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Normenexkurs

Was ist eine Klimaanlage?


Was ist eine Klimaanlage? TGA-Planer kennen das Problem zur Genüge: Bei der Grundlagen­ermittlung wird noch von einer Klimaanlage gesprochen, zum Schluss darum gerungen, ob überhaupt eine maschinelle Lüftung erforderlich ist. Die geregelte Be- und Entfeuchtung sind im Projektverlauf unter den Tisch gefallen, falls sie nicht mindestens gesetzlich vorgeschrieben sind – und selbst die Kühlung der Luft wird zur Disposition gestellt oder zur Nachrüstoption deklariert. Obwohl aus den zu kalkulierenden Lasten hervorgeht, dass die gewünschten Raumkonditionen ohne entsprechende Technik niemals eingehalten werden können.

Konnten TGA-Planer ihren Kunden anhand von DIN 1946 Teil 1 und 2 oder mit einem Auszug aus dem Klimatechnik-Standardwerk „Recknagel“ [1] die Einteilung Lüftungsanlage/Teilklimaanlage/Klimaanlage bisher übersichtlich erläutern, müssen sie heute immer öfter ein „Aber“ einfließen lassen. Denn viele neue Regelwerke definieren eine Klimaanlage nicht mehr auf Basis von vier unabhängig voneinander regelbaren thermodynamischen Behandlungsfunktionen, sondern werten mitunter mit dem Begriff Klimaanlage auch reine Lüftungsanlagen über ihren tatsächlichen Funktionsumfang hinaus auf. Der nachfolgende Normenexkurs kann die eingangs gestellte Frage bezogen auf die Erfüllungspflicht des Planers nur unbefriedigend beantworten und will vorrangig auf Fettnäpfchen und kritisch auf Rückschritte in der Normung hinweisen.

Mit der europäischen Normung und der notwendigen Harmonisierung der nationalen Normen waren und sind Veränderungen zwangsläufig erforderlich. Dies erfordert, auch von ausschließlich in Deutschland tätigen Planer, Ausführenden und Lehrenden, dass sie sich kontinuierlich auf die Veränderungen einstellen müssen – schon allein, um eindeutig kommunizieren zu können und um Missverständnisse oder sogar Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Klassifikation(en) von RLT-Anlagen

Mit den Bildern 1 und 2 zur Klassifikation von RLT-Anlagen nach der Lüftungsfunktion, der thermodynamischen Behandlungsfunktion und der Luftart (Tabelle 1) existiert(e) bisher in Deutschland eine eindeutige Darstellung, um eine Klimaanlage zu definieren. Liegt das Unbehagen bei den Normenanwendern nur am schleichenden Abschied von Gewohntem und dem Aufteilen des Stands der Technik auf viele einzelne Normenwerke, oder bringen die europäischen Normen einmal mehr auch eine Erosion bei der eindeutigen Beschreibung technischer Standards und erschwert damit das Arbeiten, statt es zu vereinfachen?

In DIN EN 12599 [3] (Ausgabe 2000) erfolgt beispielsweise eine Klassifikation, die sich außer der Abkürzung der englischsprachigen Bezeichnung der Luftbehandlung, nicht von der im Recknagel unterscheidet (Tabelle 2). Mit dem Erscheinen von DIN EN 12792 [4] im Jahr 2004 wurden insbesondere, z.T. über Jahrzehnte in Fleisch und Blut übergegangene Formelzeichen, für die Temperatur (neu: ) und den Luftvolumen- bzw. -massenstrom (neu: qv bzw. qm), die Last (Wärmestrom) (neu: ) und Indices geändert. Aus gleichem Regelwerk können Definitionen für Lüftungs-, Klimaanlage und Luftbehandlungsgerät entnommen werden (Tabelle 3).

Im 2005 erschienenen Entwurf von DIN EN 13779 [2] – Ersatz für DIN 1946-2 – wurden neben der neuen Definition der Luftströme (auch in englisch und französisch) die Grundarten der Anlagen wiederum neu definiert (Tabelle 4 und Tabelle 5). Die im September 2007 herausgegebene Fassung von DIN EN 13799 [7] erwartet nun aber bereits vom Anwender, dass er die englischsprachigen Abkürzungen der Luftvolumenströme schon verinnerlicht hat. Wie die Gegenüberstellung in Tabelle 6 verdeutlicht, gibt es nur noch die Dreibuchstaben-Abkürzungen aus den englischen Bezeichnungen. Die Einführung der Bezeichnungen für die Einzelraumgeräte ist vermutlich eine Erweiterung um die bekannte Darstellung nach Bild 1 bzw. Tabelle 1. Die Interpretation der englischen Abkürzung ist für den Normenanwender nur durch Raten, Drittquellen oder den Kauf einer englischen Ausgabe von [7] möglich. Weiterhin sind die Klassifikationen nach den thermodynamischen Luftbehandlungen entfallen, die jetzt ersatzweise als „Aufgaben der Lüftungs- und Klimaanlagen und Anlagentypen“ (Abschnitt 6.3 in der Norm) beschrieben werden:

  • Lüftungs- und Klimaanlagen und Raum­kühlsysteme haben die Aufgabe, die Raumluftqualität und die thermischen Bedingungen und die Feuchte im Raum so zu beeinflussen, dass im Voraus getroffene Festlegungen erfüllt ­werden…
  • Lüftungsanlagen bestehen aus einer Zu- und Abluftanlage und sind gewöhnlich mit Filtern für die Außenluft sowie Heiz- und Wärmerückgewinnungseinrichtungen ausgerüstet. …
  • Die Grundkategorien der Anlagenart sind ­abhängig von der Möglichkeit, die Raumluftqualität zu beeinflussen sowie davon, auf ­welche Weise und wie sie die thermodynamischen Eigenschaften im Raum regeln. …
  • Mögliche Behandlungen der Luft zur Veränderung des hygrothermalen Umgebungsklimas (Raumklimas) sind: Heizen, Kühlen, Befeuchten und Entfeuchten. Für eine Klassifizierung ist eine Funktion nur dann gültig, wenn die Anlage in der Lage ist, diese Funktion so zu regeln, dass die vorgegebenen Bedingungen im Raum hinsichtlich der Grenzen erfüllt werden können (z.B. eine ungeregelte Entfeuchtung in einer Kühleinheit kann nicht als Entfeuchtung betrachtete werden).
  • Die Anlagenfunktionen sind entsprechend ­ihrer Relevanz aufzulisten:
  • – Lüftung
  • – Heizung
  • – Kühlung
  • – Befeuchtung
  • – Entfeuchtung

Darüber hinaus enthält DIN EN 13799 [7] ­weitere Definitionen, beispielsweise:

  • <b>Raumkühlsystem:</b> Vorrichtung, die in der Lage ist, die Behaglichkeitsbedingungen in einem Raum innerhalb eines definierten ­Bereichs zu halten
  • <b>Lüftungsanlage:</b> Kombination von Geräten zur Versorgung von Innenräumen mit Außenluft und zur Abführung verschmutzter Raumluft

sowie eine Zuordnung der Anlagen nach der Art der Regelung des Umgebungsklimas in einem Raum. Danach erfolgt bei „Nur Luftanlagen“ die Regelung durch die Lüftungsanlage allein. Bei „Kombinierten Systemen“ erfolgt sie durch die Lüftungsanlage in Verbindung mit anderen Einrichtungen; als Beispiele werden „Heizvorrichtung“, „Kühldecken“ und „Radiatoren“ angegeben.

„Klimaanlage“ in der EPBD

Mit der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD: Energy Performance of Buildings ­Directive, 2002) in der Normung und im nationalen Recht gibt es weitere Regelwerke, die sich mit der „Klimaanlage“ auseinandersetzen. Allen voran die Energieeinsparverordnung 2007 [8] und die von ihr für Nichtwohngebäude in Bezug ­genommene Vornorm DIN V 18599 [6]. Darin sind u.a. folgende Definitionen und Einteilungen zu finden:

  • <b>Konditionierung:</b> Ausbildung bestimmter ­Bedingungen in Räumen durch Heizung, ­Kühlung, Be- und Entlüftung, Befeuchtung, Beleuchtung und Trinkwarmwasserversorgung (Anmerkung: die Konditionierung hat das Ziel, die Nutzungsanforderungen an Innentempe­ratur, Frischluft, Licht, Luftfeuchte und/oder Trinkwarmwasser zu erfüllen.) [6, Teil 1]
  • <b>RLT-Anlage:</b> lufttechnische Anlage mit maschineller Luftförderung zur Erfüllung der raumlufttechnischen Aufgabe [6, Teil 3]

Die Systematik der RLT-Anlagen nach DIN V 18599 findet sich dort in Teil 7 (Bild 3), wobei die beiden Systeme wie folgt festgelegt sind:

  • <b>Zentrale Systeme: </b>Zentrale Außenluftaufbereitung (Gebäude-, abschnitts- oder geschossweise) und Verteilung der Zuluft über Luft­kanalsysteme, unabhängig von der Art der zusätzlichen Raumkühlung
  • <b>Dezentrale Systeme:</b> Raumweise Außenluftaufbereitung oder natürliche Lüftung über Fenster. Zusätzliche Raumkühlsysteme mit Wasser oder Kältemittel als Wärmeträger

In EPBD und EnEV wird auf die energetische Inspektion von Lüftungs- und Klimaanlagen eingegangen, wobei der Begriff „Klimaanlagen“ hier nur im Zusammenhang mit dem Kältebedarf relevant ist. Auszugsweise zur Verdeut­lichung:

  • <b>Aufrechterhaltung der energetischen Qualität:</b> Anlagen und Einrichtungen der Heizungs-, Kühl- und Raumlufttechnik sind vom Betreiber sachgerecht zu bedienen. [8, § 11, Abs. 3]
  • <b>Energetische Inspektion von Klimaanlagen:</b> Betreiber von in Gebäuden eingebauten Klimaanlagen mit einer Nennleistung für den Kältebedarf von mehr als 12 kW haben … ­energetische Inspektionen … durchführen zu lassen. [8, § 12, Abs. 1]

Europäische Normen im Rahmen der Um­setzung der EPBD sind die beiden Leitlinien für die Inspektion von Lüftungsanlagen (DIN EN 15239) und Klimaanlagen (DIN EN 15240) [5] und seit August 2007 verbindlich. In der Norm findet sich eine weitere Einteilung der Klima­anlagen, wobei eine Klimaanlage wie folgt definiert wird:

  • <b>Klimaanlage [nach Hauptteil]:</b> Eine Kombination sämtlicher Bauteile, die für eine Form der Luftbehandlung erforderlich sind, bei der die Temperatur möglichst gemeinsam mit der Belüftung, der Feuchte und der Luftreinhaltung geregelt wird.
  • <b>Klimaanlage [nach Anhang A (informativ)]:</b> Klimaanlagen sind verteilte Systeme, die zu Festlegungszwecken in die einzelnen Teilsysteme unterteilt werden sollten [Tabelle 7]. Die vollständige Klimaanlage ergibt sich aus der Summe der Teilsysteme.

So kann danach eine Klimaanlage, wie in Tabelle 8 dargestellt, beschrieben werden. Andererseits fokussiert sich die Norm aber vorrangig auf Kühlsysteme und nimmt folgende Unterteilung vor:

  • <b>Kühlenergie-Verteilsystem (CED-System [cooling energy distribution system]):</b> Teilsystem, bei dem die Kühlenergie vom ES-System zum CEE-System durch ein Verteiler­medium (z.B. Luft, Wasser, Kältemittel) transportiert wird, einschließlich der Steuer- und Regelsysteme
  • <b>Kühlenergie-Emissionssystem (CEE-System [cooling energy emission system]):</b> Teilsystem, bei dem die Kühlenergie an den Raum abgeben wird (z.B. Luftaustrittsöffnungen, Gebläsekonvektoren, Kühldecken, Oberflächenkühlung) einschließlich der Steuer- und Regelsysteme.
  • <b>Kühlenergie-Erzeugungssystem (CEG-System [cooling energy generation system]):</b> Teilsystem, bei dem die Kühlenergie durch Kälteeinheiten erzeugt wird (z.B. Kühler, Absorbereinheiten, Wärmepumpen) einschließlich der Steuer- und Regelsysteme.
  • <b>Energieversorgungssystem (ES-System [energy supply system]): </b>System, das die für das CEG-System erforderliche Energie bereitstellt (z.B. Strom, Gas, Solarenergie) einschließlich der Steuer- und Regelsysteme.

Anmerkungen zur Tabelle 8 weisen daraufhin, dass die ausführliche Auflistung der Hauptbestandteile durch Aufnahme weiterer Nummern möglich ist und dass fehlende Hauptbestandteile optional hinzugefügt werden können. Dass nur auf Kühlsysteme Bezug genommen wird, dürfte mit den Festlegungen der EPBD (s.o.) zusammenhängen. Die Befeuchtung wird weder im Hinblick auf die Hygiene (VDI 6022) noch bezüglich des Energieverbrauchs (Dampfbefeuchtung) in Erwägung gezogen.

Schlussfolgerungen

Insbesondere in den neueren Normen wird bereits vielfach in den Vorbemerkungen darauf hingewiesen, (z.B. in DIN EN 13779 [7]), dass die wichtigste Aufgabe für Auftraggeber, Planer und Installateure darin besteht, die notwendigen Angaben (Rand- und Nutzungsbedingungen) und Auslegungskriterien zu vereinbaren und zu protokollieren. Neben vertraglichen Regelungen soll dies auch der Verständigung zwischen den am Werk Beteiligten und dem Betriebs- und Wartungspersonal dienen.

Diese Vorgehensweise ist grundsätzlich ­richtig. Anspruch und Wirklichkeit können aber schnell auseinanderklaffen, wenn Normen, die sich auch untereinander in Bezug nehmen, unterschiedliche Definitionen und Begriffe ­verwenden. Komplikationen sind so vorprogrammiert. Zudem steigt der Aufwand beim Planer, der ohnehin bei HOAI-Aufträgen immer seltener mit den Grundleistungen beauftragt wird. Und ­welcher Auftraggeber wird etwas vertraglich ­vereinbaren, wenn er nicht über die notwendigen Fachkenntnisse verfügt? Oder muss er dazu noch einen zusätzlichen Berater hinzuziehen? In diesem „Wirrwarr“ sind spätestens mit der ­Fertigstellung einer RLT-Anlage juristische Aus­einandersetzungen vorprogrammiert, wenn beispielsweise bei der Bestellung an eine „Klima­anlage“ gedacht, aufgrund von vereinbarten Regelwerken aber nur eine „Luftkühlanlage“ ­geliefert wurde.

Die Argumentation, dass das Primat die Gewährleistung der Raumluftqualität bzw. Raumluftparameter nach DIN EN 15251 (Entwurf) [9] hat und es mehrere technische Lösungen gibt, erscheint plausibel. Aber die Beschreibung der technischen Lösungen müsste dazu auch unter europäischen Bedingungen plausibel nachvollziehbar und eindeutig sein.

Diesen Anspruch können die jüngst veröffentlichten „Klimatechnik“-Normen nicht erfüllen. Statt Handelshemmnisse abzubauen und die ­Planung sowie das Miteinander zwischen Auf­traggeber und Auftragnehmern zu erleichtern, ­verursachen sie für die Lehre (Unterrichts­materialien, Lehrgänge, Praxisausbildung, ­Literatur), für Veröffentlichungen sowie für Planer, Auftraggeber und Ausführende einen ­erheblichen zeitlichen und kostenmäßigen ­Aufwand, um immer auf dem Laufenden zu sein, bzw. um auf Unstimmigkeiten hinzuweisen. Zudem ist zu befürchten, dass durch den hohen Interpretationsspielraum Sachverständige und ­Gerichte bei immer mehr Aufträgen das letzte Wort haben.

Literatur

[1] Recknagel/Sprenger/Schramek: Taschenbuch für Heizung + Klimatechnik. München: Oldenbourg Industrieverlag, 73. Auflage, 2007/2008

[2] DIN EN 13779 (Entwurf): Lüftung von Nichtwohngebäuden – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen an die Lüftungs- und Klimaanlagen. Berlin: Beuth Verlag, Juli 2005

[3] DIN EN 12599 Lüftung von Gebäuden – Prüf- und Mess­verfahren für die Übergabe eingebauter raumlufttechnischer Anlagen. Berlin: Beuth Verlag, August 2000

[4] DIN EN 12792 Lüftung von Gebäuden – Symbole, Termino­logie und graphische Symbole. Berlin: Beuth Verlag, Januar 2004

[5] DIN EN 15240 Lüftung von Gebäuden – Gesamteffizienz von Gebäuden – Leitlinien für die Inspektion von Klimaanlagen. Berlin: Beuth Verlag, August 2007

[6] DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden – ­Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung, 10 Teile. Berlin: Beuth Verlag, Februar 2007

[7] DIN EN 13779 Lüftung von Nichtwohngebäuden – Allgemeine Grundlagen und Anforderungen an die Lüftungs- und Klimaanlagen. Berlin: Beuth Verlag, September 2007

[8] EnEV 2007: Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Gebäudetechnik bei Gebäuden; BGBl. 34, 26. Juli 2007

[9] DIN EN 15251 (Entwurf) Bewertungskriterien für den Innenraum einschließlich Temperatur, Raumluftqualität, Licht und Lärm. Berlin: Beuth Verlag, Juli 2005

Achim Trogisch

Prof. Dr.-Ing., lehrt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH) im Fachbereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik auf dem Gebiet TGA. Telefon (03 51) 4 62 27 89 E-Mail: trogisch@mw.htw-dresden.de http://www.htw-dresden.de/mb

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