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Energieversorgung

Gasstreit ohne Folgen?

„Wir werden künftig die Sonne und den Wind und den Erdboden nutzen…“ Dieser Satz ist keine von Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Bundeswirtschaftsminister Michael Glos ge­forderte Konsequenz aus dem nach zwei Wochen beendeten Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine, sondern eine Ankündigung von Barack Hussein Obama in seiner Antrittsrede nach der Vereidigung als 44. Präsident der USA. Um sich unabhängiger zu machen. Müssten Merkel und Co. nicht angesichts der enormen Energie­importabhängigkeit Deutschlands einen ähnliche Absichtserklärung verkünden? Bisher scheint man eher über alternative Versorgungswege nach­zudenken.

35 % des gesamten Erdgasverbrauchs bezieht Deutschland aus Russland. Tendenz nach bisherigen Prognosen: Unweigerlich steigend. Dabei könnte unsere Branche viel dafür tun, dass die Abhängigkeit und das Risiko der Erpressbarkeit gering bleiben oder sogar sinken.

Deutschland bezieht ca. 35 % seines Gasverbrauchs aus Russland. Während des Gasstreits haben Gaswirtschaft und Politik zur Beruhigung daraus ein „nur ca. 35 %“ gemacht. „Nur 35%“ sind aber bestenfalls ein Teil der Wahrheit. Denn nach den bisherigen Bedarfsprognosen wird dieser Anteil kurz- und mittelfristig steigen. Schon allein, weil die Ergiebigkeit der anderen Bezugsquellen Norwegen (aktuell 26 %), Niederlande (19 %), Inland (15 %) sowie Großbritannien und Dänemark (zusammen 5 %) rückläufig ist. Verflüssigtes, mit Tankschiffen angelandetes Erdgas wäre eine Alternative, aber bisher existiert dafür keine Infrastruktur.

40 Wintertage ohne jede Gaslieferung könnte Deutschland mit seinen 46 privat betriebenen Gasspeichern theoretisch überbrücken. Sollte es einmal soweit kommen, werden sich Wege und Mittel finden, dies sogar noch deutlich zu strecken. ­Andererseits geht die Rechnung davon aus, dass zu Beginn der Lieferunterbrechung auch alle Speicher voll und verfügbar sind. Diese Annahme ist wenig realistisch, da sie nach unternehmerischen Grundsätzen betrieben werden. Kapazitäten werden genutzt und an andere, auch an ausländische Unternehmen vermietet. Eine Lieferunterbrechung bei niedrigem Speicherstand könnte deshalb die Versorgung schon nach wenigen Wochen gefährden.

Wegen ausbleibender Gaslieferungen aus Russland hat in Deutschland niemand gefroren. In anderen Ländern war die Bevölkerung aber nicht nur ungläubig staunender Beobachter, sondern direkt betroffen. Heftiger Smog, verursacht durch das Ausweichen auf Kohle als Brennstoff, war da wohl eines der geringsten Probleme.

Europa ist im Januar 2009 vermutlich ganz dicht an einem weitgehenden Kollaps der gesamten Energieversorgung vorbeigeschlittert. Bei klirrender Kälte drohte in Frankreich wegen vieler Elektroheizungen das Stromnetz zusammenzubrechen: Die eigene, stark grundlastgeprägte und ­zugleich von einigen Ausfällen geplagte Stromerzeugung aus Kernenergie, musste über die Landesgrenzen hinweg mit großen Mengen Strom aus Kohlekraftwerken ergänzt werden. Dies kommt ­regelmäßig vor. Neu war aber, dass in anderen Ländern zeitgleich ein kollektiver Ausverkauf und Betrieb von Heizlüftern stattfand. Nur die begrenzte Lagerhaltung und steigende Außentemperaturen konnten Stromsperren oder einen Kollaps abwenden.

Der Gasstreit war eine schmerzliche Erfahrung, aus der Europa lernen müsse, so EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach der Wiederaufnahme der Erdgaslieferungen. Gleichzeitig mahnte er die Unabhängigkeit Europas von russischen Erdgaslieferungen an. Unsere Branche kann dies im Gebäudebereich ohne Weiteres bewerkstelligen. Gegenüber einer alten Gasheizung durch eine Modernisierung der Heizungsanlage 35 % des Gasverbrauchs einzusparen, erfordert Fachwissen, ist aber kein Hexenwerk. Zu den Lösungen gehören Brennwertheizungen mit Solareinbindung, Mikro-KWK-Systeme und schon bald auch Gaswärmepumpen. Sie richtig dimensioniert einzusetzen macht uns nicht abhängiger, sie ­machen uns unabhängiger.

Der Gasstreit muss Folgen haben. Aber bitte die richtigen.

Ihr

Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner

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