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Oberflächennahe Geothermie

Qualitätsoffensive zur Marktbereinigung

Kompakt informieren

  • Erdwärmesonden stehen für eine hohe Energieeffizienz der angeschlossenen Wärmepumpen und damit für langfristig niedrige Energiekosten. Mangelhaft errichtete Erdwärmesonden können jedoch enorme Schäden verursachen.
  • Probleme bei Erdwärmesonden sind meistens auf Fehlstellen bei der Ringraumverfüllung zurückzuführen. Die vom Land Baden-Württemberg initiierte Leitlinie Qualitätssicherung Erdwärmesonden setzt auf eine automatische Überwachung des Abdichtvorgangs.
  • Die Forderungen für eine Qualitätsverbesserung und -sicherung beim Errichten von Erdwärmesonden werden diese verteuern und können die Wirtschaftlichkeit insbesondere bei kleinen Anlagen infrage stellen.

Selten wurde in einer Branche so frei über offensichtliche Ausführungsmängel und menschliches Versagen diskutiert wie bei der oberflächennahen Geothermie. Nach der Häufung von Schadensfällen in Baden-Württemberg Abb. 1 durch Mängel an der Bauausführung wurde im August 2011 landesweit die Tiefe von Bohrungen für Erdwärmesonden bis zum ersten Grundwasserstockwerk begrenzt1), was faktisch einem Baustopp gleichkam.

Mit ausschlaggebend für das resolute ­Vorgehen des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart war die Zunahme von Schäden nach der Erstellung von Erdwärmesonden, zumal die meisten ­Anlagen von „guten“ Bohrfirmen – also solchen mit Erfahrung – abgeteuft worden sind. Technisches Versagen konnte deshalb so gut wie ausgeschlossen werden (siehe Info-Kasten). Gleichzeitig haben offensichtlich viele Betei­ligte nicht die notwendigen Kenntnisse, um selbst bei augenscheinlichen Risiken richtig zu reagieren Abb. 2.

Klüfte und Verlustzonen erkennen

Frank Burkhardt, Fa. Burkhardt – Geologische und hydrologische Bohrungen, Neuweiler, wirbt um Verständnis: „Bohrungen können ganz schön launisch sein.“ Die vom Land Baden-Württemberg initiierte Leitlinie Qualitätssicherung Erdwärmesonden (LQS EWS) mit der Forderung nach einer automatischen Überwachung des Abdichtvorgangs am Bohrloch sei der richtige Weg zu mehr Sicherheit und Qualität, stecke aber noch in den Kinderschuhen.

Die Herausforderung dieser Art der Überwachung besteht darin, den Suspensionsspiegel in der Bohrung und die eingebrachte Suspensionsmenge dem Geräteführer während des gesamten Abdichtvorgangs anzuzeigen und digital zu dokumentieren. Wichtig sei es, Klüfte und Verlustzonen zu erkennen und mit der richtigen Maßnahme darauf zu reagieren.

Erfreulich sei, dass alle in der LQS EWS unter Punkt 3.3.4 genannten Messsysteme (Sotronik und Dietrich mit DBO 3 Abb. 3, MAT mit Matlog PMD zusammen mit Matmes-FH Abb. 4, Michalik und HDG EWS Datalogger Abb. 5 zusammen mit einer automatisierten Erfassung der Wasserstände und Wasserzutritte am Bohrloch) zu einer Erhöhung der Qualität und einer besseren Nachweisbarkeit der erfolgreichen Abdichtung führen. Eine erste Bewertung durch Burkhardt:

  • das Sotronik/Dietrich-System liefert „interpretierbare Ergebnisse“; insgesamt sei der Messprozess jedoch aufwendig,
  • das noch prototypische Michalik-System ­liefert sehr genaue Messdaten; der Mess­vorgang (zwei Drucksonden im Abstand von 2 m an Glasfiberstäben befestigt) ­könnte aber im rauen Baustellenbetrieb zu Problemen führen,
  • das HDG-EWS-Verfahren zeigt Anomalien im Bohrloch an, allerdings muss der Bohrführer die Messung interpretieren können, um die richtigen Maßnahmen einzuleiten, beispielsweise Aufkiesen statt Verpressen. Die Baustellentauglichkeit des HDG-EWS-Verfahrens wird als hoch eingeschätzt.

Sein Fazit: Alle Systeme können die Qualität der Verpressung erhöhen, da sie Verlustzonen und Probleme bei der Verfüllung erkennen. Allerdings könne über deren Praxistauglichkeit noch keine Aussagen gemacht werden. Letztendlich hänge es vom Bohrführer ab, ob die Vorgaben der LQS EWS am Bohrloch mit oder ohne Überwachungsgeräte umgesetzt werden.

Baustelleneinrichtung ist Qualitätsfaktor

Zeit- und Preisdruck sind die Hauptursachen von Schlampereien am Bohrloch. Stefan Schiessl von der Firma Terrasond Kampfmittelräumung, Günzburg, hat die Erfahrung gemacht, dass die Präzision einer Erdwärmesondenbohrung zu rund einem Fünftel von der Qualität der Baustelleneinrichtung Abb. 7 abhängig ist. Bei dem mit Kampfmittelräumungen spezialisierten Unternehmen gehört die richtungstreue, erschütterungsarme Bohrung zum Geschäftsmodell, um bei Bombenfunden die Gefährdung für das eigene Personal gering zu halten. Dieses Know-how setzt das Unternehmen auch bei Erdwärmesondenbohrungen ein.

Schiessl favorisiert aufgrund der hohen Richtungsstabilität das Imlochhammerverfahren. Für Abweichungen von der Senkrechten sei nicht der Baugrund, sondern die technische Ausrüstung bzw. die Ausbildung und Sorgfalt des Bohrführers verantwortlich. Dazu zählen Fehler beim Einrichten der Maschine, die Verwendung eines unzureichenden Bohrstrangs, falsches Werkzeug und die falschen Bohrparameter. Vorgaben über Bohrlochabweichungen resultieren aus der meist vereinbarten VOB Teil C DIN 18301 (ATV Bohrarbeiten), so Schiessl. Für das Gelingen einer Bohrung sei jedoch der Faktor Mensch maßgeblich verantwortlich. Zu viel oder zu wenig Gewicht auf der Bohrkrone führe zu massiven Bohrlochabweichungen. „Nichts darf wackeln, klappern oder vibrieren.“ Wichtig sei die Minimierung des Ringraumspiels, da mit zunehmendem Ringraum auch die Abweichungen von der Senkrechten größer werden.

Unverhoffte Prüfungen am Bohrloch

Die Situation rund um das Bohrloch dürfte noch schlechter sein als in der Öffentlichkeit bekannt. Anders ist das Engagement des Bundesverbands Wärmepumpen (BWP) beim Thema Qualitätssicherung kaum zu interpretieren. Dieser will künftig einen Teil der Kosten für eine Qualitätsoffensive auf der Basis des DVGW-Arbeitsblatts W 120-22) übernehmen.

Aus Sicht von Dr. Martin Sabel, BWP, reicht die Zertifizierung von Bohrunternehmen nach „DVGW Cert“ bzw. „Zertifizierung Bau“ allerdings nicht aus, um die Qualität am Bohrloch zu verbessern. Auch erfahrene Bohrführer von zertifizierten Unternehmen seien manchmal betriebsblind, nehmen vieles als gegeben hin und übersehen Mängel und Fehler, sagt Sabel. Formal betrachtet müsse der Bauherr (!) die Umsetzung bestehender Vorschriften und Auflagen kontrollieren, wozu er jedoch fachlich meist nicht in der Lage sei.

Aufgrund der Schadensfälle in BadenWürttemberg plant der Bundesverband Wärmepumpen gemeinsam mit dem Umweltministerium in Baden-Württemberg sowie in Zusammenarbeit mit erfahrenen Auditoren ein Pilotprojekt zur Qualitätsverbesserung bei Erdwärmesondenanlagen. Kern des Projekts sind unangekündigte Qualitäts-Audits durch erfahrene und unabhängige Auditoren nach den Vorgaben des DVGW-Arbeitsblattes W-120-2. Festgestellte Verstöße sollen nach einem Sanktionskatalog geahndet werden.

Der BWP erhofft sich durch die Qualitätsoffensive ein sorgfältigeres Vorgehen der zertifizierten Unternehmen sowie eine Marktbereinigung bei den unseriösen Bohrfirmen oder solchen Unternehmen, die sich einem Qualitätsstandard entziehen. Bei mehrfachen Verstößen sei auch der Entzug des erworbenen Zertifikats möglich. Sabel betont, der BWP wolle damit kein neues Regelwerk etablieren, sondern die Vorgaben des DVGW-Arbeitsblatts W-120-2 voranbringen.

Miniinvasiv sanieren statt überbohren

Typisch für die meisten bekannt gewordenen Problemfälle bei Erdwärmesondenbohrungen sind Fehlstellen bei der Ringraumverfüllung. Um die Bohrlöcher zu sanieren, bedarf es an Erfahrung und Fingerspitzengefühl, da Ungleichgewichte in den Grundwasserleitern in jedem Fall behoben werden müssen; Hebungen (Gips) oder Setzungen (Karbonatkarst) seien sonst die Folge. Die Gungl Bohrgesellschaft, Renningen, hat hierfür ein miniinvasives Sanierungsverfahren entwickelt, das die Überbohrung einer problembehafteten Erdwärmesondenbohrung in den meisten Fällen ersetzen kann, so Eric Moegle.

Gungl konstruierte eine Schlitzeinrichtung, mit der die Sondenrohre oder Verfüllschläuche im bereits verfüllten Bohrloch über eine Länge von jeweils etwa 3,5 cm von innen aufgeschlitzt werden, um den Ringraum nachzuverfüllen. Die Wirksamkeit der Nachverpressung kann noch während des Eingriffs durch eine begleitende geophysikalische Messmethode überprüft werden. Moegle sieht im „System Gungl“ ein bereits in der Praxis bewährtes Sanierungsverfahren zur nachträglichen Verpressung von mangelhaft hinterfüllten Ringraumabschnitten und zur Beseitigung von unerwünschten Wegsamkeiten im Bohrloch.

Heißes Pflaster: Frankfurt am Main

Frankfurt am Main hat gute Chancen auf einen der oberen Führungsplätze in der Erdwärmeliga. Bis Februar 2013 wurden in der Mainmetropole rund 200 Erdwärmesondenanlagen gezählt, davon 25 % mit Heizleistungen über 30 kW. Dr. Sven Rumohr vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Wiesbaden, ist zuversichtlich, dass die oberflächennahe Geothermie im Großraum Frankfurt weiter Zuspruch finden wird. Aus der Zusammenführung umfangreicher Temperaturdaten von 15 geothermischen Planungsbüros ergibt sich insbesondere für die Innenstadt von Frankfurt ein sehr günstiges Temperaturprofil: 20 °C in 100 m Tiefe und bis zu 26 °C in etwa 150 m Tiefe. Für das Innenstadtgebiet liegen – bezogen auf eine Fläche von 50 km2 – rund 25 Temperaturprofile vor; die gesamte kartierte Fläche im Großraum Frankfurt beträgt rund 600 km2.

Wichtig für die künftige Bewertung des oberflächennahen Geothermie-Potenzials ist, so Rumohr, die Zusammenführung und Dokumentation vorhandener Daten über Erdwärmesonden- und Grundwasserbohrungen. Nur durch die Bereitschaft von Bohrunternehmen und Ingenieurbüros, ihre Daten zur Verfügung zu stellen, konnte die Existenz einer flächigen geothermischen Anomalie im Stadtgebiet von Frankfurt am Main nachgewiesen werden.

Ursache für die hohen Temperaturen im Untergrund ist die Gesteinsschicht „Rotliegend“, die im Stadtgebiet von einer rund 300 m mächtigen Abfolge aus Tonen und Schluffen überdeckt ist. Die sehr geringe Wärmeleitfähigkeit dieser Deckschicht sowie fehlende Grundwasserströmungen verhindern die Auskühlung des Untergrunds. Die Besonderheit dieser Anomalie lasse erwarten, dass mit mitteltiefen Erdwärmesonden – wie sie beispielsweise in der Schweiz vermehrt eingesetzt werden – sogar Temperaturen von rund 40 °C genutzt werden könnten, so Rumohr. Im Umkehrschluss ist davon auszugehen, dass im Innenstadtgebiet von Frankfurt das Potenzial zur Kühlung mittels Erdsonde gering ist.

Zonierung optimiert Erdsondenfelder

Warum im Untergeschoss eines Gebäudes nach Passivhaus-Standard riesige Speicher zur Wärme- und Kältebereitstellung installieren, wenn man dazu auch ein strategisch angelegtes Erdsondenfeld nutzen könnte? Am Beispiel einer Produktionshalle zeigte Dr. David Kuntz, Tewag, Regensburg, anhand verschiedener Simulationsberechnungen, was bei der Auslegung eines Geomassivspeichers zu beachten ist.

Vorgabe war ein saisonaler Erdwärme­speicher, der eine direkte Beheizung des Gebäudes im Winter ohne zusätzliche Wärmepumpe mit einer Zieltemperatur für den Heizungsvorlauf von 28 °C dauerhaft anbietet. Diese Wärme soll aus der Abwärme einer solarthermisch angetriebenen Adsorptionskältemaschine über einen aus 198 Erdwärmesonden (30 m tief) bestehenden Geomassivspeicher generiert werden.

Die Ergebnisse der Simulation sind eher ernüchternd: 20 Jahre Ladezeit reichen nicht aus, den Speicher komplett zu beladen. Selbst dann lässt sich allenfalls eine Zieltemperatur von 26 °C erreichen, so das erste Simulationsergebnis. Da der Erdsondenspeicher im Sommer auch als Wärmesenke für die Serverraumkühlung genutzt werden soll, darf der Erdspeicher auch nicht kleiner ausgelegt werden, da sonst die Erdreichtemperatur zu sehr ansteigt und somit die Kühlwirkung für den Server nicht mehr ausreicht.

Die Lösung liegt, so Kuntz, in der Zonierung des Erdsondenfeldes in Bereiche für die Einspeicherung der Serverabwärme und Bereiche der Wärmespeicherung für den Heizfall im Winter. Vorstellbar seien eine wärmere Innenzone im Sondenfeld zur Einspeisung der Abwärme aus dem Absorptionskälteprozess sowie eine kältere Außenzone für die Kühlung des Serverraums. Dadurch könnte auch der Wärmeabfluss von innen nach außen begrenzt werden. Kuntz räumte ein, dass die Planung eines solchen Sondenfeldes mit vielen Unsicherheiten behaftet ist, obwohl das Simulationsprogramm sehr genaue Bilanzierungen des Wärme-Kälte-Angebots zulasse.

Nicht berücksichtigt wurde bei den Berechnungen die thermische Wirkung des umgebenden Erdreichs auf den Geomassespeicher. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass die Fremdeinflüsse auf Erdwärmespeicher durch den weiteren Ausbau der oberflächennahen Geothermie – je nach geologischer Konstellation – signifikant zunehmen und damit die Aussagekraft singulär berechneter Erdwärmespeicher infrage gestellt werden muss.

Mitteltiefe Erdsonden: viele Vorteile

Je tiefer gebohrt wird, desto höhere Erdreichtemperaturen werden erreicht und desto effizienter arbeitet eine Wärmepumpe. In der Schweiz geht der Trend inzwischen zu mitteltiefen Geothermie-Systemen mit durchschnittlichen Bohrtiefen von 200 m, aber auch 350 m tief wie in Zürich, oder 500 m wie in Lausanne. Für Mario Rook, HakaGerodur, Blenken, Schweiz, gibt es dafür folgende Gründe:

  • die Platzverhältnisse in den Städten der Schweiz lassen keine flächigen Sondenfelder geringer Tiefe zu,
  • der Temperaturzuwachs von 3 K pro 100 m Bohrtiefe kommt der Effizienz des Wärmepumpensystems zugute,
  • die magische Bohrgrenze von 100 m, wie in Deutschland, existiert in der Schweiz nicht und
  • der geologische Untergrund ist in der Schweiz bedeutend besser erforscht und dokumentiert als in Deutschland.

Den Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit und erhöhten technischen Anforderungen einer mitteltiefen Bohrung räumt Rook ein, sieht aber bei den mitteltiefen Erdwärmesonden überwiegend Vorteile. Allerdings müssten die spezifischen Druckverhältnisse und Druckverluste im hydraulischen Netz sowie die besonderen Vorkehrungen beim Abteufen und Hinterfüllen von mitteltiefen Erdwärmesonden berücksichtigt werden.

Rook empfiehlt bei der Wahl von Erdwärmesonden in jedem Fall Druckstufe PN 20, da die Nachteile der höheren Wandstärke (höherer thermischer Bohrlochwiderstand, höherer Druckverlust) gegenüber den Vorteilen (Robustheit, besseres Beuldruckverhalten) gering seien und vernachlässigt werden könnten. Bei längeren Sonden könnte außerdem auf Frostschutzmittel im Sondenkreislauf verzichtet werden, ein Vorteil mit positivem Effekt auf den Pumpenstrom und die Umwelt.

Allerdings müsse bei Bohrungen in Tiefen bis 500 m sehr sorgfältig gearbeitet werden, und zwar beim Bohren, beim Abteufen der Sonde, beim Verfüllen des Ringraums und bei der Dichtheitsprüfung. Langfristig sei es wichtig, die Erdreichbewirtschaftung stärker zu koordinieren. In jedem Fall sei durch saisonales Heizen und Kühlen über das gleiche Bohrfeld eine höhere Wirtschaftlichkeit zu erzielen als mit nur Heizen oder nur Kühlen, so Rook.

Grundwasser nachhaltig nutzen

Die Nutzung von oberflächennahem Grundwasser als Wärmequelle bzw. Wärmesenke für Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Der Grund sind die einfache Erschließung von Grundwasser, vergleichsweise hohe Wärmequellentemperaturen und damit günstige Jahresarbeitszahlen für Wärmepumpen.

Das Wärmepotenzial des Grundwassers ist jedoch stark von hydrogeologischen Gegebenheiten abhängig: Bei zu hohen Entnahmemengen, reinem Heizbetrieb oder reinem Kühlbetrieb ist damit zu rechnen, dass sich die Anlagen – über Zeithorizonte von 20 bis 30 Jahren betrachtet und bei weiterem Zubau der Entnahmeleistung – gegenseitig beeinflussen, wie das Beispiel der nordschweizerischen Gemeinden Ober- und ­Unterentfelden im Suhrtal zeigt.

Dort wurde mithilfe eines 3D-Grundwasserströmungsmodells simuliert, wie sich der weitere Zubau von Wärmepumpenanlagen kleiner, mittlerer und großer Leistung thermisch auf den Grundwasserleiter auf dem Gebiet der ­beiden Gemeinden auswirkt. Das Team um Dr. Joachim Poppei, AF-Consult Switzerland AG, Baden, Schweiz, rechnete verschiedene Sze­narien durch (nur Großanlagen, kombinierte Nutzung Heizen und Kühlen, standortoptimierte Nutzung, 20 Jahre Nutzungsdauer ab der letzten Inbetriebnahme) und kam dabei zu ­folgenden Ergebnissen:

  • Bei ausreichend hohem Abstand der ­Entnahmebrunnen ist mit nur geringen ­jahreszeitlichen Temperaturschwankungen im Grundwasser zu rechnen.
  • Das Nutzungspotenzial wird durch die vorherrschenden hydrogeologischen Verhältnisse (Durchlässigkeit grundwasserführender Schichten, Filtergeschwindigkeit) ­geprägt. Durch eine Standortoptimierung (Platzierung der Anlagen, Anlagendimen­sionierung) kann das Nutzungspotenzial des Siedlungsgebiets optimiert werden.
  • Die kritische Nutzungsgrenze für die thermische Beanspruchung des untersuchten Gebietes (quartärer Schotter-Tal-Aquifer) liegt bei 2 bis 3 W/m<sup>2</sup>. Konkret bedeutet das für eine 100-kW-Anlage, dass eine Fläche von 3 bis 5 ha erforderlich ist, um die Ressource Grundwasser nicht zu übernutzen.
  • Der Mindestabstand bei kleinen Grundwasser-Wärmepumpenanlagen (10 bis 20 kW) sollte 50 bis 100 m betragen, will man die gegenseitige Beeinflussung der Anlagen sicher vermeiden. Bei geringeren Abständen ist eine langfristige Absenkung der Grundwassertemperatur nicht auszuschließen.
  • Großanlagen ab 300 kW müssen hinsichtlich ihrer Temperaturbeeinflussung des Erdreichs genauer betrachtet werden. Bei hohen Jahresbetriebsstunden können sich lange Temperatur-Abströmfahnen bilden, die sich negativ auf andere Anlagen im Abströmbereich auswirken.
  • Kombianlagen (Heizen und Kühlen) haben auf den regionalen Energiehaushalt nur einen begrenzten Effekt.

Poppei resümiert: Wer verstärkt auf die Wärmequelle Grundwasser setzt, muss Entwicklungsszenarien für das betroffene Gebiet jetzt in Angriff nehmen und weitere Zubauten von den Wärmeentnahmen und Wärmeeinspeisungen abhängig machen. In jedem Fall habe die Trinkwassergewinnung Vorrang.

„Der 50-W/m-Ansatz ist zu teuer“

„Es gibt eine große Anzahl schlechter Erdwärmesondenanlagen, deren Ursache nichttechnischer Natur ist.“ Dr. Claus Heske, CDM Smith Consult, Bochum, stellte infrage, ob TGA-Planer das notwendige Know-how zur Planung von Erdsondenfeldern mitbringen. „Viele TGA-Planer versuchen, die HOAI-Leistungsphasen 1 und 2 für die Wärmequellenseite selbst abzuarbeiten und gehen dabei von stark vereinfachten und meist falschen Daten und Annahmen aus.“

Außerdem sei der für TGA-Planer typische Ansatz von 50 W/m Entzugsleistung zu teuer. Viele Ausschreibungen von TGA-Planern seien erkennbar mangelhaft, sodass Bohrfirmen inzwischen sogar Risikopreisaufschläge einkalkulieren. Das würde die Machbarkeit eines Projekts wegen unnötig hoher Kosten oft infrage stellen. Es komme vor, dass sich der Bauherr dann gegen eine Geothermieanlage entscheide.

Optimierungspotenziale auf der Basis geothermischen Know-hows würden oftmals nicht ausgeschöpft, da dieses bei TGA-Planern nicht vorhanden sei. Häufig werde der bei Erdsondenfeldern kompetentere Geothermie-Planer zu spät hinzugezogen, wodurch für den Bauherrn zusätzliche Planungshonorare anfallen. Besonders bei Großanlagen seien TGA-Planer überfordert, da neben wasserrechtlichen und bergtechnischen Fragestellungen auch detaillierte Kenntnisse der geologischen und hydrogeologischen Standortsituation erforderlich sind. Dies gelte insbesondere für urbane Ballungsräume, in denen der Grundwasserzustrom bzw. Grundwasserabstrom zu den Erdsondenfeldern sowie die Auswirkungen des Wärmeeintrags bzw. des Wärmeentzugs auf das Erdreich eine zunehmend größere Rolle spiele.

Sein Fazit: Da ein Geothermie-Planer über mehr geologische Detailkenntnisse verfügt, kann er ein wirtschaftlicheres Erdsondenfeld liefern als ein TGA-Planer. Er sollte bereits ab HOAI-Leistungsphase 1 in ein Projekt eingebunden werden. Aufgrund unterschiedlicher Honorarabrechnungen sei die Planung durch einen Geologen für den Bauherrn zudem günstiger.

Neue Forderung „frostfreier Betrieb“

Ähnlich kritisch zur 50-W/m-Pauschalauslegung von Erdwärmesonden äußerte sich auch Rüdiger Grimm, Diplom-Geologe von Geoenergie Konzept, Freiberg. Durch die branchenüblichen Berechnungen nach VDI 4640 oder SIA 384/6 würden für den Bauherrn deutliche Mehrkosten entstehen. Da die Genehmigungsbehörden zunehmend einen frostfreien Betrieb der Erdwärmesonden einfordern, komme der genauen Dimensionierung von Erdwärmesonden künftig eine größere Bedeutung zu. Statt einer 100-m-Bohrung müsse bei der Vorgabe „frostfreier Betrieb“ bei Auslegung auf Grundlast 120 m, bei Auslegung auf Spitzenlast 145 m tief gebohrt werden.

Die aktuelle Diskussion um einen frostfreien Betrieb von Erdwärmesonden hängt in erster Linie damit zusammen, dass bei mehrfachen Frost-Tau-Wechseln die am Markt üblichen Verfüllmaterialien Abb. 8 ihre Festigkeit verlieren können und damit die Dichtheit zwischen zwei Grundwasserleitern auf Dauer nicht garantiert werden kann. Da für die Frost-Tau-Wechselbeständigkeit von Verfüllmaterialien bis dato keine einheitlichen Normen existieren, schreiben die Genehmigungsbehörden in Zweifelsfällen frostfreien Betrieb vor.

Nicht notwendig sei ein frostfreier Betrieb bei Erdwärmesonden, die sich auf den oberen Grundwasserleiter beschränken oder auf Sonden in kristallinen Felsgesteinen, so Grimm. Bis die Unsicherheiten hinsichtlich der Frostbeständigkeit von Verfüllmaterialien beseitigt sind, empfiehlt er folgende Vorgehensweise:

  • Augenmaß bei der Festlegung von behörd­lichen Auflagen zum frostfreien Betrieb,
  • eine Norm für Frost-Tau-Wechselbeständigkeit von Verfüllbaustoffen, die sich an den jeweiligen geologischen Rahmen­bedingungen der Erdwärmesondenanlage orientiert und
  • mehr Monitoring von Erdwärmesondenanlagen, um aufzuzeigen, wo die Ursachen von Vereisung liegen (Fehlplanung, Fehlbetrieb).

Im Übrigen weist Grimm darauf hin, die Empfehlung der LAWA (Bund-/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser) für wasserwirtschaftliche Anforderungen von Erdwärmesondenanlagen und Erdwärmekollektoren zu beachten. Dort heißt es unter Punkt 7: „Die Erdwärmesondenanlage ist auch im Spitzenlastfall ohne Gefahr einer Vereisung des Untergrundes (frostfrei) zu betreiben. Dies ist durch einen werkseitig eingestellten Frostwächter zu gewährleisten.“

Leistungsvergleich von Sondenbauarten

Wie sehr die in VDI 4640 genannte pauschale Entzugsleistung von 50 W/m von den realen Gegebenheiten entfernt ist, verdeutlicht auch der Vortrag von Prof. Dr. Steffen Wagner, TU Bergakademie Freiberg, Institut für Bohrtechnik und Fluidbergbau. Da Messungen an unterschiedlichen Sonden in realen Bohrungen praktisch kaum durchführbar sind, wurden an der Bergakademie Freiberg die gängigen Sondenbauarten im Rahmen einer Simulationsstudie hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit bei einheitlichen Rahmenbedingungen modelliert (einjähriger Dauerbetrieb, zehnjähriger Heizbetrieb mit 2500 Jahresbetriebsstunden, Bohrdurchmesser 180 mm, Bohrlochtiefe 100 m, thermophysikalische Standard­werte). Ergebnisse:

  • Doppel-U-Rohrsonden haben gegenüber der einfachen U-Sonde nur geringe Vorteile.
  • Koaxial- und Phasenwechselsonden zeigen gegenüber U-Rohrsonden ein bedeutend besseres Leistungsverhalten.
  • Phasenwechselsonden (Direktverdampfer, Heat Pipe) haben prinzipiell eine um 20 bis 30 % höhere Leistung, getrieben durch die größere Temperaturdifferenz. Erschwerend ist die gasdichte Verrohrung.
  • Der Ersatz von Zement-Betonit-Gemischen durch reinen Zement beziehungsweise Thermozement bringt Leistungssteige­rungen von bis zu 25 %. Dies wirkt sich besonders günstig bei Doppel-U-Rohrsonden mit aufgespreizten Schenkeln aus.
  • Bei optimalen Rahmenbedingungen liefert eine Koaxialsonde gegenüber einer U-Rohrsonde 91 % bessere Leistungswerte.

Die Simulation liefert nicht nur Aussagen zur optimalen geothermischen Entzugsleistung, sondern auch Hinweise zur nutzungsorientierten Auswahl des Sondentyps, also Sonden für nur Heizen, für Heizen und Trinkwassererwärmung, für Heizen und Kühlen, für saisonale Erdreichspeicherung sowie für Regeneration mittels Abwärme.

Verdrängungsrammung statt Bohrung

Viele Genehmigungsbehörden stehen Anträgen auf Erdwärmesondenbohrungen wegen des Grundwasserschutzes zunehmend kritischer gegenüber. Oft stellt sich während der Genehmigungsplanung heraus, dass Erdwärmesonden wegen des Einsatzes von Wärmeträgerflüssigkeiten nicht infrage kommen. Aus Sicht von Holger Kaiser, GF-Tec, Rödermark, bietet sich in einem solchen Fall die thermische Aktivierung von Pfahlfundamenten an.

Bei der Genehmigung einer Reihenhaussiedlung mit 17 Wohneinheiten in Passivhaus-Bauweise (je 3 kW Heizen/Kühlen) entschied sich der Bauherr deshalb für thermisch aktivierte duktile Pfähle als Erdwärmeübertrager. Die Pfähle werden eingerammt anstatt gebohrt. Die Stahlhülse des Duktilpfahls wirke dabei wie eine dritte Hülle um das Wärmeträgermedium, so Kaiser. Eine Verunreinigung des Grundwassers werde dadurch wirksam verhindert. Im konkreten Fall wurden innerhalb einer Woche 85 Energiepfähle je 9 m Länge eingerammt, U-Rohr-Sonden aus PE 100-RC eingebracht und mit einer thermisch verbesserten Verfüllsuspension verfüllt.

Wer schreibt, der bleibt

Die exakte Dokumentation aller Vorgänge rund um das Bohrloch, vom Angebot bis zum Prüfnachweis mit Fotos und Videos, sichert nicht nur die Qualität der Erdwärmesonde Abb. 9, sondern auch das Fortbestehen des Bohrunternehmens. Alfred Weinmann, Esiomconsulting, Brühl, ist überzeugt, dass am Bohrloch durch eine professionelle Vorbereitung, Baustelleneinrichtung und Nacharbeit signifikante Kosteneinsparungen möglich sind. Denn, so Weinmann: „Das schwächste Glied bestimmt den Erfolg einer Bohrung.“

Allein die Kosten für Mannschaft und Gerät schlagen mit 19 % zu Buche, Rohre und Armaturen mit 9 % und die Hinterfüllung ebenfalls mit 9 %. Wichtig sei, die Beschaffenheit des Untergrundes im Vorfeld zu klären, da er die größten Risiken berge. Leider seien in Deutschland die bestehenden Bohrlöcher nicht ausreichend dokumentiert. Schuld daran sei der Wettbewerb zwischen den Bohrfirmen, da sich diese durch die Zurückhaltung von Informationen einen Vorteil erhoffen. Weinmann empfiehlt: Am besten man regelt den Austausch von Informationen zwischen den Bohrführern, da die Geschäftsführer der Bohrfirmen meist keine Details über bereits niedergebrachte Bohrungen preisgeben wollen.

Wie wertvoll Informationen über die hydrogeologischen Verhältnisse an einem Bohrloch sein können, zeigt ein Kostenvergleich. Im Normalfall kostet eine EWS-Bohrung (120 m tief, 152 mm Durchmesser) rund 6610 Euro, so Weinmann. Ein instabiles Bohrloch kostet rund 30 % mehr, ein Bohrloch mit großen Klüften 50 % mehr und eines mit drückendem Wasser 60 % mehr. Jede gut dokumentierte, erfolgreiche Bohrung diene dazu, kommende Bohrungen nachhaltig zu verbessern und damit die Kosten pro Bohrmeter zu reduzieren sowie das Risiko von Fehlbohrungen zu vermindern. Weinmanns Credo: Wer schreibt, der bleibt!

Fazit

Die Bohrung von Erdwärmesonden könnte durch die geplante Qualitätsoffensive des BWP sowie der LQS EWS-Vorgaben des Landes Baden-Württemberg erheblich teurer werden. Ob eine Erdwärmesondenanlage für ein Ein- oder Zweifamilienhaus dann noch wirtschaftlich ist, muss bei geologisch schwierigem ­Untergrund bezweifelt werden. So gut wie alle bekannten Fehlbohrungen in Baden-Württemberg sind auf menschliches Versagen zurückzuführen Abb. 10. Allein die Bohrführer für Fehlbohrungen verantwortlich zu machen wäre jedoch zu einfach.

Zu den Problemfaktoren bei Geothermieprojekten gehören aber auch TGA-Planer, denen oft das notwendige Know-how fehlt, das komplexe Gebiet der Erdwärmesondenanlagen zu planen. Hier sind Kooperationen mit den Geologen dringend angeraten, denn: Das schwächste Glied in der Kette bestimmt die Effizienz einer geothermischen Wärmepumpenanlage. •

Weitere Fachberichte zum Thema enthält das TGAdossier Wärmepumpe: Webcode 718

1) Im Oktober 2011 wurde die Tiefenbegrenzung unter Auflagen ­aufgehoben (Webcode 333592).

2) DVGW W 120-2 (Entwurf), Qualifikationsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik und oberflächennahe Geothermie (Erdwärmesonden). Bonn: DVGW, Dezember 2012

Wichtig für TGA-Planer, Anlagenbauer und Bauherren

TGA-Planer: Die Planung einer Geothermieanlage erfordert unter anderem geothermisches Know-how und detaillierte Kenntnisse der geologischen und hydrogeologischen Standortsituation. TGAPlaner sollten ihre Fähigkeiten nicht überschätzen und bereits ab der Vorplanung einen Geothermie-Planer einschalten.

Anlagenbauer: Zeit- und Preisdruck, ungenügendes Bohrwerkzeug und vor Ort unerfahrene Bohrunternehmen bzw. Bohrführer zählen zu den Risikofaktoren bei der Errichtung von Erdwärmesondenbohrungen. Bei Unterverträgen sollten Anlagenbauer zudem auf eine Haftpflichtversicherung des Bohrunternehmens von mindestens 5 Mio. Euro achten.

Bauherren: (Auch) Beim Errichten einer Erdwärmesonde ist der Bauherr für die Umsetzung aller Vorschriften und Auflagen verantwortlich. Sein Haftungsrisiko kann er durch die Beauftragung zertifizierter Unternehmen, die Überwachung der Arbeiten durch geeignete Experten und eine Bohrversicherung (Webcode 331122) minimieren.

EWS-Schadensfälle in Baden-Württemberg

„Noch ein Staufen, und unsere Branche ist fällig“

Die Bohrunternehmen in Baden-Württemberg sind in Aufruhr. Mehr „LQS EWS“ gehe nicht, so die Diskussion bei den Fachvorträgen auf der Geotherm in Offenburg. Gemeint ist die „Leitlinie Qualitätssicherung Erdwärmesonden“, die nach einer Häufung von Schadensfällen am 7. Oktober 2011 für Baden-Württemberg eingeführt wurde. „Mit noch strengeren LQS-EWS-Vorgaben bohren wir in Baden-Württemberg die Geothermie zu Tode“, so ein Statement, und weiter, „gute Bohrfirmen werden durch die Arbeit schlechter Firmen bestraft.“ Auch die vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Auftrag gegebene Erprobung von Messsystemen zur Überwachung des Abdichtungsvorgangs am Bohrloch nach Punkt 3.3.4 der LQS EWS ist umstritten. „Wir brauchen eine bautechnische Antwort und keine messtechnische, die viel Geld kostet“, so der Vertreter eines Bohrunternehmens auf dem BWP Praxis-Forum Erdwärme am Vortag der GeoTherm in Offenburg.

Weitgehende Einigkeit herrschte über die Ursachen der Schadensfälle am Bohrloch. Nicht die Maschinen sind schlecht, sondern die Menschen, die die Maschinen bedienen, machen Fehler. Eine gewisse Betriebsblindheit der Bohrfraktion sei nicht von der Hand zu weisen, so der Tenor. Doch auch die Planer bekommen ihr Fett weg. „Die sollten sorgfältiger in die geologischen Karten reinschauen. Warum wird überhaupt in Anhydrit-Gebieten gebohrt, wo jeder weiß, welche Konsequenzen das haben kann? Noch ein Staufen, und unsere Branche ist fällig.“

Weniger emotional schilderte Eva de Haas vom Umweltministerium Baden-Württemberg die aktuellen Schadensfälle. Jetzt gelte es, durch eine Qualitäts­offensive am Bohrloch Schäden bei EWS-Anlagen in Zukunft zu vermeiden. Die genaue Dokumentation und Ursachenklärung von acht spektakulären Schadensfällen in Baden-Württemberg sei wichtig, um das Risiko bei künftigen Bohrungen zu reduzieren. Auch könne die Branche aus den Schäden lernen, welche Mechanismen im Falle eines Schadens greifen müssten und welche Optionen für Sanierungen bestehen. Die aktuellsten Schadensfälle mit Erdwärmesonden:

Dorf Zumhof (Gemeinde Rudersberg, Rems-Murr-Kreis): Hier hat sich die Erde um bis zu 40 cm gehoben. Ursache scheint eine Gipskeuperschicht zu sein, die im Jahr 2007 beim Abteufen von zwanzig Erdwärmesonden durchbohrt wurde. Die Arbeitshypothese: Durch mindestens eine nicht abgedichtete Erdwärmesondenbohrung tritt Wasser in quellfähiges Gebirge ein.

Wurmlingen bei Tübingen: Gebohrt wurde hier bereits 2002, doch erst im Jahr 2010 traten erste Schäden auf. Arbeitshypothese: Durch mindestens eine unabgedichtete EWS-Bohrung steigt Wasser in Grundgipsschichten auf und verstärkt den Auslaugprozess im Erdreich. Dabei kommt es zu Erdfällen in Form von Löchern in Vorgärten und Straßen sowie zu Rissen in Haus- und Garagenwänden. Die Schäden allein im Straßenbereich werden laut Medienberichten auf rund 0,5 Mio. Euro geschätzt. Warum in Wurmlingen überhaupt eine Genehmigung für Erdwärmesondenbohrungen erteilt wurde, ist für den Autor nicht nachvollziehbar, zumal sich unmittelbar hinter dem Dorf ein Gipsbruch Abb. 2 befindet, der als solcher auch in GoogleMaps eingetragen ist.

Staufen im Breisgau: Im Geothermie-Projekt Staufen wurde 2009 gebohrt; die Risse in den Häusern zeigten sich bereits nach zwei Wochen. Ähnlich wie in Rudersberg tritt in Staufen Wasser über unabgedichtete EWS-Bohrungen in quellfähiges Gebirge ein. Die maximale Hebung beträgt in Staufen inzwischen 50 cm; die Schätzungen für den Schaden liegen bei 56 Mio. Euro Abb. 6. Die Sanierung der Erdwärmesonden erfolgt nach dem Keller-Verfahren der Fa. Keller Grundbau, Renchen. Das Verfahren beruht darauf, die Sondenrohre zu perforieren und über diese Perforation die EWS-Ringräume zu verpressen bzw. abzudichten. Gleichzeitig wird der Grundwasserspiegel im Erdwärmesondenfeld durch Dauerpumpmaßnahmen abgesenkt. Die Hebungsgeschwindigkeit habe sich dadurch verlangsamt, so Steffen Binde, Mitarbeiter von Keller-Grundbau, in einem Fachbeitrag.

Leonberg, Renningen und Schondorf: Die Schäden durch Erdwärmesondenanlagen in Leonberg, Renningen und Schondorf entstanden durch eine Verbindung zwischen den oberen und unteren Grundwasserstockwerken, ausgelöst durch undichte Bohrlochverfüllungen. Durch die Absenkung des Grundwasserspiegels im oberen Stockwerk hat sich die Erde gesenkt; Gipskeuper war offensichtlich nicht im Spiel.

Für den Nachweis der Ursache bei den acht Schadensfällen wurden folgende Messmethoden angewandt:

  • Ruhetemperaturprofil (Temperaturmessung in der Erdwärmesonde; massearmer Temperaturfühler fährt mit konstanter Geschwindigkeit in einem der wassergefüllten U-Rohre der Erdwärmesonde)
  • Kurz-Thermal-Response-Test (Aufheizung der Sonde mit Wasser von etwa 30 °C über einen Zeitraum von einer Stunde, dadurch erwärmt sich auch die Hinterfüllung. Anschließend Aufzeichnung eines Temperaturprofils in der Sonde; Erkennen von Anomalien anhand der Temperaturkurve)
  • Gamma-Gamma-Messung (Messung der Gleichförmigkeit der Hinterfüllungsdichte mittels Photonen von Cäsium 137).

Die Kombination aller drei Verfahren hat sich nach Aussage von de Haas bei der Ursachenklärung gut bewährt. Kann eine Erdwärmesonde nicht nach dem Keller-Verfahren saniert werden, muss die Sonde überbohrt werden. Goller Bohrtechnik, Kirchentellinsfurt, hat dazu ein Verfahren entwickelt, bei dem Stahlseile in die Sondenschläuche einzementiert werden. Diese unter Spannung stehenden Seile dienen als Führung für den Bohrstrang. Nach dem Überbohren wird die Sonde aus dem Bohrloch entnommen und das Bohrloch verpresst, damit die beiden Grundwasserstockwerke wieder getrennt sind.

Um das Risiko beim Bau von Erdwärmesonden zu mindern, sind aus Sicht des Umweltministeriums Baden-Württembergs folgende Maßnahmen notwendig:

  • Tiefenbeschränkung auf Gipsspiegel,
  • bessere Qualifikation der Bohrgeräteführer,
  • Einbeziehung externer Sachverständiger bei Bohrungen in geologisch und hydrogeologisch schwierigen Gebieten,
  • Einsatz von Geräten zur automatischen Abdichtungsüberwachung,
  • konkretere Arbeitsanweisungen für die Bohrführer und eine
  • Mindestausrüstung auf Baustellen.

Wichtig seien außerdem die Verwendung dauerhaft dichter Baustoffe sowie eine bessere Abstimmung von Baustoff und Mischtechnik. Dazu müsse sich die Branche auf einheitliche Prüfkriterien einigen, so de Haas. Dennoch bleibe ein Restrisiko. Das müsse durch eine Versicherungslösung abgedeckt werden. Auch die neue Regierung in Stuttgart wolle trotz Risiken am Ausbau der Geothermie festhalten. „Die Geothermie ist ein wichtiger Bestandteil der Energiewende.“

Wolfgang Schmid

ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de

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