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DVGW-Arbeitsblatt W 224

Verfahren zur Desinfektion von Trinkwasser mit Chlordioxid

Kompakt informieren

  • Ein prophylaktischer Einsatz von Chemikalien zur Trinkwasserdesinfektion darf nur in begründeten Ausnahmen erfolgen.
  • Bei der Trinkwasserdesinfektion hat Chlordioxid (ClO<sub>2</sub>) gegenüber Chlor mehrere Vorteile, insbesondere entstehen bei der Reaktion mit organischen Wasserinhaltsstoffen keine gesundheitsgefährdenden Verbindungen.
  • Für den gebäudetechnischen Bereich sind zur Trinkwasserdesinfektion Verfahren mit automatischer Herstell- und Dosiertechnik besonders geeignet.

Öffentliche Trinkwasserversorger sind dazu verpflichtet (TrinkwV § 14), Wasser­untersuchungen durchzuführen und sicherzustellen, dass das Wasser an der Übergabe in die Hausinstallation den Vorgaben der Trinkwasserverordnung (TrinkwV 2001) entspricht. Betreiber häuslicher Trinkwasserversorgungssysteme sind hingegen lediglich verpflichtet, mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten.

Allerdings wird – oft unwissentlich – gegen die Vorgaben der technischen Normung verstoßen, was die Verkeimung von Haussystemen durch verschiedenste Einflüsse und Faktoren zur Folge hat. Um dann das verkeimte System wieder „in den Griff“ zu bekommen, sind oft aufwendige Arbeitsschritte erforderlich. Diese sind mit hohen Kosten, aber auch gewissen Risiken verbunden. Eine genaue Prüfung der am Markt angebotenen Verfahren ist daher sehr zu empfehlen.

Der prophylaktische Einsatz von Chemikalien zur Trinkwasserdesinfektion sollte nur in begründeten Ausnahmen erfolgen. Eine kontinuierliche Zugabe von Chemikalien darf nur der letzte Schritt sein, der nach genauer Prüfung ­aller Kriterien und Möglichkeiten erfolgt. Nur so handelt der Fachmann nach dem Grundsatz des Minimierungsgebotes1) für die Zugabe von Chemikalien in Trinkwasser.

Ist eine chemische Desinfektion unumgänglich und die nachweislich einzige Möglichkeit, mikrobiologische Kontaminationen im Trinkwasser zu beseitigen, müssen die in § 11 der Trinkwasserverordnung vorgegebenen Anwendungsbedingungen und Grenzwerte zwingend eingehalten werden. Zur Vorhaltung einer Desinfektionskapazität dürfen ausschließlich Chlor und Chlordioxid eingesetzt werden. Dabei müssen zwingend die in der UBA-Liste2) vorgegebenen Herstellungs- und Dosierungsverfahren, die zulässigen Zugabemengen sowie die Grenzwerte entstehender Neben- und Abbauprodukte eingehalten werden. Auch die technischen Regelwerke, die in diesem Zusammenhang einzuhalten sind, beschreibt die UBA-Liste und gibt hierfür verbindliche Vorgaben.

Entscheidet man sich für den Einsatz von Chlordioxid, ist zudem das im Februar 2010 vollständig überarbeitete DVGW-Arbeitsblatt W 2243) zu beachten. Die zur Verfügung stehenden Verfahren – das Chlorit/Chlor-Verfahren, das Chlorit/Salzsäure-Verfahren und das Chlorit/Peroxodisulfat-Verfahren – werden in W 224 ausführlich beschrieben. Das Arbeitsblatt macht darüber hinaus Angaben zur Bevorratung und Dosierung und die zu beachtenden Sicherheitsanforderungen.

Vorhaltung einer Desinfektionskapazität

Des Weiteren werden im DVGW-Regelwerk die Einsatzgrenzen von Chlordioxidverfahren aufgezeigt. Bei jedem Desinfektionsverfahren gehört zum Verfahrenserfolg ein weitgehend trübstofffreies Wasser. Denn in jeder Verunreinigung und in jedem kleinen Partikel können Krankheitserreger so verborgen sein, dass sie vor der Einwirkung des Desinfektionswirkstoffs geschützt sind.

Somit liegt nahe, dass man die grundsätzliche Sauberkeit im System fordert, bevor mit der kontinuierlichen Vorhaltung einer Desinfektionskapazität begonnen werden kann. Nur so können die zugelassenen Desinfektionsverfahren im Rahmen der vorgeschriebenen Grenzwerte dauerhaft funktionieren. Bei verschlammten und mit Ablagerungen belasteten Trinkwassersystemen ist ein Erfolg der Desinfektionsverfahren nicht realistisch. Zudem muss beachtet werden, dass die abtötende Wirkung der zulässigen Desinfektionswirkstoffe im Rahmen der Grenzwerte bei parasitären Krankheits­erregern wie Kryptosporidien4) oder Giardien5) begrenzt ist.

Vorteile und Einsatzgrenzen von ClO2

Chlordioxd (ClO2) hat jedoch gegenüber dem Einsatz von Chlorprodukten mehrere Vorzüge. Ein wesentlicher Vorteil bei der Verwendung von ClO2 zur Trinkwasserdesinfektion ist, dass bei der Reaktion mit organischen Wasserinhaltsstoffen keine gesundheitsge­fährdenden Verbindungen entstehen – eines der Hauptprobleme bei der Anwendung von Chlor und Hypochlorit. Hier bilden sich Desinfektions­nebenprodukte wie Trihalogenmethane, deren Grenzwert von 0,05 mg/l un­bedingt zu beachten ist. Die Chlor-Reaktionsprodukte wie Chloroform oder Bromoform ­wirken kan­zerogen.

Zudem kommt es bei Chlordioxid kaum zu Geruchs- und Geschmacksbeeinträchtigungen aufgrund des geringen Reaktionspotenzials mit organischen Inhaltsstoffen. Weitere Vorteile bei der Verwendung von Chlordioxid anstelle von Chlor sind die längere Wirkungszeit sowie die Desinfektionswirkung, die auch bei pH-Werten über 8 erhalten bleibt. Außerdem reagiert Chlordioxid – anders als Chlor – nicht mit Ammonium, Aminen oder Bromid.

Allerdings gibt es auch für Chlordioxid definierte Einsatzgrenzen. Bei hohen DOC-Konzentrationen (DOC: gelöster organischer Kohlenstoff) im Wasser kann die maximal zulässige ­ Dosiermenge von 0,4 mg/l nicht ausreichend sein. Zusätzlich ist der Chlorit-Grenzwert von maximal 0,2 mg/l zu beachten.

ClO2 muss vor Ort produziert werden

Da ClO2-Lösungen nicht stabil sind, muss das Chlordioxid vor Ort produziert werden. Eine Anwendung von ClO2-haltigen Fertiggebinden ist im Bereich der Trinkwasserdesinfektion nicht zulässig. Die manuelle Zubereitung solcher Lösungen vor Ort kommt nur für einen zeitlich befristeten Einsatz infrage oder wird für die Reinigungsdesinfektion von Anlagen nach DVGW-Arbeitsblatt W 2916) verwendet. Dabei ist zu beachten, dass das eingesetzte Chlorit möglichst vollständig zu ClO2 umgesetzt wurde. Auch sind die Vorgaben der Hersteller der vorkonfektionierten Mischproduktkomponenten penibel einzuhalten.

Hierzu gehören vorgegebene Reaktionszeiten nach dem Vermischen sowie der zulässige Anwendungszeitraum der Wirkstofflösung. Beispielsweise gibt W 224 an, dass beim häufig verwendeten Handmischverfahren (dem Chlorit/Peroxodisulfat-Verfahren) bei der Herstellung einer ClO2-Lösung mit einem Gehalt von 3 g/l, mit einer Reaktionszeit von 120 h zu rechnen ist. Dies gilt bei einer Lagertemperatur von 19 °C; die Reaktionszeit verkürzt sich bei 30 °C Raumtemperatur auf 24 h. Eine katalytische Beschleunigung des Ansatzprozesses durch Zugabe von Schwermetall-Ionen ist ausdrücklich nicht erlaubt.

ClO2-Herstell- und Dosierautomaten

Da der Aufwand und die Risiken für Betreiber im oben beschriebenen Verfahren hoch sind, empfiehlt sich das Chlorit/Salzsäure-Verfahren. Insbesondere für den gebäudetechnischen Bereich ist dieses unter Verwendung vorverdünnter konfektionierter Wirkstoffkomponenten (9%ige Salzsäure und 7,5%ige Natriumchlorit-Lösung) mit automatischer Herstell- und Dosiertechnik wesentlich praxisgerechter und sicherer. Vorteil bei diesem wesentlich schneller reagierenden Verfahren ist die automatische Produktion und Dosierung der Chlordioxidlösung. Dies erfolgt in Abhängigkeit des zu behandelnden Wasservolumenstromes und ohne nennenswerte Bevorratung. Solche kompakten ClO2-Herstell- und Dosierautomaten Abb. 1 Abb. 2, ausgerüstet mit zwei oder drei Dosierpumpen, benötigen keine zeitaufwendigen analytischen Kontrollen über die vollständige Umsetzung der Komponenten-Reaktion wie bei einem Handmischverfahren.

Die weiteren im DVGW-Arbeitsblatt beschriebenen Verfahren, wie das Chlorit//Chlor-Verfahren oder das Chlorit/Salzsäure-Verfahren mit Wirkstoffkomponenten höherer Konzentration, kommen im gebäudetechnischen Bereich hingegen kaum zur Anwendung. Diese Verfahren werden bei öffentlichen Wasserversorgern mit ausgebildetem Personal eingesetzt oder kommen dort zum Einsatz, wo größere Mengen Chlordioxid benötigt werden.

Unabhängig von den in Arbeitsblatt W 224 beschriebenen Verfahren sollte eine automatische und vor allem kontinuierliche Überwachung gewährleistet sein – zur Sicherheit der Nutzer des Trinkwasserversorgungssystems, aber auch zur Sicherheit des Betreibers. Denn die Organisationshaftung gebietet zusätzlich die Dokumentation der Messwerte. Dabei erfolgt die CIO2-Messung, nach ausreichender Vermischung, über Messelektroden direkt hinter der CIO2-Dosierstelle. Messelektroden in druckfester Ausführung kommen bei richtiger Platzierung sogar ohne Messwasserverluste aus.

Fazit

In Deutschland sind ausschließlich Chlor und Chlordioxid zur Trinkwasserdesinfektion erlaubt. Andere Mittel können nach öffentlichen Testversuchen zugelassen und in die Liste der zulässigen Aufbereitungsstoffe Abb. 3 und Desinfektionsverfahren Abb. 4 des UBA aufgenommen werden. Es müssen dazu jedoch erst eine hinreichende Wirksamkeit und der Ausschluss von unvertretbaren Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt gegeben sein. Die im DVGW-Arbeitsblatt W 224 beschriebenen Verfahren sind durch jahrelange Anwendung erprobt und in ihrer Wirkung vielfach bestätigt. •

1) TrinkwV § 6, Absatz 3: „Konzentrationen von chemischen Stoffen, die das Wasser für den menschlichen Gebrauch verunreinigen oder seine Beschaffenheit nachteilig beeinflussen können, sollen so niedrig gehalten werden, wie dies nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik mit vertretbarem Aufwand unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles möglich ist.“

2) Download der Liste des Umweltbundesamts (UBA) zu TrinkwV § 11 über Webcode 307799

3) DVGW-Arbeitsblatt W224 Verfahren zur Desinfektion von Trinkwasser mit Chlordioxid. Bonn: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, Februar 2010

4) Kryptosporidien (Cryptosporidium) sind einzellige Parasiten, die häufig Kälber und gelegentlich Menschen, darüber hinaus aber bis zu 40 weitere Wirbeltiere infizieren. Quelle: Wikipedia

5) Giardien (Giardia) sind eine Gattung von mikroskopisch kleinen Dünndarm-Parasiten. Für den Menschen stellen sie als Zoonoseerreger eine Gefahr dar.

6) DVGW-Arbeitsblatt W 291 Reinigung und Desinfektion von Wasserverteilungsanlagen. Bonn: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, März 2000

7) DVGW-Arbeitsblatt W 296 Vermindern oder Vermeiden der Trihalogenmethanbildung bei der Wasseraufbereitung und Trink­wasserverteilung. Bonn: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, Februar 2002

8) DVGW-Arbeitsblatt W 623 Dosieranlagen für Desinfektionsmittel bzw. Oxidationsmittel; Dosieranlagen für Chlor. Bonn: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, September 1991

9) DVGW-Arbeitsblatt W 229 Verfahren zur Desinfektion von Trink­wasser mit Chlor und Hypochloriten. Bonn: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, Mai 2008

10) DVGW-Arbeitsblatt W 624 Dosieranlagen für Desinfektionsmittel und Oxidationsmittel: Dosieranlagen für Chlordioxid. Bonn: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, Oktober 1996

Mehr Infos zum Thema im TGAdossier Wasseraufbereitung: Webcode 1043

Dipl.-Ing. Winfried Hackl

BWT Wassertechnik, 69198 Schriesheim, Telefon (0 62 03) 7 30, http://www.bwt.de

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