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Strom erzeugende Heizung

Zurzeit noch Spielzeugersatz

Die Hersteller oder besser gesagt die Entwickler von Brennstoffzellen-Heizgeräten (BZH) sind in einem freudigen Dilemma: Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht in irgendeinem Endverbrauchermagazin, einer Bau- oder Energiesparbeilage der Tageszeitung oder in einer Wissenschaftssendung im Fernsehen oder Rundfunk auf die phantastischen Möglichkeiten von Brennstoffzellen im Auto, im Haus, im Campingbus, beim Militär oder für Telekommunikationseinrichtungen hingewiesen wird.

Ähnlich ergeht es jetzt auch den Anbietern von anderen Mikro-KWK, z.B. solche mit Stirlingmotorantrieb. In der Regel heißt es für Otto Normalverbraucher dann aber immer noch Fehlanzeige: Die raren Energiebündel gehen in erster Linie an Energieversorger – ein taktischer Zug – denn ohne den Segen der mächtigen EVU wird die Strom erzeugende Heizung – ob mit Brennstoffzelle, Stirlingaggregat, Dampfmotor oder Mikroturbine – kaum eine Chance auf größere Stückzahlen haben.

Dabei war die Gelegenheit für einen Wandel von den zentralen Stromversorgungsstrukturen hin zur dezentralen Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) noch nie so günstig wie heute: Bis zum Jahr 2015 sollen in Europa 140 GW thermische Kraftwerksleistung ersetzt und weitere 86 GW hinzugebaut werden [1]. Bis 2030 könnten dann weitere 220 GW ersetzt und weitere 140 GW gebaut werden. Von den heute etwa 450 GW sollen dann nur noch knapp 100 GW am Netz sein. Auf der anderen Seite wurden in Deutschland zuletzt rund 700000 Heizgeräte bzw. Heizkessel eingebaut oder ersetzt, von denen ein Großteil künftig auch als Strom erzeugende Heizung ausgeführt werden könnte. Und mit den großen Zielen für Biogas im Erdgasnetz steigen die Vorteile der Dezentralisierung weiter.

Nach einer Studie des Bremer Energie-Instituts und des Deutschen Instituts für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit dem Titel „Analyse des nationalen Potenzials für den Einsatz hocheffizienter Kraft-Wärme-Koppelung“ beträgt das wirtschaftlich umsetzbare Potenzial der KWK mindestens 57 % der gesamten Stromerzeugung in Deutschland. Derzeit liegt der KWK-Anteil an der Stromerzeugung bei etwa 11 bis 12 %. Laut Studie könnte die elektrische Leistung von KWK-Anlagen – aktuell sind es etwa 21 GW – bis zum Jahr 2020 verdreifacht werden. Der Bundesverbund Kraft-Wärme-Kopplung (B.KWK) ist überzeugt, dass bereits bis 2030 die Hälfte des gesamten Stroms in Deutschland mittels KWK erzeugt werden könnte. Nach einer Schätzung der Bundestagsenquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung“ aus dem Jahr 2002 liegt das gesamte KWK-Potenzial in Deutschland sogar bei rund 70 % des heutigen Stromverbrauchs.

Enge Zusammenarbeit mit EVU

Aus Sicht des B.KWK ist die bisher eher defensive Entwicklung des KWK-Einsatzes nicht auf technisch-wirtschaftliche Probleme, sondern auf politische und strukturelle Nachteile zurückzuführen. Nicht selten haben EVU in der Vergangenheit KWK-Projekte durch unterschiedlich hohe Genehmigungshürden oder Tarifzugeständnisse an den Stromkunden zum Kippen gebracht. Heute ist es so, dass praktisch alle neuen Entwicklungen im KWK-Bereich in enger Zusammenarbeit mit den Versorgern erfolgen, ja Versorger sogar auch finanziell in die Geräteentwicklung, deren Feldtests und Weitervermarktung eingebunden sind. Durch diesen Schulterschluss wollen die KWK-Akteure vermeiden, dass Geräte entwickelt werden, die womöglich von den EVU später nicht akzeptiert würden. Dabei geht es nicht nur um die Einbindung eines BHKW in ein „virtuelles Kraftwerk“ unter der Ägide des EVU, sondern auch um die Vergütung von überschüssigem Strom, der in das Netz des Versorgers eingespeist wird. Zudem will man herausfinden, welchen Einfluss der massenhafte Anschluss von Kleinst-BHKW auf die Netze haben wird und wie dieses Potenzial sinnvoll in die Stromlandschaft eingebunden werden kann, auch zur Abdeckung der Spitzenlast.

Werbung mit hohen Einnahmen

Ob die EVU den Mikro-KWK, wenn diese dann zu Hunderttausenden installiert werden sollten und damit der Dezentralisierung der Stromversorgung noch ähnlich offen gegenüberstehen wie heute, muss die Zukunft zeigen.

Otag, Olsberg, Hersteller des „Lion Powerblock“ auf der Basis einer Freikolbendampfmaschine mit integriertem Lineargenerator (Leistung elektrisch 0,2 bis 2,2 kW, thermisch 2,5 bis 16 kW), lockt beispielsweise künftige Mikro-KWK-Betreiber mit Einnahmen, die in einem Massenmarkt – sofern er kommt – die Erlöse der EVU deutlich schmälern könnten. Wörtlich heißt es in den Firmenunterlagen:

„Als Eigentümer eines ‚Lion’ haben Sie nach der aktuellen Gesetzeslage in Deutschland drei Einnahmequellen:

– Sie vermeiden eigenen Strombezug (ca. 250 bis 800 Euro pro Jahr)

– Sie bekommen für das im ‚Lion’ verbrauchte Gas die Gassteuer (so genannte Ökosteuer) ­erstattet (ca. 100 bis 350 Euro pro Jahr)

– Für den überschüssigen ins Netz eingespeisten Strom erhalten Sie laut KWK-Gesetz ca. 90 bis 250 Euro pro Jahr. Eingespeister Strom wird mit 5,11 ct/kWh über 10 Jahre vergütet. Zusätzlich zahlt der Netzbetreiber eine gesetzlich geregelte Vergütung. Diese liegt derzeit bei ca. 4,0 ct/kWh.

Insgesamt sind also Einsparungen und Einnahmen in Höhe von 440 bis 1400 Euro pro Jahr möglich, abhängig von ihrem Wärmeverbrauch. Steigende Strompreise würden die wirtschaftliche Bilanz des Lion noch verbessern.“

Kosten zunächst noch zweitrangig

Dass den stattlichen Einnahmen auch erhebliche Investitionen und Wartungskosten gegen­überstehen, wird in vielen Verkaufsunterlagen noch dezent verschwiegen. Doch für viele der so genannten „Early Adaptors“, also die Pionierkäufer der Mikro-KWK, sind die Kosten ohnehin zweitrangig. Wichtiger als wirtschaftliche Amortisationszeiten sei für viele Interessenten das Gefühl, unabhängig(er) vom Stromversorger zu sein und etwas für das Weltklima zu tun, war auf dem Stand von Senertec auf der zurückliegenden ISH zu hören. In einer Studie des ifeu-Instituts werden beispielsweise die typischen Pionierkäufer bzw. Interessenten eines Brennstoffzellen-Mikro-KWK wie folgt charakterisiert:

– ländlicher oder kleinstädtischer Mittelstand

– gut situierte, technisch interessierte ältere Männer

– überdurchschnittlich gut informiert; haben sich bereits zuvor mit anderen „Türöffner“-Technologien beschäftigt

– umweltbewusst, aber zuversichtlich.

Bei Gesprächen mit Dachs-Verkäufern wird man den Eindruck nicht los, dass viele Aggregate im Sommer oft stillstehen, weil die Wärme nicht genutzt werden kann. Manche Aggregate kämen gerade einmal auf 2000 Betriebsstunden pro Jahr, aber die Leute seien trotzdem begeistert, so der Tenor. Vielleicht dienen solche Maschinen ja auch als Ersatz für die Spielzeugeisenbahn oder die Spielzeugdampfmaschine.

Wirtschaftlich ab 3000 bis 5000 h/a

Dass Mikro-KWK eigentlich erst dann wirtschaftlich arbeiten, wenn sie pro Jahr mindestens 3000 bis 5000 Volllaststunden in Betrieb sind, wird derzeit von einigen Anbietern kaum kommuniziert. Das ist auch wenig verwunderlich, denn für die Zielgruppen Einfamilienhaus oder sogar Wohnung sind unter diesen Bedingungen Geräte mit einer thermischen Leistung von etwa 1 kW und kleiner erforderlich. Zum Vergleich: Industriell genutzte BHKW werden meist erst dann realisiert, wenn etwa 8000 Betriebsstunden pro Jahr garantiert werden können. Eine Studie des Öko-Instituts warnt deshalb vor zu viel Euphorie bei der Strom erzeugenden Heizung. Auszüge aus der Studie:

– die ausschließliche Stromeinspeisung ist trotz Novellierung des Kraft-Wärme-Kopplungs­gesetzes nicht wirtschaftlich

– Wärmepotenziale ohne Stromabnahme vor Ort können durch Mikro-KWK nicht erschlossen werden, anzustreben sei deshalb eine wärmegeführte Fahrweise

– die ausschließliche Stromeinspeisung ist mit einem BHKW erst ab etwa 100 kWel wirtschaftlich darstellbar

– Mikro-KWK-Anlagen sind wirtschaftlich besonders interessant, wenn sie ohne Zusatzkessel auskommen.

Was in der aktuellen Diskussion um die Sinnhaftigkeit eines Mikro-KWK für Einfamilienhäuser oft außer Acht gelassen wird, ist der weiter sinkende Wärmebedarf von Neubauten bei gleichzeitig steigendem Strombedarf. Experten der Energietechnischen Gesellschaft im VDE prognostizieren in einer kürzlich vorgestellten Studie [2], dass der Wärmebedarf von Wohngebäuden bis zum Jahr 2020 um bis zu 50 % abnehme, der Strombedarf jedoch trotz verbesserter Technik um 10 % ansteige. Parallel würden die Strompreise im gleichen Zeitraum um ein knappes Drittel steigen.

Angesprochen auf das Dilemma, aus Kosteneffizienzgründen möglichst viel Wärme und Strom produzieren zu müssen, zugleich aber zum Schutz von Umwelt und Geldbeutel wenig Ener­gie zu verbrauchen, bekommt man von den Herstellern von Mikro-KWK meist nur ausweichende Angaben. Sie reichen von „unser Simulationsprogramm zeigt eine gute Auslastung über das ganze Jahr“ bis zu „wir sind noch am Optimieren von Strom- und Wärmeerzeugung“. Allgemeiner Eindruck: Mikro-KWK sind mehr für Energiegroßverbraucher und weniger für Sparfüchse geeignet.

Eher nervös reagieren Entwickler von BZ-Heizgeräten auf Fragen wie Energieverluste bei Takt- oder Abschaltbetrieb oder Eigenstromverbrauch. Ein Entwicklungsingenieur dazu: „Bei einem Brennstoffzellen-Heizgerät mit SOFC-Zellen kommen da locker 150 W zusammen. Wenn so ein Gerät während des Urlaubs in Bereitschaft gehalten wird, entstehen in drei Wochen rund 75 kWh Stand-by-Verluste“. Hochgerechnet auf ein Jahr benötige dieses Gerät in der heutigen Ausführung also fast 1300 kWh allein an Betriebsstrom. Ein kompletter Shut-down gelte derzeit als nicht empfehlenswert, da das Hochfahren der Zellen sehr viel Zeit benötige, abgesehen von der mechanischen Belastung des Zellstapels durch die Abkühlung und Wiederaufheizung.

Unterschätzter Entwicklungsaufwand

Ähnlich wie die Entwickler von BZ-Heizgeräten haben auch die Anbieter von motorisch angetriebenen Mikro-KWK den zeitlichen sowie finanziellen Aufwand und nicht zuletzt auch das Fine-Tuning ihrer Geräte bis zur Marktreife unterschätzt. Nach eher euphorischen Erwartungen auf der ISH 2005 war die Stimmung 2007 etwas gedämpfter. Zeitliche Ankündigungen über den Markteintritt werden korrigiert, ebenso die optimistischen Stückzahlen, die einen fulminanten Start für die kompakten Kraftzwerge suggerierten.

Den vorübergehenden Stopp der britischen Microgen-Entwicklung sowie die Insolvenz des Stirlingmotor-Pioniers Solo werten Brancheninsider als Indiz dafür, dass auch in diesem Bereich mit längeren Entwicklungsphasen zu rechnen ist. Doch die Branche setzt weiter auf Innovationen. Neu sind Mikro-KWK-Entwicklungen auf der Basis des Stirlingmotors mit der Antriebsenergie biogener Brennstoffe in Form von Hackschnitzeln, Pellets und Pflanzenöl. Doch auch hier handelt es sich meist noch um Feldtestprogramme oder Kleinst-Serien, mit Rückschlägen und Verzögerungen muss gerechnet werden.

Fazit

Die Rahmenbedingungen für die Strom erzeugende Heizung waren noch nie so gut wie heute, doch die Entwicklung der vielfältigen Mikro-KWK verläuft langsamer als prognostiziert. Viele Käufer der ersten Stunde akzeptieren einen eher unwirtschaftlichen Betrieb in der Überzeugung, damit dem Klimaschutz zu dienen. Vorreiter der Branche ist das Dachs-Mikro-BHKW von Senertec, von dem inzwischen rund 16000 Stück verkauft wurden. Alle anderen Markteinführungen für den Einfamilienhausbereich laufen den ursprünglich avisierten Zeitplänen hinterher. Dennoch rechnet sich die Branche einen Vorsprung gegenüber den Anbietern von BZ-Geräten aus, wobei inzwischen die meisten Heizgeräte-Hersteller beide Entwicklungen parallel vorantreiben.

Literatur

[1] Joachim Schneider, BWK, Bd. 59 (2007) Nr. 4, Seite 3

[2] Dezentral erzeugter Strom senkt Emissionen. Handelsblatt Nr. 91/2007, S. 23

Wolfgang Schmid

ist Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, E-Mail: wsm@netsurf.de

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