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Zukunftsfähige Stromnetze

Geschäftsmodelle mit Spaßfaktor gesucht

Kompakt informieren

  • Für den Ausbau der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien sind Lösungen und Konzepte erforderlich, die die aktuell verfügbare Leistung und den tatsächliche Bedarf zeitlich und räumlich angleichen können.
  • Wärmepumpen, BHKWs, Kühl- und Kältemaschinen, „träge“ Klimatisierungslösungen und örtliche Speicherkonzepte könn(t)en einen Teil dieser Aufgaben übernehmen.
  • Trotz vorhandener Potenziale hat sich die TGA-Branche bisher kaum für eine neue Rollenzuweisung positioniert. Ein Blick über den Tellerrand zeigt, dass ihr wohl kaum ein Silbertablett gereicht wird.
  • Es ist zu erwarten, dass die finanzielle Förderung rein wärmegeführten BHKWs bald überprüft und danach eingeschränkt wird.

Netzintegration, Ausbau erneuerbarer Energien sowie Maßnahmen zum Umbau und Ausbau der Stromnetze waren die beherrschenden Themen des 1. Fachkongresses „Zukunftsfähige Stromnetze“ im Rahmen der Energiefachmesse Renexpo 2011 in Augsburg. Bis zum Jahr 2020 soll beispielsweise rund 50 % der Stromproduktion in Bayern aus erneuerbaren Energien (EE) stammen. Auf dem Weg zu solchen Quoten ist jedoch weniger der Zubau entsprechender Kapazitäten die Herausforderung, als die nutzbringende Integration in eine dafür nicht ausgelegte Infrastruktur.

Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW) sieht in der Beliebigkeit der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien eine Gefahr für die Sicherheit der Stromversorgung: „Die installierte Leistung aus erneuerbaren Energien wird immer größer, aber sie ist nicht abrufbar. Es kann nicht so weitergehen, dass jeder beliebig Strom erzeugt und ebenso beliebig in das Netz einspeist.“

Der grüne Stromanteil werde heute von rund 250000 natürlichen und juristischen Personen eingespeist, allerdings ohne Lieferverpflichtung und ohne Netzverantwortung, gibt Fischer zu bedenken Das Problem sei allseits bekannt: Zum einen müsse man damit rechnen, dass Elektrizität aus Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen aufgrund trüben Wetters über Wochen hinweg nur in Bruchteilen zur Verfügung stehe. Zum andern lassen sich an sonnigen Sonntagen oftmals keine Abnehmer für den produzierten Solar-Strom finden. Um temporäre Überangebote aus Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen sinnvoll zu verwerten, müssten entweder Speicherkapazitäten oder schaltbare Lasten geschaffen werden, fordert Fischer.

Erstere seien jedoch teuer und benötigten viel Platz. Für Langzeitspeicher im industriellen Maßstab stünde außerdem noch keine ausgereifte Technik zur Verfügung. Am ehesten könne man mit Unterstützung der Gaswirtschaft das derzeitige Speicher- und Durchleitungsproblem durch die Umwandlung von EE-Strom in Erdgas lösen. Allerdings benötige das Verfahren zur Umwandlung von Strom zu Gas (Wasserstoff-Elektrolyse und Methanisierung) und zurück zu Strom vergleichsweise viel Energie; der Gesamtwirkungsgrad liege bei nur 30 bis 40 %. [Anmerkung der Redaktion: Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Strom zu synthetischem Erdgas liegt laut dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) bei rund 66 %. Webcode 300576]

Netzausbau oder reicht ein Netzumbau?

Brauchen wir einen Netzausbau oder reicht der Netzumbau? Wie viel EE-Zubau verkraften unsere Netze und wie kann man Elektrizität möglichst verlustarm und kostengünstig zwischenspeichern? Welche Netzsituationen führen zum Kollaps und welche Rolle werden Smart Grids und Smart Meter in den künftigen Stromnetzen spielen? Derzeit sind in der Energiewirtschaft viele Fragen offen.

Regierungsdirektor Dr. Torsten Bischoff vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Berlin, appellierte an die Kongressteilnehmer, die stark emotionalisierte Diskussion über drohende Stromausfälle, fehlende Netze und überbordende Einspeisungen von Elektrizität aus Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen auf eine sachlichere Ebene zu stellen. Er räumt allerdings ein, dass die Entscheidungsfindung über die Art und Weise eines Ausbaus der Stromnetze sehr komplex sei.

Vor einem weiterhin großzügigen Ausbau der Erneuerbaren sei es logischer, vorhandene Energieeffizienzpotenziale stärker zu erschließen und die Qualität von Einspeiseprognosen zu verbessern. Anstatt rund 3600 km neue Hochspannungstrassen zu bauen, wie in der Dena-I-Studie errechnet, reichten womöglich auch 500 km aus. Durch sogenannte Hochtemperaturseile in Kombination mit Temperaturmonitoring, den Ersatz konventioneller Hochspannungstrassen durch Hochspannungsgleichstrom-Übertragung (HGÜ) sowie der Optimierung von Stromlast- und Stromerzeugungsmanagement könnten immense Kosten und Zeit eingespart werden. Umbau statt Ausbau sei die Devise, mahnt Bischoff Abb. 1.

Mit dem Zauberwort „Smart Grid“ müsse man derzeit noch kritisch umgehen. Es gebe Tausend unterschiedliche Vorstellungen, was das sein könnte, so Bischoff. Dabei mangele es bereits bei den intelligenten Stromzählern (Smart Meter) an Standards. Auch seien die Rolle von Smart-Grid-Funktionen und ihr Beitrag zur Netzentlastung bisher nicht eindeutig definiert. Klar sei dagegen, dass mit der Zunahme der erneuerbaren Energien der Speicherbedarf wachse. Hier gebe es noch einen erheblichen Forschungsbedarf.

Ab einem EE-Anteil von 40 % müssten auch Abregelungsmaßnahmen greifen, sonst drohe ein Blackout durch die ins Netz „einfallenden erneuerbaren Energien“. Interessanterweise konzentriert sich das BMU in erster Linie auf Stromspeicher. Offensichtlich hat es die TGA-Branche bisher versäumt, die Berliner Ministerialbehörden auf das nicht unerhebliche Speicherpotenzial von Gebäuden, auf Latentspeicher für Wärme und Kälte sowie auf das Lastverschiebepotenzial gebäudetechnischer Anlagen hinzuweisen.

Teure Vorhaltung von Netzkapazität

„Die eigentliche Herausforderung unserer künftigen Energieversorgung liegt darin, die in über 100 Jahren gewachsenen zentralen Strukturen an die künftig dezentrale Energieproduk­tion anzupassen.“ Rainer Bäsmann von der N-Ergie Netz GmbH, Nürnberg, untermauerte sein Eröffnungsstatement mit Diagrammen der aktuellen Einspeiseleistung bzw. des Netzaufnahmevermögens sowie dem Ausbauzustand nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Derzeit werde das Aufnahmevermögen des N-Ergie-Netzes (ca. 8000 km2 Versorgungsfläche) nur an 7 % der Zeitpunkte überschritten.

In einem EEG-Anlagen-gespeisten Netz müssten zur heutigen Aufnahmekapazität von ca. 20 MW weitere 22 MW für die EEG-Einspeisungen bereitgestellt werden. Diese Kapazität werde aber nur wenige Stunden im Jahr benötigt, konkret an nur 610 h/a (7 %). Hier sei aus volkswirtschaftlicher Sicht ein erheblicher Optimierungsbedarf angezeigt. „Unsere Hauptarbeit ist künftig weniger die Versorgung der Kunden, sondern die geordnete Einspeisung von EEG-Strom“, resümiert Bäsmann.

Im Grunde könne ein Netzbetreiber nur auf den Zubau von EEG-Anlagen reagieren, da die Netzentgelte durch den Netzausbau drastisch ansteigen. Auch sei der Betrieb von EEG-Strom-gespeisten Netzen extrem aufwendig. Bereits jetzt gebe es im Netzausbau erhebliche Engpässe, sei es durch die langen Lieferzeiten und mangelnde Verfügbarkeit von Material oder durch ausgelastete Baufirmen. Durch das im Netz gebundene Kapital und die geringen Nutzungsstunden durch EEG-Anlagen werde die Energieerzeugung auf regenerativer Basis sehr teuer und aufwendig. Auch die Versorgungsqualität könne leiden.

Rein technisch gesehen könnte man höhere Netzeinspeisungen auch durch Stromspeicher Abb. 2 kompensieren. Unklar sei jedoch, wer diese betreiben soll. Der EEG-Anlagenbetreiber? Der Netzbetreiber? Der Stromkunde? Unabhängige Betreiber? Stromspeicher müssten marktorientiert betreiben, aber das würde den GAU für die Netze bedeuten, so Bäsmann. Am ehesten käme der EEG-Anlagenbetreiber infrage, da er damit seine Wirtschaftlichkeit absichern könne.

Wärmepumpen treiben Stromnachfrage

Nach wie vor scheint die Energiewende eine Rechnung mit vielen Unbekannten zu sein. Marian Klobasa vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), Karlsruhe, sieht die Entwicklungen auf dem Strommarkt so:

  • Ausbau der Onshore-Windenergieanlagen: sehr wahrscheinlich
  • Beiträge von Biomasse und Wasserkraft: substanziell
  • Beiträge von PV- und Offshore-Wind: ­unsicher
  • Beiträge von Technologien wie Geothermie, Wellen- und Gezeitenenergie: offen
  • Entwicklung der Stromnachfrage in ­Abhängigkeit der Effizienzbemühungen: starker Effekt, unter anderem durch ­zusätzliche Verbraucher wie E-Mobility und Wärmepumpen <b>Abb. 3</b>

Für völlig illusorisch halten Branchenkenner die Umsetzung mittelfristiger Netzausbauprojekte der europäischen Übertragungsnetzbetreiber (ENTO-E) zwischen 2015 und 2020. Nach diesen Plänen sollen innerhalb Europas 42200 km neue Hochspannungsleitungen, Gleichstromverbindungen und Trassenmodernisierungen rea­lisiert werden. Die Investitionssumme wird auf 100 Mrd. Euro bis 2020 veranschlagt.

Schon jetzt reichten weder die Kapazitäten bei den Materialien und Systemen noch bei den Baufirmen aus, so die Diskussionsbeiträge zu diesem Thema. Das hieße allerdings auch, dass der weitere Zubau erneuerbarer Energien aufgrund fehlender Netzkapazitäten kaum Vorteile brächte. Eine der zentralen Herausforderungen sei deshalb die Einbindung regionaler Akteure, um die vorhandenen Netze zu entlasten. Konkret bedeutet das, den EE-Strom möglichst dort zu erzeugen, wo er gebraucht wird, nämlich im Gebäude.

„Monatsmesswerte sind nicht smart“

Unter dem Motto, wir haben unsere Lektion gelernt, berichtete Dr. Michael Trampert, Capgemini Consulting Österreich AG, Wien, über den Roll-out an intelligenten Stromzählern in Schweden. Capgemini hat dort im Auftrag der Energieversorger E.on Schweden und Fortram rund 1,3 Mio. intelligenter Stromzähler montiert bzw. unter Vertrag. „Allein der Roll-out war eine Herausforderung, sowohl die Logistik und Montage als auch die IT zur Auslesung der Zähler bzw. zur Verarbeitung der Daten“, so Trampert. Besonders die Tücken der IT würden unterschätzt, aber auch die Logistik für die Austauschprozedere inklusive Zählerinventarisierung und -inbetriebnahme.

Jede zusätzliche Anfahrt zum Kunden mache den Zähleraustausch für den Dienstleister unwirtschaftlich. Außerdem müsse bei Smart Metern mit einer höheren Ausfallquote gerechnet werden als bei den bisher üblichen Ferraris-Zählern. Auch der Verbraucher müsse sich an die neuen Zähler erst einmal gewöhnen. Von den monatlichen Ablesungen und Abrechnungen alleine ginge noch kein Einspareffekt aus. „Der Smart Meter ist nicht unbedingt smart“, moniert Trampert. Erst die Stundenmessung zeige Einspareffekte, da der Nutzer dann sein Verhalten überprüfen könne. Derzeit gehe der Trend sogar zur 15-Minuten-Messung. Damit wisse der Stromkunde, wie viel er wann verbraucht. Das Ganze müsse als Lernprozess verstanden werden Abb. 4.

Eine Datenschutzdebatte wie in Deutschland gab es in Schweden nicht. Das eigentlich Spannende an der aktuellen Entwicklung auf dem Energiemarkt sei jedoch nicht der intelligente Zähler, sondern die IT für die Datenkommunikation und die Verbindung mit einem Smart Grid.

Überschussprobleme regional lösen

Schon jetzt sind Überschussprobleme im Netz durch EEG-Einspeiser abzusehen, vor allem in Regionen mit hoher Dichte an Photovoltaik-Anlagen. Joachim Bamberger, Siemens AG, Energy Sektor, sieht Netzprobleme insbesondere in ländlichen Gebieten, beispielsweise dem Allgäu, wenn weiter unkontrolliert eingespeist werde. Im Projekt IRENE, Integration Regenerative Energien und Elektromobilität, soll jetzt herausgefunden werden, inwieweit die unkontrollierte PV-Einspeisung durch eine aktive Beeinflussung von Energieerzeugern und dem Lademanagement von Elektrofahrzeugen kompensiert werden kann.

Der Projektansatz sieht vor, Solar-Strom während der Erzeugungsspitzen sowohl in stationäre Großbatterien als auch in die Batterien von Elektrofahrzeugen einzuspeichern. Weitere Stabilisierungsmaßnahmen könnten über schaltbare Transformatoren erfolgen. Ein speziell aufgebautes Mess- und Regelungssystem soll nicht nur Daten über die fluktuierenden Energieströme liefern, sondern auch Informationen über die künftigen Anforderungen an die Regelungsarchitektur und mögliche Geschäftsmodelle für den Netzbetreiber.

Denn selbst bei den prognostizierten 10 Mio. Elektrofahrzeugen bis zum Jahr 2030 würde es durch einen unkontrollierten Ausbau von Photovoltaik-Anlagen zu Überschüssen kommen, da die beliebige Beladung der Elektrofahrzeuge nicht netzstabilisierend wirke. Erst durch eine Konzentration von Elektrofahrzeugen und Photovoltaik-Anlagen – zum Beispiel auf öffentlichen Parkplätzen sowie auf Parkplätzen von Büro- und Gewerbeimmobilien, Flughäfen oder Bahnhöfen – könnte die Belastung der Netze durch Photovoltaik-Anlagen reduziert werden. Sinnvoll sei es, die notwendigen regelungstechnischen Maßnahmen für die Netzintegra­tion der Photovoltaik-Anlagen auch für die Rückspeisung von Batteriestrom aus den E-Cars ins Netz zu nutzen.

Konkret umgesetzt wird das IRENE-Projekt derzeit beim Allgäuer Überlandwerk (AÜW), das die Region Kempten und Immenstadt mit den Gemeinden Buchenberg, Wildpoldried und Wattenhofen mit „heimatstarker Energie“ versorgt. Dazu wurden zunächst 260 Smart Meter in Wohnhäusern, bei Gewerbe, Einzelhandel und Behörden installiert. Über einen Internetzugang zum AÜW-Kundenzentrum haben die Projektteilnehmer direkten Zugriff auf den Lastgang ihres Stromanschlusses. Das Abrechnungsmodell beruht auf dem in der Region üblichen Strompreis, auf den es zu bestimmten Zeiten einen Bonus gibt; Malus-Zeiten gelten als kontraproduktiv und sind deshalb nicht vorgesehen.

Energieeffizienz mit Spaßfaktor

Stromkunden mit Smart Meter verlieren schnell das Interesse an ihren Verbrauchskurven, so die allgemeinen Erfahrungen der Anbieter. Deshalb sei es wichtig, die Nutzerakzeptanz durch einen kreativen Umgang mit dem eher drögen Thema zu verbessern. Jeremy Robinson von der GreenPocket GmbH, Köln, will durch ein Lösungsportfolio aus Smart-Home-Komponenten, Web-Portalen für Gewerbekunden und Haushalte sowie Display-Lösungen für Smartphones und Tablet-Computer Abb. 5 die Kunden nicht nur bei Laune halten, sondern zu mehr Energiebewusstsein und Investitionen in Effizienzmaßnahmen aktivieren.

Wichtigste Botschaft: Die Nutzeroberfläche muss gut aussehen, leicht zu handhaben sein und Spaß machen. Deshalb werde großer Wert auf verständliche Übersichten und intuitiv zu bedienende Oberflächen gelegt. Der Mehrwert für den Kunden müsse „offensiv“ darstellbar sein, beispielsweise durch Transparenz des Verbrauchs, Angaben über Kosteneinsparungen, höheren Komfort und mehr Sicherheit sowie durch soziale Interaktion mit anderen Kunden. Von Bedeutung sei, dass der Kunde Verbrauch, Kosten und CO2-Bilanz seines Haushalts für beliebige Zeiträume abrufen kann, beispielsweise in Minuten, Stunden, Tag, Woche, Monat oder Jahr.

Auch Einspeiser von Strom aus PV- und BHKW-Anlagen seien interessiert, wie viel Energie sie in welchen Zeiteinheiten ins Netz geliefert haben und wie sich ihre Erlöse aus dem eingespeisten Strom entwickeln. Für Gewerbekunden sei es wichtig, dass der Energieverbrauch auch pro Mitarbeiter, Quadratmeter Büro- oder Gewerbefläche, Kundenbesuch oder als Vergleichswert (Benchmark) dargestellt werden kann. Damit könnten weitere Energieeffizienzpotenziale aufgedeckt werden.

Je mehr sich die Energiekunden mit ihren Verbrauchskurven und Energiekosten auseinandersetzen, desto mehr wachse die Bereitschaft, dieselbe Oberfläche auch für Regelungs- und Steuerungsfunktionen einzusetzen, beispielsweise für Heizung, Lüftung, Licht und andere Energieverbraucher, so Robinson. Smartphones und Tablet-Computer böten dazu die ideale Oberfläche. Durch die Verknüpfung mit sozialen Netzwerken, das Anlegen von Ranglisten, Energiesparwettbewerben und das Einrichten von User-Groups (PV, Mikro-KWK, E-Mobility) könne aufgrund des „Spaßfaktors“ ein nachhaltiger Mehrwert geschaffen werden. Erste Projekte hat GreenPocket unter anderem mit den Energieversorgern Mainova, Rheinenergie und SW Bonn umgesetzt; insgesamt zählt die Referenzliste 30 nationale und internationale Kunden.

Kälte: steuerbarer Stromverbrauch

Während die großen Kraftwerks- und Netz­betreiber bei den Lösungsansätzen zur Netz­stabilität fast ausschließlich auf Batterie­speicher, Salz- und Fernwärmespeicher, Gasspeicher inklusive Methanisierung von Windstrom, Druckluftspeicher und Pumpspeicher setzen, sehen kommunale Unternehmen, wie die Stadtwerke München (SWM), im virtuellen Kraftwerk eine praktikable Strategie, trotz fluktuierender Einspeisung aus Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen Abb. 6 das Netz stabil zu halten. Die von SWM betriebenen BHKW sowie externe Kundenanlagen sind dazu über das SWM-LAN per VPN-Tunnel auf Fernwirkzentralen und ­weiter auf ein dezentrales Energiemanagementsystem aufgeschaltet.

Dort wird die eingespeiste Leistung mit den Preisdaten der Strombörse, der Minutenreserve, den Wetterdaten, den Wetterprognosen und den Kundendaten abgeglichen. Durch gezieltes Verschieben der Stromerzeugung (mit BHKW) in Zeiten hoher Spotmarktpreise im Abgleich mit den thermischen Lastprognosen und einer am elektrischen Lastgang orientierten Speicherbewirtschaftung ließen sich Belastungsspitzen im Stromnetz sicher vermeiden. Allerdings seien umfangreiche Kontrollen und eine dezentrale Automatisierungstechnik notwendig, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, so Markus Henle von den Stadtwerken München. Und weiter: Jeder zusätzliche Anschluss an das virtuelle Stromnetz ändere die Situation und sei entsprechend aufwendig.

Eine wichtige Rolle zur Stabilisierung des Netzwerks im virtuellen Kraftwerk sei die Integration schaltbarer elektrischer Verbraucher, die Akquisition von Zugriffen auf externe BHKW sowie Vereinbarungen mit den Eigen­tümern von Netzersatzanlagen über die Lieferung von Notstrom in das Netz bei Spitzenbedarf. Ein besonderes Augenmerk legten die SWM auf Energiegroßverbraucher: „Kompressions­kälteanlagen sind wunderbar steuerbare Stromverbraucher, die einen wesentlichen Beitrag zur Netzstabilisierung liefern“, betont Henle. So sei geplant, das Nahkältenetz ­„Stachus“ in das virtuelle Kraftwerk einzu­binden. Auch andere Großkälteanlagen, zum Beispiel in Bürogebäuden und Kühlhäusern, wolle man künftig integrieren, da eine kurzzeitige Unterbrechung der Anlagen durch die Speicherwirkung des Gebäudes oder durch das Kühlgut kompensiert werde. Auch Kombikraftwerke aus EE-Anlagen, also Biogas- und Biomasseanlagen könnten Regelenergiefunk­tionen übernehmen.

HLK: Kein einfaches Abschaltpotenzial

Auffällig bei Veranstaltungen rund um das Thema Stromnetze der Zukunft ist der bislang geringe Stellenwert der Gebäude und der gebäudetechnischen Anlagen bei der Netzstabilisierung. Das mag daran liegen, dass die Gebäudetechnikbranchen das Thema Abschalt- und Verschiebepotenzial sowie Spitzenstrombereitstellung eher defensiv angehen.

Umso interessanter ist das Projekt „Lastmanagement in Nichtwohngebäuden“ der TU München, das gemeinsam vom Lehrstuhl für Bauklimatik und Haustechnik (Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hausladen), dem Lehrstuhl für Energiewirtschaft (Prof. Dr.-Ing. Ulrich Wagner / Prof. Dr. rer. nat. Thomas Hamacher) und Siemens durchgeführt wird. Das Projekt hat zum Ziel, die zunehmende fluktuierende Stromerzeugung durch EE-Strom mithilfe intelligenter Stromnetze und steuerbarer Verbraucher in Gebäuden als planbare Leistung zur Verfügung zu stellen.

Voraussetzung sei ein „Smart Building“, das den Eigenbedarf an Energie über PV-Module und BHKW selbst erzeuge und die Überschüsse möglichst bedarfsgerecht und zielgerichtet dem Netz zur Verfügung stelle. Dafür seien Energiemanagementsysteme erforderlich, die sowohl Energieverbraucher als auch Energieerzeuger eines Gebäudes erfassen und aufgrund von Bedarfs- und Preissignalen im Abgleich mit Wettersignalen und Wetterprognosen die gebäudetechnischen Anlagen sowie die gebäudeinternen Speichermöglichkeiten gezielt bzw. prädiktiv schalten.

Untersucht wurde unter anderem das Verschiebepotenzial und die Verschiebedauer von Kälte- und RLT-Anlagen, Heizungsanlagen, USV-Anlagen, Aufzügen und Grauwasseranlagen, aber auch die Einbindung von Ladestationen für Elektroautos. Ein Zwischenergebnis: Lastverschiebepotenzial ist vorhanden, aber zeitlich begrenzt. Nach einem Abschaltzyklus kann jedoch der Leistungsbezug höher sein, sodass die zunächst vermiedene Lastspitze womöglich später eintritt.

Gebäude mit Nur-Luft-Systemen und abgehängten Decken eignen sich weniger für Lastverschiebungen als Gebäude mit Betonkerntemperierung Abb. 7 und freiliegenden Betondecken. Die kurzzeitige Abschaltung der Kälteversorgung für eine Klimaanlage könne in vielen Fällen durch einen höheren Luftwechsel kompensiert werden, so die Studie. Auch die Übersteuerung eines ansonsten individuell gesteuerten Sonnenschutzes kann zur Lastbegrenzung beitragen. Ein wichtiger Aspekt in einem künftigen Smart Building sei die Verarbeitung von kurz- und mittelfristigen Wetterprognosen in Gebäudeautomationssystemen, um prädik­tive Anlagenbetriebszyklen im Abgleich mit ­voraussichtlichen Lastkurven auf der Energie­erzeugerseite wie auch auf der Nutzerseite zu generieren.

Fazit

Die Energiewende entpuppt sich für die betroffenen Branchen als Gleichung mit vielen Unbekannten. Insbesondere fehlt es an Geschäftsmodellen zum Umbau der Stromversorgung. Eine beliebige Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien und BHKW wird künftig nicht mehr möglich sein bzw. muss „organisiert“ werden. Auf den Ausbau der Hochspannungsnetze zu setzen, erscheint wegen der langen Realisierungszeiträume, Materialverknappung und begrenzter Montagekapazitäten wenig sinnvoll.

Experten empfehlen als Ausweg – und weil es wirtschaftlicher sei – kleinräumige ­intelligente Netze, bei denen Einspeiser, Erzeuger und Verbraucher räumlich möglichst nahe beieinander liegen. Die TGA-Branche hat ihre Rolle bei der Neugestaltung der Energiewirtschaft offenbar noch nicht gefunden, obwohl sie in punkto Energieeffizienz, dezentrale Strom- und Wärmeerzeugung mittels BHKW Abb. 8, Lastmanagement und Bereitstellung von Speicher- und Verschiebepotenzial überzeugende Argumente hätte. •

Weitere Blickwinkel auf das Thema finden Sie im TGAdossier Smart Metering und Smart Grid: Webcode 977

Statement

Die TGA-Branche braucht neue KWK-Konzepte.

Die Bundesregierung hat ihre Ausbaupläne für die Kraft-Wärme-Kopplung wiederentdeckt und im Dezember 2011 den Entwurf für eine Überarbeitung des KWK-Gesetzes vorgelegt. Altes und neues Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 den Anteil der Stromerzeugung in KWK-Anlagen auf 25 % anzuheben. Derzeit beträgt er ca. 15 %.

Die angestrebte KWK-Quote bei der Stromerzeugung kann mit klassischen BHKW-Fahrweisen nicht konfliktfrei erreicht werden. Eine 25-%-Abdeckung mit wärmegeführten KWK-Anlagen würde bedeuten, dass der KWK-Leistungsanteil über längere Zeiträume deutlich über 25 % liegen muss, denn Wärmesenken mit einer 365-Tage-Abnahme sind rar. Gleichzeitig würden wärmegeführte KWK-Anlagen in den Übergangsmonaten dazu führen, dass der KWK-Stromerzeugungsanteil im repräsentativen Tageslastgang den Gesamtbedarf an mehreren Stunden überschreitet, der Strom also „entsorgt“ werden müsste. Dazu drängen in diesen Schwachlaststunden noch Windkraft-Anlagen sowie Großkraftwerke, die nicht vollständig heruntergeregelt werden können, ins Netz.

Dies bedeutet, dass KWK-Anlagen künftig viel stärker stromgeführt ausgelegt und betrieben werden müssen. Die Leistung und die Standzeit solcher Anlagen weichen von bisherigen Konzepten ab. Ein Beispiel ist das ZuhauseKraftwerk von LichtBlick. Nach klassischer Auslegung ist es mit 19 kWel und 32 kWth für die Gebäude-Einstiegsklasse mit 40000 kWh/a Gasbezug brachial überdimensioniert. Bei (spitzen-)stromgeführter Betriebsweise – und heutiger KWK-Quote – geht das Konzept allerdings auf (Webcode 257655). Saisonabhängig läuft ein ZuhauseKraftwerk in Wohngebäuden nur zwischen einer und fünf Stunden pro Tag, in kleinen Gebäuden nur 1300 h/a.

Je schneller der KWK-Markt zulegt, desto schneller wird die Förderung für beliebig eingespeisten Strom eingeschränkt werden. Will die TGA-Branche ihre KWK-Quote anheben, muss sie schnellstens Allianzen schmieden und Konzepte entwickeln, die unter diesen Bedingungen einen wirtschaftlichen KWK-Betrieb ermöglichen, sonst wird sie keine Abnehmer finden.

Jochen Vorländer, Chefredakteur TGA Fachplaner

Wolfgang Schmid

ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de

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