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VDI 3805

Schlummerndes Potenzial

Sie gehört zu den umfangreichsten VDI-Richtlinien im TGA-Bereich: Die VDI-Richtlinie 3805 „Produktdatenaustausch in der TGA“. Seit mehr als zehn Jahren wird an ihr gearbeitet, 1996 erschien Blatt 1 und wurde bis Ende 2001 nochmals überarbeitet. Blatt 2 „Heizungsarmaturen“ ging 1998 als erster Anwendungsteil an den Start. In seiner aktualisierten Fassung (2003) ist es heute breit akzeptiert. Bis Ende 2007 sind 39 Blätter erschienen, davon 18 als Weißdruck, 20 befanden sich noch in der Bearbeitung, teilweise liegen schon Entwürfe vor1). Die Aktivitäten zur Etablierung der VDI 3805 als Datenaustauschstandard in der TGA wird von der Projektgruppe „Technischer Produktdatenaustausch“ der Vereinigung der deutschen Zentralheizungswirtschaft (VdZ) koordiniert. Von der VdZ wird angestrebt, die VDI 3805 in einen ISO-Standard zu überführen. Weitere Aktivitäten betreffen die Verzahnung mit der CAD-Gebäudeplanung und mit dem Datenaustausch im gesamten Lebenszyklus einer Immobilie über die IFC-Schnittstelle. Hier erfolgt eine Zusammenarbeit mit der Industrieallianz für Interoperabilität (IAI).

39 Einzelblätter und noch kein Ende abzusehen. Blatt 99 wurde für „Allgemeine Komponenten“ reserviert. Eigentlich klingt das nach einem Alptraum für jeden TGA-Planer. Doch VDI 3805 ist genau das Gegenteil. Sie ist die Lösung für manche Schwierigkeit, kann sogar die eine oder andere heute noch unvermeidbare Krise im Planungsprozess durch veraltete Daten verhindern, Fehler bei der Planung reduzieren und die Planung effizienter gestalten. Die VDI 3805 ist also genau das, wovon jeder TGA-Planer träumt. Oder träumen würde, wenn er genauer wüsste, was sie alles leisten kann. Und das schönste an ihr: Kein TGA-Planer muss sich auch nur ein einziges Blatt des Mammutwerks kaufen, er muss es nicht lesen. Er muss auch nicht wissen, was im Detail drin steht. Er kann einfach nur davon profitieren.

Enorme Vorteile

Respektive: Er könnte davon profitieren. Denn trotz erheblichem Aufwand, als Standard etabliert hat sich das Datenaustauschformat außer der vorbildlichen Umsetzung durch die Hersteller von Heizungsarmaturen noch nicht. Obwohl mittlerweile 13 Softwareanbieter die VDI 3805-Schnittstelle zumindest bei einigen ihrer Produkte unterstützen und obwohl bereits 20 marktführende Hersteller entsprechende Datensätze anbieten. Dabei verspricht VDI 3805 allen Akteuren enorme Vorteile:

  • VDI 3805 bietet eine gemeinsame Datenbasis für beliebige EDV-Systeme und TGA-typische Berechnungs-, Auslegungs-, CAD/Konstruktions-, Planungs- und Verwaltungsprogramme sowie Produktdatenbanken.
  • Jeder Hersteller muss für sein Produkt nur einen einzigen Datensatz zur Verfügung stellen. Kaufmännische, technische und geometrische Daten können zusammen verwaltet werden. Die Daten sind außerdem geeignet, die Herstellung anderer Dokumente, beispielsweise gedruckte Kataloge, zu unterstützen. Zudem können den Datensätzen Daten wie Bilder, Maßblätter, Zeichnungen, Montage- und Benutzeranleitungen und Videos zugeordnet werden.
  • Die Produktdaten können vom Hersteller schnell, einfach, kostengünstig und durch die Verwendung von Onlinedatenbanken „flächendeckend“ und zeitnah aktualisiert werden. Anwender müssen sich nicht darum kümmern, ob die verwendeten Daten noch aktuell oder bereits überholt sind. Eine redundante Datenhaltung wird vermieden.
  • Die Existenz eines verplanten Produkts ist über die Verwendung eines VDI-3805-Datensatzes sichergestellt. Nicht verfügbare Armaturennennweiten oder Heizkörperlängen können z.B. nicht versehentlich gewählt werden.
  • Die Produktdaten aller Hersteller können vom Anwender unabhängig von der eingesetzten Software verarbeitet werden.
  • Die Datensätze beinhalten technische Daten, Kennlinien und Abmessungen, vereinfachen das Ausschreiben durch Datanorm- bzw. BMEcat-Verbund über Artikelnummern/EAN, rationalisieren die Darstellung von Geometrien und Anschlussdaten sowie Störräumen, unterstützen das Planen über Einbringmaße und erlauben eine korrekte Zubehörzuordnung zu einer gewählten Konfiguration.
  • Aus den im EDV-Anlagenmodell verplanten Komponenten können Stücklisten, Massenauszüge und Leistungsverzeichnisse erstellt werden. Eine automatisierte Produktauslegung mit Auslegungsprogrammen des Herstellers kann integriert werden.
  • Durch die einheitlichen und umfangreichen Produktdaten werden Berechnen, Konstruieren und Ausschreiben viel stärker und fehlerresistent in den Planungsprozess integriert. Die Anlagenberechnung kann ohne Pflegeaufwand mit den verbrieften Herstellerdaten erfolgen. Die Produktdaten sind als Produkt­eigenschaften im Sinne zugesicherter Eigenschaften zu verstehen.
  • Durch die Verwendung einheitlicher Datenformate wird die gewerkeübergreifende und integrale Planung unterstützt. Weitere Vorteile ergeben sich bei der Anlagendokumentation und für das Facility Management.
  • Die umfangreichen Produktdaten ermöglichen einen erweiterten Leistungsumfang für Softwareanwendungen. Neben den Vorteilen neuer Funktionalitäten für die Anwender können sich die Softwareproduzenten Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Doch das bloße Vorhandensein des VDI-Datenaustauschformats reicht nicht aus, um es schnell zu etablieren. Insbesondere fehlt auch die Akzeptanz bei den Softwarehäusern, denn die TGA-Planer haben dort ihren Bedarf noch nicht deutlich gemacht, vielfach, weil sie gar nichts von den zahllosen Vorzügen wissen. Allerdings sind sie schnell für den komfortablen und sicheren Datenaustausch zu begeistern. Dr. Lutz Blaich vom Softwarehersteller Hottgenroth/ETU: „Wir haben seit einem Jahr unter anderem einen VDI-Navigator in unserem 3805-Angebot und nutzen unsere vielen Messeauftritte dazu, unseren Kunden die Vorteile zu demonstrieren. Und obwohl es eigentlich ‚nur’ ein Visualisierungstool ist – die Planer sind hellauf begeistert, wenn sie beispielsweise sehen, dass man nun ohne Aufwand eine verlässliche Geometrie in die CAD-Planung übernehmen kann. ‚Das ist genau das, was wir schon immer gesucht haben’, hören wir dann oft.“

Und auch die Hersteller, die sich mit der VDI 3805 auseinandersetzen, sind von den Potenzialen überzeugt. Torsten Weinert, Viessmann: „Die großen Unternehmen werden heute von relativ vielen Softwarehäusern angeschrieben ‚stellt uns doch bitte einmal eure Daten für unser Format zur Verfügung, wir pflegen sie dann in unser Programm ein’. Natürlich wollen wir gerne in jeder Software integriert sein. Der Arbeitsaufwand der für uns dahinter steckt, ist aber gigantisch und damit auch gigantisch teuer. Trotzdem gelingt es oft nicht, mit diesem Prinzip bei allen Marktpartnern stets aktuelle Daten vorzuhalten, weil die zumeist statische Aktualisierung durch viel zu viele Hände und Stationen laufen müsste.“

Benutzte Daten oft schon veraltet

Die Konsequenzen des bisherigen Datenflusses sind fatal: Planer arbeiten oft mit veralteten Daten. In die Ausschreibungen kommen dann beispielsweise Produkte, die so gar nicht mehr am Markt angeboten werden oder das Zubehör passt nicht zum gewählten Hauptprodukt. Und wenn dann die Ausschreibungsergebnisse vorliegen, sind Gleichwertigkeitsprüfungen bis in die planerischen und auslegungstechnischen Konsequenzen mit vertretbarem Aufwand kaum durchführbar. Auch kann das bisherige Datenhandling dazu führen, dass Produktoptimierungen zurückgehalten werden, weil die enormen Kosten für die Datenaktualisierungen im krassen Missverhältnis zum erwarteten Wettbewerbsvorteil stehen.

Mangelnde Nachfrage der Anwender ist das eine Dilemma, Vorbehalte bei den Herstellern und Softwarehäusern ein anderes. Denn mit einem einheitlichen Austauschformat wird man plötzlich austauschbar. Harald Bott, Bosch Thermotechnik: „Doch das ist nur ein vermeintlicher Nachteil. Die Erfahrungen mit dem BDH-Datensatz für Heizkörper haben solche Ängste, insbesondere der großen Hersteller, eindeutig widerlegt. Das Marktgefüge hat sich durch das einheitliche Austauschformat kaum geändert, es ist sogar eher so, dass die größeren Hersteller gepunktet haben.“ Mittlerweile gibt es sogar ein Bekenntnis der BDH-Mitglieder, die Pflege der BDH 2.0 Datensätze für Heizkörper nicht weiter zu betreiben (seit der ISH 2007), sondern aktuelle Heizkörperdaten nur noch im Format VDI 3805 Blatt6 anzubieten. Wie das Bekenntnis dann in die Realität umgesetzt wird, bleibt vorerst noch abzuwarten. Zwar unterstützen mittlerweile alle Softwarehersteller für die Heizkörper eine solche Datenschnittstelle, doch nicht jede im Markt noch genutzte Software wurde entsprechend aktualisiert.

Während der Wechsel bei den Heizkörper-Datensätzen aufgrund des schon vorher vorhandenen BDH-Datenformats mehr oder weniger reine Formsache ist, haben das kurz vor der Fertigstellung stehende Blatt18 „Flächenheizung/Kühlung“ und das Blatt 32 „Verteiler/Sammler“ das Potenzial, dem 3805-Austauschformat einen neuen Schub zu geben. Peter Leipold, Kermi: „Bisher existiert für die Flächenheizung kein einheitlicher Standard, so dass die Hersteller einer Vielzahl von Softwarehäusern Produktdaten nach deren For­maten zur Verfügung stellen müss(t)en. Das ist enorm teuer. Zudem könnte mit VDI 3805-Daten die Auslegung auch erstmals in den Planungsprozess integriert werden. Denn der überwiegende Teil der Auslegungen für eine Fußbodenheizung wird heute beim Hersteller vorgenommen. Oft von mehreren Herstellern parallel und leider häufig auch mit mangelnder Datengrundlage, z.B. einer nur überschlägigen Heizlastberechnung.“ Es wird sich zeigen, ob die Fußbodenheizungshersteller die sich jetzt bietende Chance ergreifen.

Potenziale erschließen

Die Arbeitsweisen im Planungsbüro und in der Arbeitsvorbereitung in den ausführenden Unternehmen haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Wurden noch bis vor kurzem Informationen überwiegend aus gedruckten Katalogen entnommen, liegt es heute im Interesse der gesamten Wertschöpfungskette, Daten überwiegend elektronisch auszutauschen. Um dies effizient, kostengünstig und möglichst fehlerfrei bei gleichzeitig hoher Datenqualität zu realisieren, sind einheitliche Datenformate erforderlich. Hierzu ist die VDI 3805 der ideale Ansatz.

Kostenvorteile ergeben sich schnell, wenn man als Hersteller nicht mehr viele unterschiedliche Formate bedienen muss. Zudem ergeben sich indirekte Kostenvorteile, beispielsweise weil die Marktpartner in Planung und Ausführung wirklich aktuelle Daten benutzen, aktuelle Produkte planen und bestellen und die Zubehörzuordnung einfacher und eindeutig ist. Hochwertige Datensätze sind bereits für Heizungs- und Sanitärarmaturen, Heizkörper, Wärmeerzeuger, Brenner und Lüftungskomponenten verfügbar.

Trotzdem fehlt noch der entscheidende Impuls. Die VDI 3805 ist unumstritten und in vielen wichtigen Teilen bereits vorhanden. Daten zu produzieren, ist für die Hersteller kein grundsätzliches Problem, zudem bieten einige Softwarehäuser entsprechende EDV-Unterstützung und Komplettdienstleistungen an. Zudem bietet die VdZ bereits eine branchenübergreifende „VdZ-Konformitätsprüfung“ der erfassten Herstellerdaten an, mit der Hersteller und Softwareanbieter sichergehen, dass von allen Anwendern die Daten gleich gelesen und interpretiert werden.

Nur die Nachfrage von den Anwendern lässt zu wünschen übrig, obwohl die Daten von besonderer Qualität sind und viele Vorteile bieten. Schon im eigenen Interesse sollten Planer und Ausführende der TGA/SHK-Branche deswegen Hersteller und Softwareanbieter gezielt auf VDI 3805 ansprechen und entsprechende Produktdaten und Schnittstellen fordern. Nur so kann der Markt in Bewegung geraten, um die heute bei weitem nicht ausgeschöpften Potenziale digitaler Daten bei allen Akteuren nutzen zu können. Jochen Vorländer

https://www.vdzev.de/

https://www.vdi.de/tg-fachgesellschaften/vdi-gesellschaft-bauen-und-gebaeudetechnik/fb-technische-gebaeudeausruestung

http://www.vdi3805.eu.com

1) Vorhandene Blätter: 1 Grundlagen, 2 Heizungsarmaturen, 3 Wärme­erzeuger, 4 Pumpen, 5 Luftdurchlässe, 6 Heizkörper, 7 Ventilatoren, 8 Brenner, 9 Modullüftungsgeräte, 10 Luftfilter, 11 Wärmetauscher Fluid/Wasserdampf – Luft, 14 RLT-Schalldämpfer (passiv), 16 Brandschutzklappen, 17 Armaturen für die Trinkwasserinstallation, 19 Sonnenkollektoren, 20 Speicher und Durchlauferhitzer, 22 Wärmepumpen, 23 Wohnungslüftungsgeräte. In Bearbeitung: 12 Ausdehnungsgefäße, 13 Luftbefeuchter, 15 Wärmerückgewinner, 18 Flächenheizung/Kühlung, 24 Split-Anlagen, 25 Kühldecken, 26 Bodenkanalheizkörper, 27 Induk­tionsgeräte, 28 Deckenstrahlplatten, 29 Rohre, Formstücke, Dämmung, 20 Messeinrichtungen für Heizkörperabrechnung, 31 Wärmetauscher Fluid/Wasser – Wasser, 32 Verteiler/Sammler Flüssige Medien, 33 Regelung bestimmter TGA-Komponenten, 34 Verteilerschränke, 35 Klappen, Blenden und Volumenstromregler (Weißdruck im Januar 2008), 37 Wasserkühlsysteme, 38 Dezentrale Fassadenlüftungssysteme, 99 Allgemeine Komponenten. Stand: 31. Dezember 2007.

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