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Fallstudie Energiespar-Contracting

Kostenneutrale Energieeffizienz

Kompakt informieren

  • Die HAW Hamburg hat zwei ihrer Hochschulstandorte im Rahmen eines Energiespar-Contractings kostenneutral energetisch saniert.
  • Modernisiert wurden insbesondere die MSR- und HLK-Technik sowie 9000 Leuchten.
  • Die Kosten refinanzieren sich über eine garantierte Einsparung von 27 % innerhalb von zehn Jahren.
  • Durch die Einrichtung eines Monitoringsystems sollen die Einsparungen abgesichert und weitere Potenziale erschlossen werden.
  • Von der ersten Idee, über die Ausschreibung bis zum Projektbeginn hat es fünf Jahre gedauert. Die Realisierung erfolgte in etwa acht Monaten mit einer 10-wöchigen Hochphase.

Stark veraltete Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik (HLK), eine ineffiziente Belüftung und Beleuchtung führten nicht nur zu hohen Instandhaltungs- und Energiekosten an den Hochschulstandorten Campus Berliner Tor Abb. 1 und dem Campus Bergedorf Abb. 2 der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg: Für Studierende und Lehrende waren die Arbeits- und Lernbedingungen unbefriedigend, was zu häufigen Beschwerden führte.

Bernd Klöver Abb. 5, Kanzler der HAW Hamburg: „Dass wir eine moderne und innovative Hochschule sind, wollten wir auch im Umgang mit unserer gebäudetechnischen Infrastruktur zeigen. Wir haben uns deshalb für eine energetische Sanierung mit dem Modell Energiespar-Contracting und dem Contractor Siemens entschieden und zwei unserer Hochschulgebäude im letzten Jahr umfassend modernisiert.“

Beim Energiespar-Contracting erfolgt die Finanzierung der neuen Technik entweder durch den Contractor oder durch den Kunden selbst. Die Investitionen refinanzieren sich dann nach und nach über die gesparten Energiekosten. Beim Projekt an der HAW Hamburg übernimmt die Hochschule die Finanzierung selbst. „Obwohl wir selbst in Vorleistung gegangen sind, ist das Projekt durch die Refinanzierung völlig kostenneutral für den öffentlichen Haushalt“, berichtet Klöver.

Über Hürden bis zum Startschuss

Als Projektzeitraum wurden zehn Jahre gewählt, innerhalb dieser sich die Kosten für die Investition refinanzieren. Andreas Ahlvers Abb. 5, Leiter des Teams Gebäudetechnik an der HAW Hamburg, schätzt es außerdem, dass alles aus einer Hand kommt: „Wenn wir alle Maßnahmen einzeln ausgeschrieben und vergeben hätten, wäre das ein immenser zeitlicher und organisatorischer Aufwand gewesen, den die Hochschule kaum hätte bewältigen können. So haben wir alles aus einer Hand bekommen.“

Von der ersten Idee, über die Ausschreibung bis zum Projektbeginn hat es fünf Jahre gedauert, denn staatliche Hochschulen haben umfangreiche Beteiligungspflichten. Neben Hochschulleitung und Gremien müssen die zuständigen Behörden einbezogen und komplexe Vergaberichtlinien beachtet werden. „Es ist uns gelungen, mit Ausdauer einen bedeutsamen Schritt für eine nachhaltige Hochschule zu gehen“, sagt Klöver. Im Mai 2013 konnte das Projekt in die Umsetzung gehen und befindet sich seit Anfang 2014 in der Hauptleistungsphase. In dieser sind alle technischen Arbeiten abgeschlossen und Einstellungen und Abläufe unter normalen Semesterbedingungen getestet.

Potenziale aufspüren und ausschöpfen

Zunächst wurde in einer Grobanalyse, die durch Studierende der HAW Hamburg vorbereitet und unterstützt wurde, der Ist-Zustand der HLK-Technik erfasst. In der Angebotsphase wurde diese Analyse durch Siemens verfeinert und Einsparpotenziale berechnet. Gemeinsam mit dem Kunden wurde anschließend eine Reihe von Maßnahmen für den Campus Bergedorf und den Campus Berliner Tor – mit einer Bruttogrundfläche an Lehr- und Laborgebäuden von insgesamt 140 000 m2 – erarbeitet.

Zu diesen zählen unter anderem der Austausch von rund 20 Lüftungs- und Klimaanlagen einschließlich der Luftverteilung und der Optimierung von raumlufttechnischen Anlagen und der Hydraulik der Heizungsanlagen. Das bestehende Gebäudeautomationssystem wurde auf das Siemens-System Desigo 5.1 migriert. Dieses regelt und steuert gewerkeübergreifend die HLK-Technik sowie die Wasser- und Energieversorgung.

Mit der Modernisierung der MSR-Technik wurde nicht nur die Steuerung an die neuen Anlagen angepasst – mit den insgesamt mehr als 11 800 Datenpunkten wurde auch die Basis für den Aufbau eines umfangreichen Monitoringsystems zur Absicherung der Einsparung geschaffen. Durch das zusätzlich integrierte Zählkonzept ist außerdem die Transparenz für weitere effizienzsteigernde Maßnahmen sichergestellt.

Im Rahmen des Energiespar-Contractings wurden außerdem rund 9000 Leuchten modernisiert und auf eine T5-Beleuchtung mit elektronischen Vorschaltgeräten oder LED-Technik umgestellt. Um gesundheitsgefährdende Stoffe in den Gebäuden am Campus Berliner Tor zu beseitigen, sind in 300 Räumen alte Mineralwolle auf abgehängten Decken entfernt, die Deckenplatten gereinigt und neue Mineral-wolle eingelegt worden.

Sparen für das Klima

Siemens garantiert der HAW Hamburg mit der Umsetzung aller Maßnahmen 27 % der jährlichen Energiekosten zu sparen. Das entspricht 2077 t/a an CO2-Emissionen und einer Entlastung des Hochschulhaushalts von rund 500 000 Euro/a. „Diese Zahlen überzeugen nicht nur den Hamburger Rechnungshof – die eingesparte Summe kommt direkt anderen Projekten unserer Hochschule zugute“, freut sich Klöver.

Zusätzlich zu der von Siemens vertraglich garantierten Einsparung kommen noch ein-mal rund 200 000 Euro/a dazu. Ahlvers: „Die neuen HLK-Anlagen in Verbindung mit einer intelligenten Gebäudeautomation sind leicht zu bedienen und zu warten, das spart uns jährlich zusätzlich noch einiges an Instandhaltungskosten.“

Um die garantierte Einsparung sicherzustellen und die Energieeffizienz künftig weiter zu optimieren, übernimmt Siemens das Energie-Monitoring und -Controlling der umgebauten Anlagen. Das dafür integrierte Messkonzept erfasst kontinuierlich und automatisiert den Verbrauch von Strom, Wärme, Kälte, Wasser, von Volumenströmen in Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Kälteanlagen sowie deren Regelungszonen.

Die aufgenommenen Daten werden verdichtet und zu aussagefähigen Berichten über Energieverbrauch, Kosten und Emissionen verarbeitet. So können Energiesparerfolge dokumentiert und Optimierungspotenzial veranschaulicht werden. Zukünftig soll außerdem ein Energiemanager an der HAW Hamburg beschäftigt werden, der mit den Energieingenieuren von Siemens eng zusammenarbeitet, um Energieeffizienz und Komfort weiter zu optimieren.

Modernisieren im Wettlauf mit der Zeit

Im Hauptgebäude des Campus Bergedorf, in dem die Studiengänge der Fakultät Life Sciences gelehrt werden, wurden unter anderem alle großen Hörsäle mit neuen Lüftungsanlagen ausgestattet. Die Modernisierungsmaßnahmen an Heizungs- und Lüftungstechnik fanden hauptsächlich im Technikkeller statt. Der Austausch der Beleuchtungen dauerte pro Büro und Labor nur wenige Stunden, was den Lehrbetrieb nicht behinderte.

Anders dagegen am Standort Berliner Tor, an dem fast die Hälfte der über 16 000 Studierenden Vorlesungen und Laborübungen aus den Bereichen Technik, Informatik, Wirtschaft und Soziales besucht. Am Campus in der City sollte ein 15-stöckiges Gebäude Abb. 3 innerhalb der vorlesungsfreien Zeit von zehn Wochen vollständig saniert werden. Das bedeutete auch, für die Deckensanierung rund 300 Büros zu räumen und pünktlich zu Semesterbeginn wieder für Lehrende und Studierende zur Verfügung zu stellen.

„Eine umfangreiche, begleitende Kommunikation zu den Abläufen und den möglichen Einschränkungen hat das enge Timing gut unterstützt“, resümiert Julia Siekmann, Referentin des Kanzlers der HAW Hamburg und zuständig für die interne Kommunikation des Projekts. „Unsere Hochschulmitarbeiter haben die Sanierungsarbeiten aktiv unterstützt und sich während des Umbaus gegenseitig mit Büroräumen ausgeholfen.“

Um den Wettlauf mit der Zeit zu gewinnen, waren für die Modernisierungen pro Tag insgesamt über 250 Mitarbeiter von Siemens und beauftragten Firmen im Dreischichtbetrieb im Gebäude beschäftigt. „Das war eine besondere logistische Herausforderung, bei der alle Abläufe sitzen und ineinandergreifen mussten“, so Jens Ulffers Abb. 5, Projektleiter bei Siemens.

Die HAW Hamburg und das Siemens-Projektteam haben in dieser Hochphase sehr eng zusammengearbeitet und sich wöchent-lich ausgetauscht. „Wir konnten uns immer auf unseren Kunden verlassen. Gab es etwa ein logistisches Problem, konnten wir gemeinsam eine kurzfristige und unbürokratische Lösung finden: beispielsweise wurde uns die Mensa als Pausenraum für die Monteure zur Verfügung gestellt und wir konnten die Benutzung des Aufzugs auch auf Nachtzeiten ausdehnen.“

Auch nach unkonventionellen Lösungen wurde gemeinsam gesucht: insgesamt elf alte Klimaanlagen Abb. 4 sollten im Gebäude am Berliner Tor gegen neue ausgetauscht werden – fünf davon im 15. Stockwerk. „Der Lastenaufzug erwies sich dabei als echte Herausforderung. Letztendlich mussten wir die alten, 480 m3 großen Klimaanlagen auseinandernehmen, damit wir sie portionsweise über den 4 m3 großen Lastenaufzug abtransportieren konnten“, erinnert sich Carsten Wittkop Abb. 5, Vertriebsingenieur bei Siemens in Hamburg. „Für mehrere Tage lief der Aufzug rund um die Uhr.“ Die neuen Anlagen wurden anschließend mit einem Schwerlastkran in das 15. Stockwerk gehoben Abb. 4. Wittkop: „Für mich war das eines der Highlights des Projekts.“

Gemeinsam zum Erfolg

Die Umbaumaßnahmen konnten pünktlich zum Semesterbeginn abgeschlossen und alle Gebäude wieder von Lehrenden und Studierenden genutzt werden. Julia Siekmann zieht eine zusammenfassende Bilanz der ersten Monate der Hauptleistungsphase: „Unsere Studierenden und Beschäftigten stehen voll hinter dem Konzept, Energie einzusparen und den CO2-Ausstoß zu senken. Sie hatten viel Verständnis für die Einschränkungen während der Umbauphase. Jetzt freuen wir uns auf die geringeren Energierechnungen.“

Als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für die reibungslose Umsetzung des Projekts und der hohen garantierten Einsparung sehen das Siemens- und das HAW-Team das gute Miteinander. Wittkop: „Alle Entscheider saßen regelmäßig an einem Tisch und alle waren an einer schnellen Umsetzung interessiert. So ist es uns gelungen, innerhalb der engen Zeitvorgabe eine hohe Qualität zu erreichen und die garantierte Einsparung zu erzielen.“ Klöver: „Vom Vertrag bis zum Anziehen der letzten Schraube haben wir mit Siemens ein partnerschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis gehabt, das ich so mit anderen Firmen selten erlebt habe.“

Hätten Sie das gewusst?

Die jährliche Erhebung des VfW unter den Mitgliedsunternehmen, die Contracting-Dienstleistungen anbieten und ca. 60 % der Marktteilnehmer repräsentieren, hat ein weiteres, jedoch geringeres Wachstum der Branche im Jahr 2013 gezeigt. Bei den Vertragszahlen wurde eine Steigerung um 5 % auf 48 200 abgeschlossene Verträge verzeichnet. Der Jahresumsatz stieg auf 2,31 Mrd. Euro (+ 6 %). 84 % der Projekte waren gemäß DIN 8930-5 dem Energieliefer-Contracting, 9 % dem Einspar-Contracting, 4 % dem technischen Anlagenmanagement und ca. 3 % dem Finanzierungs-Contracting zuzuordnen.

Drei Fragen an Bernd Klöver

TGA: Herr Klöver, vor welchen Herausforderungen stehen Hochschulen beim Thema energetische Sanierung?

Klöver: Hochschulen können das Tempo von Sanierungsmaßnahmen oft nicht selbst bestimmen, da für Liegenschaften des Staats von der Ausschreibung bis zur tatsächlichen Umsetzung viele politische und bürokratische Hürden genommen werden müssen. Lange Entscheidungsprozesse haben oft zur Folge, dass Maßnahmen, die die Energieeffizienz und das Arbeits- und Lernklima verbessern, nicht oder nur zu Teilen umgesetzt werden. Einige Bundesländer wie Hessen haben dieses Problem erkannt und unterstützen Hochschulen bei einer schnellen und effizienten Umsetzung, beispielsweise mit einer Beratung durch Energieagenturen.

TGA: Was raten Sie Hochschulen, die ihre Energiekosten reduzieren möchten?

Klöver: Mein Rat ist es, sich von der Denkweise „ich bin nicht der Eigentümer, also investiere ich nicht“ zu verabschieden. Hochschulen sollten den Mut haben, Finanzen umzuschichten und Ausgaben als Investition in die Zukunft und die Attraktivität ihrer Hochschule zu sehen. Über ein Energiespar-Contracting refinanzieren sich die Kosten für eine energetische Sanierung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums und sind somit kostenneutral für den Hochschulhaushalt.

TGA: Warum lohnt es sich, Maßnahmen voranzutreiben, die die Energieeffizienz und den Komfort erhöhen – auch wenn es bei staatlichen Hochschulen lange Vorbereitungs- und Prüfphasen gibt?

Klöver: Die Ergebnisse sprechen für sich: In vielen Liegenschaften können durch eine energetische Sanierung, verbunden mit einem kontinuierlichen Energiemanagement, weit über 25 % der Energiekosten eingespart werden. Durch eine bedarfsgerechte Steuerung der Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen erhöht sich daneben auch der Komfort für die Gebäudenutzer.

Vielen Dank für das Gespräch.

Lars Kahmann

ist Leiter Vertrieb Energieeffizienz in der Gebäudetechnik bei der Siemens-Division Building Technologies in Hannover, https://new.siemens.com/de/de/produkte/gebaeudetechnik.html

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