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Betriebskosteneinsparung

Spitzenverbände nutzen Regenwasser

Das gläserne Bogendach über dem großen Innenhof des Haus der Deutschen Wirtschaft entwässert über seitliche Dachrinnen und innenliegende Fallrohre in das zweite Untergeschoss des Gebäudes. Als Besonderheit für kalte Außentemperaturen sind die Rinnen an der Kante des Glasdaches mit Begleitheizung ausgestattet, die bei weniger als 3 °C einschaltet und das Entwässerungssystem vor dem Vereisen schützt. Auf dem Weg nach unten passiert das Wasser im ersten Untergeschoss eine Filteranlage, die wie eine Wasserweiche funktioniert: Feine Siebe mit 0,6 mm Durchlassweite reinigen den Zulauf vom Dach und geben den sauberen Niederschlagsanteil zum Speicher ab. Bei intensiven Regenfällen spült überschüssiges Wasser die Siebe ab und transportiert den Schmutz in die Spree.

Ist der Speicher gefüllt, sperrt eine Motorklappe die vom Filter kommende Leitung. Weitere Regenzuläufe werden dadurch zurückgestaut und per Filter-Überlauf direkt zur Spree abgeleitet. Diese Motorklappe ist stromlos geschlossen. So wird ein Überlaufen des im Gebäude liegenden Speichers bei extremer Wettersituation mit Stromausfall verhindert.

Bereits vor zehn Jahren war die kompakte vormontierte Druckerhöhungsstation Stand der Technik. Sie ist trocken aufgestellt auf Höhe der Zisternensole, erhält so das Wasser energiesparend im Zulauf und setzt automatisch die Betriebswasserleitung zu den WC-Spülungen unter Druck. Vier geräuscharme liegende Kreiselpumpen, mehrstufig und normal saugend, teilen sich die Arbeit. Die Anlagensteuerung sorgt für automatischen Pumpentausch, Spitzenlastzuschaltung und bei Bedarf für Störumschaltung auf die jeweilige ­Reservepumpe. In diesem Fall erhält die zentrale Gebäudeleittechnik eine direkte Störmeldung.

Filter- und Speichertechnik

Das Regenwasser wird durch Abläufe mit Druckströmung am Dach abgeholt und mehrere Geschosse tiefer tangential in die beiden Filter ­geführt. Nach dem patentierten Prinzip des Wirbelfilters strömt das Regenwasser breitflächig über das zylinderförmige Filtergewebe. Dort wird es, unter Ausnutzung der Adhäsionskraft, durch ein senkrecht sitzendes Feinfiltergewebe seitwärts abgeleitet und über den Auslaufstutzen im freien Gefälle in den Vorlagebehälter vor dem Regen­speicher geführt. Dieses Prinzip erreicht eine ­Ausbeute von über 90 % im Jahresdurchschnitt, während das Restwasser automatisch den Schmutz per Überlaufleitung zur Spree transportiert. Der Filter gewährleistet die Entwässerungssicherheit nach DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke“ (Mai 2008). Es gibt im Gerät keinerlei Querschnittsverengungen, an denen sich Schmutz und Wasser stauen könnten – besonders wichtig bei wolkenbruch­artigen Regenfällen.

Bei Regenwassermangel, nach längerer Trockenheit, wird über ein Motorkugelventil Trinkwasser mit einer Zulaufleistung von 36 m3/h zunächst in den oben offenen Vorlagebehälter aus Ortbeton nachgespeist. Auch dieses Ventil ist sicherheitshalber stromlos geschlossen, um in Ausnahmesituationen unkontrolliert zulaufendes Trinkwasser zu vermeiden. Das Ventil erhält seine Impulse automatisch über Tauchsonden, die das minimale und maximale Niveau im Regenspeicher regeln. Der Vorlagebehälter war notwendig, weil die Sole der Grundleitung im 2. UG konstruktionsbedingt unter dem Wasserstand des Regenspeichers liegt und eine ständige Füllung dieser Grundleitung ­vermieden werden sollte. Zwei UnterwasserMotorpumpen fördern das Betriebswasser, ob aus dem Trinkwassernetz oder aus den Filtern der Dachabläufe stammend, mit einer Leistung von 150 m3/h vom Vorlagebehälter in den zentralen Regenspeicher.

Systemoptimierung

Der Filterhersteller hat die heutige Anordnung der beiden Wirbelfilter geplant und eingebaut. Sie bieten ein Höchstmaß an Ertrag und Sicherheit. Jeder kann einzeln bis zu 3000 m2 Dachfläche rückstaufrei entwässern. Weil sie innerhalb des Gebäudes liegen, wurde zweifach überdimensioniert. Der Entwurf der Haustechnik-Ingenieure hatte ursprünglich 20 kleinere Einzelfilter vorgesehen. „Im Vergleich dazu ist der Aufwand an Zeit für die Wartung nun weniger als 10 %“, meint Norbert Winkler, der Entwickler dieser Produkte und ­Gründer der Wisy, Winkler Systeme AG. „Zum ­Herausnehmen des Filtereinsatzes dient der im Lieferumfang enthaltene Aushebebügel. Eine ­neuartige Aufsetzdichtung ermöglicht das problemlose Herausnehmen und Wiedereinsetzen des Filtereinsatzes.“

Die Facility Manager haben im Lauf der Zeit das Sammelsystem und die Technik an den Verbrauchsstellen optimiert. Bei der regelmäßigen Inspektion und Wartung sind verbesserungswürdige Details aufgefallen und unter anderem folgende Maßnahmen durchgeführt worden:

März 2000: Austausch des Magnetventils für Trinkwassernachspeisung, da der zu schwache Magnet nicht gegen den Wasserstrom von 10 l/s schließen konnte. Dies minimiert die Betriebskosten für die gelegentliche Nachspeisung von Trinkwasser und verringert die Gefahr eines Wasserschadens im 1. und 2. UG.

August 2007: Austausch des vorhandenen Filtereinsatzes mit 0,38 mm Feinheit gegen den vom Hersteller alternativ angebotenen Einsatz mit 0,6 mm. Dies minimiert die Betriebskosten für Reinigung, trägt allerdings mehr Schwebstoffe in den Regenspeicher ein.

August 2008: Ausbau der Spartasten aus den 8-l-WC-Spülkästen, da im Turnus von 1 bis 2 Wochen die Schmutzwasserleitung durch zu sparsame WC-Spülung verstopft war. „Auch wenn der Wasserbedarf steigt, senken wir damit die Betriebskosten erheblich, da die häufige und kostspielige Rohrreinigung durch externe Firmen entfällt“, hat Thomas Liebe ermittelt. Er ist technischer Leiter der Gegenbauer Facility Management GmbH im Haus der Deutschen Wirtschaft.

Investitions- und Betriebskosten

Absolute Zahlen zur Regenwassernutzung wurden von der Bauherrschaft nicht vorgelegt. Dennoch kann festgestellt werden, dass

  • Dachentwässerung als Druckströmungstechnik mit Fall- und Grundleitungen ohnehin erforderlich waren,
  • Speicher, Überlauf sowie Trinkwassernachspeisung mit Vorlagebehälter sowieso für die Bevorratung des Feuerlöschwassers in dieser Form erforderlich waren,
  • als Investition für die Nutzung des Regenwassers also nur die Mehrkosten zu kalkulieren sind für die Vergrößerung des Speicherbehälters, für die beiden großen Wisy-Filter, die Motorklappe im Speicherzulauf, die Pumpentechnik zur Entnahme und Verteilung des WC-Spülwassers sowie das dafür nötige separate Leitungsnetz.

Um die Einsparung bei den Betriebskosten zu ermitteln, sind die jährlichen Summen aus Finanzierungskosten der Investition sowie aus dem Wartungsaufwand und elektrischer Energie für Pumpentechnik und Motorventile zu berücksichtigen. Gegenzurechnen sind die jährliche Summe aus gesparter Trinkwassergebühr in Größenordnung des genutzten Regenwassers (im Jahr 2010 bei 1037 m3 ohne Mehrwertsteuer 2113 Euro) und aus eingespartem Niederschlagswasserentgelt (im Jahr 2010 Ableitung von Regenwasser in den ­Kanal bei 2000 m2 Dachgrundfläche 3680 Euro).

Wasserbilanz

Der Wasserbedarf für WC-Spülung in Bürogebäuden kann laut DIN 1989-1 „Regenwassernutzungsanlagen, Planung, Ausführung, Betrieb und Wartung“ (April 2002) mit 12 l/(Pers d) berechnet werden. Bei angenommenen 220 Arbeitstagen und 570 Mitarbeitern liegt der Bedarf, wenn 6-l-WCs mit Spartasten eingebaut sind, bei 1505 m3/a bzw. 125 m3/Monat. Da hier im Gebäude 8-l-WCs installiert sind, ist ein Verbrauch von 165…170m3/Monat zu vermuten.

Der Ertrag dieser Anlage soll ebenfalls vorab überschlägig ermittelt werden, um die festgestellten, an Zählern abgelesenen Mengen, verifizieren zu können. Das Glasdach über dem Innenhof hat eine Horizontalprojektion von 2000 m2. Der Ertragsbeiwert für ein Glasdach dieser Größe wird mit 0,95 angenommen. Der Jahresniederschlag in Berlin-Mitte ist laut DWD im 30-jährigen Mittel 574,4 mm. Demnach ist der Ertrag vor den Filtern 1091 m3/a. Nach einem Filter Typ C mit Fremdstoffableitung gemäß DIN 1989-2 und einem Wirkungsgrad von 95 % ist der Ertrag 1037 m3/a bzw. 86 m3/Monat.

Etwa sechs Jahre nach Betriebsbeginn wurden die Zählerstände abgelesen. Damit ergaben sich für den willkürlich gewählten Zeitraum folgende Verbrauchsdaten:

21 Monate (17.02.2006 bis 20.11.2007):

  • 170 m<sup>3</sup>/Monat aus der Zisterne entnommen, davon
  • 79 m<sup>3</sup>/Monat Trinkwasser als Nachspeisung bei leerem Regenspeicher,
  • 91 m<sup>3</sup>/Monat Differenz ist der genutzte durchschnittliche Regenertrag.

23 Monate (20.11.2007 bis 20.10.2009):

  • 192 m<sup>3</sup>/Monat aus der Zisterne entnommen,
  • Trinkwasser als Nachspeisung wegen Zählertausch nicht nachvollziehbar,
  • Differenz des genutzten durchschnittlichen Regenertrags nicht zu ermitteln.

2 Monate (20.10.2009 bis 16.12.2009):

  • 197 m<sup>3</sup>/Monat aus der Zisterne entnommen, davon
  • 28 m<sup>3</sup>/Monat Trinkwasser als Nachspeisung bei leerem Regenspeiche,
  • 169 m<sup>3</sup>/Monat Differenz ist der genutzte durchschnittliche Regenertrag.

Bewertung

Zwischen Anfang 2006 und Ende 2009 ist der Bedarf für die Toilettenspülung von 170 m3/Monat Zisternenwasser auf 197 m3/Monat gestiegen, ­sicherlich bedingt durch die zwischenzeitlich ­blockierte Sparspülung. Dies ist ein Mehrbedarf von 16 %.

Das gesammelte Regenwasser konnte in den ersten 21 Monaten 54 % der Bedarfsmenge von 170 m3/Monat abdecken, 46 % wurde durch nachgespeistes Trinkwasser bei leerem Speicher ergänzt. In derselben Periode ist der Regenwassertank nur ein Mal übergelaufen. Damit wird deutlich, dass das aufgefangene Regenwasser nahezu vollständig (geschätzt zu 98 %) verwendet werden konnte. Dies bestätigt der aus einem 30-jährigen Niederschlags-Mittelwert errechnete Jahresertrag, der mit 86 m3/Monat nahezu dem als Differenz der Zählerstände festgestellten tatsächlich genutzten Ertrag von 91 m3/Monat entspricht.

In den beiden letzten Monaten des untersuchten Zeitraums Ende 2009 fiel der am Zähler festgestellte Trinkwasserbedarf stark ab und ergab als Differenz einen genutzten Regenertrag von 169 m3/Monat, fast das Doppelte des überschlägig errechneten Wertes von 86 m3/Monat. Demnach konnten 86 % durch das gesammelte Regenwasser abgedeckt werden, nur 14 % waren durch nachgespeistes Trinkwasser zu ergänzen.

Die abgelesenen Zählerstände zeigen erfreulicherweise, dass selbst bei doppelter Regenmenge das aufgefangene Regenwasser nahezu vollständig (geschätzt zu 98 %) verwendet werden konnte. Diese Tatsache ist dem hohen Wirkungsgrad der Wirbelfilter geschuldet, als auch der stetigen Systemoptimierung durch das Facility Management im Haus der Deutschen Wirtschaft.

Projektdaten

Facility Management Gegenbauer GmbH

Inbetriebnahme Regenwassertechnik: 2000

Beschäftigte im Gebäude: 570

Regenwasserverwendungszweck: WC-Spülung, Feuerlöschvorrat Sprinkle­r

Jahresniederschlag Berlin-Mitte 1961 bis 1990: 574,4 mm

Regenwassersammelfläche Glasdach, Projektion: 2000 m2

Regenwassertank Ortbeton: 280 m3

davon Feuerlöschvorrat: 70 m3

Regenwasserfilteranlage: 2 Wirbelfeinfilter WFF 300, Filtergehäuse PP, Filtergewebe Edelstahl, Feinheit 0,6 mm

Herstellung und Montage der Regenwasserfilteranlage: Wisy AG, Kefenrod, http://www.wisy.de

Klaus W. König

Dipl.-Ing. Architekt, ö.b.u.v. Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist und Vorstandsmitglied der Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr), Überlingen, Telefon (0 75 51) 6 13 05, mail@klauswkoenig.com, http://www.klauswkoenig.com