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CO2-Reduktion

Biomasse: Im Tank nur suboptimal

Biomasse ist einer der Hoffnungsträger für den Klimaschutz. Unter Beachtung von Nachhaltigkeitsprinzipien produziert, kann sie dauerhaft fossile Energieträger substituieren und die globale CO2-Bilanz verbessern. Das ist auch der Politik klar, lässt sie doch keine Gelegenheit ungenutzt, eine verstärkte Verwendung zu propagieren, insbesondere für den stimmenträchtigen Wärmemarkt. Doch versprochen wird vieles und noch schlimmer, die Biomasse wird vielen versprochen. Schon lange bevor ein nationaler Biomasseaktionsplan der Öffentlichkeit vorgelegt wurde. Experten bemängeln bereits seit Jahren, dass national wie global ein effektives Biomassemanagement fehlt.

So wird die staatliche Förderung fehlgeleitet, Steuermittel werden verschwendet. Mitte Juli hat nun der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) mit seinem Sondergutachten „Klimaschutz durch Biomasse1)“ der Bundesregierung nahe gelegt, die staatliche Förderung für den Bioenergiesektor stärker auf ihre Klimaschutzziele auszurichten. Zwar sind aktuell noch erhebliche Biomassepoten­ziale ungenutzt, in Deutschland angebaute Biomasse ist aber keine unerschöpfliche Ressource. Nach Einschätzung der SRU kann sie (Reststoffe und nachwachsende Rohstoffe) bis 2030 nur etwa 10 % des nationalen Primärenergieverbrauchs abdecken, wenn dabei Umwelt- und Naturschutzgesichtspunkte angemessen berücksichtigt werden.

Importsog durch Biokraftstoffe

Es scheint fast so, als sei momentan der technische Fortschritt ein Teil des Problems. Biomasse kann heute praktisch alle Energieträger und Nutzungsarten ersetzen und in allen Verbrauchssektoren eingesetzt werden. Allerdings mit erheblichen Unterschieden bei CO2-Reduktion und Ressourceneinsparung. Doch die beste Technik hat bisher nicht die beste Unterstützung. Statt Biomasse mit maximaler ökologischer Wertschöpfung und geringsten Kosten einzusetzen, wird ein nicht unerheblicher Teil mit nur geringem Umweltvorteil verwendet. Der SRU kommt deswegen in seinem Sondergutachten zu dem Schluss, dass die derzeitige Förderlandschaft für Bioenergien nicht dazu geeignet ist, die Prioritäten richtig zu setzen.

Insbesondere wird die Verwendung von Biomasse (bzw. Anbauflächen) für den Kraftstoffersatz moniert. Die für 2020 geplante hohe europäische Biokraftstoffquote von 10% und das entsprechende nationale Ausbauziel2) von 17% werde praktisch sämtliche, national verfügbare Biomasse in den Verkehrsbereich lenken und damit die Wirksamkeit der Fördermaßnah­men des Erneuerbare-Energie-Gesetzes schwä­chen. Damit nicht genug: Die schon heute heftig umstrittenen Bioenergieimporte („Palmöl“) könnten einen „umweltpolitisch schwer kontrollierbaren Importsog auf Kosten der natürlichen Ressourcen in Drittländern“ auslösen. Schützenswerte Tropenwälder in Südostasien und Südamerika könnten ihm zum Opfer fallen, selbst wenn die von Deutschland importierten Mengen nach ökologischen und sozialen Gesichtpunkten hergestellt werden.

Wärme aus Biomasse viel effizienter

Der Vorsitzende des SRU, Prof. Dr. Hans-Joachim Koch: „In der Gesamtbilanz könnte man mit anderen Prioritäten mehr Klimaschutz zu niedrigeren Vermeidungskosten für Steuerzahler, Autofahrer und Stromkunden erreichen.“ Beispielsweise belegt der SRU in seinem Sondergutachten, dass Biomasse in der Wärme- sowie gekoppelten Wärme- und Stromerzeugung bis zu dreimal effizienter und wesentlich kostengünstiger eingesetzt werden kann als bei der Erzeugung der derzeit genutzten Biokraftstoffe Biodiesel und Bioethanol (Biokraftstoffe der ersten Generation). Dies gilt insbesondere, wenn Kohle durch Biomasse ersetzt wird. Wärme und Strom sollten daher bei der Biomasseförderung Vorrang vor Biokraftstoffen erhalten, so der SRU.

Konkret: Getrennt nach den zur Verfügung ­stehenden Fraktionen, empfiehlt der SRU, bis auf die fermentativ nutzbaren Reststoffe und nachwachsenden Rohstoffe, wenig Biomasse für die Kraftstoffherstellung einzusetzen. Feste Biomasse, vor allem Holz, sollte für die Bereitstellung von Wärme eingesetzt werden, auch für Hochtemperaturprozesswärme in der Industrie, da diese durch andere erneuerbare Energie nicht substituiert ­werden kann. Das hat auch einen weiteren Grund: Bei den Umweltbelastungen werden die Risiken bei Kurzumtriebsgehölzen wesentlich geringer ­bewertet als bei Mais, Raps, Zuckerrüben und ­Kartoffeln.

Zentrale Verwendung bevorzugen

Den verstärkten Einsatz von Biomasse für die Wärmeerzeugung bewertet der SRU allerdings nicht so, wie sich die Heizungsindustrie die Zukunft mit biogenen Beimischungen in Heizöl und Erdgas vorstellt. Beispielsweise wird gefordert, Bio­masse statt in Einzelfeuerstätten verstärkt in Nahwärmenetzen mit gekoppelter Stromerzeugung einzusetzen. Aus Effizienzgründen sei dazu die Biomasse so wenig wie möglich aufzubereiten. Ein prägnantes Beispiel ist BtL-Diesel (Biomass to Liquid, aus Holzvergasung): Als Kraftstoffersatz kann er ein Reduktionspotenzial von ca. 4,5 t/ha leisten, eine ähnliche Bilanz hätte BtL-Heizöl. Holzartige Biomasse als Ersatz von Braunkohle bei der Stromerzeugung kommt aber auf 14 t/ha und gleichzeitig erheblich geringere CO2-Vermeidungskosten. Allerdings greift der SRU dabei nicht die Argumentation der Heizungsindustrie auf, dass die verwendungsgleiche Substitution von Erdgas und Heizöl durch biogene Beimischungen mit vorhandenen Heizkesseln möglich ist.

Kritisch äußert sich der SRU in seinem Sondergutachten auch zum derzeit diskutierten Erneuerbare-Ener­gien-Wärmegesetz. Bemängelt wird, dass eine technologiedifferenzierte Vergütung nicht zielführend sei, da die Förderung des Energieeinsatzes zur Wärmeerzeugung zu einer Vernachlässigung der Anstrengungen im Bereich der Energieeffizienz führen könnte. Außerdem ließe sich mit einem energieträgerbezogenen Förderansatz die aus Luftreinhaltegründen erforderliche Nachrüstung und Modernisierung von Heizungsanlagen zur Biomasseverbrennung nur schwer erreichen.

Förderung neu ausrichten

Welche Beachtung das SRU-Sondergutachten bei der Politik haben wird, ist noch nicht abzusehen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel begrüßte nach der Vorstellung lediglich den ebenfalls vorgeschlagenen, eigentlich nicht umstrittenen Nachhaltigkeitsgrundsatz bei der Erzeugung von Biomasse. Dass das Fördersystem grundlegend umgekrempelt und neu ausgerichtet werden muss, fehlt in seiner Beschreibung des Gutachtens völlig. Er sieht es eher als Bestätigung der politischen Ziele. Vielleicht sollte er es noch einmal genauer lesen.

Aus dem Gutachten: „Die Förderlandschaft für Bioenergie ist stark segmentiert und behindert eine Optimierung des Biomasseeinsatzes nach Klimaschutzgesichtspunkten. Ein relevanter Anteil des Klimaschutzpotenzials des Bioenergieeinsatzes bleibt damit unausgeschöpft. Stattdessen wird in Zukunft durch die Segmentierung ein Wettlauf zwischen den verschiedenen Verwendungen angeregt. Eine sehr hohe Quote für Biokraftstoffe, die unabhängig von den ökonomischen Gegebenheiten erreicht werden muss, wird die Kosten für den Bioenergieeinsatz in klimapolitisch ertragreicheren Verwendungsbereichen in die Höhe treiben. Es besteht das Risiko einer erheblichen Verschwendung öffentlicher und privater Ausgaben mangels Abstimmung der verschiedenen Instrumente.“

Soll die Biomasseförderung künftig an agrar-, energie- oder umweltpolitischen Zielen ausge­richtet werden? Zwar existieren Synergien, aber eine Harmonie ist nicht herzustellen. Der Sachverständigenrat sieht die Reduktion von Treibhausgas-Emissionen als oberstes Ziel der Biomassenutzung. Das würde in jedem Fall bedeuten, Kraftstoffe nicht länger mit biogenen Bei­mischungen ein nicht gerechtfertigtes Image zu verschaffen. Jochen Vorländer

1) Das Sondergutachten „Klimaschutz durch Biomasse“ steht auf http://www.umweltrat.de als PDF-Download: Das Gutachten umfasst 200 Seiten, die Zusammenfassung 27 Seiten.

2) Siehe auch „8-Punkte-Plan für Klimaschutz“, Meldung vom 26. April 2007 auf https://www.tga-fachplaner.de/

» Die für 2020 geplante Biokraftstoffquote von 10 % wird sämtliche, national verfügbare Biomasse in den Verkehrsbereich lenken.«

» Biomasse in der Wärme- sowie gekoppelten Wärme- und Stromerzeugung ist bis zu dreimal effizienter und wesentlich wirtschaftlicher.«

» Eine hohe Biokraftstoffquote, die unabhängig von den ökonomischen Gegebenheiten erreicht werden muss, verschwendet knappe Mittel.«