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Antimicrobial Copper

Lizenz zum Töten

In der Medizingeschichte hat die antimikro­bielle Wirkung von Kupfer schon früh eine ­entscheidende Rolle gespielt. Bereits die ­Ägypter haben diese Eigenschaft genutzt, um Trinkwasser und Wunden zu desinfizieren. Auch andere Kulturen haben sich dies zunutze gemacht. Die hygienischen Eigenschaften gelöster Kupfer-Formen werden bis heute vor allem zur Wund­behandlung, zur Wasserdesinfektion, zum Pflanzenschutz und zur Material-Fäulnisprävention genutzt. Das Wissen über die antimikrobielle ­Effektivität massiven Kupfers und einiger seiner Legierungen geriet aber in Vergessenheit und wurde bis in die jüngste Vergangenheit nie systematisch untersucht. Erst in den letzten Jahren wurde diese kupfertypische Eigenschaft als ­Forschungs-Thema erkannt.

Parallel dazu wurden erste Produkte und das globale Qualitätszeichen Antimicrobial Copper1) entwickelt. In Deutschland wurde es im Mai auf einer Informationsveranstaltung des Deutschen Kupferinstituts (DKI) im Fraunhofer-inHaus-Zentrum in Duisburg vorgesellt. Auch zum Anfassen: In der einzigartigen Innovationswerkstatt für neuartige Systemlösungen in Räumen und Gebäuden werden im Bereich Health & Senior Care Türgriffe aus antimikrobiell wirkenden Kupferlegierungen eingesetzt.

Mit dem Qualitätszeichen Antimicrobial Copper können Hersteller nun belegen, dass ihre Produkte gefährliche Bakterien ununterbrochen abtöten und einen zusätzlichen Beitrag zur Verringerung des Infektionsrisikos leisten können. Die antimikrobielle Wirksamkeit von Kupfer und seinen Legierungen, insbesondere Messinge und Bronzen, wurde bereits im letzten Jahr durch die US-Umweltbehörde EPA bestätigt und weltweit in mehreren klinischen Tests wissenschaftlich überprüft. Dabei zeigte sich, dass sich die antibakterielle Wirkung von Kupfer nicht alleine auf die schlagzeilenträchtigen Antibiotika-resistenten Bakterien-Stämme MRSA bezieht, sondern auch auf eine Vielzahl pathogener Keime und selbst auf Viren, beispielsweise den Grippeerreger A H1N1 (Trivialname Schweinegrippe).

Praxistests belegen Keimreduktion

In Deutschland wurden diese Untersuchungen 2008/09 an der Asklepios-Klinik Hamburg-Wandsbek durchgeführt, wo die eine Hälfte einer geriatrischen Station („Altenmedizin“) mit Türgriffen und Lichtschaltern aus einer Kupferlegierung ausgestattet wurde, während in der anderen Hälfte der Station diese „Hotspots“ nicht verändert wurden. Über mehrere Monate hinweg untersuchten unabhängige Wissenschaftler der Universität Halle-Wittenberg die Keimbesiedlung der herkömmlichen sowie der kupferhaltigen Kontakt­oberflächen und stellten auf den Kupferklinken eine erhebliche Keimreduktion fest.

Ähnliche Praxistests erfolgten in Groß­britannien, Japan, Chile, Südafrika, Griechenland, Skandinavien und auf Intensivstationen von drei Kliniken in den USA. In allen Fällen zeigen die Ergebnisse laut DKI auf kupferhaltigen Kontaktflächen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine deutliche Keimreduktion – je nach Rahmen­bedingungen zwischen 60 und 100 %.

Mit dieser Fähigkeit von Kupferoberflächen wird die indirekte Keimübertragung von Mensch zu Mensch reduziert. Als indirekter Übertragungsweg gilt die gemeinsame Nutzung von Gegenständen, z.B. Türklinken. In Studien konnte nachgewiesen werden, dass eine erkrankte Person Keime an mindestens sieben weitere Personen weitergibt – nur durch die Benutzung derselben Klinke.

Handlungsbedarf

Trotz hochmoderner Medizin wächst die Gefahr, sich in einem Krankenhaus mit einem Erreger zu infizieren, der resistent gegen Antibiotika ist. Hier besteht Handlungsbedarf, wie aktuelle Zahlen unterstreichen. Europaweit sterben jährlich nach Angaben des Europäischen Zentrums für Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) 50000 Menschen durch Krankenhausinfektionen (nosokomiale Infektionen).

Eine besondere Gefahr geht von den Keimen des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) aus. Er ist nicht nur gegen das Antibiotikum Methicillin resistent, sondern auch gegen viele andere Antibiotika. Besonders problematisch werden solche multiresistenten Keime, wenn sie auf Menschen treffen, deren ­Immunsystem geschwächt ist, wie es gerade im Krankenhaus der Fall ist. Mögliche Folgen können nicht heilende Wunden, Lungenentzündung und Blutvergiftung sein.

Als Erfolg versprechend im Kampf gegen die weitere Ausbreitung Antibiotika-resistenter ­Erreger kann nur ein Multi-Barriere-System gelten, welches auf Resistenz-Überwachung, ­restriktivem Antibiotikaeinsatz und vor allem ­umfangreichen Hygienemaßnahmen fußt. „Als ein zusätzlicher Baustein in einem solchen System bietet sich der Einsatz spezifischer ­Kupferlegierungen für hoch frequentierte Kon­taktoberflächen an. Sie bieten ein unerschöpfliches Reservoir für die hochwirksamen Kupfer-Ionen, um gefährliche Keime zu inaktivieren“, erläuterte DKI-Geschäftsführer Dr. Anton Klassert.

Produkte für neuralgische Punkte

Zahlreiche Hersteller haben das Potenzial ­antimikrobieller Kupferlegierungen für die Gesundheitswirtschaft erkannt und erste Medizinprodukte und Bauprodukte für das Patienten­umfeld gefertigt, die im Health-und-Care-Bereich an neuralgischen Punkten zum Einsatz kommen: Das Portfolio reicht vom Rollwagen, Stethoskop, Inhalationsgerät, Haltegriffen über Türbeschläge bis hin zu Lichtschaltern und Sanitärarmaturen.“ Zwar sind die Produkte meistens teurer als solche aus Edelstahl und Kunststoffen, dem ­stehen aber langfristige Einsparungseffekte gegenüber. Jeder Patient, der sich im Krankenhaus mit einem resistenten Erreger infiziert, ­verursacht zusätzliche Kosten. Innerhalb eines umfassenden Hygienekonzeptes können Kupferprodukte somit dazu beitragen, diese Kosten zu senken. Jochen Vorländer

http://www.antimicrobialcopper.com

https://kupfer.de/

http://www.berker.com

http://www.wilhelm-may.de

1) Über den aktuellen Forschungsstand, die erhältliche Produktpalette sowie die Möglichkeit, sich des Markenzeichens als Hersteller zu bedienen, informiert die Website http://www.antimicrobialcopper.com

So inaktiviert Kupfer Bakterien

Nach dem direkten Kontakt zwischen Materialoberfläche und Bakterium wird die äußere ­Bakterien-Zellmembran zerstört. Die Zelle verliert in der Folge Nährstoffe und Wasser. Zudem können aus dem Material potenziell freigesetzte Kupfer-Ionen in die Zelle vordringen. Jede äußere Zellmembran (auch jene einzelliger Organismen wie Bakterien) wird durch ein ­stabiles elektrisches Mikro-Potenzial charakterisiert. Dieses „Membranpotenzial“ kommt durch Spannungsunterschiede zwischen Zellaußen- und -innenseite zustande. Stoffwechselexperten gehen davon aus, dass dieses stabile elektrische Potenzial beim Kontakt zwischen Kupfer­material und Zelle zerstört und die Zellmembran hierdurch geschwächt wird. Dadurch bilden sich „Löcher“ in der Membran. Ein weiterer Mechanismus, die lokale Oxidation, kann durch ­einzelne, aus der Materialoberfläche freigesetzte Kupferionen in Gang gesetzt werden. ­Hierdurch werden einzelne „Bauteile“ der Zellmembran angegriffen. Bei Anwesenheit von ­Sauerstoff kann so ein „Oxidations-Schaden“ entstehen. Nachdem die „äußere Verteidigungs­linie“ (Zellmembran) der Bakterie geschädigt ist, kommt es zum ungestörten Strom von ­Kupferionen ins Zellinnere. Es erfolgt eine Überfrachtung mit den ansonsten essentiellen ­Kupferionen. Hierdurch werden lebenswichtige Funktionen (enzymgesteuerte Stoffwechsel­prozesse) der Zelle angegriffen oder gehen ganz verloren. Das Bakterium kann dann nicht mehr „atmen“, „essen“, „verdauen“ oder die für das Leben notwendige Energie erzeugen. ­Experten, die sich mit dem Kupfer-Stoffwechsel der Bakterien befassen, erklären die enorme Geschwindigkeit der Interaktion Kupferoberfläche-Bakterium (oftmals werden Bakterien innerhalb weniger Minuten inaktiviert) mit einer zeitgleichen Wirkung des Kupfers auf verschiedene Zellmoleküle („Multi-Target“). Nachdem die Zellmembran aufgebrochen wurde, kann Kupfer jedwedes Enzym außer Kraft setzen, dem es begegnet. Somit wird der Zelle jede Möglichkeit des internen Nährstofftransportes, der Zell-Reparatur oder der Vermehrung genommen. Diese „Mehrfachfunktionalität“ des Kupfers wird zugleich als Ursache für die enorme Breitbandwirkung des Kupfers interpretiert. In der Tat verloren alle Mikroorganismen, die bislang hinsichtlich der beschriebenen Effekte untersucht worden sind, ihre Überlebensfähigkeit.

Quelle: DKI Broschüre Antimikrobielle Kupferlegierungen – Neue Lösungen für Gesundheit und Hygiene2)

2) Die DKI-Broschüre „Antimikrobielle Kupferlegierungen – Neue Lösungen für Gesundheit und Hygiene“ enthält eine umfassende Dokumentation des Forschungsstands und steht als PDF-Download auf https://www.tga-fachplaner.de/ im Menü Infothek / Downloads.