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Energiekonzept

Wärme aus Bier und Grundwasser

Die Brauereigaststätte St.Afra im Felde bei Friedberg mit Tagungshotel und Biergarten liegt idyllisch direkt neben der ältesten Wallfahrtskapelle nördlich der Alpen. Um den modernen Neubau in die Landschaft einzugliedern, wurde dieser architektonisch an die Kapelle angeglichen und eine alte Tradition fortgeführt: Bis 1996 stand an gleicher Stelle ein Messnerhaus, in dem über Jahrhunderte hinweg die Wallfahrer verköstigt wurden. Der Unterschied zu damals: Die neue Herberge ist energetisch und technisch auf dem neuesten Stand.

Die Vorzeichen für die Realisierung des Neubaus mit 2500 m2 Nutzfläche waren allerdings alles andere als einfach. Bei den ersten Planungen wurde für Heizen und Kühlen zunächst ein luftbasiertes System vorgesehen, das aber viel zu groß ausgelegt und energetisch „nicht ausgereift“ war. Zudem sprengte die errechnete Bausumme das Budget. Das Generalunternehmen Regnauer Fertigbau schaltete ein zweites Planerteam ein, das für das Gebäude eine ganz andere Lösung vorschlug.

Da im Bereich des Neubaus Grundwasser schon in 7 m Tiefe zur Verfügung steht, wurde die Wärmeversorgung auf dieses Medium fokussiert. Das Planerteam um Josef Hacher erstellte ein neues Konzept, das von der ausführenden Firma Reko-Tech im Bereich der Wärmerückgewinnung und der MSR-Technik weiterentwickelt wurde. Schlussendlich entstand eine Anlage, die laut Planer „für alle Beteiligten eine optimale Lösung ist“.

Optimal verlief dabei auch die Zusammenarbeit mit dem Kälte- und Klimaspezialisten Ciat. „Trotz Zeitdruck konnten wir uns auf den Hersteller verlassen“, lobt Stefan Koch von Reko-Tech die Zusammenarbeit. Ciat lieferte den Plattenwärme­übertrager, die Wärmepumpen und diverse ­Melody-Deckenkassettengeräte zur Klimatisierung der Räume im Erdgeschoss.

TGA-Planung nach dem Rohbau

„Die Hauptschwierigkeiten waren, die Technik in den dafür vorgesehenen Räumen zu platzieren und den Zeitrahmen einzuhalten“, berichtet Hacher. In nur drei Monaten musste die gesamte Haustechnik installiert werden. Im beengten Technikraum wurde ein 5000-l-Schichtenspeicher vor Ort zusammengeschweißt werden. „Normalerweise bringt man so etwas ja in den Rohbau ein. Zu diesem Zeitpunkt waren wir allerdings noch gar nicht als Planer und Ausführende im Konzept vorgesehen“, erklärt Koch.

Die gesamte Anlage wurde nach maximaler Energieausnutzung konzipiert. Ausgehend von der Energiequelle Grundwasser wurden die Kälteanlage und die Lüftung in die Wärmerückgewinnung einbezogen. Dies sind die Grundzüge des Systems, das die Planer den Alternativen Kraft-Wärme-Kopplung, Fernwärme und dem Heizen mit Holzpellets vorgezogen haben.

Der 5000-l-Schichtenspeicher puffert Heizungswasser, im oberen Bereich zur Trinkwassererwärmung nach dem hygienisch vorteilhaften Durchlaufprinzip über einen externen Plattenwärmeübertrager. Die im gesamten Gebäude installierte Fußbodenheizung (außer im EG) wird ebenfalls über den Schichtenspeicher versorgt. Die Entnahmestelle liegt in der Mitte des Speichers, die Vorlauftemperatur beträgt etwa 40 °C.

Abwärme aus Brauprozess

Eine wichtige Rolle spielt die Wärmerückgewinnung der 45-kW-Kälte-Verbundanlage, die die Bierkühlung (ein bis zweimal pro Woche wird das Hausbier St. Afra gebraut) und die gastronomischen Anlagen mit Kälte versorgt. Die Rückkühlung erfolgt durch einen Rohrwärmeübertrager (zum Leckageschutz mit doppelwandigen Rohren) im unteren Bereich des 5000-l-Schichtenspeichers. Bei höchster Auslastung der Kälteanlage in den Sommermonaten kann so der Trinkwarmwasserbedarf der Gastronomie vollständig gedeckt werden.

Reicht die Temperatur im Pufferspeicher in der Übergangszeit oder im Winter nicht aus, werden die beiden Wasser/Wasser-Wärmepumpen vom Typ Dynaciat 300 V mit einer Wärmeleistung von jeweils 104 kW in Kaskade zugeschaltet. „Für den Kältemittelkreislauf der Wärmepumpe verwenden wir das Kältemittel R 410A, das bei solchen Anwendungen hohe Jahresarbeitszahlen ermöglicht“, erklärt Max Sappl, Niederlassungsleiter Süd bei Ciat. Im Heizfall erwärmen die Wärmepumpen den Pufferspeicher so auf bis zu 60 °C.

Brunnen hydraulisch getrennt

Dem Grundwasser wird über einen geschraubten Plattenwärmeübertrager Wärmeenergie entzogen bzw. zugeführt und dann durch einen Schluckbrunnen wieder in den Grund eingeleitet. Da sich das Grundwasser in diesem Bereich in den Sanderflächen des Voralpengebiets fließend bewegt, ist nicht mit Kurzschlüssen zu rechnen. In die Grundwasserleitung wurden drei Filter eingebaut, die durch eine druckabhängige Spülung regelmäßig automatisch rückgespült werden. Die hydraulische Trennung des Brunnenkreislaufs vom internen (kalten) Wasserkreislauf wurde vorgenommen, weil dieser neben der Wärmequellenfunktion für die Wärmepumpen auch zur direkten Kühlung der Räumlichkeiten im Erdgeschoss über die Deckenkassettengeräte genutzt wird.

Im Restaurant und in den Tagungsräumen werden Heiz- und Kühllasten über RLT-Geräte mit Rotationswärmeübertragern und einem nachgeschalteten Erhitzer/Kühler gedeckt. Die Küche wird über ein Zuluftgerät belüftet. Die Wärmerückgewinnung aus der Küchenabluft erfolgt über ein Kreislaufverbundsystem. In die Kellerräume, in das Obergeschoss und das Dachgeschoss des komplett in Holzständerbauweise gebauten Gebäudes wurde eine Fußbodenheizung installiert. Bei W10/W35 erreichen die installierten Wärmepumpen einen COP-Wert von 5,6.

Gemeinsam an einem Strang

Die ausgeführte Anlage ist nicht nur bei dem Anspruch einer möglichst weitgehenden Wärmerückgewinnung vorbildlich. Auch bei der Fernüberwachung wurden die technischen Möglichkeiten realisiert. Bei einer Fehlermeldung werden die Servicemitarbeiter sofort per SMS und E-Mail informiert. So kann der Anlagenbetreiber sich auf sein Geschäft konzentrieren. Andreas Ufertinger: „Der Anruf vom Servicemitarbeiter kommt immer schneller, als ich bisher den Fehler überhaupt ­bemerken konnte.“

Ein wichtiger Grund für die erfolgreiche ­Realisierung des Bauprojekts trotz enormer ­Terminprobleme war, dass Planer, Hersteller und ausführende Firmen an einem Strang gezogen ­haben. „Wir hatten bis zu 40 Monteure auf der Baustelle“, beschreibt Koch auch die logistische Herausforderung. Die Spezialisten im ­Bereich Heizungs- und Lüftungstechnik, Kälte-, Sanitär- und Klimatechnik, sowie Mess- und ­Regeltechnik konnten allerdings auch auf ein gutes Team und Erfahrungswerte zurückgreifen. „Natürlich ist jede Anlage anders aufgebaut. Die Grundzüge sind zwar gleich, müssen aber stets sorgfältig an die individuellen Anforderungen und Nutzungsbedingungen angepasst werden“, sagt Hacher.

Der Planer aus Markquartstein und Stefan Koch aus Aschheim bei München haben schon viele Projekte gemeinsam realisiert und ihre Devise lautet dabei immer: Arbeite nicht mit dem Günstigsten, sondern mit dem Besten. So konnten die Geschäftspartner nach und nach ein Netzwerk von Planern und ausführenden Firmen über die gesamte Republik verteilt aufbauen.

Das Ergebnis ist auch in der Landgaststätte St. Afra im Felde zu sehen. Alle Beteiligten sind ­zufrieden und die idyllisch gelegene Gaststätte war kurz nach dem Start schon über Monate an den Wochenenden mit Hochzeiten und Tagungen ausgebucht. Sehen lassen können sich auch die Betriebskosten. Freudestrahlend berichtet Ufertinger, erfahrener Gastronom und Betreiber des Tagungshotels: „Wir haben in den ersten elf Monaten zum Heizen und Kühlen der Tagungsräume, Hotelzimmer, Gastronomie und Brauerei bei 2500 m2 Nutzfläche nur 2000 Euro aufwenden müssen.“Rüdiger Sinn, Stuttgart

https://www.sankt-afra.eu/

https://www.ciat.com/de/de/

https://reko-tech.de/

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