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Brennstoffzellen-Heizgeräte auf der Hannover Messe

300-Wel: Elcore setzt neuen KWK-Maßstab

Kompakt informieren

  • Zurzeit werden mehrere Brennstoffzellen-Systeme erprobt und entwickelt, deren elektrische Leistung in der Größenordnung des kontinuierlichen Strombedarfs kleiner Wohngebäude liegt.
  • Durch diese Grundlastabdeckung kann der größte Anteil des erzeugten Stroms zur Verdrängung von teurem Haushaltsstrom selbst genutzt werden und es ist nur eine kleine Wärmesenke erforderlich, um die Abwärme zu nutzen.
  • Die Preisvorstellungen für marktverfügbare und für angekündigte Brennstoffzellen-Systeme sind momentan sehr unterschiedlich. In Japan geht man davon aus, den Preis in den nächsten drei Jahren massiv zu drücken.

Mit eher stoischer Haltung propagieren die Anbieter von Mikro-KWK-Geräten die Leistung von 1 kWel als ideale Größe für die dezentrale Stromversorgung eines Einfamilienhauses. Dabei ist längst nachgewiesen, dass die Mehrzahl der Einfamilienhäuser nicht mehr als 250 bis 300 W an elektrischer Grundlast aufweist. Ein sparsamer Zwei-Personen-Haushalt hat gerade einmal einen Stromverbrauch von 2900 kWh/a, wer weniger geizt, kommt auf 3900 kWh/a.

Gegen die 1-kWel-Geräte spricht auch, dass die Stromnetze durch die fluktuierenden Einspeiser (Windkraft-, Photovoltaik- und künftig auch Mikro-KWK-Anlagen) bei besonderen Wetterkonstellationen (viel Wind, viel Sonne, geringe Abnahmelast) extrem beansprucht werden. Der bisher obligatorische wärmegeführte Betrieb von Mikro-KWK-Anlagen könnte deshalb schon bald auf dem Prüfstand stehen – zumindest was die Förderung von Neuanlagen betrifft.

Die Marktankündigung von Elcore, ab 2013 ein Brennstoffzellen-Gerät mit 300 W elektrischer und 600 W thermischer Leistung für „nur“ 9000 Euro anzubieten, kommt deswegen zur richtigen Zeit. Allerdings bietet Elcore sein Gerät Elcore 2400 Abb. 1 (Webcode 357907) ohne integriertes Gasheizgerät an. Zum Vergleich: Der Gerätepreis bisher angebotener 1-kWel-Brennstoffzellen-Heizgeräte liegt derzeit bei rund 24000 Euro – mit integriertem Brennwert-Heizgerät; ohne staatliche Unterstützung dürften diese mit Elcore als Wettbewerber ohne besondere Alleinstellungen schwer absetzbar sein.

Japaner geben den Ton an

Druck kommt jetzt auch von einem Entwicklungskonsortium aus Japan, das die gemeinschaftlich entwickelten ENE-Farm1)-Geräte (mit Niedertemperatur-Brennstoffzelle) ab 2015 in Europa einführen will. Die von den Unternehmen Eneos Celltech, Toshiba und Panasonic mit staatlicher Unterstützung separat entwickelten, aber nach einer gemeinsamen Spezifika­tion produzierten Geräte Abb. 2, leisten 0 bis 700 W elektrisch bei einer Gesamtenergieeffizienz von 87 %. Die Abwärme wird in Japan primär zur Trinkwassererwärmung genutzt. Ein 90-l-Warmwasserspeicher sowie ein 42 kW (!) Brennwertheizkessel gehören in Japan aufgrund der besonderen Badekultur zum Systemangebot.

Parallel dazu arbeiten weitere japanische Unternehmen an einem ENE-Farm-Gerät mit einer Hochtemperatur-Brennstoffzelle (Festoxidbrennstoffzelle, englisch: Solid Oxide Fuel Cell, SOFC), die aufgrund der hohen Betriebstemperatur von 600 bis 1000 °C ohne Reformer auskommt. Der Online-Infodienst https://www.finanznachrichten.de/ meldet, dass sich bereits 121 Geräte in der Testphase befinden. Der elektrische Wirkungsgrad soll bei 46,5 % liegen, der Gesamtwirkungsgrad bei 90 %. Entwickelt wurde der ENE Farm Typ S (für SOFC) von Kyocera, Osaka Gas, Aisin, Chofu und Toyota. Die Energiekosteneinsparungen sollen, bezogen auf japanische Heizgewohnheiten, bei 916 US-$/a liegen. Derzeit werden die auf den japanischen Markt ausgerichteten Geräte (Außenaufstellung, andere Gaszusammensetzung, andere Wasserqualität) an die europäischen Normen und Heizgewohnheiten angepasst.

Bis Ende 2011 waren in Japan rund 18000 ENE-Farm-Geräte installiert; Ziel sind 300000 Einheiten bis 2015, allein in Japan. Durch die standardisierte Serienfertigung in hohen Stückzahlen unter der Dachmarke ENE Farm soll der Preis von heute etwa 19000 Euro auf 5000 Euro im Jahr 2015, 3750 Euro in 2020 und 3000 Euro in 2030 gesenkt werden. Im gleichen Zeitraum soll die Standfestigkeit der Stacks von aktuell 40000 Stunden auf 90000 Stunden verbessert werden.

Zum Vergleich: Im Rahmen des Callux-Projekts waren bis Ende 2011 erst 232 Geräte installiert, geplant waren ursprünglich 800 Einheiten. Grund für die Verzögerungen sind technische Probleme sowie die für einen Marktstart nicht ausreichende Zeitstandfestigkeit der Brennstoffzellen-Stacks. Diese liegt nach einer Veröffentlichung des BINE-Informationsdienstes (Projektinfo 05/2012, Webcode 365930) zurzeit bei 20000 Stunden. Würde so ein Gerät für die Grundlastversorgung eines Mehrfamilienhauses eingesetzt, müssten die Stacks theoretisch nach drei bis vier Jahren ausgetauscht werden. Derzeit arbeiten die im Callux-Projekt organisierten Hersteller Baxi Innotech, Hexis und Vaillant daran, die Stack-Lebensdauer zu steigern Abb. 4, die Systeme zu vereinfachen und den Service- und Wartungsaufwand weiter zu senken. Die Marktreife wird spätestens für das Jahr 2014 angestrebt.

Im Anschluss an das Callux-Programm (zur Markvorbereitung) sollen in Deutschland weitere 1350 Brennstoffzellen-Heizgeräte im Rahmen des Programms „BZHregio“ (zur Marktvalidierung) installiert werden. Ziel ist ein nationaler Entwicklungsplan mit einem Geräteabsatz von 70000 Einheiten pro Jahr ab 2020.

BlueGen-Geräte im virtuellen Kraftwerk

Schon heute zeichnet sich ab, dass die un­kontrollierte massenhafte Einspeisung von Strom aus Mikro-KWK-Anlagen, zu denen auch die Brennstoffzellen-Heizgeräte zählen, zu Netzproblemen führen kann. Energiewirtschaftler fordern deshalb die Abkehr vom rein wärmegeführten Betrieb hin zur strom­geführten Betriebsweise bzw. zu Mischformen. Noch vor zwei Jahren war die Einbindung von Brennstoffzellen-Heizgeräten in ein intelligentes Stromnetz oder in ein virtuelles Kraftwerk für die Callux-Teilnehmer auf der Hannover Messe kein Thema. Jetzt zeigt sich, dass die Bereitstellung von Regelenergie durch Brennstoffzellen-Heizgeräte zur Netz­stabilisierung womöglich deren Wirtschaftlichkeit verbessern kann.

Das australisch-deutsche Unternehmen Ceramic Fuel Cells (CFC) hat offenbar als erster die Chancen einer am Lastgang orientierten Stromeinspeisung erkannt und beteiligt sich mit der Mikro-KWK-Anlage BlueGen Abb. 3 (bis 1,5 kWel, bis 0,6 kWth, elektrischer Wirkungsgrad bis zu 60 %) am Modellprojekt „RegModHarz“ (Regenerative Modellregion Harz). Dabei wird das BlueGen-Gerät in ein virtuelles Kraftwerk so integriert, dass es wahlweise Strom zur Grundlastversorgung liefert oder zur Sicherstellung der Netzstabilität auf Teillast zurückfährt. Primär geht es beim virtuellen Kraftwerk darum, die Schwankungen bei der Einspeisung von Wind- und Solarstrom durch positive und negative Regelenergie auszugleichen.

Auch die Stadtwerke Aalen sehen Chancen, die durch den Ausbau erneuerbarer Energien notwendige Regelenergie über ein virtuelles Kraftwerk mithilfe von BlueGen-Mikro-KWK-Geräten auszugleichen. Ziel sei es, langfristig bis zu 1000 Kunden für den Einbau eines BlueGen-Gerätes zu gewinnen. Wichtige Entscheidungskriterien bei der Auswahl der Brennstoffzellen-Heizgeräte waren ein schnelles Ansprechen des Geräts auf die Steuerungssignale sowie ein gutes Teillastverhalten zur Anpassung der Geräteleistung an die Lastkurve. Durch die dezentrale Anordnung der Geräte im Stromnetz werde der Strom da produziert, wo er gebraucht werde, so eine Aussage der Stadtwerke Aalen. Der Versorger verspricht sich dadurch einen höheren Erdgasabsatz, der den verminderten Stromabsatz kompensiere.

Fazit

Die deutschen Entwickler und Hersteller von Brennstoffzellen-Heizgeräten räumen ein, dass bis zur Markteinführung noch Optimierungsarbeiten notwendig sind. Die anfänglich sehr optimistischen Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Außenseiter wie Ceramic Fuel Cells und Elcore mit ihren offensichtlich marktreifen Geräten bringen die Callux-Projektpartner weiter unter Druck, ebenso die japanischen ENE-Farm-Hersteller, die ab 2015 in der europäischen Liga mitspielen wollen.

Die Forderung der Energieversorger nach mehr Regulierung bei der Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien und Mikro-KWK-Anlagen dürfte die Diskussion beflügeln, ob Geräte mit einer elektrischen Leistung von 1 kW die richtige Größe für Einfamilienhäuser sind. Elcore zeigt Mut und setzt mit 300 W elektrisch und 600 W thermisch einen neuen Orientierungspunkt bei der Dimensionierung von Mikro-KWK-Geräten. Auch die japanischen ENE-Farm-Geräte wurden während der Entwicklungsphase von 1 kW auf 750 W „downgesized“, um höhere Jahresbetriebsstunden zu erreichen. Künftig gilt es, die Wechselbeziehung von Brennstoffzellen-Heizgeräten zum Stromnetz stärker zu beachten, das heißt, Start-Stopp-Funktionen, Teillastverhalten und Kaltstartverhalten müssen den Anforderungen eines intelligenten Stromnetzes entsprechen. •

1) ENE Farm ist eine Warenbezeichnung für Brennstoffzellen-Kraft-Wärme-Kopplungssysteme für Privathaushalte (stationäres Brennstoffzellensystem) in Japan. Diese Bezeichnung wurde zur Erhöhung des ­Bekanntheitsgrades sowie zur Verbreitung der Brennstoffzelle im August 2008 durch den Verband „Fuel Cell Commercialization Conference of ­Japan“ geschaffen und vereinheitlicht. Quelle: Zielgruppenanalyse Japan der Exportinitiative Energieeffizienz: Energieeffizienz im Gebäudebereich und der Gebäudetechnik in Japan, 2008

Weitere Fachartikel zum Thema Strom erzeugende Heizung enthält das TGA dossier Mini-KWK: Webcode 716

Wichtig für TGA-Planer, Anlagenbauer und Bauherren

TGA-Planer: Weil Brennstoffzellen-Systeme möglichst durchlaufen müssen, ist bei ihrer Planung noch mehr Sorgfalt als bei motorischen KWK-Anlagen erforderlich. Bei sehr hohen elektrischen Wirkungsgraden ist ein temporäres Verwerfen von Wärme energetisch akzeptabel und wirtschaftlich unbedenklich.

Anlagenbauer: Ähnlich wie bei der Wärmepumpe wird sich mit Brennstoffzellen-Systemen die Anbietervielfalt erhöhen. Spezialwissen wird vor allem für die Integration in die Hydraulik und Elektrik bestehender Anlagen und die konfliktfreie Eignungsprüfung der Objekte gefragt sein.

Bauherren: Bis Brennstoffzellen-Systeme breit verfügbar sind, wird es noch ein wenig dauern. Die momentane Markteinführung von Stirling-Mikro-KWK-Geräten zeigt, dass die Hersteller nicht an einer zu schnellen Stückzahlsteigerung interessiert sind, um auf etwaige Probleme ohne Imageschäden reagieren zu können. Feldtestanlagen werden meistens in Kooperation mit Energieversorgern installiert.

Wolfgang Schmid

ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de

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