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Geothermiekonzept

Thermisch aktivierte Fassade

Die Idee, eine zweischalige Klinkerfassade um ein konventionelles Flächentemperiersystem mit angebundener Geothermie zu ergänzen, hatte zunächst einige Zweifler. Jedoch belegte die Praxis schnell, dass die Fassade dadurch das ganze Jahr auf 15 °C temperiert ist, was die Temperaturdifferenz von außen nach innen auf 5 °C begrenzt. „Unser Ziel war es, ein neues Verfahren für die Fassaden-Temperierung unter Ausnutzung der geothermischen Energie des Erdreichs zu entwickeln. Wir haben uns dabei folgende Grundfrage gestellt: Wie können wir die geothermische Energie nutzen, um mit ihr ganzjährig den Bedarf der Heiz- und Kühl-Grundlast im Bürobereich der Immobilie zu decken“, berichtet Jürgen Makel vom Planungsbüro Makel aus Oelde/Westfalen.

Das Projekt, das ohne Integration einer Wärmepumpe auskommt, verlief für alle Beteiligten positiv. Die praktische Umsetzung gab den Planern Recht und belohnt den Bauherrn mit kostengünstiger Wärme im Winter sowie einer angenehm kühlen Raumtemperatur im Sommer. Bei der Lösung handelt es sich um eine planerische Innovation. Jürgen Makel erklärt: „Die Aktivierung einer Außenfassade mit einem Flächentemperiersystem ist bislang einzigartig und wurde deshalb von uns zum Patent angemeldet.“

10 bis 12 °C reichen aus

Dem Klinkergebäude der Verwaltung der Klimatechnik-Experten Mefus & Frisch (Baujahr 2004) ist die innovative Lösung von außen nicht anzusehen. Dabei wurde der gesamte erste Stock mit einem 250 m2 großen Bürobereich mit der Außenhüllen-Aktivierung ausgerüstet. Dafür verbauten die Planer 200 m2 des Uponor Flächenheiz- und -kühlsystems Tecto. Das System ist direkt mit der geothermischen Energie verbunden: In einer Tiefe von 30 bis 300 m unter der Erdoberfläche liegen dauerhaft Temperaturen von über 10 °C vor. Diese kostenlose Energie galt es, effizient und nachhaltig mit geringem Zusatzenergieaufwand zu nutzen.

Für die Versorgung der Außenfassade mit dem erdtemperierten Wasser reichen vier von insgesamt 15 Erdsonden aus, die alle auf 100 m Teufe angelegt sind und neben dem Hauptgebäude ebenfalls eine Halle mit Erdwärme versorgen. Dabei hat das durch die PE-X-Rohre des Tecto-Systems fließende Geothermiewasser ganzjährig ein Vorlauftemperaturniveau von 10 bis 12 °C. Es dient im Winter zur Fassadenerwärmung und im Sommer zur Fassadenkühlung. Das zweischalige Mauerwerk, das bei diesem Objekt verwendet wurde, nutzt die 3 cm starke Systemplatte des Flächentemperiersystems für eine funktionale Dämmung. So entsteht quasi eine thermische Sperrschicht, die die Außenschale zusammen mit dem Klinker je nach Außentemperatur auf in der Regel 15 °C wärmt oder kühlt.

Im Sommer wird die über das Fassadentemperiersystem abgeführte Wärmeenergie dem Erdreich zugeführt. Der erschlossene Geothermiespeicher wird so zusätzlich regeneriert und stellt dann dem System zeitversetzt im Winter genügend Wärmeenergie zur Fassadenerwärmung zur Verfügung. Die auf diesem Weg in der warmen Jahreszeit in das Erdreich eingespeiste Wärme-Energie kann nach den Erfahrungen der ersten Betriebsjahre des Systems bis in den April hinein eingesetzt werden. Somit entsteht ein kostengünstiger und umweltfreundlicher Energiekreislauf, mit dem sich der komplette Heiz- und Kühlbedarf abdecken lässt. Der Beleg: Die vorsorglich von Mefus & Frisch installierte Wärmepumpe zur Deckung der Grundlast in Spitzenzeiten kam seit Inbetriebnahme des Gebäudes nicht zum Einsatz.

Kostengünstige Geothermie

Neben der geothermischen Energie wird für die Aktivierung der Außenfassade auch Sonnen­energie genutzt. An heißen Sommertagen sind bei intensiver Sonneneinstrahlung in der Klinkerfassade Spitzenwerte von 75 bis zu 100 kW erreichbar. Gerhard Frisch zur Nutzung der Sonnenenergie: „Temperaturfühler in allen Fassadenbereichen liefern die Informationen, um die Verteilung des Heiz- bzw. Kühlwassers in den vier Fassadenausrichtungen über die Rohre des Flächentemperiersystems gezielt zu steuern. Sollte etwa bei Sonneneinstrahlung die Fassadentemperatur auf der Südseite einen definierten Temperaturwert überschreiten, kommt es durch einen automatischen Austausch des Mediums mit einer kühleren Fassadenseite zu einer effizienten Temperaturregulierung.“ Darüber hinaus sorgt die solare Aufheizung des Wassers in den Systemrohren dafür, dass dem Erdreichspeicher noch mehr Wärmeenergie zugeführt wird.

Mit der Inbetriebnahme der Außenhüllen-Aktivierung begonnene Messungen haben ergeben, dass die Temperatur im Erdreich bis zum Beginn des ersten Winters um 4 K und im zweiten Winter um 2 K zugenommen hat. Für Planer Jürgen Makel ist dies ein gewünschter Teil des energetischen Kreislaufs: „Diese geothermische Temperaturerhöhung entsteht durch die Energiezufuhr aus dem Sommerbetrieb der Fassadentemperierung. Die im Sommer von der Erde gespeicherte Wärmeenergie wird im Winter wieder über die Rohre der Flächentemperierung zur Aktivierung der Außenfassade abgegeben. So entsteht ein Energiekreislauf mit kostengünstiger und regenerativer Energie.“ Die messbaren Temperaturschwankungen im Erdreich betreffen dabei lediglich einen engen Radius um das Bohrloch. Im praktischen Betrieb der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass die damit geschaffenen geothermischen Energiereserven selbst bei langen, kalten Wintern ausreichen.

Neben der kostenlosen geothermischen Energie wird für den Betrieb der Außenfassadentemperierung mit Sole lediglich elektrische Energie für den Betrieb einer Umwälzpumpe benötigt. Der Stromverbrauch der eingesetzten Pumpe ist abhängig von der vorhandenen Gebäudegröße und wird für den Transport von Geothermiewasser mit einer Leistung von 150 W angesetzt. Bei Mefus & Frisch hat sich der Planer für eine Systemtrennung durch einen Plattenwärmeübertrager entschieden. Dieser ermöglicht es, das Wasser in den Tecto-Systemrohren mit einer Glykolmischung zu betreiben, um ein eventuelles Einfrieren auszuschließen. Weitere Energiekosten zur Deckung der Gebäudegrundlast entstehen nicht.

Dünne Isolierung dämmt maximal

Trotz der thermischen Dämmwirkung der temperierten Außenfassade wurde von Planer Jürgen Makel eine Dämmung nach EnEV vorgesehen. Der hier verwendete Wandaufbau besteht aus Stein, einer 10 cm Isolierschicht aus Mineralwolle, 3 cm Tecto-Systemplatte und schließlich einem Klinkerstein mit 11,5 cm. Zur sicheren und dauerhaften Befestigung des Flächentemperiersystems in der Fassade dient eine Verankerung mit Edelstahlträgern. Die PE-X-Rohrleitungen der Dimension 17 mm des Tecto-Flächentemperiersystems haben direkten Kontakt mit dem Klinker der Außenwand. Ihr Verlegeabstand von 15 cm untereinander wurde abhängig vom verarbeiteten Klinker und dessen Energieaufnahme bzw. -abgabe errechnet. In der Konstruktion ist die Verbindung der Tecto-Platten mit dem Klinker besonders wichtig, da der Verbund von Klinker und Rohr erforderlich ist, um einen optimalen Temperaturaustausch zu gewährleisten. Dies stellt den Kernpunkt für die Funktionalität der Energieübertragung zwischen mediumführendem Rohr und Klinker dar.

Das beschriebene System verhindert quasi automatisch eine Taupunktunterschreitung und damit auch eine Schimmelpilzbildung. Denn der spezielle Fassadenaufbau erzielt durch den Einsatz des Flächentemperiersystems und den Klinker eine maximale Dämmwirkung und Temperaturregulierung. Auch bei extremen Außentemperaturen im Sommer oder Winter ist es nicht möglich, dass diese im Gebäudeinneren eine erhöhte Kühl- bzw. Heizlast erzeugen, da die Lasten bereits innerhalb des Fassadensystems abgeführt werden.

Diese einfache und kostengünstige Art der Nutzung von geothermischer Energie über die Installation eines Flächentemperiersystems in einer Fassade lässt sich unkompliziert und wartungsarm steuern. Für den Hausherrn Gerhard Frisch heißt das: „Ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe hat unsere Außenfassade das gesamte Jahr Frühling.“

Weitere Informationen: http://www.uponor.de https://www.mefus-frisch.de/ https://www.makel.de/

Äußerst gering: Restbedarf an Energie

Käme die vom Planungsbüro Makel entwickelte Methode der Außenfassaden-Aktivierung bei einem konventionellen Reihenhaus zum Einsatz, würde der zusätzliche Energie­bedarf zum Heizen nach Berechnungen und auf Basis der praktischen Erfahrungen lediglich 2 kW betragen. Dieser niedrige, über die Grundlast hinausgehende Restbedarf ist mit Energieträgern wie Pellets oder Wärmepumpen leicht abzudecken. Jürgen Makel: „Um in ­Bädern oder anderen Räumen die individuelle und gewohnte Strahlungswärme zu ermöglichen, ist es empfehlenswert, ein zusätzliches Flächentemperiersystem in Boden, Wand und/oder Decke zu installieren. Denn dieses kommt mit sehr niedrigen Vorlauftemperaturen aus.“ Um die Kühlung der Innenräume durch die ­Außenhüllentemperierung zu unterstützen, wurden im Referenzgebäude von Mefus & Frisch zudem Beschattungssysteme installiert. Sie reduzieren im Bereich der „durchbroche­nen“ Außenhüllentemperierung die Sonneneinstrahlung über die transparenten Flächen auf ein Minimum und unterbinden so eine Aufheizung der Innenräume durch äußere Lasten.