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ZuhauseKraftwerk

Mini-KWK neu definiert

Obwohl naheliegend, wäre Volks-BHKW eine absolut unpassende Bezeichnung für das von Volkswagen entwickelte und schon bald im ­Motorenwerk in Salzgitter in Serie produzierte Blockheizkraftwerk (BHKW). Im Werk nennt man es EcoBlue, analog zur VW-Marke BlueMotion Technologies, die für umwelteffiziente und innovative Technologien steht. Die Bezeichnung EcoBlue werden wohl künftig am Markt aber nur Insider verwenden. Durch die weltweit exklusive Energie-Partnerschaft zwischen Volkswagen und LichtBlick wird sich der Name ZuhauseKraftwerk durch­setzen.

Ein „BHKW für das Volk“ kann es schon deswegen nicht werden, weil alle ZuhauseKraftwerke Eigentum von LichtBlick bleiben. Für ein Volks-BHKW – im Sinne der vor der Markteinführung stehenden „Strom erzeugenden Heizung“ der Heizungsindustrie – wäre es mit einer elektrischen Leistung von 20 kW und einer thermischen Leistung von 36 kW auch viel zu groß, etwa um den Faktor 20. Trotzdem wird man die ZuhauseKraftwerke künftig auch in großen Einfamilienhäusern finden. Das hat einen einfachen Grund: Sie produzieren nicht möglichst lange stur an der tatsächlichen Nachfrage vorbei Elektrizität, sondern punktgenau profitablen „SchwarmStrom“ (Erklärung unten). Und das definiert den Markt neu.

Heizung raus, ZuhauseKraftwerk rein

Wer statt der alten Heizung ein ZuhauseKraftwerk in seinen Heizungskeller einbauen lassen möchte, benötigt drei grundlegende Dinge: Eine Zentralheizung mit einem Jahreswärmebedarf von mindestens 40000 kWh/a, einen Erdgasanschluss und 5000 Euro. Für diesen Pauschalpreis („Installationszuschuss“) demontiert und entsorgen speziell qualifizierte Partnerunternehmen aus dem SHK-Handwerk die alte Anlage und installieren das BHKW und einen Pufferspeicher mit einer Größenordnung von 2000 l.

Das BHKW hat alle Anschlüsse oben, äußere Abmessungen von 1040 × 710 × 1681 mm (BTH) und wird für die Einbringungen in mehrere Module zerlegt (Gesamtgewicht: 980 kg). Ein eingeübter Montagetrupp kommt morgens und verabschiedet sich am späten Nachmittag. So der (Kosten)Plan von LichtBlick. In der Kundeninformation werden zwei Tage genannt. Vernachlässigt man die Beteiligung von Gasversorger und Schornsteinfeger, ist dies sogar realistisch, denn in das BHKW integriert ist bereits die komplette Heizkreishydraulik. Die Installateure müssen also „nur“ die Rohrverbindungen herstellen und verordnungsgerecht dämmen. Erneuerungsbedarf könnte es auch bei der Gasinstallation geben, weil die Anschlussleistung im Normalfall deutlich steigt.

Günstige Wärme und Strombonus

Über einen im BHKW integrierten Wärmemengenzähler wird mit dem Kunden die Wärmelieferung abgerechnet, an die sich LichtBlick für zehn Jahre und der Kunde für mindestens zwei Jahre bindet (beim Strombezug bleibt der Kunde unabhängig). Der Wärmepreis des Wärmeliefervertrags soll transparent an einen Marktindex gekoppelt werden und niedriger als bei der Wärmeerzeugung mit einem Gas-Brennwertheizkessel sein. Für Hamburg liegt der Wärmpreis zunächst bei 5,79 ct/kWh. In die andere Richtung fließen eine Miete für die Kellerbenutzung von 5 Euro/Monat und ein erfolgsabhängiger Strombonus von 0,005 Euro/kWhel (das entspricht 0,1 Euro pro Betriebsstunde), denn die gesamte produzierte Elektrizität vermarktet LichtBlick.

Die Beteiligung an den Gewinnen der Stromvermarktung ist wohl kalkuliert: Wer an den Gewinnen partizipiert, fühlt sich nicht ausgenutzt. Technisch bedingt ist allerdings eher das Gegenteil der Fall: Von den Abstrahlverlusten des BHKW und des Pufferspeichers profitiert während der Heizperiode nur der Kunde, zahlen muss dafür LichtBlick. Weiterhin entfallen für den Gebäudebetreiber gegen eine Pauschale von 20 Euro/Monat Wartung und Service, Versicherungs- und Schornsteinfegergebühren. Zusätzliche Wärmeerzeuger sind nicht vorgesehen, auch keine Notheizung, jedoch ist eine thermische Solaranlage integrierbar. Tritt einmal eine Störung auf, wird die LichtBlick-Leitstelle in Hamburg via Mobilfunk oder DSL informiert. Lässt sich die Störung nicht aus der Ferne beheben, springen die Servicepartner vor Ort ein.

Am ZuhauseKraftwerk Interessierte müssen allerdings Geduld mitbringen: Zunächst startet LichtBlick nur in Hamburg mit dem Angebot, ab 2010 soll es schrittweise auf ganz Deutschland ausgeweitet werden. Die ersten Installationen sind im Frühjahr 2010 vorgesehen, im Jahresverlauf will man auf 300 Anlagen kommen. Parallel dazu wird aber bei Volkswagen schon die Serienfertigung aufgebaut. 2011 sollen es dann schon einige tausend Anlagen sein, für 2012 ist ein Zubau von 10000 BHKW-Anlagen geplant. Zum Vergleich: Der aktuelle Marktführer Senertec startete 1997 mit der Produktion des Mini-Blockheizkraftwerks „Dachs“ und stiftete Anfang 2009, also zwölf Jahre später, sein insgesamt 20000stes Exemplar an das Auto & Technik Museum Sinsheim.

Neue KWK-Betriebsphilosophie

Während sich Planer seit dem Aufkommen von BHKW schwer damit tun, bei der Installation in kleinen Wohngebäuden auf eine die Wirtschaftlichkeit absichernde Vollbenutzungsstundenzahl von möglichst deutlich über 5000 h/a, besser bis zu 8000 h/a zu kommen, rollen Volkswagen und LichtBlick den Markt komplett anders auf. Volkswagen bringt seine Kompetenz aus dem Motorenbau und – das ist der Schlüssel für einen neuen Ansatz – seine enorme Erfahrung aus der Groß­serienfertigung und vorhandene Komponenten ein. So ergibt sich eine ganz andere Kostenstruktur, die wesentlich weniger von der elektrischen Leistung abhängig ist, als bei anderen BHKW-Herstellern.

Dafür ist man an vorhandene Motoren gebunden. Doch Lastenheft und Leistungsdaten passten bei dem in das EcoBlue integrierten Erdgasmotor, der von Volkswagen im Caddy und im Touran verwendet wird, ideal überein. Beim BHKW-Einsatz wird der Motor gänzlich untypisch so betrieben, wie in einem Kraftfahrzeug: Die meiste Zeit läuft er nicht. Die Betriebsstundenzahl der ZuhauseKraftwerke wird sich in einem charakteristischen Bereich von 1200 bis 1500 und maximal 3000 h/a bzw. saisonabhängig zwischen einer und fünf Stunden Betrieb pro Tag bewegen. Alle 6000 Betriebsstunden oder einmal pro Jahr ist eine Wartung fällig. Der Zylinderkopf ist auf 15000 Betriebsstunden ausgelegt, die Lebensdauer des Motors gibt Volkswagen mit 30000 Betriebsstunden an. Legt man den Kalkulationspreis für das Modul von etwa 20000 Euro auf die Lebensdauer um, entspricht dies Kosten von nur 0,03 Euro/kWhel. In der Gesamtbetrachtung ist das deutlich weniger als bei einem Aggregat, das auf höchste Lebensdauer und maximale Jahresvollbenutzungsstunden optimierte wurde.

100 % Wärme aus KWK

Mit der aus bisheriger Sichtweise brachialen Überdimensionierung der elektrischen Leistung will LichtBlick die Anlagen finanzieren und sogar ordentlich Geld verdienen. Im Dauerbetrieb arbeitende BHKW müssen sich mit weitgehend vom Marktgeschehen abgekoppelten Vergütungssätzen refinanzieren, die der Gesetzgeber auf Basis einer relativ bescheidenen Rendite austariert hat. LichtBlick will hingegen den zeitlich unterschiedlichen Wert von Elektrizität nutzen. Mit der Eigenproduktion kann das Unternehmen Kunden beliefern, ­eigenen Spitzenlastbedarf reduzieren oder Spitzenlaststrom bei lukrativen Marktpreisen gewinnbringend verkaufen.

Um dabei keine Energie zu verschwenden (es gibt auch keine Notkühleinrichtungen), wird an die ZuhauseKraftwerke ein Pufferspeicher inklusive eines Managements für Wärmeinhalt und Temperatur angekoppelt. So wird gewährleistet, dass stets Wärme für den Kunden zur Verfügung steht, jeder Takt verschleißarm ist und elektrische Energie mit maximalem Ertrag produziert wird. Ausgefeilte Bedarfsprognosen gehören auf der Stromseite bei LichtBlick schon heute zum Tagesgeschäft. Hinzu kommt nun die Wärmebedarfsprognose. Mit ihrer Qualität lässt sich der Ertrag aus der Stromproduktion maximieren. Insgesamt verkehrt sich damit die Betrachtungsweise: Bisher war die elektrische Ener­gie bei wärmegeführten BHKW das Abfallprodukt. Von LichtBlick werden die Kleinkraftwerke wie ein Spitzenlastkraftwerk betrieben und finanziert und zusätzlich wird die Abwärme genutzt.

Kleinkraftwerke an, Kernkraftwerke aus

Die Vision von LichtBlick hat aber noch eine andere Dimension: „SchwarmStrom“ aus dezentralen ZuhauseKraftwerken. Der Kunstname leitet sich aus der Natur ab und steht dafür, dass viele kleine Einheiten eine Gemeinschaft bilden und sich in eine Richtung bewegen. Bis 2020 soll in Deutschland ein Schwarm aus 100000 ZuhauseKraftwerken installiert sein. Maximale Verfügbarkeit vorausgesetzt, kommen sie im Verbund auf eine Leistung von 2000 MW. Fast so viel wie beispielsweise die Kernkraftwerke Brunsbüttel (800 MW) und Krümmel (1400 MW) zusammen.

Kernkraftwerke virtuell durch Kleinkraftwerke zu ersetzen hat zwar für LichtBlick zusätzliche Symbolkraft, technisch sind aber Grundlastkraftwerke und damit auch die heute im Bestand befindlichen Braunkohlekraftwerke das Problem: Ihre schwerfällige und stark begrenzte Leistungsregelung verhindert bei zunehmender Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit stark schwankendem Ertragsprofil deren vorrangige Netzeinspeisung. Insbesondere bei steigender Energieerzeugung aus Windkraft sind deswegen Kraftwerke erforderlich, deren Last sehr flexibel geregelt werden kann. Die ZuhauseKraftwerke stellen schon eine Minute nach dem Startbefehl aus der Leitstelle in Hamburg ihre Nennleistung zur Verfügung. Zudem wird die Umwelt entlastet, bezogen auf die heutige Energieverwendung reduziert LichtBlicks „SchwarmStrom“ den Primärenergieeinsatz um ca. 40 % und die CO2-Emissionen um ca. 60 %.

Großes Potenzial

Für ZuhauseKraftwerke existiert ein großes Marktpotenzial. Nach Abschätzungen von LichtBlick kommen etwa 3 bis 4 Mio. Gebäude aus den Zielgruppen Hauseigentümer, Wohnungsbaugesellschaften, Gewerbetreibende, Kommunen, soziale Einrichtungen und Kirchen infrage. Bei 40 % davon besteht heute oder in den nächsten Jahren Erneuerungsbedarf bei der Wärmeerzeugung. An Kunden wird es kaum mangeln. Der Spiegel hatte mit einer exklusiven Berichterstattung in bester Heftposition (Nr. 37: „Kraftwerk für den Keller“) schon vier Tage vor der Vertragsunterzeichnung eine breite Berichterstattung in allen Medien und dadurch 1000 Anfragen innerhalb von nur drei ­Tagen ausgelöst.

Zurzeit betreibt LichtBlick sieben Anlagen in einer Pilotphase. Dabei handelt es sich allerdings nicht um BHKW-Module von Volkswagen, sondern um andere Typen, mit ähnlichen ­Leistungsdaten. In dem Pilotprojekt stand primär die Idee auf dem Prüfstand. Offensichtlich sehr ­erfolgreich, denn man spricht bei Deutschlands größtem Ökostromanbieter bereits von einem ­„bewährten Konzept“. Bezüglich der Standzeit und der Störungsarmut der ab 2010 installierten ZuhauseKraftwerke verlässt man sich auf Volks­wagen und deren Qualitätssicherung. Auch in einer zweiten Sache ließ man bei Volkswagen keinen Zweifel aufkommen: Was LichtBlick im Markt ­unterbringt, könne man produzieren. Wie ernst man hier das BHKW-Projekt sieht, zeigt auch ­folgende Zahl: Bei Volkswagen geht man allein am Standort Salzgitter durch die Kooperation mit LichtBlick von einem Beschäftigungspotenzial von 160 und insgesamt von etwa 300 Mitarbeitern aus. Jochen Vorländer

http://www.lichtblick.de

https://www.volkswagenag.com

1) LichtBlick ist seit 1999 aktiv, hat aktuell 550000 Privatkunden, in 2009 einen Umsatz von voraussichtlich 450 Mio. Euro und ein jährliches Wachstum von über 20 %. LichtBlick ist Deutschlands größter unabhängiger Energieanbieter, Marktführer bei Ökostrom (vorwiegend aus Biomasse und Wasserkraft) und bisher der einzige unabhängige bundesweite Gasanbieter. Über sein „SchwarmStrom“Konzept steigt LichtBlick nun auch in die Energieproduktion ein.

NEU

Mehr Infos zum Thema im

TGA-Online-Dossier

Auf https://www.tga-fachplaner.de/

einfach Webcode 716 eingeben.

Nicht nur Lichtblick(e)

Das LichtBlick-Konzept gibt der Kraft-Wärme-Kopplung einen kräftigen und zur Marktdurchdringung dringend erforderlichen Impuls. Der Schlüssel dafür sind der direkte Einstieg in die Massenfertigung und ein schlüssiges Verkaufskonzept. 2008 wurden in Deutschland 616000 Wärme­erzeuger als Ersatz bestehender ­Anlagen oder in Neubauten installiert. 10000 Einheiten an einen neuen Anbieter abzugeben, wird die Heizungsindustrie sicherlich wurmen, aber nicht aus der Bahn werfen. Viel größer ist die Tragweite des jetzt deutschlandweit verbreiteten Angebots: „Für 5000 Euro erhalten Sie mit Ausstiegsoption zehn Jahre lang Wärme zu wettbewerbsfähigen Preisen, müssen sich nicht um die Heizungs­anlage kümmern, sind frei von Gebühren und Reparaturkosten und erhalten obendrein einen Strombonus.“ Wer könnte es einem Otto-Normalverbraucher mit anstehender Heizungssanierung nachtragen, wenn er sich in eine Warteliste einschreibt? Fasziniert das LichtBlick-Angebot Hauseigentümer, könnte das erhebliche Auswirkungen für den Modernisierungsmarkt haben: Plötzlich existiert eine ebenso interessante wie günstige ­Alternative gegenüber der Selbstfinanzierung einer Heizungsanlage. Da ZuhauseKraftwerke bundesweit erst in größeren Stückzahlen ab 2011 zur Verfügung stehen, könnte der Markt für vorgezogene Heizungs-Modernisierungen einen Dämpfer bekommen. Denn „Warten ist die falsche Botschaft“ ist dem Endverwender nun noch schwerer darzulegen. Und noch eine Gefahr lauert: LichtBlick bringt sich mit dem Konzept in eine Position, die seine zahlreichen Wettbewerber zum Handeln zwingen könnte. Auch Volks­wagens Konkurrenz wird Augen und Ohren weit aufgemacht haben. Vermutlich haben schon bei anderen Autobauern die ersten Entwicklungsteams getagt. ­Andere Energieversorger haben bereits angedeutet, ebenfalls in der Umsetzung befindliche Pläne kurzfristig offenzulegen. Vielleicht macht es der nächste Energieanbieter für einen Pauschalpreis von 2500 Euro? – mag schon heute der eine oder andere Heizungsbesitzer spekulieren. Die Heizungsindustrie, Planer und SHK-Handwerker ohne LichtBlick-Partnervertrag werden also eventuell sehr schnell viel stärker unter Druck geraten, als dies 10000 geplante Einheiten in 2011 vermuten lassen. Dazu kommt, dass die bisherigen Konzepte der Heizungsindustrie für den neuen Hoffnungsträger „Strom erzeugende Heizung“ dringend auf den (Markt)Prüfstand müssen, denn das bisherige Geschäftsmodell ist – auch ohne LichtBlick-Konkurrenz – eher ein Wackelkandidat als ein Erfolgsgarant. Absehbar wird man sich auch mit einer wachsenden Kundenzahl auseinandersetzen müssen, die überhaupt nicht am Besitz einer Heizungsanlage interessiert ist, sondern schlichtweg ihr Bedürfnis nach Wärme kostengünstig und langfristig kostensicher befriedigen will. Dafür benötigen die etablierten Akteure neue Angebote. LichtBlicks Vorstoß sollte man als Chance erkennen. Jochen Vorländer

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