch hier gibt es DIN-Normen, die das Bauen ohne Schwellen regeln. Sie sind verbindliche Vorschrift für den Heimbereich und für öffentliche Bauten. Für den privaten Bereich gehen sie meist zu weit, ihre Umsetzung würde unnötig teuer.

Planer müssen sich ständig weiterbilden


Das bedeutet im Umkehrschluss: Nicht jede geschriebene Norm ist für den einzelnen Bauherrn immer wirklich nützlich. Und: Nicht jede Norm ist technisch auf der Höhe der Zeit. Auftraggeber und Bauherren müssen sich also in solchen Fällen auf das Know-how ihrer Bauingenieure, Fachplaner und Architekten verlassen. Als Experten sollten sie alle infrage kommenden DIN-Normen kennen, ebenso wie andere Regelwerke und die anerkannten Regeln der Technik – und zwar sowohl die geschriebenen als auch die ungeschriebenen. Das können sie nur, wenn sie sich ständig weiterbilden und auf der Höhe der technischen Entwicklung bleiben.

Der Streit darum, was im Einzelnen geschuldet ist, wird auf absehbare Zeit nicht enden, weil sich die Bautechnik ständig weiterentwickelt. Umso wichtiger ist es für alle am Bau Beteiligten, solche Punkte rechtzeitig anzusprechen und gegebenenfalls im Vertrag genau zu definieren, welcher Standard gebaut werden soll. Dies, so die ARGE Baurecht, ist eine Aufgabe für Planer, die ihrerseits die Fülle an Regelwerken und die Möglichkeit einer ungeschriebenen Regel im Auge behalten sollten. ■

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Ungeschriebene anerkannte Regeln der Technik vor Gericht


Die ungeschriebenen anerkannten Regeln der Technik spielen beim Bauen eine wichtige Rolle. Vor allem, wenn es um die Feststellung von Mängeln und Schäden geht. Erst kürzlich befasste sich der Bundesgerichtshof mit einem entsprechenden Fall (BGH, Urteil vom 21. November 2013 Az.: VII ZR 275/12): Eine Wohnungseigentümergemeinschaft hatte ihren Bauträger verklagt, weil der Epoxidharz-Belag im Hof und Eingangsbereich der Anlage Risse hatte. Außerdem, so monierte die Gemeinschaft, habe der Bereich kein Gefälle und das Regenwasser könne nicht ablaufen. Der Streit ging darum, ob nur die Risse beseitigt werden müssen, oder ob auch ein Gefälle hergestellt werden muss.

Während die Risse eindeutig einen Mangel darstellten, war von einem Gefälle im Bauvertrag nirgends die Rede. Auch der zugezogene Bausachverständige argumentierte, für den speziellen Belag sei nirgends niedergeschrieben, dass ein Gefälle ausgebildet werden müsse. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hielt es aber für sinnvoll, wenn das Oberflächenwasser zumindest schneller abfließen könne und verlangte deshalb den höheren Qualitätsstandard. Im Streit über mehrere Instanzen fiel auf, dass ein geschriebenes Regelwerk für den verwendeten Belag keine Anforderung hinsichtlich eines Gefälles enthielt, Regelwerke zu anderen Belagsmaterialien hingegen schon. Die Frage lag also auf der Hand, ob es bei dem verwendeten Belag eine gleichlautende ungeschriebene Anforderung gibt.

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