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Michael Rader über Technologieakzeptanz

“Zuverlässigkeit vor Neuartigkeit“


TGA: Wenn es um neue Technologien geht, würden Sie den HLK-Markt eher als innovativen oder als eher konservativen Markt sehen?

Rader: Der HLK-Markt ist traditionell sehr konservativ. Dies gilt in gleichem Maße für (zu viele) Planer, Installationsbetriebe als auch für deren Kunden. Alle neigen dazu, das auszuschreiben oder zu verkaufen bzw. zu kaufen, was sie als zuverlässig kennengelernt haben. Leider gilt das Gleiche auch für viele Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, die sich viele Jahre und sogar Jahrzehnte an einmal erlernte Technologien halten, ja fast klammern.

TGA: Worin liegen die Gründe für diese konservative Einstellung im HLK-Bereich, wenn man bedenkt, dass dieselben Kunden alle paar Jahre beispielsweise Fernseher und Handys mit der neuesten Technologie kaufen?

Rader: Die Zuverlässigkeit der Systeme spielt hier eine sehr große Rolle – eine weitaus größere als „Neuartigkeit“ und Preis. Die Produkte aus dem HLK-Bereich bieten den Installationsbetrieben keine großen Margen. Falls also ein Produkt ausfällt und der Installateur eine Anlage häufiger aufsuchen muss, verliert er dabei sehr schnell Geld. Folglich versucht er Produkte zu verkaufen, mit denen er gute Erfahrungen gemacht hat und deren Zuverlässigkeit er kennt. Genau genommen ist es im HLK-Geschäft (insbesondere bei kleineren Anlagen) der Installateur oder Systempartner, der seinem Kunden ein Produkt oder eine Lösung empfiehlt. Kunden fragen nur selten gezielt nach einer speziellen Lösung eines bestimmten Herstellers, da sie typischerweise nicht über das erforderliche Wissen verfügen.

Ein weiterer, eng mit der konservativen Einstellung verbundener Grund ist die Lebensdauer der Produkte. Nach dem Einbau halten HLK-Regelungen leicht zehn, fünfzehn, zwanzig und noch mehr Jahre. Und so lange sie funktionieren, sehen die Kunden nur selten einen Grund, sie zu ersetzen. Man könnte vielleicht dagegenhalten, dass auch Fernseher oder Handys über Jahre zuverlässig funktionieren und ihre Besitzer trotzdem hin und wieder neue kaufen.

» Die Technik entwickelt sich rasant weiter, was ­Kunden an sich aber gar nicht interessiert. Bringt sie aber einen neuen Wert, ist das ein wichtiges ­Verkaufsargument. «

TGA: Und worin liegt der Grund für ein so unterschiedliches Kaufverhalten?

Rader: Nehmen wir als Beispiel das Handy: Die Technik entwickelt sich rasant weiter, was den Kunden an sich jedoch gar nicht interessiert. Die technische Entwicklung bringt dem Kunden jedoch neuen Wert und das ist ein wichtiges Verkaufsargument.

Noch vor einigen Jahren hat man Handys nur zum Telefonieren benutzt. Im Zuge der Verfügbarkeit der digitalen Hochgeschwindigkeits-Netze konnte das Mobiltelefon auch als kabelloses Modem eingesetzt werden, mit dem Geschäftsleute ihre E-Mails jederzeit und überall über Telefon auf ihre Notebooks abrufen konnten. Mit zunehmender Verarbeitungsgeschwindigkeit nahmen die Fähigkeiten der Betriebssysteme für Mobiltelefone zu. Heute ist es möglich, E-Mails direkt auf dem Handy zu schreiben und zu lesen. Man kann Kontaktdaten, Kalender und Termine verwalten. Man hat Zugang zum Internet, um zu recherchieren. Mit einem integrierten GPS-Empfänger kann man das Telefon sogar als Navigationssystem einsetzen. Die Technologien selbst sind für den Kunden uninteressant. Was könnte er mit „digitaler Hochgeschwindigkeits-Datenübertragung“ oder „einem batteriesparenden, schnellen Prozessor“ schon anfangen? „Schneller“ telefonieren? Es sind die Anwendungen, die auf diesen Technologien basieren, die den Mehrwert bieten. Für Geschäftsreisende könnte das Handy damit beispielsweise bald das Notebook ablösen.

TGA: Bedeutet das übertragen auf den HLK-Markt, dass die konservative Einstellung gegenüber neuen Technologien daraus resultiert, dass sie dem Kunden keinen ausreichenden Mehrwert bieten?

Rader: In gewisser Weise ja, doch muss man vorsichtig sein, wie man den Begriff „Kunde“ definiert. Es gibt verschiedene Arten von Kunden, für die unterschiedliche Werte entscheidend sind. Der Betreiber/Endkunde hat andere Ansprüche als der Installateur oder der Planer. Darüber hinaus können Werte auch je nach Projektgröße variieren.

TGA: Dann lassen Sie uns bezüglich der Werte einmal ins Detail gehen.

Rader: Für den Eigentümer eines Gebäudes kommt es auf problemlosen Anlagenbetrieb in Kombination mit größtmöglicher Energieeffizienz an. Was immer man macht, um den Betrieb einfacher zu gestalten oder die Energiekosten zu senken, wirkt sich positiv auf die Verkaufszahlen aus. Auch die Investitionssicherheit ist wichtig für einen Gebäudebesitzer. Hierbei gibt es zwei Aspekte: die Fähigkeit, kontinuierlich auf fortschrittlichere Lösungen aufrüsten zu können, ohne die vorhandene Anlage ersetzen zu müssen. Und die langfristige Produktverfügbarkeit: Die Kunden wären sehr enttäuscht, wenn sie die gesamte Installation austauschen müssten, nur weil eine der Komponenten nicht mehr lieferbar ist.

Der Installateur richtet sein Augenmerk hingegen eher auf eine problemlose Installation und Wartung sowie auf die Zuverlässigkeit, da sich jede Verbesserung in diesem Bereich positiv auf seine Gewinnspanne auswirkt. Bei größeren Projekten wird dabei beispielsweise das Zusammenspiel mit Produkten unterschiedlicher Hersteller immer wichtiger, während bei kleineren Projekten typischerweise nur Produkte eines einzelnen Herstellers installiert werden.

TGA: Und wo könnte technologisch angesetzt werden, um die verkaufsfördernden Mehrwerte zu bieten?

Rader: Wenn man sich ein wenig umsieht, erkennt man, dass mehrere Technologietrends bereits Fuß fassen. Zu den wichtigsten zählen TCP/IP-basierte Kommunikations- und Webtechnologien. Ein einfaches Beispiel: HLK-Lieferanten haben jahrelang erfolglos versucht, Fernsehgeräte als Bedienstationen in ihre Systeme zu integrieren, um ihren Kunden zu ermöglichen, HLK-Anlagen über den vorhandenen Fernseher zu bedienen. Über die Fernbedienung seines Fernsehers die Temperatur einzustellen, Beleuchtungsprofile anzulegen etc. wurde als enorme Verbesserung in punkto Benutzerfreundlichkeit angesehen. Die Hauptgründe dafür, dass diese Versuche fehlschlugen, bestanden in der mangelnden Standardisierung. Es gibt keinen einheitlichen Standard für die Verwendung eines TV-Geräts als Bedienstation einer HLK-Installation und es gibt ein Volumenproblem: Die Zahl der HLK-Installationen, bei denen potenziell ein TV als Bedienstation in Frage kommt, ist zu gering, um eine Spezialentwicklung der TV-Hersteller zu rechtfertigen.

Heute steigt der gesamte Unterhaltungselektroniksektor auf TCP/IP- und Webtechnologien um: Moderne Unterhaltungstechnik ermöglicht über einen integrierten Browser mit dem Fernsehgerät als „Monitor“ den direkten Zugriff auf das Internet. HLK-Systeme auf Webtechnologiebasis können leicht in eine solche Infrastruktur integriert werden, so dass die Bedienung der Anlage über das Fernsehgerät nun doch noch Wirklichkeit werden kann. Doch Webtechnologien können auch dem Installateur helfen: Anstatt sich bei einem Problem zum Ort einer Anlage begeben zu müssen, könnte er über einen Webbrowser von seinem Büro aus auf die Installation zugreifen und so Zeit und Geld sparen und die Wartungskosten niedrig halten. Wichtiger ist jedoch, dass diese Technologie die Voraussetzung für die konstante Überwachung der Kundenanlagen schafft. Die Anwendungen könnten von ganz einfachen Lösungen, wie eine Alarm­überwachung, bis hin zu erweiterten Lösungen wie vorbeugende Instandhaltung reichen. Wir werden erleben, dass Standard-Webtechnologien anbieterspezifische Modemlösungen ersetzen werden, da sie standardisiert, weit verbreitet, benutzerfreundlich und zuverlässig sind.

» Wir werden erleben, dass Standard-Webtechnologien anbieterspezifische Modemlösungen ersetzen, weil sie standardisiert, benutzerfreundlich und zuverlässig sind. «

TGA: Wann werden wir solche Anwendungen auf dem Markt sehen?

Rader: Sie sind heute schon verfügbar. Viele Forschungs- und Entwicklungsabteilungen sind jedoch noch nicht ausreichend mit ihnen vertraut, und es dauert seine Zeit, sie in der Produktentwicklung einzusetzen. Manche HLK-Anbieter haben jedoch bereits die Entwicklung in diesen ­Bereichen aufgenommen. CentraLine2) bietet beispielsweise eine breite Palette über das Internet bedienbarer Raum- und Anlagenregler an, inklusive der Anwendungen für Überwachung- und Instandhaltung (Anmerkung: vgl. Bilder). Der vollständige Fernzugriff ist über einen Standard-Webbrowser möglich. Wir kommen gerade in die Aufteilungsphase: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Wer zuerst mit neuen Anwendungen aufwarten kann, die den Kunden einen echten Mehrwert bieten, bekommt den größten Marktanteil.

TGA: Neben den vorhandenen Technologien, die Sie gerade erwähnt haben, gibt es auch völlig neue Technologieentwicklungen im HLK-Markt?

Rader: Wie gesagt, der HLK-Markt ist recht konservativ. Interessant könnte die Spracherkennung werden: Heute bediene ich das Kommunikationssystem in meinem Auto nur noch durch meine Stimme: keine Schalter, keine Knöpfe, keine Ablenkung während des Fahrens. Bei den HLK-Systemen könnte die Bedienung von Beleuchtung, Sonnenschutz und Temperatur per Sprache sehr praktisch sein. Dann könnten Sie beim Betreten eines Raums einfach „Licht an“ sagen, oder „Temperatur 20 Grad Celsius“. Dies wäre noch viel einfacher, als ein System über die Fernbedienung des Fernsehers zu steuern. Neben dem Aspekt der Bequemlichkeit gibt es auch die Kostenkomponente: Idealerweise könnten alle Lichtschalter, Sollwerteinsteller und Jalousienschalter durch ein einziges Mikrofon-/Lautsprechersystem in der Decke pro Raum ersetzt werden. Für bestimmte Kundentypen wie beispielsweise Behinderte, die Lichtschalter nicht problemlos erreichen können, Blinde oder Senioren, die in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sind, bietet die Sprachsteuerung einen besonderen Mehrwert. Es gibt noch Probleme mit diesem Konzept, beispielsweise mit der korrekten Erkennung von Befehlen während eines normalen Gesprächs. Doch in naher Zukunft wird es diese Anwendung bestimmt geben.

Eine weitere wichtige Technologie oder vielmehr eine Familie von Technologien ist der Drahtlosbetrieb. Sie hilft sowohl dem Endnutzer als auch dem Installateur: Für den Endnutzer wird die Bedienung leichter, da drahtlose Sollwerteinsteller und Schalter an Orten angebracht werden können, an denen sie für den Kunden einfach zu erreichen sind – unabhängig von der Verkabelungsinfrastruktur. Die Installation ist auch in ­bestehenden Gebäuden problemlos durchführbar, da keine Wände aufgebrochen werden müssen, um Kabel zu verlegen. Hierdurch wird die Drahtlostechnologie besonders für den nachträglichen Einbau in bestehende Gebäude interessant, denn dieser Bereich macht bereits drei Viertel des Markts aus.

Als letztes Beispiel möchte ich noch Web Services ansprechen. Sie sind ein weltweiter Integrationsstandard, der vom W3C (World Wide Web Consortium) kontrolliert wird. Web Services dürfen aber nicht mit „Webseiten“ verwechselt werden. Bei Webseiten kann ein menschlicher Bediener ein System von überall her bedienen, während Web Services einer Softwareanwendung ermöglichen, ein System von überall her zu bedienen. Dieser Standard lässt sich für die Verknüpfung aller Arten von Systemen einsetzen, da er unabhängig von Plattform und Programmiersprache funktioniert. Der ursprünglich für die Integration zwischen Internetverkaufsplattformen und Back-end-Systemen, z.B. Rechnungs-, Logistik- und Zahlungssystemen, entwickelte Standard ist auch im HLK-Markt eine sehr wertvolle Option. Er ermöglicht die problemlose Integration von Regelungssystemen in Nicht-HLK-Systeme.

TGA: Dann schlüpfe ich jetzt in die Rolle des Kunden, der nicht an der Technologie, sondern am Nutzen interessiert ist. Welchen Mehrwert bietet die Integration eines Regelungssystem in ein Nicht-HLK-System?

Rader: Es gibt verschiedene Anwendungen. Denken Sie beispielsweise an einen Flughafen. Würde eine HLK-/Beleuchtungsanlage mit dem elektronischen Flugplan verknüpft, könnten für bestimmte Terminals automatisch und vorausschauend Sollwerte verändert oder Anlagen ein- und ausgeschaltet werden, abhängig davon, ob dort gerade Flüge abgefertigt werden. Ergebnis: Geringere Energie- und Betriebskosten, da bei Flugänderungen keine manuelle Intervention erforderlich ist. Das ist für den Flughafenbetreiber bares Geld.

Ein weiteres Beispiel ist die Verknüpfung von HLK-Systemen mit Zimmerreservierungsanwendungen. An dem Tag, an dem das Zimmer gebucht wird, schaltet die Anlage auf Stand-by. Wenn der Gast sich an der Rezeption anmeldet, schaltet die Anlage automatisch auf Komfortmodus um. Bei der Abmeldung schaltet sie sich komplett ab. Für den Gast bedeutet dies einen höheren Komfort: Das Zimmer hat bereits eine angenehme Temperatur, wenn er dort eintrifft. Für den Hotelbesitzer bedeutet dies die größtmögliche Energieeinsparung: Anstatt ein Zimmer ständig im Stand-by-Betrieb zu haben, auch wenn es nicht belegt ist, kann das HLK-System abgeschaltet werden, sobald das System „weiß“, dass der Gast sich abgemeldet hat. Auch dies ist bares Geld für den Kunden.

TGA: Vielen Dank für das Gespräch.

1) Michael Rader ist Produktmarketing-Manager für „CentraLine by Honeywell“. In dieser Funktion ist er für die Gesamtentwicklung des ­CentraLine-Produktprogramms verantwortlich. Hierzu zählen auch die Identifikation von Markt- und Technologietrends und die Beurteilung ihrer geschäftlichen Auswirkungen. Rader ist diplomierter Informatiker und verfügt über jahrelange Erfahrung als technischer Leiter einer Softwarefirma und ist somit prädestiniert, neue Technologien und ihre Anwendbarkeit im HLK-Markt zu beurteilen.

2) Infos über CentraLine in der CentraLine City auf: http://www.centraline.com

Michael Rader

“Eine HLK-Regelung hält leicht zehn, fünfzehn und noch mehr Jahre. Das Problem: So lange sie funktioniert, sieht der Kunde von selbst nur selten einen Grund, sie zu ersetzen.“

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