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Betriebswasserversorgung

Rohstoffquelle im Hang

Föhrenbühl ist Teil der internationalen Camphill-Bewegung und betreut seit über 40 Jahren Menschen mit Behinderung. Die Pädagogik von Karl König und Rudolf Steiner ist der fachliche Hintergrund. Steiners naturwissenschaftliche Anschauung, Anfang des 20. Jahrhunderts formuliert, bestimmt den nachhaltigen Umgang der Föhrenbühler Gärtnerei mit Flora, Fauna und Boden. Das Gemüse, vor allem für den Eigenbedarf an­gebaut, entspricht den strengen Vorgaben des ­Demeter-Qualitätssiegels.

Im Juli 2004 fiel der Startschuss für ein umfangreiches Bauprogramm. Gefördert mit Bundesmitteln aus dem Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“, mit Landesmitteln durch das Oberschulamt sowie Eigenmitteln kann Föhrenbühl Werkstätten erweitern und neuen Wohnraum schaffen. Geplant sind insgesamt vier Wohn-Neubauten mit insgesamt 18 Wohneinheiten, alle nach dem KfW-40-Standard. Die Hälfte ist im ersten Bauabschnitt bereits fertiggestellt worden, im September 2006 wurde der Umbau mit Erweiterung des Werkstufengebäudes ein­geweiht. Fläche und umbauter Raum wurden dabei nahezu verdoppelt. Die nächsten Häuser ­folgen nach und nach. In den Gebäuden wird ­Betriebswasser statt Trinkwasser für Wasch­maschine, WC und Gartenbewässerung ein­ gesetzt.

Hangwasser direkt nutzbar

Eine Zisterne für die gesamte Baumaßnahme wurde vorweg erstellt. Sie sammelt das konti­nuierlich anfallende Hangwasser. Architekt Dieter Haarnagell: „Regenwasser von den Dachflächen versickern wir auf unserem Gelände oder führen es in den Feuerlöschteich, aus dessen Überlauf die Gärtnerei ihre Zisterne füllt. Ein behutsamer Umgang mit Energie und Wasser gehört schon immer zum Selbstverständnis der Einrichtung.“ So spart Föhrenbühl ca. 50 % des Trinkwassers in den angeschlossenen Häusern. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt Haarnagell. „Der Baugrund in dieser Hanglage liegt wie eine pudding­artige Masse auf dem schiefen Molassefels. ­Dazwischen sind schon immer Quellen gewesen. Bei jedem Eingriff in den Hang müssen wir vorab das Wasser ableiten, sonst rutscht der Boden ab.“ Dieses Wasser kann ohne Aufbereitung direkt für Garten, WC und Waschmaschine genutzt ­werden.

Gerd Berger, Hausmeister der Einrichtung, gießt auch die Pflanztröge im Inneren des ­Werkstattgebäudes damit. Er ist überzeugt, dass die Pflanzen das Rohwasser besser vertragen als das mit Chlor versetzte Trinkwasser. „Außerdem kann auf Energie für die Aufbereitung und den langen Transport im öffentlichen Leitungsnetz verzichtet werden – unser Beitrag zum Klimaschutz.“

Trinkwasserschutz schon ab Werk

Berger lobt das stufenweise erweiterbare Prinzip der Betriebswassernutzung. Jedes neue Haus bekommt eine eigene Versorgungsstation, die im Kellergeschoss frei aufgestellt wird. Darin befinden sich die Pumpentechnik sowie ein Vorratsbehälter. Dieser deckt etwa den Bedarf eines halben Tages ab. Gesteuert über Wasserstandssonden folgt Nachschub aus der zentralen Zisterne. Jedes Haus hat eine eigene Verbindungsleitung zur Zisterne und dort seine eigene Unterwasserpumpe. Sollte die Zisterne ausnahmsweise nicht genügend Hangwasser bieten, schaltet im jeweiligen Haus automatisch die TrinkwasserNotversorgung ein. Sie ist ein vorgefertigter Bestandteil der Versorgungsstation, also schon vom Hersteller normgerecht eingebaut. Planer, Bauleiter und Installateur profitieren davon. Die anschlussfertige Betriebswassertechnik gewährleistet so ohne Aufwand den „Freien Auslauf“ – laut Trinkwasserverordnung und DIN 1989-1 zum Schutz des Trinkwassernetzes zwingend gefordert. Die ebenfalls vorgeschriebene Kennzeichnung der Leitungen und Entnahmestellen „Kein Trinkwasser“ bietet der Anlagenhersteller als Aufkleber- und Schilder-Sets an.

Wird weniger Betriebswasser aus der Zisterne entnommen, als dieser zufließt, mündet der Überlauf in den Wiesenbach, der seit jeher von den Quellen Föhrenbühls gespeist wird. Das Regenwasser von den Dach- und Wegflächen versickert in flachen Mulden zwischen Bebauung und Gärtnerei. Es wird also, wie vor der Bebauung, zur Verdunstung und Versickerung dem bewachsenen Boden zur Verfügung gestellt.

Peter Dempfle, Geschäftsführer in Föhrenbühl, freut sich über die in den letzten zehn Jahren veränderten Bau- und Wassergesetze. „Heute rennen wir bei den Genehmigungsbehörden offene Türen ein mit unserer Vorstellung einer für Wasser, Luft und Boden nachhaltigen Bauweise.“ Fast ein ­Drittel der gesamten Dachfläche des Werkstatt­gebäudes wurde im Zuge der Erweiterung begrünt. „Wir wollen unsere Bauwerke optimal in die Landschaft integrieren – sowohl optisch als auch im Sinne der Luftqualität, des Temperaturausgleichs und des natürlichen Wasserhaushalts. Dass wir dies noch ergänzen durch die moderne Haustechnik der Betriebswassernutzung und natürlich auch durch unser tägliches bewusstes Verhalten, das sind wir den uns nachfolgenden Generationen schuldig“, fasst Dempfle die Haltung der Bauherrschaft zusammen.

https://camphill-schulgemeinschaften.de/ http://www.wisy.de

Bautafel 1. BA

Bauherr: Camphill Schulgemeinschaft ­Föhrenbühl, Heiligenberg-Steigen

Architekt: Dieter Haarnagell, Heiligenberg

Haustechnik: Markus Kast, Heiligenberg

Betriebswassertechnik: Wisy, Kefenrod

Wichtig bei Betriebswasser

Vorschriften bei der BetriebswasserInstallation im Gebäude:

  • Trinkwassernachspeisung ausschließlich durch freien Auslauf gemäß DIN 1989
  • Kennzeichnung der Betriebswasser führenden Leitungen. Diese muss farblich unterschiedlich zum Trinkwassernetz sein. Die freien Zapfstellen (z. B. Gartenwasserventile) sind zusätzlich zu beschildern.
  • Mitteilung an das Gesundheitsamt und an das zuständige Wasserversorgungsunternehmen, vor dem Bau der Anlage. Vordrucke für die Mitteilungen stellt die Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung ( <a href="http://www.fbr.de" target="_blank">http://www.fbr.de</a> ), Darmstadt, zur Verfügung. Sie sind enthalten in der Broschüre „Betriebsanleitung Regenwassernutzungsanlagen“.

Alles nur Wasser?

Betriebswasser: Nutzbares Wasser ohne Trinkwasserqualität, z.B. für Bewässerung, WC-Spülung, Waschmaschine.

Brauchwasser: Alternativbezeichnung für Betriebswasser, außerdem traditioneller (aber überholter) Begriff für Warmwasser aus Trinkwasser in Gebäuden.

Dachablaufwasser: Niederschlagswasser, wie es von Dachflächen abfließt einschließlich der dort aufgenommenen Verunreinigungen.

Regenwasser: Übliche Form des natürlichen Niederschlags neben Schnee, Hagel, Graupel, Reif, Tau, Nebel; außerdem im allgemeinen Sprachgebrauch verwendeter Begriff für Betriebswasser aus Nieder­schlägen von Dächern und anderen Oberflächen.

Grauwasser: Schwach verschmutztes Wasser, z.B. im Haushalt aus Waschmaschine, Waschbecken, Badewanne und Dusche, das unter bestimmten Umständen wieder verwendet werden kann als Betriebswasser.

Schmutzwasser: Verunreinigtes Wasser, das reinigungsbedürftig ist, z.B. Trink- und Betriebswasser nach der WC-Spülung; auch Niederschlagswasser, das von befestigten Flächen abfließt, auf denen eine Verunreinigung mit wassergefährdenden Stoffen möglich ist.

Fremdwasser: Nicht verschmutztes Wasser aus Drainagen, Brunnen, Quellen etc., das unerwünscht in die Kanalisation gelangt (und der Klär­anlage zum Teil erhebliche Mehrkosten verursacht).

Klaus W. König

Dipl.-Ing. Architekt, ö.b.u.v. Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist und Vorstandsmitglied der Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr), Überlingen, Telefon (0 75 51) 6 13 05, E-Mail: mail@klauswkoenig.com, http://www.klauswkoenig.com

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