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TGA-Gewerkeplanung in Virtueller Realität

Neue Perspektive

Virtuelle Realität bezeichnet die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, inter­aktiven, virtuellen Umgebung [1]. Ein sehr bekanntes Einsatzgebiet der Virtuellen Realität (VR) ist die Pilotenausbildung im Flugsimulator, bei der neben der visuellen Darstellung auch Beschleunigungskräfte vorgetäuscht werden.

In ein Gebäude einzutauchen , durch die Räume zu laufen , um sich die Planung aller ­Gewerke vor Ort anzuschauen war bisher nur ein Wunschtraum. Denn diese Darstellungsart ­bietet weit mehr, als nur einen tollen Show-Effekt. Mit ihr lassen sich Planungsdetails viel besser ­erkennen. So kann man sich etwa direkt vor einen Heizungsverteiler stellen und um ihn herumlaufen. Man kann erkennen, ob Rohrleitungen mit aus­reichendem Abstand um Lüftungsleitungen herumgeführt sind und noch genügend Platz für die Montage und Wartung zur Verfügung steht. Auch bei der Baubesprechung bietet diese Darstellung eine bessere Diskussionsgrundlage als Pläne mit ­unzähligen Schnitten.

Nachteile technischer Zeichnungen

Technische Zeichnungen sollen dem Betrachter einen Eindruck eines zu konstruierenden ­Objektes vermitteln. Leider sind sie oft schwer zu interpretieren. Über mehrere Ansichten, wie Grundrisse, Vorder- und Seitenansichten und ggf. Schnitte, wird ein Modell beschrieben. Der Betrachter baut sich aus diesen Informationen gedanklich ein dreidimensionales Modell zusammen, das er in seiner Vorstellung von allen Seiten betrachten kann. Jeder weiß, wie mühsam und damit auch fehleranfällig dies sein kann (siehe Kasten Seite 54).

Von klein auf lernen wir, uns in einer dreidimensionalen Welt zurechtzufinden. Selbst ein Kleinkind erfasst auch komplizierte dreidimensionale Gegenstände. Aber einen Gegenstand anderen zu beschreiben, ist deutlich schwieriger. Hierzu wird eine Dimension entfernt und der Umweg über 2D-Darstellungen auf dem Papier genommen. Zum Interpretieren von 2D-Zeichnungen ist eine erhöhte Konzentration erforderlich. Sie lenkt aber vom eigentlichen Ziel ab, beispielsweise mögliche Kollisionen zu erkennen.

In einem real existierenden oder virtuellen Modell treten diese Probleme nicht auf. Nicht ohne Grund erstellen Architekten von ihren Planungen reale, maßstäbliche Modelle, die einen besseren Gesamteindruck vermitteln als zweidimensionale Zeichnungen. 3D-Modelle, ob virtuell oder real, eignen sich wesentlich besser für einen Gedankenaustausch - auch für Fachleute.

Bewegung ersetzt 3. Dimension

Wie Papier, ist auch ein Monitor ein zweidimensionales Ausgabemedium. Daher werden computergenerierte 3D-Modelle auf dem Monitor zwangsweise wieder um eine Dimension reduziert und zweidimensional dargestellt. Somit entfällt scheinbar ein bedeutender Vorteil eines 3D-Modells. Aber als Ersatz für die fehlende Dimension kann ein wichtiger Faktor ins Spiel gebracht werden: Bewegung.

Betrachten Sie Bild 1. Es wird Ihnen schwerfallen, einen Eindruck von der grundlegenden Rohrführung zu erhalten. Auch wenn Sie diese Szenerie aus einem leicht veränderten Blickwinkel betrachten bleibt der dreidimensionale Eindruck weitestgehend verborgen. Wenn sich das dargestellte Modell jedoch dreht, wobei nur eine kleine Richtungsänderung erforderlich ist, erhalten Sie sofort einen Eindruck vom Aufbau. Hierbei ist nicht die endgültige Ansicht nach der Drehung entscheidend, sondern die vielen Darstellungen auf dem Weg dorthin. Es entsteht sofort ein dreidimensionaler Eindruck (siehe auch auf https://www.mh-software.de/

Die fehlende Tiefe eines statischen Bildes wird erst durch die Bewegung des Betrachters oder des Modells zum Leben erweckt. Sofort wird deutlich, welche Entfernung die Objekte zum Betrachter besitzen. Auch ein Kind versteht schlagartig das dargestellte Modell. Die fehlende dritte Dimension des Monitors wird durch Bewegung ersetzt.

Menschen, die nur auf einem Auge sehen, können nicht dreidimensional sehen. Sie ersetzen die fehlende 3. Dimension durch Erfahrung und durch Bewegung. Entweder sie bewegen das ­betrachtete Objekt oder sie bewegen sich um das Objekt herum. Analog entsteht bei der VR durch die bewegte Darstellung der Objekte auf dem Monitor ohne Mühe ein dreidimensionaler Eindruck.

3D-Modelle mit Leichtigkeit erstellen

Wieso wird auch heute noch meistens nur zweidimensional geplant, obwohl die Vorteile ­offensichtlich sind und auch die dazu erforderlichen 3D-CAD-Systeme zur Verfügung stehen? Zwei Gründe sind hierfür ausschlaggebend. Erstens, das fehlende 3D-Gebäudemodell, zweitens, die oft aufwendige dreidimensionale Erstellung der Gewerke.

Zum ersten Punkt: In der Regel stehen dem Planer nur zweidimensionale Architektenzeichnungen des Gebäudes zur Verfügung. Für eine 3D-Planung der Gewerke ist jedoch eine 3D-Darstellung des Gebäudes zwingend erforderlich. Hier ist außerdem eine psychologische Hürde zu meistern. Wer nimmt schon gerne einen zeitaufwendigen Umweg in Kauf, indem er zunächst das Gebäude dreidimensional erfasst? Es ist folglich verführerisch, den altbekannten Weg der 2D-Planung beizubehalten.

Selbst wenn die erste Hürde gemeistert wird, taucht gleich die zweite auf. Das Erstellen von 3D-Modellen der zu planenden Gewerke ist mit 3D-CAD-Systemen meistens mühevoll. Wegen des hohen Aufwands für die Erstellung eines (eigenen) 3D-Modells, sind nachträgliche Änderungen dann besonders ärgerlich. Darum ist es naheliegend, auf eine 3D-Modellierung zu verzichten und die Planung mit der altbewährten 2D-Methode vorzunehmen. Die vielen Vorteile eines 3D-Modells bleiben dann ungenutzt.

Das Gebäudemodell - vollautomatisch

Als Ausweg aus diesem Dilemma bietet sich der Einsatz eines echten CAE-Systems an. Im Folgenden sollen die Fähigkeiten und die Vorteile anhand des Programms RaumGEO von mh-software aufgezeigt werden.

Welcher Planer würde sich nicht über ein ­vollständiges dreidimensionales Gebäudemodell freuen, das er fix und fertig vom Architekten geliefert bekommt und mit seinen Programmen verarbeiten kann? Auf absehbare Zeit ist hiermit nicht zu rechnen, auch wenn es vielversprechende ­Ansätze über die IFC-Schnittstelle gibt.

Der Aufwand für die Gebäudeerfassung sollte für die Fachplaner so gering wie möglich sein, idealerweise gegen Null gehen. Das Programm RaumGEO erstellt aus den bereits vorhandenen Raumdaten für die Heiz-/Kühllastberechnung auf Knopfdruck ein dreidimensionales Volumenmodell für das Gebäude. Dieses Modell bildet zwar das Gebäude nicht mit allen Details, wie Stützen, ­Unterzüge oder Dachschrägen ab. Dafür steht es jedoch ohne Mehraufwand zur Verfügung. Und: Die Raumdaten für die Heiz-/Kühllastberechnung werden bis zu zehnmal schneller erfasst, als mit einer konventionellen Methode [2, 3].

Aus Einstrich wird Volumen

Zum Festlegen der Trassenführungen ist das Einstrichverfahren dem Erstellen von 3D-Volumenmodellen deutlich überlegen. Die Konstruktion ist wesentlich einfacher und effektiver als im 3D-Volumenmodell. Auch nachträgliche Änderungen sind im Einstrichverfahren schneller durchgeführt. Was liegt also näher, als aus der Einstrichdarstellung ein Volumenmodell zu erzeugen - und das ohne Mehraufwand (Bild 2).

Für eine Kollisionsprüfung werden alle benötig­ten Gewerke in ein Gebäudemodell eingeblendet. So können Problembereiche erkannt und erforderliche Korrekturen einfach durchgeführt werden (Bild 5), ohne zusätzliche Schnitte anfertigen zu müssen.

Integrierte Berechnung

In einem echten CAE-System bildet die Zeichnung mit den Berechnungen eine Einheit. Die sich hieraus ergebenden Vorteile lassen sich am anschaulichsten anhand einer Lüftungsplanung aufzeigen. Die übliche Planung von Lüftungsanlagen verläuft häufig wie folgt: Im ersten Schritt werden die Luftmengen für die einzelnen Kanal­abschnitte ermittelt, oftmals manuell. Danach werden mit dem Schieber oder einer Grobdimen­sionierung die Kanalabmessungen für die Luftmengen festgelegt und in einem CAD-System 2D oder 3D gezeichnet. Zum Abschluss erfolgt vielleicht eine Druckverlustberechnung als Nachrechnung. Nachträgliche Änderungen werden ­wegen des Aufwands nur noch in die Zeichnung eingepflegt, wodurch die Berechnungsergebnisse nicht mehr aktuell sind. An diesen Ablauf hat man sich so gewöhnt, dass er nicht mehr hinterfragt wird.

Korrekt wäre es, die Kanalabmessungen von einem Berechnungsprogramm dimensionieren zu lassen, wobei vorgegebene Abmessungen berücksichtigt werden. Auch nach Änderungen werden Berechnungen durchgeführt, da sich veränderte optimale Abmessungen ergeben könnten. Bei der Heizungsplanung ist diese Vorgehensweise längst üblich. Niemand würde es akzeptieren, Rohrabmessungen einzeln von Hand zu dimensionieren und bei Planungsänderungen den Vorgang zu wiederholen. Aber wieso ist dies bei der Lüftungsplanung bis heute nicht möglich? Die Ursache liegt in den verwendeten Software-Werkzeugen, die Berechnungen und zeichnerische Darstellungen nicht vollständig integriert vornehmen.

Ein echtes CAE-System unterstützt die optimale Vorgehensweise. Im Einstrichverfahren wird die Trassenführung bis hin zu den Luftauslässen festgelegt. Nach der Definition der berechnungsrelevanten Daten, wie den Luftmengen an den Luftein-/auslässen, der zu verwendenden Formstücke und der Berechnungsstrategien, liefert eine Berechnung Kanäle mit bestmöglichen Abmessungen.

Aber die Krönung ist die automatische Generierung eines Volumenmodells aus dem Einstrichverfahren. Die Abmessungen sämtlicher Formstücke sind so aufeinander abgestimmt, dass ein geschlossenes System entsteht. So kann jetzt der erforderliche Platzbedarf überprüft werden. Das gleichzeitig eingeblendete Gebäudemodell zeigt Kollisionen auf, die dann im Einstrichverfahren durch Verschieben der Kanäle oder Festsetzen einzelner Abmessung behoben werden. Bei diesen Anpassungen wird das Volumenmodell automatisch mitgeführt. Sämtliche Änderungen übertragen sich auf alle Nachbarkanäle, so dass immer ein geschlossenes System vorliegt. Jederzeit kann eine neue Berechnung (Dimensionierung) durchgeführt werden, deren Ergebnisse sich auf die nicht festgelegten Abmessungen auswirkt (siehe Kasten Seite 55).

Das macht richtig Spaß

Niemand kann sich der Faszination eines ­Programms entziehen, das die Realität dreidimensional abbildet. Die bisher trockene und abstrakte Planungsphase wird durch Virtuelle Realität plötzlich attraktiv, da die eigene Arbeit ohne Mehraufwand eine deutliche optische Aufwertung erfährt. Komplizierte räumliche Anordnungen werden ­ begehbar . Und es kommt ein weiterer nicht zu unterschätzender Faktor hinzu: Arbeit darf auch Spaß machen. Realitätsnahe Nachbildungen, die man selbst erschaffen und manipulieren kann - die Arbeit wird fast zum Spiel. Auch diese zusätzliche Motivation wird die Produktivität beim Planen weiter steigern und zum Siegeszug der ­Virtuellen Realität in der Technischen Gebäude­planung beitragen.

Blick in bereits begonnene Zukunft

Über die Virtuelle Realität bietet sich eine modellorientierte Arbeitsweise an. Der Planer konstruiert in das 3D-Gebäudemodell das Volumen­modell seiner Anlagen. Anstatt hieraus mit entsprechendem Aufwand 2D-Zeichnungen mit den erforderlichen Schnitten zu erstellen, gibt er lediglich seine 3D-Daten an den Ausführenden weiter. Auf der Baustelle wird nicht mehr mit ­Plänen hantiert. Stattdessen läuft der Monteur im 3D-Modell virtuell in den gewünschten Raum und fragt dort alle ihn interessierenden Daten ab. Der Planer/Zeichner muss sich weder Gedanken darüber machen, welche Maße er in die Pläne einträgt, noch ob er alle relevanten Daten für die Ausführung eingetragen hat. Dies alles ist nicht mehr nötig, da das erzeugte Anlagenmodell zusammen mit dem Gebäudemodell alle Daten automatisch enthält.

Dem Monteur wird im Modell beispielsweise der Wandabstand eines Kanals, die Einstellung eines Ventils oder die Bezeichnung eines Heiz­körpers angezeigt. Alle interessierenden Daten stehen sofort zur Verfügung. Und wenn sich Änderungen ergeben, übermittelt der Planer das neue Modell direkt auf den Laptop des Monteurs - ohne Umweg über Papierpläne. Das hört sich heute ­vielleicht noch phantastisch bis irreal an. Aber wer hätte vor 20 Jahren geglaubt, dass heute jeder per Handy weltweit jederzeit erreichbar ist?

Fazit

Das vorgestellte echte CAE-Programm öffnet im wahrsten Sinne des Wortes neue Perspek­tiven durch virtuelle Realität. Ein einfach erstelltes Gebäudemodell, sowie per bequemer Einstrichkonstruktion generierte Anlagen als 3D-Volumenmodelle, gepaart mit nahtlos integrierten Berechnungen, sind die Grundlagen für eine effektivere und qualitativ hochwertigere Planung im Vergleich zu herkömmlichen CAD-Systemen.

Literatur

[1] https://www.wikipedia.de/

[2] Holzschuh, Martin: Komplette Heizungsplanung in drei Stunden mit CAE - (R)evolution in der Planung, Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 02-2005

[3] Vorländer, Jochen: Vorstoß in die 4. Dimension, Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 03-2005

Martin Holzschuh

Dipl.-Ing., ist Geschäftsführer bei mh-software, Karlsruhe, Telefon (07 21) 62 52 00, E-Mail: info@mh-software.de, https://www.mh-software.de/

Testen Sie Ihr Vorstellungsvermögen

Beispiel 1: Wie sieht die Linienführung der ­folgenden Ansichten dreidimensional aus? Dargestellt ist im linken Teil eine Draufsicht (o.l.) mit Front- und Seitenansicht (o.r.). Noch ein Hinweis gefällig? Dann nehmen Sie doch noch die darunter stehende Isometrie des Objekts, welche allerdings mitunter zu zusätzlicher Verwirrung statt zur Aufklärung führt.

Das einfache Beispiel verdeutlicht die Probleme des Interpretierens zweidimensionaler Darstellungen. Bei einer Planung mit virtueller Realität entfällt dieser mühsame Aufwand (siehe auch https://www.mh-software.de/

Beispiel 2: Ein weiteres Beispiel unterstreicht, dass das Umsetzen von 2D-Darstellungen (technischen Zeichnungen) in ein dreidimen­sionales Modell kein trivialer Vorgang ist. (Die Auflösung stehen auf Seite 56.)

Änderung vollautomatisch mit Berechnung

Ein Beispiel soll die Leistungsfähigkeit eines echten CAE-Systems demonstrieren. Das im Ausschnitt dargestellte Luftkanalnetz wurde vom Programm automatisch dimensioniert. Der markierte Kanal (Pfeil) mit den Abmessungen 675 × 675 mm wird vom Anwender auf 300 × 300 mm ver­ändert. Nach einer erneuten Berechnung ermittelt das Programm unter diesen Randbedingungen ein neues, optimal abgeglichenes Luftkanalnetz.

Die vorgegebenen Abmessungen haben sich auf die Nachbarkanäle übertragen. Freie , nicht vor­gegebene Abmessungen wurden genutzt, um den Druckverlust mithilfe der vorgegebenen Berechnungsstrategie zu optimieren. So besitzen u.a. die mit Pfeilen gekennzeichneten Kanäle eine an­gepasste Breite. Sämtliche Bauteile wurden automatisch eingepasst. Die komplette Änderung (durch die Vorgabe der neuen Abmessungen) dauerte nur ca. 2 Sekunden, inklusive der 3D-Darstellung.

Auflösung

Bild 7 Die Bilder 3 und 4 dreidimensional . Mit einer bewegten Darstellung der Linien wären die Objekte sofort begreifbar gewesen. - mh-software - © mh-software
Bild 7 Die Bilder 3 und 4 dreidimensional . Mit einer bewegten Darstellung der Linien wären die Objekte sofort begreifbar gewesen. - mh-software

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