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Spezifische Kennwerte

Genormte Irritation

Kompakt informieren

  • Bei der Verwendung von spezifischen Kennwerten muss genau darauf geachtet werden, ob sie auch eindeutig definiert sind. Dimensionsangaben ohne nähere Erläuterung können schnell falsch interpretiert werden.
  • Für den Bezug auf eine Fläche existieren im Regelwerk diverse Berechnungsvorschriften, die Ergebnisse können deutlich voneinander abweichen.
  • Für die Empfänger von Energieausweisen etc. muss mehr Klarheit geschaffen werden.

Spezifische Kennwerte sind aus der täg­lichen Ingenieurpraxis kaum wegzu­denken und oft sinnvoll und zweckmäßig, beispielsweise die spezifische Heizlast oder ­spezifische Kühllast in W/m2, der spezifische Mindestaußenluftvolumenstrom in l/(s m2), ein spezifischer Heizwärmebedarf oder -verbrauch in kWh/(m2 a) und spezifische Kosten in Euro/m2, Euro/kW oder Euro/(m3/h).

Sie ermöglichen einfach Vergleiche und bieten mit ein wenig Erfahrung auch eine schnelle Kontrolle von Berechnungen sowie eine erste Bewertung von Konzepten. Dabei ist wichtig, dass der jeweilige Bezugswert identisch und eindeutig definiert ist. Werden Dimensionsangaben ohne nähere Erläuterung verwendet, wird es unweigerlich zu Fehlaussagen oder Irritationen kommen. Beste Beispiele finden sich bei der energetischen Bewertung von Gebäuden und Anlagen.

Schon mit der Einführung der EnEV 2002 und der Bezugsnorm DIN 4701-10 [1] wurde als Bezugsgröße eine Nutzfläche AN (Gebäudenutzfläche) eingeführt, die sich definitionsgemäß für Wohngebäude und Nichtwohngebäude mit einem definierten Raumhöhenbereich aus der zugeschnittenen Größengleichung AN = 0,32 Ve ergibt. Dabei ist nach [1] Ve definitionsgemäß das Gebäudevolumen (von der wärmeübertragenden Umfassungsfläche des Gebäudes umschlossenes Volumen, Systemgrenze „Außenmaße“ nach DIN EN ISO 13789).

Mangelhafte Transparenz

Eine solche Vorgehensweise ist nicht unüblich – und durchaus praktikabel, so lange die gleichen Voraussetzungen gelten. Doch werden die Ergebnisse der energetischen Bewertung nach DIN V 18599 bzw. EnEV als Heiz-, Nutz- oder Primärenergiebedarf auf die Nutzfläche AN bezogen, ohne dieses explizit auch für Nichtfachleute bzw. die Nutzer des Energieausweises zu dokumentieren. Nur mit geschärftem Misstrauen kann man auf die Idee kommen, dass AN eine fiktive Fläche ist.

Auch die Fördermechanismen der KfW-Bank weisen Grenzwerte für den Primärenergiebedarf (KfW-Effizienzhaus 55: QP 2 a) bzw. Effizienzhaus 70: QP < 60 kWh/(m2 a)) aus und beziehen sich ebenfalls auf die Ge­bäudenutzfläche nach EnEV. Diese Nutzfläche ist aber nicht identisch für die Nutzer von Immobilien mit der nach DIN 277 defi­nierten Nutzfläche, einer Wohnfläche oder Mietfläche, einer konditionierten Nutzfläche, einer Nutzungseinheit oder einer Energie­bezugsfläche.

Sehr deutlich wird dies bei einem Nachweis des Passivhausstandards. Die Dokumentation Abb. 2 weist zwei Bezugsflächen und einzuhaltende Grenzwerte aus; nach Passivhausstandard eine Energiebezugsfläche und die ­Gebäudenutzfläche nach EnEV. Hier wird deutlich, dass zwei unterschiedliche Werte aus­gewiesen werden, was hingegen für den Nutzer eines Energieausweises kaum plausibel nachvollziehbar ist. Der Nutzer bzw. Bauherr kennt jedoch noch zusätzliche Flächen: Die Brutto-Grundfläche und die Netto-Grundfläche aus seinen Bauunterlagen. Wenn er diese verwendet, um mit dem tatsächlichen Verbrauch von Heizenergie den spezifischen Verbrauch zu ermitteln oder um aus den vorgegebenen bzw. den theoretisch ermittelten Kennwerten den Gesamtbedarf zu berechnen und dann mit dem tatsächlichen Verbrauch vergleicht, kann es zu erheblichen Differenzen kommen. Zumal auch noch diverse Möglichkeiten existieren, bei der Energiemenge einen falschen Bezug zu ­verwenden.

DIN 277 in den Teilen 1 bis 3 [2] regelt die Aspekte, den Sprachgebrauch und die Ermittlung der Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau Abb. 3. Trotzdem werden in den einzelnen Regeln der Technik recht unterschiedliche Flächenbezeichnungen verwendet, was bei der Bildung und der Anwendung von Kennwerten zu Fehlinterpretationen führen kann. Abb. 4 zeigt einige Beispiele.

Schlussfolgerungen

  • Bei der Anwendung von spezifischen ­Kennwerten muss immer eindeutig die Bezugsgröße definiert und ausgewiesen werden.
  • Beim Bezug auf eine Fläche sollten die nach DIN 277 national festgelegten Definitionen Anwendung finden.
  • Es wäre zweckmäßig, dass Nutzern von energetischen Nachweisen die ­Bezugsgröße des spezifischen Werts ­eindeutig und nachvollziehbar sowie die absoluten Werte genannt werden, die dem Nutzer als Vergleichsgröße ­zwischen Bedarf und tatsächlichem ­Verbrauch dienen können. •

Ähnliche Themen enthalten die TGAdossiers Regelwerk und Regelwerk-Update: Webcode 723 bzw. 728

Literatur

[1] DIN V 4701 Energetische Bewertung heiz- und raumlufttechnischer Anlagen – Teil 10: Heizung Trinkwassererwärmung, Lüftung. Berlin: Beuth Verlag, August 2003

[2] DIN 277 Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im ­Hochbau, Teil 1: Begriffe, Ermittlungsgrundlagen (Februar 2005); Teil 2: Gliederung der Netto-Grundfläche (Nutzflächen, Technische Funktionsflächen und Verkehrsflächen) (Februar 2005); Teil 3: ­Mengen und Bezugseinheiten (April 2005). Berlin: Beuth Verlag

[3] DIN 276 Kosten im Bauwesen; Teil 1: Kosten. Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2008

[4] DIN 1946 Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – ­Allgemeine Anforderungen, Anforderungen zur Bemessung, ­Ausführung und Kennzeichnung, Übergabe/Übernahme (Abnahme) und Instandhaltung. Berlin: Beuth Verlag, Mai 2009

[5] EPBD 2010: Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung); Gebräuchliche Kurzformen: EPBD und EU-Gebäuderichtlinie. Webcode 296893

[6] EnEV 2009: Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energie­einsparverordnung – EnEV), geändert durch die Verordnung vom 29. April 2009, BGBl I Nr. 23 vom 30. April 2009, S. 954

Prof. Dr.-Ing. Achim Trogisch

Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH), Fakultät Maschinenbau/Verfahrenstechnik, Lehrgebiet TGA. Telefon (03 51) 4 62 27 89, trogisch@mw.htw-dresden.de, https://www.htw-dresden.de/

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