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Integrierte Energiekonzepte

Stadtsanierung: Ist KWK sinnvoll?

Kompakt informieren

  • Im Rahmen eines DBU-Projekts wurde eine Erstanalyse zur Wärme- und Strombereitstellung für ein energetisch zu optimierendes Stadtgebiet erstellt.
  • Dabei wurde die Versorgung mit Heizsystemen pro Gebäude, mit Erdgas-BHKW und Nahwärme sowie der Anschluss an ein mit Steinkohle befeuertes Heizkraftwerk verglichen.
  • Eine ausgeprägte Wirtschaftlichkeit besteht für keines der fünf untersuchten Anlagenkonzepte.
  • Die Ergebnisse der KWK-Varianten sind stark von den Randbedingungen und beim BHKW von der Eigenstromnutzungsquote abhängig. Sie zeigen auch, dass eine allgemeingültige Aussage zur Primärenergie- und CO<sub>2</sub>-Einsparung dieser Konzepte nicht möglich ist.

Das KfW-Förderprogramm 432 „Energetische Stadtsanierung“ zur Erstellung eines integrierten Konzeptes für Stadtquartiere sieht im Wesentlichen die Abschätzung der Energieeinsparpotenziale und der CO2-Minderung sowie den Erfolgsnachweis durch einen Vorher-Nachher-Vergleich vor [1]. Schwerpunktthemen sind:

  • Steigerung der Energieeffizienz und CO<sub>2</sub>-Minderung im Quartier
  • Ausbau zu gemeinsamer Wärmeversorgung mit Einbindung aller öffentlichen ­Akteure, auch der Ausbau integrierter wohnwirtschaftlicher Konzepte mit einer Gesamtenergiebilanz
  • Analyse und Überwindung möglicher ­Umsetzungshemmnisse
  • Katalog energetischer Sanierungsmaßnahmen mit Wirkungsanalyse und Bewertung der Kosten, Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit
  • Maßnahmen der Erfolgskontrolle, ­Information und Öffentlichkeitsarbeit

Der Fokus der Untersuchungen der Ostfalia-Hochschule Wolfenbüttel in dem mit gleicher Zielsetzung parallel geförderten DBU-Projekt „Energiekonzepte mit Erfolgsnachweis“ liegt in der begleitenden Erstanalyse eines Stadtgebietes in Hannover. Drei Alternativen der Wärme- und Stromversorgung haben sich als zukünftig mögliche Energiekonzepte herausgestellt:

  • Beibehalten der bisherigen Gebäude­zentralen
  • Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung mit Erdgas-BHKW
  • Ausbau der an der Quartiersgrenze vorhandenen Fernwärme, überwiegend aus Heizkraftwerken mit dem Brennstoff Steinkohle

Allein das Versorgungsunternehmen bzw. der Kraftwerksbetreiber können Auskunft über die zu erwartenden Brennstoffeinsätze (hier Kohle und/oder Erdgas) bzw. CO2-Emissionen geben. Für die Erstellung eines energetischen Konzepts ist deshalb die Mitwirkung jedes Energieversorgers mit Informationen zum Kraftwerksbetrieb (über den gesamten Betrachtungszeitraum) unabdingbar. Andernfalls wird jede aufgestellte CO2-Bilanz zu einem nicht praxisgerechten, beliebigen Planspiel. Dies gilt für viele derzeit diskutierte Quartiers- und aktuell geplante regionale Energiekonzepte, beispielsweise dem Ausbau einer Fernwärmeschiene Ruhr.

Endenergie- und CO2-Bewertung als Ersatz der Primärenergiebewertung

Die allgemeine Behauptung einer generellen CO2-Emissionsminderung durch Kraft-Wärme-Kopplung gegenüber einer getrennten Wärmeerzeugung und einer zunehmenden Stromerzeugung aus regenerativen Quellen steht derzeit auf dem Prüfstand. In Öffentlichkeit, Politik und Energiewirtschaft umstritten sind die Auswirkungen einer Ausweitung von Fernwärmenetzen, vor allem aus mit Kohle befeuerten Heizkraftwerken, auf die reale Kohlenstoff- bzw. CO2-Bilanz.

Mit Einführung der Stromgutschriftmethode in der Energieeinsparverordnung (EnEV) und im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) wird der aus KWK stammenden Fernwärme ein Strombonus ­sowohl als Primärenergiegutschrift und von interessierten Kreisen auch als Emissions­gutschrift angerechnet – auf Basis der einem deutschen Kraftwerkspark der Vergangenheit ersparten Stromproduktion.

Der starke Ausbau regenerativer Stromerzeugung im letzten Jahrzehnt hat jedoch dazu geführt, dass trotz Ausstieg aus der Kernenergie mit Kohle befeuerte Kraftwerke durch den nicht mehr umkehrbaren Einspeisevorrang regenerativ erzeugten Stroms zu „Spitzenlastkraftwerken“ degradiert werden – also nicht mehr kontinuierlich „Abfallwärme“ zur Verfügung stellen.

Und bei zunehmendem Dämmstandard von Gebäuden ist eine Kraft-Wärme-Kopplung mit Ausbau von Nah- oder Fernwärme nicht sinnvoll, wenn zusätzliche Netzverluste die Kohlenstoff- und CO2-Bilanz verschlechtern, zudem ist eine „gleichzeitig passende“ Strom- und Wärmeversorgung in der Praxis unrealistisch.

Auf der Abnehmerseite liegt im heutigen Gebäudebestand das Verhältnis zwischen Wärme- und Stromverbrauch bei typisch 4 : 1, zukünftig durch verbesserte Wärmedämmung von Neubauten und energetisch modernisierte Bestandsbauten bei 2 : 1. Nur wenn Strom zukünftig verstärkt dezentral und in Eigenerzeugung und -nutzung produziert wird, ergeben sich Vorteile einer Kraft-Wärme-Kopplung für eine CO2-Emissionsminderung, beispielsweise mit Erdgas- oder Biogas-BHKW.

Dazu sind nur die direkten, bei der Erzeugung anfallenden CO2-Emissionen respektive der konkrete Kohlenstoffeinsatz zu bilanzieren. Dagegen ist der Einsatz von Kohle für Fernwärme und Strom aus Heizkraftwerken gegenüber dem heutigen Strommix in Deutschland immer mit höheren CO2-Emissionen gegenüber mit anderen Brennstoffen versorgten Systemen sowohl für die Strom- als auch für die Wärmeversorgung verbunden.

Abb. 1 zeigt für das nachfolgend vorgestellte Quartier im Rahmen des KfW-Programms 432 die nutzflächenbezogenen CO2-Emissionen für die Wärme- und Stromversorgung von Mehrfamilienhäusern. Die spezifischen Emissionen sind abhängig vom Endenergieverbrauch für Erdgas im Bestand, einem als konstant angenommenen Stromverbrauch von 40 kWh/(m2 a) sowie vom gewählten Versorgungskonzept:

  • Bestand Erdgasheizung und Strommix Deutschland
  • BHKW mit teilweiser Stromeigennutzung
  • Fernwärme und Strom aus einem mit Kohle befeuerten Heizkraftwerk

Schlussfolgerungen für ein Quartierskonzept in Hannover

Im Hinblick auf eine nachhaltige und ressourcenschonende Energieverwendung unter den beschriebenen Grundforderungen wurden für den Bestandsgebäudekomplex eines städtischen Wohnungsunternehmens in Hannover verschiedene Versorgungsarten für künftig umfassend modernisierte Gebäude konzipiert und gegenübergestellt. Ziel ist, vor dem Hintergrund ökologischer und ökonomischer Gesichtspunkte eine Handlungsanweisung für ein flächendeckendes Versorgungskonzept mit real anzustrebenden CO2-Reduzierungen zu erarbeiten.

Der erste sinnvolle Schritt ist, bei anstehenden Sanierungen die Gebäudehüllen quartiersübergreifend umfassend energetisch so zu modernisieren, dass der Wärmebedarf zunächst auf ein wirtschaftlich optimiertes Minimum reduziert wird. Dieses Konzept der „Instandsetzungsmodernisierung“ wird immer dann empfohlen, wenn etwas sowieso angefasst oder sogar durch Förderung vorgezogen wird. Denn die darauf folgende Planung unterschiedlicher Versorgungsvarianten ist nur dann überzeugend, wenn sie auf den zu erwartenden, geringeren Wärmebedarf ausgelegt sind. Das Ausschließen von Überdimensionierung im Vorfeld ist besonders wichtig bei der Nah- oder Fernwärmeversorgung mittels Insel-BHKW und beim Anschluss an ein in der Nähe vorhandenes Fernwärmenetz.

Bestandsaufnahme mit der Energieanalyse aus dem Verbrauch

Aus den mehrjährigen Erfahrungen der Verfasser sollte eine Bestandsanalyse nur auf Basis tatsächlicher Verbrauchswerte mit einer Energieanalyse aus dem Verbrauch (E-A-V) durchgeführt werden. Rein bedarfsorientierte Methoden liefern meist nicht akzeptable Abweichungen zwischen Bedarf und Verbrauch im Ist-Zustand und in den Modernisierungsvarianten [2]. Solche Unsicherheiten können zu einer hohen Fehleinschätzung des tatsächlichen Einsparpotenzials führen.

Auch eine realistische Unterteilung der Wärmemengen für Heizwärme und Trinkwassererwärmung ist bei der Bestandsanalyse unabdingbar, um die richtige Dimensionierung der KWK und der Wärmenetze inklusive zugehöriger Wärmeübertrager und eine zuverlässige Einsparprognose zu gewährleisten.

Die E-A-V ist ein verbrauchsbasiertes Bewertungsverfahren zur Beurteilung der Qualität von Gebäudehülle und Anlagentechnik. Sie erfordert eine kontinuierliche Erfassung von Verbrauchswerten an allen vorhandenen (gegebenenfalls nachzurüstenden) Messstellen über mindestens ein Jahr mit monatlichen (besser wöchentlichen) Intervallen. Durch grafische Gegenüberstellung der mittleren Leistung in den Messzeiträumen über der jeweiligen mittleren Außentemperatur für ein untersuchtes Gebäude in Hannover Abb. 2 (mit Wärmemengenzähler direkt hinter dem Kessel) lassen sich wesent­liche Kennwerte ableiten:

  • Steigung H als Wärmeverlustkoeffizient
  • Grundleistung
  • Kennwerte der Wärmeerzeugerzentrale:
  • Wirkungsgrad und Bereitschaftsverlust
  • Jahresnutzungsgrad

Die Steigung H entspricht im Wesentlichen der Summe aus Transmissions- (HT) und Lüftungswärmeverlusten (HV). Die Grundleistung wird im Regelfall durch Nutzen und Verluste der Trinkwassererwärmung verursacht. Die Jahresnutzungsgrade der Kessel schwanken zwischen 74 und 94 %Hs (Brennwertbezug) und geben Aufschluss über ein wirtschaftliches Potenzial zum Kesseltausch.

Die E-A-V ersetzt die rechnerische Energiebedarfsbilanz von Bestandsgebäuden und Anlagentechnik, die bisher von Planern und Energieberatern meist mit hohem Zeitaufwand zur Bauteilaufnahme und Qualitätsabschätzung eingesetzt wird – und trotzdem im Ergebnis hohe Abweichungen zwischen gerechneten ­Bedarfswerten und realen Verbrauchswerten aufweist [2].

Abb. 3 zeigt die Aufteilung der gesamten Endenergie eines Gebäudes auf Nutzen und Verluste für Raumheizung und Trinkwarmwasser. Das Säulendiagramm zeigt einen jährlichen Wärmebedarf laut E-A-V von 170372 kWh/a. Der tatsächliche witterungskorrigierte Jahresverbrauch liegt bei 165900 kWh/a. Die geringe Abweichung von 2,5 % bestätigt die Genauigkeit des Verfahrens.

Aus den E-A-Vs verschiedener Gebäude kann die durch energetische Modernisierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle verbesserte Qualität der Bausubstanz nachvollzogen werden. Kennzeichnend ist hier der spezifische Wärmeverlustkoeffizient „h“, der dem zuvor beschriebenen „H“ bezogen auf die jeweilige Wohnfläche entspricht. Grob lautet die Bewertung:

  • gut: h &lt; 1,0 W/(m<sup>2</sup> K)
  • mittel: 1,0 &lt; h &lt; 1,5 W/(m<sup>2</sup> K)
  • schlecht: h&gt; 1,5 W/(m<sup>2</sup> K)

Die Gegenüberstellung weiterer E-A-Vs zeigt die Resultate der nach unterschiedlichen Standards durchgeführten energetischen Modernisierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle. Während unsanierte Gebäude einen typischen Kennwert h von über 2 W/(m2 K) aufweisen, zeichnet sich ein klarer Trend für in 2000 beziehungsweise in 2011 modernisierte Gebäude mit 1,2 bzw. 1,0 W/(m2 K) ab. Der spezifische Aufwand für die Trinkwassererwärmung liegt typisch zwischen 20 bis 45 kWh/(m2 a) beziehungsweise zwischen 800 und 1600 kWh/(Pers a).

Um Verluste der Raumwärme- bzw. Warmwasserverteilung für die späteren Modernisierungsvorschläge korrekt zuzuordnen, ist die Kenntnis der Lage des Wärmeerzeugers und die damit zusammenhängende Heizwasser- und Trinkwarmwasser-Verteilung von ausschlaggebender Bedeutung [3]. Da das Thema Kraft-Wärme-Kopplung mit Eigenstromnutzung ebenfalls Teil der Variantenbetrachtung ist, muss im gleichen Zuge auch der derzeitige Stromverbrauch herangezogen werden.

Modernisierungsvarianten

Mit der Kenntnis über realistisch in Zukunft zu erwartende Nutzwärmemengen können in einem Variantenvergleich neue Anlagenkonstellationen technisch, wirtschaftlich und in ihrer Umweltbilanz verglichen werden. Es wird davon ausgegangen, dass zunächst der Nutzwärmebedarf an Raumwärme durch geeignete Modernisierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle bestmöglich und wirtschaftlich herabgesetzt wird. Fünf Modernisierungsvarianten wurden gegenübergestellt:

1. Gas-Etagenheizung

2. Heizen zentral, Trinkwassererwärmung ­dezentral elektrisch

3. Gasheizkessel zentral

4. Gasheizkessel zentral plus BHKW

5. Fernwärmeanschluss

Die Ergebnisse der fünf Versorgungskonzepte im Vergleich zum Bestand für den gesamten Gebäudepool zeigt Abb. 4. Der Rückgang des ­Heizwärmenutzens durch die energetische ­Modernisierung der Gebäudehülle ist in allen Varianten erkennbar. Der Warmwassernutzen ist unverändert geblieben, da von einer Änderung des Nutzerverhaltens in diesem Bereich nicht auszugehen ist. Verteilverluste ändern sich in Abhängigkeit der Versorgungsart (zentral/dezentral) – gleiches gilt für die Erzeugerverluste.

Um in der späteren Betrachtung eine Ganzheitlichkeit zu wahren, wurde in diese Betrachtung ebenfalls der Haushaltsstrom (ohne elektrisch dezentrale Trinkwassererwärmung) aufgenommen, der in allen Varianten unverändert gegenüber dem Bestand mit insgesamt 353000 kWh/a für alle untersuchten Gebäude in die Bilanzierung eingeht. Besonders vor dem Hintergrund der ökologischen Betrachtung der Anlagenkonzepte mit Kraft-Wärme-Kopplung sind Strom und Wärme stets zusammen zu bilanzieren. Das eingesetzte Gas hat Bezug auf den Brennwert (Hs).

Es zeigt sich, dass alle Konzepte in dieser Darstellungsweise endenergetisch nahezu gleichwertig sind. Hervorstechend ist Modernisierungsvariante 2 mit zentraler Raumwärme- und elektrisch dezentraler Trinkwassererwärmung durch geringe Warmwasserverteil- und -erzeugerverluste. Bei der BHKW-Anwendung (Modernisierungsvariante 4) ist zu sehen, dass diese sich wesentlich durch die Stromgutschrift (eigenerzeugter Strom aus BHKW) verbessert. Zur Vereinfachung wird zunächst angenommen, dass der im KWK-Prozess mit Erdgas erzeugte Strom von 231000 kWh/a direkt in den Gebäuden verbraucht werden kann und damit den Stromverbrauch der ­Haushalte um mehr als die Hälfte deckt. Die ­parallel erzeugte Wärme dient zur Abdeckung einer Grundlast für den Aufwand zur Trink­wassererwärmung.

Grundsätzlich sollten die Vorverluste der Trinkwassererwärmung in Bezug zum eigentlichen Nutzen optimiert werden: Hohe Vorverluste der Verteilung (Zirkulation) und Speicherung für Trinkwarmwasser liefern zwar bessere Einsatzbedingungen für die Kraft-Wärme-Kopplung, sollten aber hieraus nicht begründet werden – können jedoch als Fehlentwicklung aus den Regularien des EEWärmeG und der KWK-Förderung resultieren.

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Für den wirtschaftlichen Vergleich aller Varianten sind im Wesentlichen drei Kostenkategorien zu berücksichtigen:

  • Investitionskosten
  • Energiekosten
  • Instandhaltungs- und Wartungskosten

Diese Positionen werden auf jährliche Kosten umgelegt und lassen damit auf eine Wirtschaftlichkeit innerhalb eines Betrachtungszeitraums schließen oder nicht. Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wurden die Randbedingungen gemäß Abb. 5 angesetzt.

Für die Energiekosten ist festzuhalten, dass zukünftig grundsätzlich eine Gesamt­bilanzierung von Wärme und Strom erfolgen sollte, welche die Stromverbräuche der Gebäude inklusive Haushaltsstrom be­rücksichtigt. Ermittelt werden über 20 Jahre mittlere jährliche Gesamtkosten mit und ohne Berücksichtigung von Preissteigerungen.

Abb. 6 zeigt, dass bei heutigen Energiepreisen keine der Varianten wirtschaftlich ausfällt (wenn man annimmt, dass der Anlagenbestand weitere 20 Jahre zu betreiben ist), was sich unter Berücksichtigung einer jährlichen Energiekostensteigerung von nominal 7 %/a anders darstellt Abb. 7. Die Modernisierungsvarianten1 und 2 sind auch im Mittel der kommenden 20 Jahre und der angenommenen Energiepreissteigerung nicht wirtschaftlich. Die Zentralisierung (Modernisierungsvariante 3) wäre knapp (ab dem 20. Jahr) wirtschaftlich – gleiches gilt für den Anschluss an ein neu erstelltes Fernwärmenetz (Modernisierungsvariante 5) auf Basis des derzeitigen Fernwärmetarifs der Stadtwerke Hannover.

Am wirtschaftlichsten ist die BHKW-Variante bei vollständiger Eigennutzung des im BHKW erzeugten Stroms durch die Mieter, da ein erheblicher Vorteil in der Vermeidung eines Teils der Haushaltsstrombezugskosten durch eigen erzeugten und verbrauchten Strom zu verzeichnen ist. Diese Variante hat sich nach rund 15 Jahren amortisiert.

Die Ergebnisse der Wirtschaftlichkeitsanalyse zeigen, dass sich eine Entscheidung zwischen den Varianten „Nah- und Fernwärme“ abzeichnet. Es wurde deshalb eine vertiefte Feinanalyse der Wirtschaftlichkeit aus Betreiber- und Mietersicht durchgeführt. Für diese weiterführende Wirtschaftlichkeitsbetrachtung wurden folgende zusätzliche Annahmen getroffen:

  • Einspeisevergütung für selbsterzeugten Strom: (3,26 + 1,00) Ct/kWh (gehandelter Strompreis laut Leipziger Strombörse zuzüglich vermiedenem Netznutzungsentgelt)
  • Förderung der erzeugten Strommenge in den ersten zehn Betriebsjahren (KWK-Zuschlag): 5,41 Ct/kWh
  • eigengenutzter Strom reduziert den Bedarf an Haushaltsstrom anteilig
  • Betrachtungszeitraum: 20 a
  • Grundpreis Fernwärme: 40,93 Euro/(kW a)

Bei vollständiger Eigennutzung des selbsterzeugten Stroms (Verkaufs an die Mieter) ergeben sich für die Mieter die in Abb. 8 dargestellten Kosten. Die Auswertung zeigt, dass die jährlich zu veranschlagenden Kapitalkosten sehr dicht beieinander liegen. Werden die abgeschätzten jährlichen Energiekosten im Mittel der kommenden 20 Jahre differenzierter analysiert, zeigt sich, dass mit sinkendem Verkauf des selbsterzeugten BHKW-Stroms an die Mieter die Wirtschaftlichkeit der Nahwärmevariante schnell abnimmt. Gegenüber der betrachteten Fernwärmelösung findet dieser Umschlag etwa zwischen einer Eigennutzungsquote von 100 und 50 % statt.

Bei Unterschreitung einer 50%igen Vermarktbarkeit stellt sich die Modernisierungsvariante 4 mit BHKW unter Umständen sogar gegenüber dem Bestand unwirtschaftlich dar. Generell sollten die beteiligten Projektpartner darum für eine Nah- oder Fernwärmeversorgung interne detaillierte Kostenschätzungen anstellen, um einen letzten Beschluss für oder gegen eine dieser Varianten aus finanzieller Sicht treffen zu können. Dennoch sollte neben der rein ökonomischen Sichtweise immer die Umwelt- beziehungsweise die CO2-Bilanz als zweites Kriterium herangezogen werden.

CO2-Bilanz

Neben der rein wirtschaftlichen Betrachtung sind auch die umweltrelevanten Gesichtspunkte zu bewerten. Aus diesem Grund wurden in gleicher Weise CO2-Bilanzen der Modernisierungsvarianten erstellt, die für die Ganzheitlichkeit Strom und Wärme berücksichtigen. Abb. 9 zeigt zwei unterschiedliche CO2-Bilanzen – mit CO2-Faktoren des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) [5] und mit der Kennzeichnung „H“ mit CO2-Faktoren der Landeshauptstadt Hannover [6] für Gas und Strom. Das CO2-Äquivalent der Fernwärme beruht auf der Strom-Wärme-Bilanz der Stadtwerke Hannover und wurde analog zu den Werten des IWU energetisch sowie mit dem offiziellen CO2-Äquivalent der Hannoverschen Fernwärme laut geltendem Gutachten/Zertifikat bewertet.

Die Gegenüberstellung der Bilanzen zeigt sehr deutlich, dass alle Varianten der „Hannover-CO2-Bilanz“ höher liegen als die der „IWU-Bilanz“ – mit einer Ausnahme: die Fernwärmevariante Abb. 9. Das liegt im Wesentlichen an dem für Hannover nach der Stromgutschriftmethode schlechter bewerteten Strom-CO2-Äquivalent und dem im Gegenzug besseren CO2-Äquivalent für Fernwärme. Infolge dessen würden sich die Varianten „BHKW“ und „Fernwärme“ in der zweiten Bewertung annähern. Weiterhin steigt in der Bilanzierung mit den Faktoren der Stadt Hannover das CO2-Vermeidungspotenzial der Fernwärme gegenüber dem Bestand.

Ungeachtet dessen, welche CO2-Faktoren die „richtigen“ sind – denn darauf wird es keine einfache Antwort geben – ist an dieser Stelle festzuhalten, dass solche Bewertungen je nach Bilanzierung der KWK-Prozesse sehr unterschiedlich ausfallen können. Wird zum Beispiel der Strom des Kraftwerks in Hannover zugunsten der Fernwärme schlechter bewertet, wirkt die ausgekoppelte Wärme CO2-günstiger. Wie sich dieses Spektrum je nach Bilanzierung und gewähltem Allokationsverfahren [7] ändern kann, zeigt Abb. 10.

Für ein mit Steinkohle befeuertes Heizkraftwerk ergibt sich eine Bandbreite für die thermische Energie mit einem CO2-Faktor von ca. 650 bis etwa 130 gCO2/kWhth, während auf Seiten der Strombewertung nur ein Spielraum zwischen 650 und 780 gCO2/kWhel vorliegt. Bei einer aus Sicht der Autoren sinnvollen energetischen Allokation liegt der Emissionskennwert sowohl für Fernwärme als auch für Strom über dem aktuellen Wert für den deutschen Strommix. Das erscheint bedenklich.

Eine derzeit in der Fachwelt ungeklärte Frage ist die nach dem zu erwartenden Brennstoffeinsatz des Kohlekraftwerks bei Ausbau der Fernwärme. Sofern das Kraftwerk bereits ausgelastet ist, würde die Auskopplung weiterer Wärme einen Brennstoffmehrbedarf be­deuten. Denkbar wäre auch die Abfuhr bisher noch nicht genutzter Restwärme bei gleichbleibendem Kohleeinsatz oder aber eine Senkung durch verbesserte Wirkungsgrade einer günstigeren Fahrweise aus Strom- und Wärmeproduktion. Solche Fragen können nur die Betreiber beantworten, wobei die Un­wägbarkeiten eines 20-jährigen Betrachtungszeitraums und der parallelen Entwicklung in der Energieversorgung nicht zu vernachlässigen sind.

Fazit

Sowohl vom ökologischen als auch vom ökonomischen Standpunkt ist festzustellen, dass je nach Bewertungsschema und angenommenen Randbedingungen die Varianten Nah- und Fernwärme dicht beieinander liegen können und mal in die eine oder in die andere Richtung „ausschlagen“ können, wenn es um eine finale Entscheidung ginge.

Dies zeigt, dass abschließend nur eine ­konkrete Empfehlung ausgesprochen werden kann, wenn alle Beteiligten auf Basis gleicher Parameter konkrete interne Bilanzen und ­Angebote erstellen. Die wesentlichen „Stellschrauben“ sind hierbei die Wahl der ge­eigneten „ehrlichen“ Allokationsmethode sowie die zu erwartende Vermarktbarkeit des selbsterzeugten BHKW-Stroms. Beiden KWK-Konzepten folgt bei knapper Wirtschaftlichkeit die Modernisierungsvariante 3 mit einer Zentralheizung.

Ein generell wichtiger sowie sinnvoller Schritt ist immer die flächendeckende und systematische Verbrauchserfassung der gesamten Liegenschaften, um das hier vorgestellte Analyseverfahren auf Basis der E-A-V komplett anzuwenden und eine detaillierte und realistische Einschätzung zu erhalten. •

Literatur

[1] Merkblatt zu KfW-Programm 432. Frankfurt: KfW-Förderbank, https://www.kfw.de/kfw.de.html

[2] Der dena-Gebäudereport 2012 – Statistiken und Analysen zur Energieeffizienz im Gebäudebestand. Berlin: Deutsche Energie-Agentur, September 2012

[3] proKlima / Ostfalia: Verteilnetze bei der Modernisierung. Hannover, Wolfenbüttel: 2012, Download: http://www.delta-q.de/export/sitesdefault/de/downloads/proKlima_Verteilnetze_xEndberichtx.pdf/

[4] Energiepaß Heizung/Warmwasser. Darmstadt: Institut Wohnen und Umwelt Darmstadt, 1997

[5] Kumulierter Energieaufwand und CO2-Emissionsfaktoren verschiedener Energieträger und -versorgungen. Darmstadt: Institut Wohnen und Umwelt, 2009

[6] Siepe, B.: IEKS Stöcken – Wärmeatlas, Endbericht. Hannover: 2013

[7] Pehnt, M. (Hrsg. und diverse Kapitel): Energieeffizienz – ein Lehr- und Handbuch. Berlin Heidelberg New York Tokyo: Springer, 2010

Jörn Brandes B.Eng.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für ­energieoptimierte Systeme – EOS, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel

Dipl.-Ing. (FH) Gunnar Eikenloff M.Eng. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für ­energieoptimierte Systeme – EOS, im Bereich der ­numerischen Strömungssimulation und im Dekanat der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel

Kerstin Wähning M.Eng. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für ­energieoptimierte Systeme – EOS, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel

Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff Institut für energieoptimierte Systeme – EOS, Fakultät Versorgungstechnik, Ostfalia-Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel, d.wolff@ostfalia.de, http://www.ostfalia.de