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Michael Müller über die Förderung der Effizienz von Gewerbekälte

“Effizienz ins Zentrum rücken“

TGA: Herr Staatssekretär Müller, warum ­investiert der Bund über die Klimaschutz­initiative des Bundesumweltministeriums in die Steigerung der Energieeffizienz von gewerblichen Kälteanlagen?

Müller: „Kälte“ hat einen Anteil von 14 % am Elektroendenergieverbrauch in Deutschland und ist damit einer der großen Energieverbraucher. Jede hier eingesparte Kilowattstunde reduziert die indirekten CO2-Emissionen im aktuellen Kraftwerkspark um 0,6 kg. Nach Branchenangaben liegt die Energieeinsparung für individuelle Kälteanlagen durch den Einsatz von Hocheffizienzkomponenten bei bis zu 60 %.

Die Entwicklung dieses Markts wollen wir unterstützen. Deutschland kann seine Klimaschutzziele nur erreichen, wenn Energie effizienter eingesetzt wird. Besonders deutlich ist das gerade noch einmal im Leitszenarium des Bundesumweltministeriums bis 20202) dargestellt worden. Es zeigt, dass wir bis 2020 etwa gleich große Beiträge bei der Verbesserung der Energiestruktur über erneuerbare Energien und über Energieeffi­zienz erreichen können. Das muss man auch vor dem Hintergrund sehen, dass die Erneuerbaren schon einen bestimmten Startvorteil haben, da sie seit 2001 massiv gefördert werden.

TGA: In der Tat stehen auch im BMU erneuerbare Energien schon seit langem auf der Agenda. Bei der Kälte- und Klima­technik ging es bisher in erster Linie um die Umweltrelevanz von Kältemitteln – die Energieeffizienz ist für diesen Sektor erst in den letzten Monaten dazugekommen…

Müller: …leider erst jetzt.

TGA: Woran liegt das?

Müller: Dazu muss ich ein wenig ausholen…

TGA: …gerne!

Müller: Zunächst einmal allgemein, ohne auf die speziellen Gegebenheiten bei der Kälte- und Klimatechnik einzugehen, hat die bisher deutlich unterschiedliche Würdigung von erneuerbaren Ener­gien und Energieeffizienz politische wie auch ökonomische Gründe. Ökonomisch deshalb, weil Effizienz in der Vergangenheit fast ausschließlich auf die Kosteneffizienz reduziert worden ist. Erst neuerdings wird man sich zunehmend darüber bewusst, dass der Umbau in Richtung Effizienz zwar kurzfristig Geld kostet, langfristig – häufig auch schon mittelfristig – aber preisgünstiger ist. Wir müssen und wollen dafür werben, dass vermehrt die Lebenszykluskosten als Entscheidungsgrundlage dienen. Heute nehmen viele Betreiber die laufenden Energiekosten hin, weil sie von den riesigen Einsparpotenzialen nichts wissen.

TGA: Das heißt, die ökonomische Effizienz wird heute zu kurzfristig definiert?

Müller: Ja, genau. Man kann sogar sagen, dass die aktuellen wirtschaftlichen Probleme auch damit zusammenhängen, dass wir uns immer kurzfristiger ausgerichtet haben. Wir müssen aber wieder wegkommen von dieser Ökonomie der Kurzfristigkeit. Ich vertrete deswegen die Idee der Nachhaltigkeit: Sie versucht von der Zukunft her die Gegenwart zu bestimmen und nicht erst zu reagieren, wenn Probleme auftreten.

TGA: Und der politische Gesichtspunkt?

Müller: In der rot-grünen Koalition war die Grundphilosophie der Bündnisgrünen „in erster Linie erneuerbare Energien“. Der Effizienzgedanke hat bei unserem damaligen Koalitionspartner eine relativ geringe Rolle gespielt und wurde hier im Hause sogar eher tief gehalten. Die Bündnisgrünen wollten mit dem Neuen glänzen und weniger mit dem Umbau. Der Effizienzgedanke ist erst durch intensive Bemühungen in die Koalitionsvereinbarungen von 2005 hineingekommen. Und ohne Geheimnisse zu verraten, auch da war es so, dass wir uns gegen viele Kräfte durchsetzen mussten. Aber für mich ist gerade die Effizienz die Brücke für den Umstieg des Alten in das Neue.

TGA: Das heißt, wir werden den Staatssekretär Michael Müller künftig nicht nur bei der Einweihung neuer Solarfabriken sehen, sondern auch, wenn es um Kälte- und Klimatechnik bzw. ihre vorbildliche Anwendung geht?

Müller: Wenn sich die Gelegenheit bietet, werde ich dies sehr gerne tun. Ich bin der Meinung, jeder Politiker sollte wo immer es geht vor Ort dazu beitragen, dass der Effizienzgedanke ins Zentrum rückt. Er sollte sogar aktive Beratungshilfe geben, welche Möglichkeiten dazu existieren. Wir haben im BMU entsprechende Informationsunterlagen entwickelt, mit denen man gut operieren kann. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass vor Ort in allen Bereichen noch erhebliche Effizienzpotenziale auszuschöpfen sind, beispielsweise in Kooperation mit einer Handwerks- oder einer Industrie- und Handelskammer. „Effizienz ins Zentrum rücken“ bedeutet aber auch, dass die nachfolgende Arbeit in erster Linie eine Aufgabe von Verbänden und Unternehmen ist. Neben den Empfängern der Fördermittel profitieren sie am meisten. Aber die Rahmen können und müssen in vielen Bereichen von der Politik gesetzt werden und die kann da auch etwas machen. Wenn dies nicht erforderlich wäre, würden wir hier heute über andere Dinge sprechen.

TGA: An welchen Hebeln setzen die Richtlinien für Gewerbekälte an?

Müller: Allgemein gibt es bei der Kältetechnik auf die Umwelt bezogen zwei Ansatzpunkte: Zum einen sind es die Kältemittel selbst. Da ist zwar ein Einsparpotenzial vorhanden, es ist aus meiner Sicht aber in der Gesamtbetrachtung aller Einflüsse nicht so groß, aber dennoch wichtig. Viel größere Beiträge zum Klimaschutz ermöglicht die Steigerung der Energieeffizienz.

Es geht aber auch um die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors. Ich möchte alles dafür tun, dass die Kälte- und Kühltechnik in Deutschland bleibt, weil sie hier nicht nur viel Tradition, sondern auch viel Potenzial für Innovationen hat. Deswegen muss die Wettbewerbsfähigkeit dieses Sektors verbessert werden, und dies ist aus meiner Sicht vorrangig über die Effizienzfrage möglich. Das Treibhauspotenzial von Kältemitteln will ich überhaupt nicht klein reden, die Kälte- und Kühltechnik wird aus meiner Sicht aber zu oft nur mit F-Gasen und zu wenig mit der Effizienzfrage verbunden.

TGA: Wer kann von den Förderrichtlinien für Gewerbekälte profitieren?

Müller: Wir setzen auf einen Mix aus Information und Motivation sowie Rahmensetzung und gezielte Investitionen. Etabliert sich der Effizienzgedanke, zahlt sich das für die Umwelt, das Klima und den Arbeitsmarkt aus. Dabei ist der Arbeitsmarkt einer der interessantesten Punkte: Effizienzsteigerungen führen dazu, dass bessere Technik und höher qualifizierte Arbeit nachgefragt werden. Von Effizienz profitiert ebenso der Konkurrenz- und Wettbewerbsgedanke, weil man durch die Minimierung des Energieverbrauchs auch neue Vorteile findet. Und es profitieren auch die herstellenden, planenden und installierenden Unternehmen, weil sie innovativer werden. Es gibt also eine vielfache Dividende.

TGA: Wird die Dividende schon ausgezahlt?

Müller: Die Branche reagiert bereits mit Anträgen auf unser Förderangebot. Wir wollen es im Einzelnen noch konkreter machen. Dabei gibt es zwei Herausforderungen: Zum einen sind solche Richtlinien nicht alleine Bundessache, sondern müssen auch mit den Ländern abgestimmt werden, da gibt es immer Schwierigkeiten. Zum anderen sind die Banken bei der Finanzierung derartiger Innovationen oft nicht so ausgerichtet, wie sie es aus unserer Sicht zu müssten.

» Für den Effizienzweg müssen wir eine Beratungs-infrastruktur schaffen. Sie ist Voraussetzung, um die ganzen Chancen der Modernisierung zu lokalisieren.«

TGA: Das hört sich nach Anlauf­schwierigkeiten an…

Müller: …und die zu überwinden, erfordert ein wenig Geduld. Wir haben das damals auch bei den erneuerbaren Energien gesehen, wie schwierig es ist, neue Strukturen und eine neue Denkweise durchzusetzen. Dazu muss ein ganzes Räderwerk zusammenpassen, funktioniert nur ein kleines Zahnrad nicht, kann das schon größte Schwierigkeiten hervorrufen. Also, es muss sich erst einspielen.

TGA: Wer muss im Markt als Multiplikator ­aktiv werden, um der Richtlinie zum Erfolg zu verhelfen?

Müller: Handwerksorganisationen, Energieberater, TGA-Planer – ohne die werden wir es nicht hinkriegen. Es ist eine Gemeinschaftsanstrengung erforderlich. Multiplizieren müssen wir auch in die Richtung der Anlagenbetreiber.

TGA: Welche konkreten Erwartungen haben Sie an Energieberater und TGA-Planer?

Müller: Anlagen, die über das Programm eine Investitionsförderung erhalten, müssen höchsten energetischen und technischen Standards entsprechen. Um das ganze Potenzial auszuschöpfen, ist neben hocheffizienten Komponenten eine integrale Planung erforderlich, beispielsweise durch die Einbeziehung der Heizung und eine optimale, auf die Nutzung abgestimmte Betriebsweise.

Für den Effizienzweg ist es unabdingbar, dass wir eine Beratungsinfrastruktur schaffen, um das bessere Wissen auch einzusetzen. Wir haben ­nahezu flächendeckend Anlaufstellen zur Energieberatung von Verbrauchern. Die leisten sicher alle eine gute Arbeit. Aber erreichen sie im Jahr mehr als 1 % der Bevölkerung? Wir brauchen unbedingt eine größere Breite. Das Interessante bei der ­Kühltechnik ist, dass es ein überschaubarer Sektor ist. Das macht den Aufbau einer Beratungsinfrastruktur leichter. Sie ist die Grundvoraussetzung, um die ganzen Chancen der Modernisierung zu lokalisieren.

TGA: Im Juni wurden die Richtlinien für ­Gewerbekälte veröffentlicht, seit September können Anträge gestellt werden. Welche ­Erfahrungen liegen nach drei Monaten vor?

Müller: Im für die Antragsbearbeitung zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) liegen bisher 67 Anträge vor, deren voraussichtliches Fördervolumen beträgt insgesamt 2,96 Mio. Euro. Das Programm ist sehr anspruchsvoll und erfordert vom Antragssteller umfangreiche Berechnungen. Die Förderanträge werden zurzeit vom BAFA geprüft, sodass hinsichtlich der eingesparten elektrischen Arbeit noch keine Bewertung möglich ist.

» Wenn die Fördervoraussetzung ›im Neubau natürlicheKältemittel einzusetzen‹ sich als Hürde für den Effi­zienzweg herausstellt, müssen wir das überdenken.«

TGA: Wie viele Unternehmen / Anlagen zählen Sie zu den infrage kommenden Adressaten der Förderrichtlinien für Gewerbekälte?

Müller: In Deutschland gibt es ca. 125. Mio. Kältemaschinen vom Kühlschrank bis zur großen Industrieanlage. Davon sind 500000 „große“ Anlagen, für die die Klimaschutzinitiative des BMU mit dem Förderprogramm für Gewerbekälte Anreize zur energetischen Sanierung durch den Einsatz von Hocheffizienzkomponenten und Anlagenoptimierung bietet. Ich sehe zwei Hauptadressaten: Zum einen große Gefrieranbieter und Großmärkte, zum anderen große Supermärkte.

Das Beispiel soll aber auch Schule machen und Impulse zur Sanierung kleinerer Anlagen ohne Förderung geben. Hier kann aber häufig auch eine Förderung aus dem „Sonderfonds Energieeffizienz in KMU“ beantragt werden.

TGA: Welches Fördervolumen steht für 2009 zur Verfügung?

Müller: Für klimafreundliche Kälteanlagen sind im Rahmen der Klimaschutzinitiative des BMU für 2009 etwa 11 Mio. Euro eingeplant. Mehr Mittel wären wünschenswert, wir müssen aber den gesamten Finanzrahmen im Blick behalten.

TGA: Was haben Sie über die finanziellen ­Anreize hinaus anzubieten?

Müller: Wir haben momentan durch die Wirtschaftskrise eine Riesenchance, weil die Wirtschaftskrise uns einfach zu einem neuen Denken zwingt. Und wir erleben im Augenblick nicht nur eine Krise, wir erleben einen Epochenbruch. Ich glaube, dass die Zeit, wo der Finanzkapitalismus alles bestimmt hat, vorbei ist. Und jetzt geht es darum, wie die neue Epoche aussehen wird. Aus meiner Sicht wird sie vor allem eine sozial-ökologische Epoche werden. Das heißt, alle, die auf diesem Feld Vorreiter sein werden, werden gewinnen.

Ich bin zutiefst überzeugt, dass es auch um den Aufbau neuer Strukturen geht. Bei diesem Aufbau haben die, die auf die ökologische Karte setzen, die größte Chance, weil uns zwei dominierende Knappheitsfaktoren in der Zukunft begleiten werden: Auf der einen Seite steht die Mobilisierung von Kreativität und Intelligenz (Wissensgesellschaft) auf der anderen Seite wird uns das ­begrenzte Naturkapital immer stärker zu einer Ökologisierung der Welt zwingen. Beides zusammenführen, ist die größte Zukunftschance.

TGA: Eine Aufforderung zur Eigeninitiative?

Müller: Dafür sind wir immer dankbar. Wobei die Politik natürlich eine besondere Verantwortung hat. Die Politik darf sich dem nicht entziehen, aber sie wird nur Erfolg haben, wenn alle mitmachen und da sind Vorreiter immer willkommen. Ich bin sehr für Unternehmer im Schumpeterschen Sinn3).

TGA: Sie haben aber auch die Wettbewerbs­fähigkeit der Technik als Chance heraus­gestellt. Wo lauern denn die Gefahren, wenn die Branche den Weg nicht mitgeht?

Müller: Weil die Kälte- und Kühltechnik zu einem sehr großen Teil auf elektrische Energie setzt, ist ihr Anteil an den Klimazielen der Bundesregierung sehr groß. Schon deswegen ist es ein besonderes Anliegen, dass eine so einflussreiche Technik in einem Land hergestellt wird, wo es ein ökologisches Bewusstsein gibt.

TGA: Über die Förderrichtlinie soll also eine technologische Entwicklung in Gang gesetzt werden.

Müller: Das ist unser Anspruch, unser zentrales Ziel. Wir wollen mit Impulsen und Anreizen technologische Verbesserungen und Innovationen auslösen. Wenn man sich ehrgeizige Ziele stellt, ist es jedoch immer wichtig, dass der Gummifaden zwischen denen, die es machen sollen, und denen, die es vorgeben, nicht reißt. Die, die es machen sollen, können so reagieren, dass sie entweder abhauen oder dableiben. Ich plädiere sehr dafür, dass sie dableiben, denn ein Druck in Richtung Effizienz ist heute keine Willkür, sondern eine Zukunftschance. Es wird weltweit mittelfristig kein Land geben, das nicht auf Effizienz sehr viel stärkeren Wert legen wird.

TGA: Die Richtlinien wurden von der Branche positiv aufgenommen, allerdings wurde auch Kritik angemeldet, beispielsweise, dass für den StatusCheck ein Sachkundiger und ein Sachverständiger tätig werden muss. Wird es schon kurzfristig eine Revision geben?

Müller: Vielen Dank für die Blumen. Revi­sionsklauseln finden sich in fast allen Förderrichtlinien. Angewendet werden sie aus guten Gründen, beispielsweise wenn sich Bedingungen ändern, aber auch wenn Hindernisse erkannt werden. ­Aktuell haben wir noch keine belastbare Daten­basis vorliegen, die eine Veränderung der Förderrichtlinie begründet. Wir wollen im Augenblick lieber dafür sorgen, dass das Programm bekannter wird.

Die Kritik der Branche am Aufwand für den StatusCheck ist uns bekannt. Allerdings liegen auch schon Anträge vor, sodass es offensichtlich keine unüberwindbare Hürde gibt. Wir werden über das Programm reden, wenn das BAFA seinen Bericht vorgelegt hat, einen Termin kann ich noch nicht benennen. Wir werden sehr genau schauen, ob wir die Richtlinie in einzelnen Punkten optimieren können.

» Wenn ein Politiker in einer Solarfabrik auf den Knopf drückt, ist das ein Bild für die Zeitung. Bei einer Effizienzanlage ist es das in der Regel nicht.«

TGA: Sie haben als Stellschrauben „Kälte­mittel“ und „Effizienz“ aufgezeigt und dabei der Effizienz die größten Potenziale zuge­wiesen. Die Richtlinie legt bei Neuanlagen den Fokus aber andersherum, „klimafreundliche Kältemittel“ sind hier eine Grundvoraussetzung. Ist das ein Signal an die Branche?

Müller: Nein, ich würde es eher als hausinternen Kompromiss bezeichnen. Wir wollten in jedem Fall das Programm, aber das Fachreferat wies zu Recht darauf hin, dass wir uns im internationalen Kontext auf eine möglichst schnelle Reduktion der Treibhausgase einsetzen, und es deswegen in Deutschland nicht anders regeln können. Ich kenne diesen Zielkonflikt, ob wir da in Zukunft herauskommen, vermag ich momentan nicht zu sagen.

Aber: Der Sonderfond, aus dem die Fördermittel für die Gewerbekälte stammen, bezieht sich in erster Linie auf Energieeffizienz und das soll das Kriterium bleiben. Wenn wir für den Neubau von gewerblichen Kälteanlagen die Bedingung stellen, „es wird nur gefördert, wenn natürliche Kältemittel eingesetzt werden“, sich dies aber als unüberwindbare Hürde für den Effizienzweg herausstellt, müssen wir uns Gedanken machen, ob die Umstellung auf natürliche Kältemittel in einer anderer Weise behandelt werden muss. Je nachdem wie der Bericht des BAFA ausfällt, sehe ich heute drei Optionen: Weitermachen wie bisher, die Auflage natürliche Kältemittel wird herausgenommen oder, wenn wir sehen, dass die Auflage ein Hindernis ist, dass sich aufgrund der Komplexität oder mangelnder Finanzen ergibt, kann es sein, dass wir ein Förderprogramm für den beschleunigten Umstieg auf natürliche Kältemittel auflegen. Aber spekulieren kann und will ich darüber nicht.

TGA: Kälte- und Wärmenutzung sind in der Richtlinie zwar im direkten Kontext genannt, allerdings nur die Abwärme, „Kälte aus Wärme“ ist aus­geschlossen ­worden. Warum?

Müller: Sie sprechen die Absorptionstechnik an. In den Beratungen war sie sehr schnell vom Tisch, aber nicht weil man hier nicht gute Möglichkeiten sieht, sondern weil es bereits für solche Anlagen andere Fördermöglichkeiten gibt.

TGA: Müssten Richtlinien, die Bestandteil eines Epochenwechsels sein sollen, über die amtliche Bekanntmachung hinaus nicht auch auf anderen Wegen in die Branche getragen werden?

Müller: Ja… Ich will aber auch erwähnen, dass die Förderrichtlinien für Gewerbekälte in beispiellos kurzer Zeit auf den Weg gebracht worden sind. Die Kälte- und Klimabranche ist zwar überschaubar, aber muss trotzdem motiviert und mobilisiert werden. Der weitere Programmerfolg wird wesentlich davon abhängen, wie es gelingt, potenzielle Investoren zur Energie- und damit Kosteneinsparung zu motivieren. Vielleicht ist es möglich, dass wir beispielsweise die Deutsche Energie-Agentur mit einem kleinen Programm für mehr Öffentlichkeit und für die Koordinierung gegenüber der Branche und den möglichen Förderempfängern beauftragen.

Mehr Aufmerksamkeit für Energieeffizienz ist dringend erforderlich, denn selten setzt sie sich selbst spektakulär in Szene. Wenn ein Politiker in einer Solarfabrik oder bei einer Biogasanlage auf den Knopf drückt, ist das ein Bild für die Zeitung. Bei einer Effizienzanlage ist es das in der Regel nicht. Das Perverse an der Geschichte ist, dass die Effizienz als Brücke in eine sehr viel umweltschonendere Energienutzung viel mehr als technisches und weniger als ein politisches oder gesellschaftliches Thema gesehen wird. Tatsächlich ist es aber ein ganz wichtiges gesellschaftliches Thema.

TGA: Sie reklamieren für die Richtlinie auch Vorteile für die Umwelt. Durch den Handel mit Emissionszertifikaten führen lokale Stromeinsparungen global nicht unmittelbar zu einer Verringerung der Atmosphärenbelastung, wenn eingesparte Zertifikate weiterveräußert werden…

Müller: Ich sehe das anders. Pauschal ist der Vorwurf zwar richtig. Aber ich behaupte: Jedes positive Beispiel in einem entwickelten Industrieland hat eine unglaubliche legitimatorische Wirkung und setzt andere Länder unter Druck. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist der schlagkräftige Beweis, dass die Bundesrepublik, die mit etwa 3,5 % an den globalen Treibhausgasemissionen beteiligt ist, trotzdem eine hohe Wirkung erzielen kann. Zwischenzeitlich gibt es rund 70 Staaten, die kommerziell erneuerbare Energien nutzen. Über 50 davon machen dies nach deutschem Vorbild. Genau aus diesem Grund sind wir bei erneuerbaren Energien Weltmarktführer.

Wenn wir in dieser Analogie etwas für die in unserer Gesellschaft unverzichtbare Kälte- und Kühltechnik schaffen, die in vielen Teilen der Welt einen noch größeren Stellenwert als bei uns hat, werden unsere Konzepte und Anlagen in höchsteffizienter Weise die Technologiestruktur von morgen bestimmen. Ich sehe die Weiterveräußerung eingesparter Zertifikate deswegen momentan gar nicht negativ. Jede Innovation braucht Vorreiter, braucht Pionierländer, die entscheidende Frage ist, wie man diese Pionierrolle so spielt, dass sie nicht zu wirtschaftlichen Nachteilen führt. Aber die Pionierrolle selbst ist unverzichtbar.

TGA: Herr Staatssekretär Müller, vielen Dank für das Gespräch4).

1) Download der Richtlinie und weitere Informationen auf: http://www.kaelte-effizient.de

2) Download auf: http://www.erneuerbare-energien.de

3) Joseph Alois Schumpeter, 1883 bis 1950, österreichischer ­Ökonom, setzte sich intensiv mit den Themen Kapitalismus und ­Sozialismus auseinander. Schumpeter hielt den Kapitalismus besonders durch die „Schöpferische Zerstörung“ der eigenen Produktionsbedingungen, wie der produktionsnotwendigen Rohstoffbasis, nicht für überlebensfähig. Eine wichtige These Schumpeters war die Unterscheidung zwischen Kapitalist und Unternehmer. Danach zeichnen sich Unternehmer dadurch aus, dass sie ihre wirtschaftliche Position ständig durch Innovationen verbessern wollen. Dieser Unternehmergeist erzeugt durch Innovationen Wirtschaftswachstum und treibt den sozialen Wandel voran. Schumpeter erkannte auch das Wechselspiel aus Erfindung und Imitation als Triebkraft des Wettbewerbs.

4)Das Interview wurde am 16.Dezember 2008 in Berlin geführt.

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