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Prävention und Planungsunterstützung

Brandschutz neu durchdacht

Kompakt informieren

  • Bei luftdichten Gebäuden kann es zu einer verspäteten Branderkennung von außen kommen. Daraus können längere Brandentwicklungszeiträume mit einer Gefährdungserhöhung resultieren. Hochwertige Verglasungen können den Rauch- und Wärmeabzug verhindern/verzögern.
  • Mit Hohlglasgranulat können Brände mit Temperaturen von mehr als 1000 °C ohne Löschwasserschäden bekämpft werden. In der Gebäudetechnik eignet es sich auch zur Verfüllung von Schächten mit Versorgungsleitungen und Kabeltrassen/-kanälen.
  • In einem Forschungsprojekt wurde eine Software entwickelt, welche die Visualisierung von Brandrauch und dessen Eigenschaften sowohl quantitativ als auch qualitativ in Echtzeit ermöglicht.

In konventionell errichteten ­Gebäuden muss bei einem Brand durch offen­stehende Türen und Türspalte mit einer Ausbreitung von brennbaren und ­nichtbrennbaren toxischen Brandrauchbestandteilen ­innerhalb der Nutzungseinheit gerechnet werden. Bei Ge­bäuden moderner Bauweise kommt es ­darüber hinaus zusätzlich zu einer Ausbreitung von Brandrauch über die Überströmöffnungen in den Türen oder Wänden, die für den Luftaustausch zwischen den Räumen verwendet werden.

Vorhandene Lüftungsanlagen sind üblicherweise nicht dazu geeignet, eine Rauchableitung zu gewährleisten. Forschungsergebnisse der Forschungsstelle für Brandschutztechnik (FFB) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ­ zeigen, dass bei Bränden in Gebäuden moderner (dichter) Bauweise, beispielsweise bei Niedrigenergie-, Passiv- und Nullenergie­häusern, besondere Probleme für Feuerwehreinsatzkräfte bei der Brandbekämpfung und der Personenrettung aufgrund des ge­ringeren Rauch- und Wärmeabzugs und des Wärmestaus auftreten können. Verursacht wird dieses durch große Dämmstoffdicken, luft­dichte Gebäudehüllen und hochwertige 2- und 3-fach-Verglasungen, die auch noch mit einbruchhemmenden Maßnahmen kombiniert sein können.

Brände außen am Gebäude anzeigen

„Die Luftdichtheit der Gebäude kann zu einer verspäteten Branderkennung von außen führen. Dies verursacht wiederum lange Brandentwicklungszeiträume (beispielsweise langandauernde Schwelbrände) mit entsprechender Gefährdungserhöhung (siehe Info-Kasten). In diesem Zusammenhang wird empfohlen, neben der unbedingt erforderlichen schnellen Alarmierung der Bewohner durch Rauchwarnmelder, die Brandmeldung zusätzlich auch außerhalb des Gebäudes anzuzeigen“, berichtet Dipl.-Ing. Jürgen Kunkelmann von der FFB.

Von besonderem Interesse ist hierbei auch, wie bei mechanisch stabilen Verglasungen beim Feuerwehreinsatz Öffnungen für den gezielten Abzug von zündfähigem und toxischem Brandrauch geschaffen werden können. Denn experimentelle Untersuchungen an Verglasungen Abb. 2 haben zwar gezeigt, dass bei entsprechender Wärmebelastung die Rissbildung bei den in den Versuchen verwendeten Fenstern sehr früh einsetzt. Der frühe Zeitpunkt für den ersten Riss sagt jedoch noch nichts darüber aus, wie lange die Scheiben im gerissenen Zustand einen relativ dichten Raumabschluss bilden und verhindern, dass zündfähige Pyrolyseprodukte abströmen können.

Für das Versagen (Öffnung für Rauch- und Wärmeabzug) sind nicht nur die Werkstoffkenngrößen des Glases, beispielsweise zu­lässige Betriebstemperaturen, sondern auch das Zusammenwirken von Verglasung und den Eigenschaften des Rahmens (Größe, Material, Dichtungen etc.) und die Einbausituation entscheidend.

Im Vergleich verschiedener Rahmenarten halten die Außenscheiben bei Fenstern mit Holzrahmen bei 2-fach- und 3-fach-Verglasung einer höheren Temperaturbeanspruchung länger stand, verhindern dadurch den Rauch- und Wärmeabzug und erhöhen somit die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der schnellen Brandphänomene unter Sauerstoffmangel-Rollover (Rauchdurchzündung beziehungsweise Stichflammenbildung mit nur geringem Druckaufbau) oder Backdrafts (Verpuffung mit Feuerball und Druckaufbau).

Hohlglasgranulat zur Brandprävention

Um die höheren Anforderungen an den Brandschutz bei der Gebäudetechnik zu ermöglichen, forschten Ingenieure aus Königs Wusterhausen an einem neuartigen Löschmittel. Unter der Bezeichnung PyroBubbles, dessen Hauptbestandteil Siliziumdioxid, also reiner Quarzsand ist, gehen die Entwickler mit einem Hohlglasgranulat neue Wege im präventiven Brandschutz.

Die Hohlglaskugeln haben einen Durchmesser von 0,5 bis 5 mm. Das poröse Granulat lässt sich nach einem Löscheinsatz problemlos aufsaugen und wiederverwenden. Zusätzlich verfügt es über hervorragende Dämmeigenschaften und kann so in derivater Form eingesetzt werden, beispielsweise in Brandschutzplatten, auch in Außen- und Innenwänden. Das Material hält Temperaturen von über 1000 °C stand.

Für den Neubau eines Verwaltungsgebäudes der Stadtwerke Güstrow wurde 2012 auf dieser Basis eine Brandschutzlösung für Versorgungskanäle realisiert. Albro Versorgungstechnik griff dabei auf die Hohlglaskugeln als nachträgliche Verfüllung zurück. Den wirtschaftlichen Nutzen umschreibt Michael Pasewald, Geschäftsführer der Genius Entwicklungsgesellschaft: „Ein entscheidendes Kriterium war die Möglichkeit der einfachen Wiederaufnahme für Wartungsarbeiten und die Wiederverwendbarkeit des Hohlglasgranulats. Insgesamt wurden 200 m mit 26 m3 PyroBubbles Premium verfüllt. Als von der MPA Dresden nach DIN EN zertifiziertes Löschmittel sind diese für feste und flüssige brennbare Stoffe der Brandklassen A, B, D und F geeignet und kommen auch beim Brandschutz von Kabelbahnen zum Einsatz.“

Mit der Verfüllung von Hohlräumen in der Gebäudetechnik ermöglichen die Hohlglaskugeln einen präventiven Brandschutz Abb. 3. Die Belegung von weiten Strecken bei Kabeltrassen, Kabelkanälen, Kabelschächten, Serverböden und Kabelkellern, lässt sich aber auch generell bei Hohlräumen und Kanälen umsetzen Abb. 4.

„Brände in Hochhäusern lassen sich besonders schwer löschen. Hier könnten auf PyroBubbles basierende Löschsysteme in die Haustechnik integriert werden und einen Brand unter Kontrolle halten. Anders als bei Sprinkleranlagen entstehen dabei keine Löschwasserschäden. PyroBubbles können manuell, maschinell oder mit der Schwerkraft über spezielle Fallrohre auf den Brand gebracht werden. Die Anwendungsbereiche im vorbeugenden und abwehrenden Brandschutz in mobilen und stationären Anlagen sind vielseitig“, berichtet Pasewald.

Sicherheitssystem für Li-Ion-Batterien

Zunehmend rücken auch aktuelle Fragen für die Sicherheit moderner Lithium-Ionen-Energiespeicher (Li-Ion-Batterien) in der Gebäudetechnik in den Vordergrund. Die Genius Entwicklungsgesellschaft hat dafür ein ökonomisches und standardisiertes Sicherheitssystem (Lionguard) für Batterien, Module und Zellen zur Marktreife geführt Abb. 5.

„Das System, abgestimmt auf den sicheren Umgang mit Lithium-Ionen-Batterien, wurde erst kürzlich von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) geprüft und anerkannt. Es besteht aus einem Spezialbehälter und der Füllung des Löschgranulats PyroBubbles. Die Komponenten sind so aufeinander abgestimmt, dass selbst ausgetretene Flusssäure beim Kontakt mit PyroBubbles in weniger brisante Verbindungen umgewandelt wird. Auch mit der eigentlichen Brandlast, immerhin die 20-fache Energiemenge der elektrischen Speicherkapazität, wird das zertifizierte Löschmittel fertig. Das nunmehr akkreditierte Sicherheitssystem macht auch beim Transport eine Innenverpackung überflüssig“, ergänzt Alexander Lehmann, Vorstand der FireShield I AG, die als exklusiver Vertriebspartner fungiert.

Visualisierung von Brandrauch

In dem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekt „Bamio Smoke“ (Rauch- und Brandverlaufssimulation) wurde nach Möglichkeiten zur Visualisierung von Brandrauch geforscht. An den Forschungen waren die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und Inter Office CAD & Visualisierung beteiligt.

In der schutzzielorientierten Brandschutzplanung müssen Nachweise zur Einhaltung der zulässigen Grenzwerte für die Wärmestrahlung, die Temperatur in der oberen und unteren Rauchschicht, die Mindestsichtweite und die Stoffkonzentrationen im Brandrauch zum Schutz von Personen im Bauwerk erbracht werden. Die chemische Zusammensetzung und die Stoffkonzentrationen beeinflussen die optischen und toxischen Eigenschaften des Brandrauchs.

Zur Nachweisführung werden im vorbeugenden Brandschutz zunehmend numerische Methoden (insbesondere Computational Fluid Dynamics, CFD) zur Modellierung der Brand- und Rauchausbreitung eingesetzt. Die Modellierung von Brandrauch innerhalb der numerischen Methoden ist aufgrund der komplexen physikalischen und chemischen Prozesse allerdings nach wie vor Gegenstand der Forschung der BAM.

„3D-Modellierungen von Gebäuden und deren Visualisierungen sind heutzutage nicht nur für Architekten, sondern auch für alle anderen am Planungsprozess Beteiligten von Interesse. Aktuelle Trends wie Building Information Modeling (BIM) basieren auf der Nutzung dreidimensionaler Gebäudemodelle von der Planungsphase über die Bauausführung bis hin zum Facility Management. Unser Ziel war es, eine Software zu entwickeln, die die Ergebnisse der zeitabhängigen Rauchausbreitung aus den numerischen Brandsimulationen in Echtzeit im dreidimensionalen Gebäudemodell darstellt. Dadurch können sowohl qualitative als auch quantitative Eigenschaften, beispielsweise die Toxizität, des Brandrauchs visualisiert werden“, erklärt Inter-Office-Geschäftsführer René Kirchbach.

Diese detaillierten 3D-Visualisierungen Abb. 6 setzen eine numerische Berechnung der Brand- und Rauchausbreitung voraus. Um Informationen zur Brand- und Rauchausbreitung auch für Einsatzkräfte der Feuerwehr zur Prognose von Gefahrensituationen bereitzustellen, sind weitere Entwicklungen erforderlich. Dazu sind der Austausch und die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr und interessierten Partnern gewünscht.Uwe Manzke, Freier Journalist, Berlin

http://www.ffb.kit.edu/392.php

http://www.genius-patent.de

http://www.fire-shield.de

https://www.interoffice.de/

Weitere Fachberichte zum Thema enthält das TGAdossier Brandschutz: Webcode 724

Todesursache Brandrauch

In Deutschland sterben jährlich rund 400 Menschen durch Brände. Todesursache ist meistens eine Rauchvergiftung. Zwei Drittel der Brandopfer kommt nachts im Schlaf in den eigenen vier Wänden um. Bereits drei Atemzüge hochgiftigen Brandrauchs können tödlich sein: die Opfer werden im Schlaf bewusstlos und ersticken dann. In den meisten Bundesländern ist darum die Installation von Rauchmeldern gesetzlich vorgeschrieben. Auslöser der jährlich etwa 200000 Brände sind sehr oft technische Defekte, die ohne vorsorgende Maßnahmen schnell zur Katastrophe führen. Zigarettenrauch löst übrigens bei qualitativ hochwertigen Rauchmeldern keinen Alarm aus, solange die Zigarette nicht direkt unter den Rauchmelder gehalten wird. Quelle:

https://www.rauchmelder-lebensretter.de/

Unbemerkter Zimmerbrand

Bei der Nachkontrolle eines Zimmerbrands fand die Leonberger Feuerwehr im Jahr 2009 die Leiche eines 19-Jährigen. Wegen Sauerstoffmangel ist das Feuer wieder von selbst erloschen, erklären sich Experten das Geschehen. Trotz deutlicher Rauchspuren am Küchenfenster der Wohnung und am darüber liegenden Balkon hatten die Nachbarn von dem Brand nichts bemerkt. Nach den Angaben im Brandbericht ist zu schließen, dass die Fenster bei dem Brandereignis intakt blieben und Brandrauch daher nicht entweichen konnte.

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