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Umstieg auf erneuerbare Energien

Umweltargument greift zu kurz

Obwohl erneuerbare Energien unbestritten die einzigen langfristigen und unerschöpflichen Energiequellen sind, werden sie eher zögerlich erschlossen. Erst die Klimaschutzdebatte brachte den Erneuerbaren eine gewisse Auf­merksamkeit. Doch das Umweltargument greift zu kurz. Zu befürchten ist, dass die Frage der ­ausreichenden Verfügbarkeit von Energie schon bald die ökologischen Aspekte in den Hintergrund drängen wird. Die Verknappung fossiler Energien könnte folglich zu erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Konflikten führen, bis hin zu kriege­rischen Auseinandersetzungen. So warnt die Internationale Energieagentur IEA seit Monaten vor ­einer akuten Ölklemme, die jede wirtschaftliche Erholung in den nächsten Jahren zunichte machen kann – und gibt zu, dass man sich in der Vergangenheit über den Rückgang der Erdölförderung geirrt habe.

Die Verknappung fossiler Energien bedroht die Wirtschaft. Nur mit einem schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien sind unsere Wohlstandsökonomien aufrechtzuerhalten. Die Anerkennung dieser Tatsache würde den Klimaschutz emanzipieren – von der ökologisch motivierten Begründung für den Umstieg zu dessen wirkungsvollem Ergebnis.

Die konventionelle Energiewirtschaft hat kein Interesse an einer realistischen Einschätzung der Ressourcensituation, denn wenn klar ist, dass wir vor einer absehbaren Verknappung stehen, ­findet der Umstieg aus rein ökonomischen Gründen noch viel schneller statt, als dies aufgrund der Verknappung von Öl, Gas, Kohle und Uran notwendig sein wird und schneller, als der Umstieg mit dem Argument des Klimaschutzes durchsetzbar scheint.

Erneuerbare Energien bedrohen die etablierten Geschäftsmodelle und Einnahmen der alten Energieindustrien. Volkswirtschaftlich betrachtet wird der Umstieg aber insgesamt umso kostengünstiger, je ambitionierter er erfolgt, auch weil die neuen Technologien sich dann umso schneller verbilligen, durch Massenproduktion und weiteren technischen Fortschritt.

Notwendig ist ein schnellerer Ausbau der Erneuerbaren nicht allein aus Klimaschutzgründen, sondern vor allem aus Gründen der Versorgungssicherheit. Klimaschutz allein darf deshalb nicht länger das zentrale Argument für eine Energierevolution bleiben. Denn so erscheint Klimaschutz als teurer Kostenfaktor, der (besonders klimaschäd­liche) Branchen existenziell bedroht und angeblich das Wirtschaftswachstum bremst. Schließlich basiert das Wirtschaftswachstum bislang nahezu ausschließlich auf dem steigenden Verbrauch materieller Ressourcen und fossiler Energie.

Aus der Klimaschutz-Perspektive verlangt die Abkehr von fossilen Energien Einsicht und freiwillige Beschränkung, denn die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen kosten kurzfristig Geld und stellen weiteres Wirtschaftswachstum infrage. Dieselbe, jedoch bisher unterschätzte und nicht vermeidbare Bedrohung der Wirtschaft, verursacht aber die Verknappung fossiler Energien. Die Abkehr von diesen ist also nicht nur unvermeidbar, sondern sie würde den Konflikt zwischen Ökonomie und Klimaschutz auch entschärfen. In Wirklichkeit erzwingt nämlich bereits die Verknappung der konventionellen Energien den unmittelbaren Umstieg auf erneuerbare Energien. Der Umstieg ist somit alternativlos, auch ohne Freiwilligkeit und ökologische Einsicht.

Nachdem Erdöl und Uran ihre Förderhöhepunkte bereits erreicht oder sogar überschritten haben, wird sich auch die zusätzliche Versorgung mit Erdgas und Kohle bald nicht weiter steigern lassen. Die fossile Energiewirtschaft befindet sich also in einer Sackgasse, deren einziger Ausweg im beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien besteht. Die Erneuerbaren müssen in Zukunft nicht nur den zusätzlichen Bedarf vollständig decken, sondern auch einen immer größeren Anteil des bisher fossil gedeckten Anteils über­nehmen. Aus Klimaschutzgründen sogar noch schneller noch mehr als das aufgrund der Verknappung notwendig ist.

Derartige Steigerungsraten hat es in der ­Vergangenheit trotz des beispiellosen Booms der Erneuerbaren nicht gegeben. Und allein aus öko­logischen Motiven werden sich diese politisch kaum durchsetzen lassen. Wohl aber aus Gründen der Versorgungssicherheit. Dass dies zugleich dem Klima nützt, ist eine seltene Allianz von Ökonomie und Ökologie, deren argumentative Kraft nur ­unterschätzt werden kann. Dennis Meadows, der Autor von „Grenzen des Wachstums“, brachte es kürzlich in einem Interview auf diesen Nenner: „Ich bin überzeugt, dass bald niemand mehr über den Klimawandel spricht. Die Energieversorgung wird zum Hauptthema werden.“

Thomas Seltmann, Projektmanager der Energy Watch Group und Autor und Referent für nachhaltige Energiewirtschaft und Ökonomie.
http://www.thomas-seltmann.de
http://energywatchgroup.org/