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Conrad Gähler zu Mikro-KWK

Regelkonzept ist die halbe Miete

Bis zum Jahr 2020 sollen in Großbritannien rund 30 % aller Haushalte mit Mikrokraft­werken vom Typ Stirlingmotor ausgerüstet sein. Wissenschaftler in der ganzen Welt ­arbeiten derzeit an einer Optimierung des seit 1816 bekannten Prinzips. Derzeit wird eine ­Vorserie der Geräte in Großbritannien und den ­Niederlanden auf ihre Alltagstauglichkeit getestet. Ein neuseeländischer Hersteller gibt den Start in die Massenproduktion mit „early 2009“ an. Die Geschirrspüler-großen Mikro-KWK leisten etwa 1 kW elektrisch und 7,5 bis 12 kW thermisch. Im Vergleich zur konventionellen Strom-Wärme-Versorgung eines Haushalts sollen sie rund 20 % weniger CO2 in die Atmosphäre ab­geben, das sind auf englische Haushalte um­gerechnet etwa 1500 kg CO2 weniger pro Jahr und Haushalt.

Auch europäische Hersteller von Heizgeräten präsentierten auf der letzten ISH bereits Stirlingmotor angetriebene Mikro-KWK. Siemens hat für die speziellen Belange solcher Aggregate ein Regelungs- und Steuerungskonzept entwickelt, das u.a. im Rahmen des Kongresses Clima 2007 – WellBeing Indoors in Helsinki (siehe Seite 24) vorgestellt wurde. Zu den ­Marktchancen und Besonderheiten eines solchen Mikro-KWK sprach Wolfgang Schmid, freier Fachjournalist für Technische Gebäude­ausrüstung, München, am Rande des Kongresses mit Dr. Conrad Gähler, Entwicklungs-Ingenieur, Siemens Schweiz AG, Building Technologies Group, Zug/Schweiz.

TGA: Studien, die im Auftrag der Energiewirtschaft erstellt wurden, gehen davon aus, dass der Wärmebedarf von Gebäuden bis 2020 um bis zu 50 % abnimmt, die Stromnachfrage im Haushalt trotz Anschaffung energiesparender Geräte aber um 10 % zunimmt. Herr Dr. Gähler, rechtfertigt sich unter diesen Umständen der Einbau eines Mikro-KWK im Einfamilienhaus?

Gähler: Wir denken schon. Der Wärmebedarf für die Raumheizung wird zwar abnehmen, der Wärmebedarf für Warmwasser ist aber unabhängig vom Standard der Wärmedämmung der Gebäudehülle. Er nimmt infolge höherer Komfortansprüche sogar eher zu. Ein Mikro-KWK muss für ein gut wärmegedämmtes Haus eben kleiner ausgelegt werden als für ein schlecht isoliertes Gebäude. Es könnten aber auch mehrere Wohneinheiten von einem Mikro-KWK gegebener Größe versorgt werden, also z.B. ein Doppelhaus, mehrere Einfami­lienhäuser oder ein Mehrfamilienhaus.

TGA: Kann denn der Stirling-Motor beliebig verkleinert, also dem Wärmebedarf eines Gebäudes angepasst werden?

Gähler: Beliebig nicht. Eine gängige Größe ist heute 1 kWel, aber eine elektrische Leistung von 0,5 kW ist bei einem Stirling-Motor schon denkbar. Wir haben mit Modellrechnungen das Energieeinsparpotenzial für drei verschiedene Gebäudetypen untersucht: Ein nahezu ungedämmter Altbau, ein Gebäude mit einem mittleren Dämmstandard und ein Gebäude entsprechend der EnEV 2000. Die Simulationen haben gezeigt, dass bei guter Auslegung des Systems und optimaler Steuerung des Mikro-KWK eine erhebliche Primärenergieeinsparung erreicht werden kann – und das weitgehend unabhängig vom Dämmstandard. Dabei ist zu beachten, dass die Einsparungen gegenüber einem sehr guten konventionellen Referenzsystem berechnet wurden: Wärmeerzeugung mit Brennwertkessel und Stromerzeugung mit modernstem Gas-Kombikraftwerk mit 56 % elektrischem Wirkungsgrad. Bei besserer Wärmedämmung resultieren – gemäß unseren Modellrechnungen – sogar eher höhere prozentuale Energieeinsparungen als bei schlechter Dämmung.

TGA: In gut wärmegedämmten Wohnhäusern wird die Anzahl der Heiztage immer geringer; die Heizgrenze sinkt auf 12 °C und tiefer. Wohin also mit der Wärme außerhalb der Heizzeit?

Gähler: Der Betrieb der Stirlingmaschine macht tatsächlich nur Sinn, wenn die Wärme auch genutzt werden kann. Man kann die Stirlingmaschine auf den Grundbedarf auslegen und ihr einen Zusatzbrenner zur Seite stellen. So kommt sie auch bei gut gedämmten Systemen im Sommer auf eine ansehnliche Anzahl an Volllast-Betriebsstunden.

Wir versuchen, die Wärmeproduktion über unsere Regelung so zu verteilen, dass der Zusatzbrenner nur dann in Betrieb geht, wenn es unbedingt notwendig ist. Eine entsprechend gesteuerte Speicherladung unterstützt diesen Prozess. Im Winter läuft der Stirlingmotor hingegen praktisch ununterbrochen auf Maximalleistung. Da der Wärmebedarf für Warmwasser unabhängig vom Dämmstandard ist, sind die saisonalen Schwankungen des Wärmebedarfs bei gut gedämmten ­Gebäuden wesentlich kleiner als bei schlecht ­gedämmten ­Gebäuden.

TGA: Kann man ein Mikro-KWK auf der Basis eines Stirlingmotors auch komplett abschalten und kurzfristig wieder starten? Beim Brennstoffzellen-Heizgerät scheint das ja nicht möglich zu sein.

Gähler: Es kommt natürlich auf die Konstruktion der Maschine an. Nach heutiger Kenntnis lässt sich ein Stirlingaggregat mehrmals am Tag ganz abschalten. Prinzipiell eignen sich Stirlingaggregate sehr gut für den modulierenden Betrieb. Bei richtiger Fahrweise lässt sich so eine Abschaltung oft vermeiden.

TGA: Brauchen wir parallel zum Mikro-KWK zusätzlich ein Energiemanagement für den Haushalt, um Stromspitzen zu kappen bzw. das Einschalten von Haushaltsgeräten mit dem Wärmebedarf und damit mit dem Stromangebot durch das Mikro-KWK zu koordinieren?

Gähler: Das wäre vorteilhaft. Bei neuen Hausautomationssystemen ist der Schritt zu einer solchen Funktionalität nicht mehr groß. Es könnten dann beispielsweise auch die Einschaltzeiten großer Stromverbraucher mit den Einschaltzeiten der Stirlingmaschine abgestimmt werden. Es ist aber keineswegs Voraussetzung für den sinnvollen Betrieb eines KWK, dass ein solches System ins­talliert ist. Dann bezieht man eben bei einer Lastspitze den fehlenden Strom aus dem öffentlichen Netz und speist bei niedriger elektrischer Last den überschüssigen Strom ­wieder ins Netz zurück.

TGA: Stirlingaggregate haben einen vergleichsweise geringen elektrischen Wirkungsgrad. Lohnt es sich denn überhaupt, das bisschen Strom ins öffentliche Netz zu speisen?

Gähler: Finanziell lohnt sich das Einspeisen für den Mikro-KWK-Betreiber natürlich nur dann, wenn das EVU eine angemessene Einspeise­vergütung, das heißt knapp unter dem StromBezugspreis, anbietet. Andersherum: Eine fehlende Koordination zwischen Stromverbrauchern und Stirlingmaschine macht sich finanziell umso negativer bemerkbar, je niedriger der Einspeisetarif ­unter dem Bezugstarif liegt. Die öffentliche Hand sollte die EVU aber aus übergeordneten Gründen dazu motivieren, angemessene Einspeisever­gütungen anzubieten.

TGA: In verschiedenen Studien wird die ­Kombination von Mikro-KWK und Backup-Heizgerät als unwirtschaftlich bezeichnet. Brauchen wir in gut wärmegedämmten ­Einfamilienhäusern überhaupt ein Backup-Heizgerät? Reicht denn beim Einsatz ent­sprechender Pufferspeicher in Kombination mit einem Speichermanagement das Mikro-KWK-Gerät nicht aus, den Heizwärme- und Warmwasserbedarf zu decken?

Gähler: Wir denken, es ist generell sinnvoll, einen Zusatzbrenner zu haben. Dann kann die ­Stirlingmaschine entsprechend kleiner aus­gelegt werden, so dass sie den Grundbedarf an Wärme gerade abdeckt und eine hohe Anzahl von Volllaststunden erreichen kann. Die Hersteller von ­Mikro-KWK tendieren ohnehin dazu, auf ein Backup-Heizgerät zu verzichten und nur einen ­Zusatzbrenner einzubauen.

TGA: Ich komme nochmals zurück zur ersten Frage: Lohnt sich der Aufwand für ein Mikro-KWK, wenn der Heizwärmebedarf immer geringer wird? Die Anschaffungskosten sind höher, auch die Wartungs- und Servicekosten. Niemand weiß bislang, wie betriebssicher dieses System ist. Endverbraucher könnten zudem Bedenken wegen der „Motoren­geräusche“ haben.

Gähler: Da sind wir zuversichtlich. Allerdings muss ich sagen, dass Siemens ja nur die Steuerung für die Stirling-Heizgeräte an seine Kunden liefert. Die Heizgeräte kommen von namhaften Heizkesselherstellern. Diese rechnen damit, dass sich die Mehrkosten bei der Investition gegenüber einem normalen Gaswandkessel innerhalb von wenigen Jahren amortisieren, vor allem aufgrund eingesparter Stromkosten sowie den Einnahmen aus der Einspeisevergütung für selbst produzierten, überschüssigen Strom. Die Betriebssicherheit schätze ich eher höher ein als bei einem konventionellen Gaskessel, da beim Ausfall des Brenners zum Antrieb des Stirlingmotors der Backup-Brenner einspringen kann. Wartungs- und Servicekosten sowie Geräuschentwicklung liegen im Einflussbereich der Heizgerätehersteller. Deswegen können wir dazu keine Auskunft geben.

TGA: Siemens hat für Mikro-KWK mit Stirlingmotorantrieb bereits eine Regelung entwickelt und diese auch auf der zurückliegenden ISH vorgestellt. Wo liegen die Herausforderungen einer solchen Regelung?

Gähler: Zusätzlich zur Temperatur des Kesselwassers muss – je nach Konstruktion – auch noch die Temperatur des Maschinenkopfs geregelt werden. Die ganze Anlage ist so gesteuert, dass die Stirlingmaschine einen möglichst großen Anteil des Wärmebedarfs deckt und der Zusatzbrenner nur zur Abdeckung der Spitzenlast in ­Betrieb gehen muss. Nur so können die anvisierten Kosten-, Energie- und CO2-Einsparungen auch erreicht werden. Wir setzen hier insbesondere auf ein intelligentes Speichermanagement und eine der Witterung angepasste Steuerung von Nachtabsenkung und morgendlicher Aufheizphase. Hilfreich ist hier sicher auch die Entwicklung von Regelungskonzepten, die die Wettervorhersage mit einbeziehen.

TGA: Wo liegen die sicherheitskritischen ­Betriebszustände eines Mikro-KWK-Geräts?

Gähler: Im Fall eines Stirling-Heizgeräts sind dies vor allem die Netzüberwachung bzw. Netzan­kopplung und die Verbrennungs­technik. Für beide Bereiche hat ­Siemens bereits für andere Anwendungen bewährte, robuste Lösungen entwickelt, die wir übernehmen konnten.

TGA: Lohnt sich eine Netzeinspeisung bei Netzparallelbetrieb und wie reagieren die EVU darauf?

Gähler: Netzparallelbetrieb lohnt sich auf jeden Fall dann, wenn der erzeugte Strom für den Eigenbedarf des Betreibers verwendet werden kann. Netzeinspeisung lohnt sich im Prinzip immer, wenn die Einspeisevergütung für Strom pro Kilowattstunde höher ist als der Gasbezugspreis.

Wenn man aber vor der Entscheidung steht, eine Stirlingmaschine zu kaufen und nach der Amortisationszeit für die höheren Anschaffungskosten etwa gegenüber einem Brennwertkessel fragt, hat natürlich die Höhe der Einspeisever­gütung eine andere Bedeutung: Je höher die Einspeisevergütung, desto kürzer die Amortisationszeit. Die EVU sollten deshalb angemessene Einspeisevergütungen anbieten, die sich mindestens an den Strombezugspreisen der Endkunden orientieren, damit Hauseigentümer einen Anreiz haben, in KWK-Anlagen zu investieren. Nur so lässt sich das große Potenzial zur Energie- und CO2Einsparung nutzen. Die Politiker sollten die ­Energieversorger in dieser Hinsicht in die Pflicht nehmen. Alle Untersuchungen und Studien sprechen für die Kraft-Wärme-Koppelung. Sie ist ein sehr wirtschaftlicher Weg, um den vereinbarten Zielen bezüglich Klimaschutz und Energieein­sparung näher zu kommen.

TGA: Vielen Dank für das Gespräch.

» Die Primärenergieeinsparung eines Mikro-KWK ist bei optimaler Steuerung und Auslegung des Systems fast unabhängig vom Dämmstandard.«

» Netzeinspeisung lohnt sich bei vorhandenen Anlagen immer, wenn die Einspeisevergütung für den Strom höher als der Gasbezugspreis ist.«

» Die Heizkesselhersteller erwarten, dass sich die Investitionsmehrkosten für Mikro-KWK schon nach wenigen Jahren amortisieren.«

Conrad Gähler

„Ein Stirling-Aggregat lässt sich zwar auch mehrmals am Tag ganz abschalten. Wir können das mit vorausschauender Fahrweise aber oft vermeiden.“" class="chapter-heading">

Conrad Gähler

„Ein Stirling-Aggregat lässt sich zwar auch mehrmals am Tag ganz abschalten. Wir können das mit vorausschauender Fahrweise aber oft vermeiden.“

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