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Herzogin Anna Amalia Bibliothek

Klimaschutz für alte Bücher

Nur sechs Wochen nach dem verheerenden Brand in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek im September 2004 hätten die Werke in anderen Räumlichkeiten untergebracht werden sollen, um mit vorbereiteten Umbau- und Restaurierungsarbeiten beginnen zu können. Doch es kam anders: Bei dem Feuer, das auch auf der zweiten Galerie des weltberühmten Rokokosaals wütete, wurden 50000 Bücher unwiederbringlich zerstört. 60000 Werke konnten gerettet oder restauriert werden.

Der Wiederaufbau der Bibliothek wurde im Jahr 2005 begonnen. Wert legte man hierbei auch auf ein durchdachtes Lüftungskonzept. Denn vor dem Brand, respektive vor dem geplanten Umbau, gab es hier große Defizite. „Die Fenster waren undicht. Im Winter war es meistens zu kalt, im Sommer dagegen zu warm und zu feucht“, beschreibt Thilo Wendt vom Planungsbüro Six in Weimar den Ursprungszustand. Eine Langlebigkeit der bis zu 500 Jahre alten Bücher kann allerdings nur bei ­einer relativen Luftfeuchte von konstant 50 % ­sowie ganzjährig konstanter Raumtemperatur ­erreicht werden.

Hohe Effizienz und 50 % Luftfeuchte

Auch in puncto Energieeffizienz sollten mithilfe des neuen Lüftungskonzeptes in der sanierten, historischen Bibliothek Werte erzielt werden, die deutlich über dem Standard liegen. Im Zentrum der Bemühungen standen dabei der Rokokosaal sowie der Sonderlesesaal auf der zweiten Galerie, in dem Handschriften, Musikalien, Landkarten und Globen studiert werden können. Für beide Räume entwickelte das Planerteam zusammen mit Menerga eine maßgeschneiderte Lösung, die neben den technischen Anforderungen auch die Auflagen des Denkmalschutzes berücksichtigen musste.

Aufgrund der zentralen Vorgabe, die relative Luftfeuchte immer bei 50 % zu halten, fiel die Wahl für alle Räumlichkeiten, in denen Bücher aufbewahrt werden, auf Zentrallüftungsgeräte mit regenerativer Energierückgewinnung und nachgeschalteten Kühl- bzw. Heizregistern. Diese Anlagen zeichnen sich durch eine sehr hohe Übertragung der sensiblen und latenten Energie aus, wodurch auch ein Großteil der Feuchte zurückgewonnen werden kann. Da beide Räume hinsichtlich der Besucherfrequenz und Verweildauer sehr unterschiedlich genutzt werden, entschied man sich dafür, jeweils ein eigenes Klimagerät zu installieren.

Das Hauptaugenmerk galt dabei dem barocken Rokokosaal, dem Herzstück der Bibliothek. Der 21 × 11 m große, ovale Raum mit zwei Galerien wurde wieder als schlichter und durch die reiche Kunstausstattung zugleich festlicher Büchersaal restauriert. Durften vor der Sanierung aufgrund der schlechten klimatischen Bedingungen lediglich 20 Personen täglich den Rokokosaal betreten, konnte die Frequenz nun mit dem neuen Lüftungskonzept auf etwa 290 Besucher am Tag (90000 pro Jahr) erhöht werden. „Um die Wärmelasten zu begrenzen, dürfen allerdings nur 25 Personen auf einmal in den Saal“, erklärt Planer Wendt. „Auch im Winter muss nur relativ wenig geheizt werden. Die Herausforderung liegt vor allem darin, die Luftfeuchte konstant zu halten.“ Demgegenüber wird der moderne Sonderlesesaal für wechselnde Ausstellungen und mit zehn Leseplätzen auch zu Studienzwecken genutzt. Die Besucher halten sich hier also generell auch über längere Zeit auf.

Regenerative Energierückgewinnung

Das Lüftungskonzept sieht für die Bibliothek ganzjährig eine relative Luftfeuchte von 50 %, im Winter eine Temperatur von 22 °C und im Sommer eine Temperatur von 24 °C vor. Dementsprechend setzte das Planerteam für beide Räume auf Resolair-Klimageräte mit regenerativen Energieübertragern (Bild 2), sodass neben der Temperaturrückgewinnung auch bis zu 65 % der Luftfeuchte aus der Abluft wieder an die Zuluft abgegeben werden können.

Die Regenerativ-Energieaustauscher enthalten zwei Wärmepakete mit hochsensibler Akkumulatorenmasse, durch die Außen- und Fortluft wechselweise gefördert werden. Die Akkumulatorenmasse kann Wärme aus dem Wärmeluftstrom sehr schnell aufnehmen und diese genauso schnell wieder an einen kalten Luftstrom abgeben. Ventilatoren im Zuluft- und Abluftteil fördern gleichzeitig warme Fortluft durch das eine und kalte Außenluft durch das andere Wärmepaket. Durch die wechselseitige Beaufschlagung der Wärmepakete wird die Wärme der Abluft fast vollständig auf die kalte Außenluft übertragen, wodurch ein Temperaturwirkungsgrad von über 90 % erreicht wird. Deshalb kann in den meisten Fällen auf eine Nacherwärmung der Zuluft verzichtet werden.

Für die darüber hinaus notwendige Behandlung der Luft sind die Klimageräte mit Kühl- und Heizregistern ausgestattet. Dabei beträgt die Luftleistung der Anlage für den Rokokosaal 5300 m3/h, während für den Sonderlesesaal eine Luftleistung von 4400 m3/h gewählt wurde. Allerdings musste die gesamte Lüftungsanlage in diesem Bauabschnitt in einem sehr beengten Dachgeschoss montiert werden. Da das Dach der Bibliothek beim Wiederaufbau entfernt wurde, konnte die Einbringung jedoch relativ einfach gelöst werden. Die Kanäle für die Zuluft und Abluft wurden unauffällig durch eine Gaube an der Dachrückseite geführt.

Kompakt-Kaltwassersatz

Eine größere Herausforderung stellte der für die Versorgung der Kühlregister (4/10 °C) vorgesehene Kaltwassererzeuger dar. Nach den Vorgaben des Denkmalschutzes durfte dieser unter keinen Umständen von außen sichtbar sein. Entgegen der sonst üblichen Aufstellung im Freien, musste die Anlage deshalb ebenfalls im beengten Dachgeschoss installiert werden. Durch die beiden Klimageräte war hier allerdings nur noch wenig Raum vorhanden. Als passende Lösung bot sich der für die Innenaufstellung konzipierte Kompakt-Kaltwassersatz von Menerga an (Bild 3).

Die benötigte Kälteleistung wird mithilfe des hybriden Kaltwassersatzes Hybritemp mit stufenloser Leistungsregelung erzeugt – der freie Kühlung, Verdunstungskühlung und mechanische Kälteerzeugung platzsparend zusammenführt. Ein Plattenwärmeübertrager, in dem auch Wasser versprüht werden kann, dient hier als integriertes Rückkühlwerk und macht Kondensatoren auf dem Dach oder an der Fassade überflüssig. Die große Übertragungsfläche des Plattenwärmeübertragers wird zur Abkühlung des Wassers genutzt, wodurch sehr hohe Leistungszahlen erreicht werden.

Die in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek verwendete Anlage mit einer Kälteleistung von 87 kW benötigt deshalb für die Abfuhr der Wärme lediglich eine Luftmenge von etwa 4400 m3/h. Weil die verschiedenen Arten der Kälteerzeugung aufeinander aufbauen bzw. sich ergänzen, wird nur zu Spitzenlastdeckung auf die mechanische Kälteerzeugung zurückgegriffen, welche dann auch nur die Differenz zwischen der angeforderten und der von der Verdunstungskühlung bereitgestellten Kälteleistung erbringen muss.

Klimagerät im Kellergewölbe

Ein weiteres Klimagerät vom Typ Resolair wurde im Kellergewölbe unterhalb des Bücherturms installiert. Der rund 15 m hohe runde Turm mit einer hölzernen Wendeltreppe ist eines der architektonischen Highlights im Ensemble der Bibliothek und beheimatet ebenfalls mehrere tausend Bücher. Dank umfangreicher Brandschutzmaßnahmen blieb der Turm 2004 unbeschädigt. Das darunterliegende Kellergewölbe ist ebenfalls rund und nur durch einen engen Gang erreichbar. Die besondere Aufgabenstellung bei der Installation bestand darin, die Anlage sinnvoll in die Rundung des Kellers einzupassen.

„Die Anlage hier zu installieren, war sehr schwierig“, erinnert sich Frank Rehfeld, Vertriebsleiter des Menerga-Büros Leipzig. In Zusammenarbeit mit dem Installationsbetrieb, KTK Zentral-Heizungsbau aus Erfurt, wurde das Klimagerät schließlich durch eine enge Luke an der Rückseite des Turmes eingebracht und montiert. „Die Besonderheit ist die halbrunde Anordnung der Anlage, die sicherlich einmalig ist“, erklärt Rehfeld. Außer den Eckverbindungen sei die Anlage dann im runden Keller ganz normal montiert worden und ist allemal ein Blickfang. „Nur für die Besucher der Anna Amalia Bibliothek ist sie leider nicht zu sehen“, bedauert Rehfeld.

Auf die gesamte Klimatechnik der Bibliothek kann über die Gebäudeleittechnik per Fernüberwachung zugegriffen werden. Die Daten laufen direkt beim Planungsbüro Six in Weimar und beim Installationsbetrieb KTK, der sämtliche Wartungen übernimmt, auf. Planer Wendt ist dabei mit den bisherigen Auswertungen sehr zufrieden: „Die Anlage ging am 24. Oktober 2007 in Betrieb und wir haben bis jetzt alle geforderten Werte eingehalten. Ein großer Vorteil dabei war, dass alle Klimasysteme in sich funktionieren und quasi steckerfertig montiert werden konnten.“ Schon vor Beginn der Restaurierung des Gebäudes hatte die Anlage bereits ihre Generalprobe, denn die Restaurierungen sollten unter den späteren klimatischen Bedingungen ausgeführt werden.

Jürgen Röben

Dr.-Ing., ist Technischer Geschäftsführer der Menerga GmbH, 45473 Mülheim an der Ruhr, info@menerga.com, https://www.menerga.com/

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