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Nahwärmenetz-Contracting

Gemeinde heizt der Kirche ein

Kompakt informieren

  • Nach mehrjährigen guten Erfahrungen mit einem kleinen Nahwärmenetz hat die Gemeinde Pähl dieses um zwei Abnehmer und eine Erweiterungsop­tion vergrößert.
  • Im Rahmen der Erweiterung wurde die Wärmeerzeugung umgestellt. Die Grundlast deckt jetzt ein Pellet-Heizkessel, für die Spitzenlast wurde einer der vorhandenen Öl-Heizkessel in der Anlage belassen.
  • Um Investitionskosten zu sparen, wurden der Pelletspeicher und ein Pufferspeicher im Erdreich eingebaut.

Im oberbayerischen Pähl ist im wahrsten Sinne des Wortes die Kirche noch im Dorf. Das Gotteshaus Sankt Laurentius steht im Zentrum, wie in den guten alten Zeiten, umgeben vom Friedhof Abb. 1. Rathaus und Grundschule schließen sich auf der einen Seite der Kirche an. Pfarrhof, Pfarr- und Gemeindezentrum als Veranstaltungshalle sowie Kindergarten liegen auf der anderen Seite, alles entlang der Kirchstraße. Zusammenhängende Wiesengrundstücke hinter den Gebäuden ermöglichen preisgünstig das Versetzen von Pellet- und Pufferspeichern und das Verlegen von Leitungen mit den dazu gehörenden Verteiler-Schächten Abb. 2.

Der Ort Pähl wirbt auf seiner Internetseite http://www.gemeinde-paehl.de mit dem Attribut „die Perle des Pfaffenwinkels“. Die malerische Region südwestlich von München, zwischen Ammersee und Starnberger See, könnte neben Kunsttourismus mit einzigartigen Museen für expressionistische Malerei in Kochel, Murnau und Bernried auch bald den Ökotourismus, unter anderem mit dem Nahwärmenetz in Pähl, präsentieren. Denn obwohl die Gebäude mit ihren Ziegel-gedeckten roten Satteldächern sehr traditionell anmuten, ist die darin und darunter verborgene Heiztechnik alles andere als das. Sie ist außer­gewöhnlich und zukunftsweisend.

Im Fokus: Betriebskosten senken

Schon bevor im Jahr 2010 die Erweiterung der Grundschule anstand, war dem Gemeinderat klar, dass es aus ökologischer und ökonomischer Sicht eine bessere Lösung gibt, als für jedes der Gebäude eine eigene Heizung zu ­installieren. Die Veranstaltungshalle war 2005 als „Joint Venture“, als Gemeinschaftsprojekt von Kommune und Kirche, erstellt worden. Die Öl-Heizung war eine Investition der Gemeinde, die Kirche trägt die Heizkosten anteilig. Der Kindergarten nebenan, für den die Kirche zuständig ist, wurde durch eine unter­irdische Wärmeleitung angebunden. Insofern war die kommunal-konfessionelle Gemeinschaftsanlage als kleines Nahwärmenetz bereits fünf Jahre lang in Betrieb.

Dann 2010, im Zuge der Erweiterung und Modernisierung der Grundschule, erhielt Ingenieur Bernd Edenhofer von der Gemeinde den Auftrag, die Heiztechnik des Pfarr- und Gemeindezentrums nachträglich so zu verändern, dass über ein vergrößertes unterirdisches Nahwärmenetz die Grundschule, aber auch die dazwischen liegenden Gebäude Rathaus und Pfarrhof mit versorgt werden können. Der Pfarrhof wird voraussichtlich in wenigen Jahren im Zuge einer Sanierung angeschlossen. Die Voraussetzungen sind aber jetzt schon geschaffen worden mit einem unterirdischen Verteilerschacht vor dem Gebäude. In Sachen Energie und Umwelt ist Edenhofer ein Überzeugungstäter. „Wenn wir ein größeres System betreiben, sind die Betriebskosten natürlich günstiger. Wenn wir darüber hinaus auf Holzpellets als Brennstoff umsteigen, verringern sich die laufenden Kosten zusätzlich. Und wir kommen im Interesse des Klimaschutzes weg vom fossilen Öl, hin zum regenerativen Holz.“

Holzpellets: Verfügbarkeit und Preis

Sind Pellets deutlich günstiger als Öl? Ist die Versorgungssicherheit bei diesem regenerativen Brennstoff dauerhaft gegeben? Für 2011 geht der Deutsche Energie- und Pelletverband (DEPV) mit 1,8 Mio. t/a Produktionsmenge von einer Marktkonsolidierung aus. Dieser Trend gelte auch für die Produktionskapazität, die auf 2,7 Mio. t/a geschätzt wird. Damit seien auch in der Zukunft genug Reserven vorhanden. Schmerzhaft ist für die deutschen Pellet-Produzenten der hohe Rohstoffpreis. So stieg der Preis für Holzspäne, dem Ausgangsprodukt von Holzpellets, im Laufe des Jahres 2010 um gut 20 % auf bis zu 115 Euro/t. Dennoch, Ende 2010 waren Pellets rund 40 % günstiger als Heizöl.

Der DEPV erhebt seit 2011 über das Deutsche Pelletinstitut (DEPI) monatlich einen bundesweiten Pelletpreis, den sogenannten DEPV-Index. Die Preisabfrage basiert auf einer großen Anzahl an Händlern, die jährlich über 3000 t ­Pellets handeln und/oder über ein eigenes Transportfahrzeug verfügen. Somit ist es möglich, für die Regionen Süddeutschland, Nord-/Ostdeutschland und Deutschland Mitte einen fundierten Regionalpreis für Pellets zu ver­öffentlichen. Im August 2011 waren Holzpellets in der Region Süddeutschland mit 227,50 Euro/t am günstigsten. In Nord-/Ostdeutschland kosteten Pellets 233,75 Euro/t und in Deutschland Mitte 228,91 Euro/t (Abnahme 6t, Lieferung im Umkreis 50 km, inkl. aller ­Nebenkosten und MwSt.).

Investitionen begrenzen

Für die Kommune als Investor der Bauleistungen ging es darum, die erforderlichen Investitionen sinnvoll zu begrenzen. Dies gelang mit mehreren Maßnahmen. Zunächst wurden für die Schulerweiterung nach dem Finanz-Ausgleichs-Gesetz (FAG) bayerische Staatszuschüsse beantragt und bewilligt. Zusätzlich konnten Mittel aus dem Konjunkturpaket II verwendet werden, insbesondere für die energetische Sanierung des vorhandenen Schulgebäudes und das neue Heizungssystem. „Natürlich wollen wir, wenn wir kommunale Gebäude instand setzen, auch Vorbild für private Gebäudemodernisierung sein“, sagt Johann Weber, 2. Bürgermeister von Pähl.

So wurde unter anderem beschlossen, Brennstofflager und Pufferspeicher nicht in eines der Gebäude, sondern in die Erde zu setzen Abb. 3. Dies hat teuren umbauten Raum gespart. Die Erweiterung der Grundschule konnte ganz ohne eigenen Heiz- und Tankraum gebaut werden. Und der Platzbedarf für den neuen Heizkessel? Er ist kompakt und konnte noch im vorhandenen Heizraum des Pfarr- und Gemeindezentrums untergebracht werden, weil die Planer ihn nur für die Grundlast ausgelegt haben. Die ursprüngliche Öl-Heizungsanlage wurde nicht komplett ersetzt, sondern einer der beiden Kessel belassen. Automatisch gesteuert übernimmt er die Spitzenlast und den kurzzeitigen Gesamtbetrieb bei Wartungsarbeiten am Pellet-Heizkessel Abb. 4.

Pellet- und Wärmespeicher im Erdreich

In der Heizzentrale arbeitet nun ein Pellet-Heizkessel von Fröling mit 85 kW Heizleistung, über eine unterirdische Saugleitung mit einem Pelletspeicher von Mall verbunden. Das Kesselschaltfeld steuert über eine Mall-SPS-Steuerung die Entnahmetechnik im 22 m3 fassenden Brennstoffspeicher an. Thomas Bauer, der für den Hersteller Mall dieses Projekt geleitet hat, kennt die Schnittstellen-Problematik genau: „Unsere Pelletspeicher sind mit dem Entnahmesystem Maulwurf ausgestattet – einem Gerät, das sich zuverlässig und störungsfrei von oben in den Pelletvorrat gräbt. Doch die Saugturbine kommt vom Heizkessel, den wir nicht liefern. Unsere Freigabevoraussetzungen zur Kompatibilität von Saugturbine und Maulwurf erfüllen aber alle führenden Kesselhersteller.“

Ein druckfester (3 bar) 3-m3-Pufferspeicher von Mall (Webcode 281226) ergänzt das energetische Konzept und bevorratet Überschusswärme der Pellet-Heizungsanlage, bis in einem der angeschlossenen Gebäude Wärmebedarf besteht. Er wurde so dimensioniert, dass der Pellet-Heizkessel möglichst wenige Starts und möglichst lange Laufzeiten hat. Das spart Energie und schont die Technik. Brennstoff- und Pufferspeicher sind direkt neben dem Heizraum der Veranstaltungshalle im Erdreich eingebaut. Manfred Herda, Inhaber der Oberland Anlagenbau: „Wir haben nicht zum ersten Mal einen unterirdischen Pelletspeicher versetzt oder ein Nahwärmenetz gebaut. Aber in Kom­bination mit einem unterirdischen Pufferspeicher ist Pähl ein Pilotprojekt, dessen Baukosten-sparendes Konzept für die Bauherrschaft von Vorteil ist.“ •

http://www.gemeinde-paehl.de

http://www.mall.info

http://www.froeling.com

Mehr Infos zum Thema im TGAdossier Pellets: Webcode 720

Bautafel

Nahwärmenetz in Pähl

Bauherr und Betreiber

Gemeinde Pähl

Planung Energie- u. Heizkonzept

Edenhofer und Partner, Ingenieurbüro für Versorgungstechnik, Weilheim

Ausführung

Anlagenbau Oberland, Heizung-Rohrleitungsbau-Sanitär-GbR, Oberhausen

Brennstoffspeicher

Mall-Pelletspeicher PS 22000 für Erdeinbau mit Entnahmesystem Maulwurf

Pufferspeicher

Mall-Pufferspeicher PUD 3000 für 3 bar Betriebsdruck

Heizkessel

Fröling P4 Pellet, 85 kW

Pähl seiner Zeit voraus

Die Erweiterung und Modernisierung der Grundschule in Pähl ist ihrer Zeit voraus. Sie entspricht bereits dem im Mai 2011 geänderten Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG, Webcode 315085). Hiernach müssen Eigentümer öffentlicher Gebäude bereits nach einer grundlegenden Sanierung den Wärme- und Kälteenergiebedarf durch die anteilige Nutzung von erneuerbaren Energien zu mindestens 15 % decken (bei der Nutzung von gasförmiger Biomasse zu mindestens 25 %). Bisher galt die Nutzungspflicht bundesweit nur für Neubauten. Heizungsanlagenkonzepte mit einer anteiligen Nutzung erneuerbarer Energien führen zwar zu niedrigeren Betriebskosten, bedeuten aber zunächst höhere Investitionen. Bei knapper Haushaltskasse ist Energieliefer-Contracting eine lohnende Alternative zur Eigenfinanzierung, darauf weist die Deutsche Energie-Agentur (dena) hin. Sie bietet mit ihrem Leitfaden dazu eine praktische Entscheidungshilfe und verläss­liche Musterverträge für öffentliche Verwaltungen. https://www.kompetenzzentrum-contracting.de/ https://www.bmuv.de/

Im Kontext

Für TGA-Planer ist 2050 schon heute relevant

Links ein zukunftsweisendes Musterbeispiel, rechts kritische Stimmen. Die Nah- und Fernwärme muss auf Basis des Energiekonzepts der Bundesregierung bis 2050 neu durchdacht werden – wie viele andere heute geplanten und ausgeführten Energieversorgungslösungen auch. Bei der Nah- und Fernwärme ist dies aber besonders wichtig, weil gesetzlich, verordnungsrechtlich und förderpolitisch nicht nur Einfluss auf den Bau und den Ausbau der Netze genommen wird, sondern auch auf den endenergetischen Standard der angeschlossenen Gebäude.

Bisher spielte die Verfügbarkeit von Energieträgern bei der Planung von TGA-Anlagen und entsprechenden Investitionsentscheidungen kaum eine Rolle. Das wird und muss sich ändern. Beim Bau und bei der Modernisierung von Gebäuden sowie bei der Errichtung von Infrastrukturen muss man immer im Hinterkopf haben, dass innerhalb der nächsten 40 Jahre der gesamte Gebäudebestand in Deutschland weitgehend klimaneutral werden soll. Werden muss, um eine Chance zu haben, die angestrebten CO2-Minderungsziele zu erreichen.

Eine über das Jahr ausgeglichene Bilanz mit Energieproduktion und -verkauf im Sommer und Energiekonsum und -bezug im Winter kann dabei keine flächendeckende Lösung sein. Zudem unterliegt die Bilanzierung in den nächsten Jahren einer hohen Dynamik: Eine heute noch üppige Primärenergiegutschrift für die Erzeugung von Solarstrom schmilzt mit der Annäherung an das Ziel 100-%-Regenerativstrom (die Bundesregierung strebt mit dem Energiekonzept den Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch 2030 zu 50 %, bis 2040 zu 65 % und bis 2050 zu 80 % zu decken) schnell ab. Ähnlich wird es der eng mit Nah- und Fernwärmekonzepten verbundenen Kraft-Wärme-Kopplung ergehen.

Eine umfassende Bilanzierung inklusive perspektivischer Entwicklungen ist deshalb sehr wichtig. Nicht nur für Planer und Investoren, auch für die Politik. Sonst muss in Zukunft der Abbau heute geförderter Systeme gefordert und gefördert werden. Bei Nachtspeicherheizungen ist dieses bereits Realität.

Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner

Dipl.-Ing. Architekt Klaus W. König

ist ö.b.u.v. Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist und Vorstandsmitglied der Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr), Überlingen, Telefon (0 75 51) 6 13 05, mail@klauswkoenig.com, http://www.klauswkoenig.com

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