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Geothermie kämpft weiter mit Qualitätsmängeln

Auf der Suche nach der Systemdichtheit

Kompakt informieren

  • Der oberflächennahen Geothermie ist bisher kein Befreiungsschlag gelungen, mit dem die vertikale Dichtigkeit einer Erdwärmesonde im Gebirge dauerhaft gewährleistet werden kann.
  • Inzwischen zeichnet sich ab, dass ein größerer Teil der bisher abgeteuften Erdwärmesonden Qualitätsdefizite aufweist und möglicherweise noch in der Zukunft zu Schäden führen kann.
  • Neben dem Verpressvorgang mit allen Parametern ist das Verfüllmaterial für die Dichtigkeit einer Erdwärmesonde maßgeblich. Allerdings gibt es dafür bisher keine Anforderungskriterien für eine projektspezifisch sichere Verfüllung.
  • Erstmals wurde auf der GeoTherm das Thema Wertverlust von Grundstücken mit Erdwärmesonden offen angesprochen.

Wie wird künftig in der ohnehin schon gebeutelten oberflächennahen Geothermie der Begriff „Dichtigkeit über den Lebenszyklus einer Erdwärmesonde“ definiert? Tatsache ist, dass die Verwendung von qualitativ hochwertigen Komponenten, marktgängigen Verfüllbaustoffen mit den heute üblichen Verfüllverfahren nicht automatisch zu einem dichten EWS-System führt. Es sei zu erkennen, dass die Systemdurchlässigkeit einer verpressten EWS-Sonde um etwa zwei Zehnerpotenzen höher liege als die Durchlässigkeit des Verfüllmaterials, so das Ergebnis eines interdisziplinären Forschungsprojekts zum Thema Verpressmaterial und Frost-Tau-Beständigkeit1).

Laborversuche haben gezeigt, dass es aufgrund von Frost-Tau-Belastungen in Abhängigkeit der Materialeigenschaften der Suspension zu einem Anstieg der Systemdurchlässigkeit einer Erdwärmesonde (EWS) kommt. Neben der Etablierung eines allgemein anerkannten Prüfverfahrens sei es wichtig, praxistaugliche und langzeitstabile Materialien für EWS zu entwickeln, die eine Systemdurchlässigkeit verhindern. Mit einem umfangreichen Forschungsprogramm will Baden-Württemberg der oberflächennahen Geothermie trotz aller Widrigkeiten zum Durchbruch verhelfen.

Eindrücke vom Kongress Oberflächennahe Geothermie im Rahmen der Geotherm 2015 in Offenburg.

Mehr Planungssicherheit durch ISONG

Seit März 2015 steht das „Informationssystem oberflächennahe Geothermie Baden-Württemberg“ (ISONG, www.lgrb-bw.de/informationssysteme/geoanwendungen/isong ) Bauherren, Planern, Fachunternehmen und Interessierten kostenfrei zur Verfügung. Es liefert Informationen zur Planung von Erdwärmesonden bis in eine Tiefe von maximal 400 m Abb. 1. Die Basisinformationen sind kostenlos, die erweiterte Version für Planer ist kostenpflichtig. Die Informationen aus ISONG basieren im Wesentlichen auf einem geologischen 3D-Modell und daraus abgeleiteten prognostischen Bohrprofilen.

Allerdings liefert ISONG derzeit keine Bewertung der durch die geplanten Bohrungen durchteuften Schichtfolge im Hinblick auf eine Gliederung in Grundwasserleiter und kritischen Stockwerksbau. Dr. Volker Armbruster, Regierungspräsidium Freiburg, betont, dass dem Grundwasserschutz bei der geothermischen Erkundung nach wie vor oberste Priorität eingeräumt wird. „Probleme bereiten uns derzeit der Alterungsprozess der Hinterfüllung, Gips- und Anhydrit-Schichten, Karsthohlräume, gasführende Schichten und Arteser.“ Wichtig sei es, die behördlich vorgegebenen Tiefenbegrenzungen (Gipsspiegel, Steinsalz) unbedingt einzuhalten.

Die aus dem ISONG-System ableitbaren Voraussagen des Gesteinsaufbaus ermöglichen eine Prognose des geothermischen Potentials in Anlehnung an die VDI-Richtlinie 4640 Blatt 1. Besonders wichtig ist in Baden-Württemberg die Beachtung Gips- und Anhydrit-führender Schichten, die bei Fündigkeit im Bohrgut zu einem Bohrstopp und einer Vor-Ort-Betreuung durch einen Geologen führen, betont Armbruster. Ziel des ISONG-Projektes für 2015 ist die Einarbeitung bedeutender Grundwasserleiter in das 3D-Modell zur Verbesserung der Prognose. Ab 2016 sollen auch Erkenntnisse aus niedergebrachten Bohrungen sowie weitere Wasser- und Heilquellengebiete in das Modell eingepflegt werden.

Debonding durch Druckprüfung

Vieles was heute in der oberflächennahen Geothermie zur Anwendung kommt, entspricht nicht dem Stand der Technik. Dieses Resümee von Kongress-Moderator Bruno Lorinser, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg zum Vortrag von Sven Rumohr, Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie, über die Abdichtung von Erdwärmesonden-Bohrungen zog sich wie ein roter Faden durch den Kongressteil „Oberflächennahe Geothermie“.

Rumohr regte an, den Begriff „Abdichtung“ im Zusammenhang mit EWS länderübergreifend präziser zu definieren, denn unter „dicht“ verstehe jeder etwas anderes. „Auch ein Kartoffelsack ist – bezogen auf seine Funktion als Behältnis – für den Transport von Kartoffeln dicht“, veranschaulicht Rumohr. Bei einer EWS-Abdichtung können durchaus die einzelnen Komponenten dicht oder wasserundurchlässig, aber das Gesamtsystem dennoch undicht sein. Rumohr dazu: „Eine absolut dichte Verpressung einer Erdwärmesonde konnte bisher niemand nachweisen! Die spezifischen Werte der Hersteller reichen nicht aus, die Dichtheit einer EWS-Verfüllung zu beurteilen.“

Laboruntersuchungen von Verfüllbaustoffen seien wichtig, aber die Situation auf einer Baustelle sei eine ganz andere. Auch das beste Verpressmaterial und eine sorgfältige Verfüllung des Bohrlochs sei keine Garantie für einen dichten Ringspalt Abb. 2. Neueste Untersuchungen an undichten EWS-Verpressungen zeigen, dass auch die Druckprüfung der Sonde während der Abbindezeit der Suspension zu Undichtigkeiten führen kann. „Bei der Sonden-Druckprüfung wird das Rohr womöglich gerade dann aufgeblasen, wenn sich das Verfüllmaterial bereits im Abbindestadium befindet“, sagt Rumohr.

Durch die Druckentlastung könne sich dann das Sondenrohr vom Verfüllmaterial lösen und einen dauerhaften Ringspalt bilden. Von Dichtheit könne danach keine Rede mehr sein. Rumohr: „Während der Druckprüfung muss die Suspension noch ausreichend fließfähig sein. Sonst kommt es zum ‚Debonding‘ und damit zu einer vertikalen Durchlässigkeit.“ Diese darf nicht größer sein als die vertikale Durchlässigkeit des Untergrunds in den die EWS abgeteuft wurde, betont Rumohr. Ähnliche Undichtigkeiten könnten auch durch Frost-Tau-Wechsel bei Fluidtemperaturen von unter 0 °C ausgelöst werden.

Als Konsequenz aus den aktuellen Erkenntnissen fordert Rumohr, nur noch Verfüllbaustoffe und Sondenmaterialien einzusetzen, die „grundsätzlich“ geeignet sind. Außerdem dürfen Temperaturänderungen im EWS-System nur in dem Umfang erfolgen, dass die maximale vertikale Durchlässigkeit eingehalten wird. Ansonsten müsse die Bohrtiefe beschränkt beziehungsweise dürfe keine Bohrerlaubnis erteilt werden.

F&E-Bedarf sieht Rumohr in der Anbindung des Verfüllmaterials an das Sondenmaterial und in der Vermeidung von Inhomogenitäten im Verfüllmaterial durch Entwässerung. Wichtig sei auch ein zentrierter Einbau der Sonde ohne Kontakt zur Bohrwand. Die aktuellen Herausforderungen dichter EWS-Systeme lägen darin, die Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Laborversuchen auf reale Baustellenverhältnisse zu übertragen.

Rückbau kritischer EWS möglich

„Man hält es nicht für möglich, welche dynamischen Vorgänge sich bei der Verfüllung einer Erdwärmesonde im Bohrloch abspielen. Der Begriff Dichtigkeit bekommt nach diesem Vortrag eine ganz neue Bedeutung.“ Diskussionsleiter Lorinser war sichtlich erstaunt über die ersten Ergebnisse des Forschungsprojektes „EWS-tech: Weiterentwicklung der Erdwärmesonden-Technologie“, das von Matthias Riegger von Solites, Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme, vorgestellt wurde (Download auf www.fachdokumente.lubw.baden-wuerttemberg.de ).

Die Studie ist die Reaktion auf die zahlreichen, meist schwerwiegenden Schadensfälle in Baden-Württemberg im Zusammenhang mit der Erstellung von Erdwärmesonden und ihrer hydraulischen Abdichtung. Bereits im abgeschlossenen Forschungsvorhaben „EWSplus“ lieferte Riegger den Nachweis, dass EWS-Verfüllungen in der Praxis häufig wasser- bzw. luftgefüllte Bereiche aufweisen, die im ungünstigsten Fall Grundwasserstockwerke verbinden. In der aktuellen EWS-tech-Studie sollen grundlegende Fragestellungen zur Verfüllqualität in einem oberirdischen, transparenten, 6 m hohen Prüfstand beantwortet werden. Dabei wurden bereits folgende Erkenntnisse gewonnen:

  • Die Viskosität der Suspension ist abhängig vom Anmisch-Verfahren.
  • Durchlaufmischer sind als kritisch anzusehen, da der Baustoff schlecht aufgeschlossen wird.
  • Abstandshalter bei Doppel-U-Sonden wirken sich negativ auf die Verfüllqualität aus.
  • Koaxialsonden führen zu einer besseren Verfüllqualität.
  • Die Druckentlastung am Ausgang des engen Verpressrohres in das Bohrloch fördert die Entmischung der Suspension. Es bilden sich aufsteigendes Wasser und Sackungsbereiche; dadurch können sich nach dem Aushärtvorgang Entmischungskanäle bilden.

Eine weitere Fragestellung des EWS-tech-Projekts ist die zur Qualität und Resistenz von Verfüllbaustoffen in Gegenwart von sulfataggressiven oder CO2-haltigen Grundwässern. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen auch als Grundlage für eine Risikobewertung bereits abgeteufter und im Betrieb befindlicher EWS dienen. Unter Umständen könnte dies dazu führen, dass bestehende beziehungsweise in Betrieb befindliche Erdwärmesonden in geologisch kritischen Zonen wegen ihres Gefährdungspotenzials behördlich stillgelegt und rückgebaut werden müssen.

Interessant an diesem Projekt sei die hohe Akzeptanz und Kooperation der direkt betroffenen Unternehmen, beispielsweise die Hersteller von Verfüllbaustoffen, Misch- und Verpressanlagen Abb. 3, Erdwärmesondenrohren und Bohrunternehmen, so Riegger. In einer weiteren Projektstudie sollen die im Labor gewonnenen Ergebnisse in einem realen Versuchsgebäude überprüft werden.

Kriterien für sichere Verfüllung fehlen

Auch Dr.-Ing. Michael Haist von der Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (MPA) am KIT in Karlsruhe ( www.mpa.kit.edu ) und Leiter des EWS-tech-Teilprojekts „Verfüllbaustoffe“ sieht in den aktuell zur Verfügung stehenden EWS-Verfüllbaustoffen ein relativ hohes Schadensrisiko. „Die Verpressung einer Erdwärmesonde ist technisch sehr anspruchsvoll, besonders bei geologisch schwierigen Randbedingungen“, erklärt Haist. Nach den jetzigen Erkenntnissen sei es notwendig, die technischen Ansprüche an Verfüllmaterialien genauer zu definieren.

Im Einzelnen gehe es um die Beständigkeit gegenüber Sulfaten und kohlesäurehaltigem Wasser, der Frost-Tau-Beständigkeit und der Permeabilität (Durchlässigkeit) des Verfüllmaterials. Haist bemängelt die fehlenden Anforderungskriterien für eine sichere Verfüllung. „Die am Markt erhältlichen Verfüllmaterialien weisen signifikante Unterschiede in ihren Materialeigenschaften auf. Die Anforderungen sind hoch komplex. Hier gibt es noch erheblichen Forschungsbedarf, auch unter dem Aspekt Temperaturszenarien und Korrosionsbeständigkeit.“

Auch der Verfüllvorgang müsse auf den Prüfstand, da es nach jetzigem Wissen durch die unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten im Füllrohr und im Bohrloch zu Entmischungen kommen kann. Auch sei die Viskosität des Verfüllbaustoffs über die Zeit des Verfüllvorgangs oft nicht konstant. „Feststoffe aus der Suspension setzen sich in der Praxis häufig stärker ab und härten anders aus als im LQS EWS-Leitfaden vorgegeben“, betont Haist.

Derzeit werden an der MPA Karlsruhe 15 am Markt gängige Hinterfüllbaustoffe auf ihre Materialeigenschaften hin untersucht und bewertet Abb. 4. Diese Untersuchung bildet dann die Grundlage für den im EWS-tech-Verbundprojekt geplanten Großversuch zum Verfüllverhalten derartiger Baustoffe.

Verbindliche Abdichtungsüberwachung

Seit dem 1. Mai 2015 ist die automatische Abdichtungsüberwachung von EWS-Bohrungen in Baden-Württemberg verbindlich vorgeschrieben. Damit will das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft die Qualitätssicherung im Rahmen der LQS-EWS-Initiative weiter vorantreiben. Betroffen sind vor allem Erdwärmesonden, die mit einer Baustoffsuspension abgedichtet werden. Eva de Haas, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden Württemberg, erläutert die Anforderungen an die Abdichtungsüberwachung so:

  • Messen des Anstiegs der Suspensionssäule im Bohrloch auf ± 2 m genau
  • digitale Erfassung des Anstiegs (zum Beispiel Druckmessung, Messung der Suszeptibilität (Magnetisierbarkeit) bei magnetisch dotierten Suspensionen) und des Volumens der Baustoffsuspension über Tiefe und Zeit
  • Auswertung in Diagrammform

Das Ziel ist ein qualitativer und quantitativer Nachweis der Bohrlochabdichtung gegenüber Auftragnehmer, Auftraggeber und Behörden. Seit Anfang 2015 stehen folgende drei Systeme am Markt zur Verfügung, die die Anforderungen an eine automatische Überwachung nach der LQS EWS erfüllen:

  • Sotronic und Dietrich: Digital Borehole Observation (DBO3)
  • Michalik: Messsystem für die Kontrolle des Abdichtungsvorgangs
  • Santherr Geothermie Technik: CemTrakker in Verbindung mit einer magnetisch dotierten Baustoffsuspension

Weitere Infos dazu: www.bit.ly/LQS_EWS

Durch den Einsatz dieser fest auf das Bohrgerät aufzubauenden Messinstrumente entfällt die Vorgabe, den Verpressvorgang durch einen externen Sachverständigen überwachen zu lassen Abb. 5. Dieser muss nur noch in Gebieten mit schwierigen geologischen und hydrogeologischen Untergrundverhältnissen hinzugezogen werden.

Baden-Württemberg wolle in den nächsten Jahren rund 3 Mio. Euro in die Forschung und Entwicklung rund um die Erdwärmesonden investieren, so de Haas. Der Schwerpunkt liege in der Entwicklung von Rückbauverfahren von EWS, auf Baustoffsuspensionen und Mischtechnik sowie auf Untersuchungen über den Einfluss von Grundwasserfluss und Druckluft auf den Verpressvorgang. Ziel sei die verbindliche Einführung von dotierten Baustoffen und die Schaffung verlässlicher Kriterien für die Abnahme von EWS-Bohrungen, betont de Haas.

DVGW forciert BMS-Einführung

Bei manchen Vorträgen auf der Geotherm beschlich einen das ungute Gefühl, Bohrunternehmen arbeiten unseriös und schludern, sonst müsste man Selbstverständlichkeiten nicht so stark einfordern. Die Vorträge von Verena Schrader von der DVGW Cert GmbH, Bonn, und Peter Melzer, Co-Autor des Musterhandbuchs Betriebliches Managementsystem (BMS) DVGW W 120, lassen vermuten, dass Bohrunternehmen im Bereich von EWS-Bohrungen lange Zeit weder auf die Qualifikation und Seriosität ihrer Mitarbeiter großen Wert gelegt noch ihre Aufsichtspflicht auf der Baustelle im Sinne aktueller Vorschriften erfüllt haben.

Dabei besteht seit der Neuerscheinung des DVGW-Arbeitsblatts W 120-1 „Qualitätsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik, Brunnenbau, Regenerierung, Sanierung und Rückbau“ (August 2012) und DVGW-Arbeitsblatt W 120-2 „Qualitätsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik und oberflächennahe Geothermie/Erdwärmesonden“ (Juli 2013) Handlungsbedarf, das darin auferlegte betriebliche Managementsystem in den Unternehmen auch umzusetzen.

Dass keine freiberuflich tätigen Friseure Bohrgeräte bedienen sollten, müsste inzwischen selbstverständlich sein. Aber Schrader hatte wohl Gründe, nochmals auf die Auswüchse in der Bohrbranche während der Hype-Phase in den Jahren 2006 bis 2010 hinzuweisen. Jetzt gelte: Nur noch ausgebildete Brunnenbauer dürfen künftig Bohrgeräte bedienen. In den Arbeitsblättern heißt es: „Das Unternehmen muss ein übersichtlich dokumentiertes, leicht nachvollziehbares und in Bezug auf die Anforderungen, an die Qualifikation des Fachpersonals und an die gerätetechnische Ausrüstung umfassendes betriebliches Management (BMS) haben.“

Wichtig sei, die Zertifizierung auch konkret auf dem Betriebshof und auf der Baustelle zu überprüfen Abb. 6. Melzer: „Oft sind den Bohrunternehmen ihre Schwächen bekannt, aber den Verantwortlichen fehlt die Zeit, sich mit der Lösung zu beschäftigen. Wir müssen konsequenter vorgehen und nicht nur den Chef befragen, sondern auch die Angestellten. In vielen Betrieben hat das Musterhandbuch nur eine Alibifunktion. Ja, auf vielen Baustellen wird immer noch im Blindflug gearbeitet.“ Qualität müsse auf der Bohrstelle gelebt werden, mahnt Melzer. Wer keine Einsicht zeige, der bekomme kein Zertifikat.

EWS-Rückbau durch Überbohren

Nach den jetzt vorliegenden Informationen über die oft unzureichende Qualität von Bohrlochverpressungen, Wasserwegsamkeiten entlang von Erdsonden, Frost-Tau-Problemen und entmischten Verfüllsuspensionen könnte künftig der Rückbau von nicht fachgerecht abgedichteten Erdwärmesonden eine große Rolle spielen. Selbst Protagonisten der Geothermie reden inzwischen von Zeitbomben, denn Wasserwegsamkeiten entlang von Erdwärmesonden bilden sich oftmals erst nach Jahren aus. Umso wichtiger sei es, die laufenden Sanierungsmaßnahmen an nicht fachgerecht abgedichteten EWS auf Praktikabilität und Standardisierung zu überprüfen.

Im Sanierungsfall Rudersberg, Rems-Murr-Kreis (siehe auch Info-Kasten), setzte die Burkhardt GmbH & Co. KG, Neuweiler, ein Verfahren ein, bei dem die hydraulisch intakte, aber teilweise frei im Bohrloch stehende Doppel-U-Sonde unter Einsatz eines neu entwickelten Bohrverfahrens überbohrt wurde. Erste Versuche, die EWS über die in den vier Sondenrohren einzementierten Stahlseile zu bergen, scheiterten. Wichtig bei diesem Pilotprojekt war, den Bohrvorgang genau zu dokumentieren, um den Ursachen der Wasserwegsamkeiten auf die Spur zu kommen.

Frank Burkhardt, Geschäftsführer des Bohrunternehmens, berichtet hierzu: „Unterhalb von 20,2 m stand die Sonde frei im Bohrloch, ohne Suspension!“ Zudem sei man auf große Auskolkungen gestoßen, die nicht verfüllt waren. Sowohl die komplette Sonde, als auch andere Einbauteile konnten mithilfe dieses Bohrverfahrens geborgen werden, bestätigt Burkhardt. Anschließend wurde die Bohrung auf ca. 290 mm aufgebohrt und mit Quellton kontrolliert rückverfüllt. Jetzt sei das Bohrloch zu 100 % dicht, sodass kein Wasser in die angetroffene Anhydrit-Schicht eindringen könne Abb. 7.

EWS mindern Wert von Grundstücken

Schlecht verfüllte Erdwärmesonden mindern nicht nur die Effizienz von Wärmepumpen über die Lebenszeit einer EWS, sie bilden auch ein langfristiges Risiko für Hauseigentümer und deren Nachbarschaft durch möglicherweise auf- oder absteigende Grundwasser und die dadurch ausgelösten Hebungen oder Senkungen. Nach der Häufung von Schadensfällen in Baden-Württemberg ist es offensichtlich, dass Grundstücke mit Erdwärmesonden mit Risikoabschlägen bewertet werden, egal ob Schäden vorliegen oder nicht Abb. 8.

Erstmals wurde auf der Geotherm das Thema Wertverlust in einem Vortrag offen angesprochen. Dr. Heike Voelker, André Voutta Grundwasserhydraulik, Herrenberg, geht davon aus, dass schlecht verfüllte Erdwärmesonden die Jahresarbeitszahl (JAZ) einer Wärmepumpe um bis zu 30 % verschlechtern können. Bis vor wenigen Jahren sei es nicht möglich gewesen, die Qualität einer Ringraumverfüllung und deren Auswirkung auf die JAZ nachzuweisen. Voelker: „Der Bauherr musste auf Treu und Glauben nach dem Ablauf der Gewährleistungsfrist die Verantwortung für das Bauwerk Erdwärmesonde auf seinem Grundstück übernehmen. Ein eigentlich untragbarer Zustand!“.

Eine Wertminderung von Grundstücken und Immobilien mit bestehenden Erdwärmesonden sei vorprogrammiert, zumindest bei Sonden, die vor dem Inkrafttreten der LQS EWS abgeteuft wurden. Nach dem Schadensfall in Staufen sei klar, dass Fehlstellen im Ringraum einer EWS gravierende Ausmaße annehmen können. Die André Voutta Grundwasserhydraulik rät deshalb, bestehende EWS in geologisch kritischen Gebieten mithilfe einer Kombination aus drei Verfahren auf ihre Verfüllqualität nachprüfen zu lassen. Dazu zählen:

  • die Messung des Erholungstemperaturprofils
  • der Kurz-Thermal-Response-Test
  • die Dichte-Anomalie-Messung

Für den Bau künftiger EWS empfiehlt Voelker den Einsatz magnetisch dotierter Füllbinder. Diese erlauben die Messung der magnetischen Suszeptibilität im Ringraum mit dem sogenannten CemTrakker, einem baustellengeeigneten Messgerät. Mit dieser Arbeitshilfe kann der Bohrführer während des Verpressvorgangs die Lage des Suspensionsspiegels im Ringraum über eine Messung in der Erdwärmesonde mitverfolgen.

Gleichzeitig wird durch die Dichte-Anomalie-Messung das Verpressvolumen der eingebrachten Zementsuspension aufgezeichnet. Wichtig sei eine zeitnahe erneute Vermessung der EWS noch während des Abbindeprozesses. Diese diene als Nachweis, dass der Ringraum vollständig verfüllt ist. Wer ganz sichergehen will, könne einen unabhängigen Sachverständigen mit einer Abschlussmessung beauftragen, z. B. kurz bevor die Gewährleistungsfrist abläuft. Wichtig sei, entsprechende Formstücke am EWS-Kopf vorzusehen, um die Messsonden problemlos auch nach Abschluss der Arbeiten einführen zu können.

Laminare Strömung mindert Leistung

Theorie und Praxis klaffen bei der Auslegung von Erdwärmesonden oft weit auseinander. Häufig wird die nachhaltige Nutzung von EWS und somit auch der effiziente Einsatz einer Wärmepumpe schon im Planungsstadium verspielt. Wie es zu den oftmals signifikanten Abweichungen zwischen dem errechnetem, dem in situ im Thermal Response Test (TRT) messtechnisch ermittelten und dem realen im Betrieb gemessenen Bohrlochwiderstand kommen kann, zeigen die ersten Ergebnisse aus dem Verbundprojekt „Nachhaltige Nutzung von Erdwärmesonden“ des Landesforschungszentrums Geothermie (LFZG) Baden-Württemberg ( www.lfzg.rz.hs-offenburg.de ).

Partner sind das Institut für Gebäude- und Energiesysteme (IGE) der Hochschule Biberach ( www.hochschule-biberach.de ), das Karlsruher Institut für Technologie, Campus Süd ( www.agw.kit.edu ), die Universität Stuttgart ( www.ip.uni-stuttgart.de ) sowie die Forschungsinstitute EIFER ( www.eifer.kit.edu ) und Solites ( www.solites.de ). Innerhalb dieses Vorhabens untersuchte die Hochschule Biberach, die – Zitat – „Anwendung von an EWS in situ gemessenen Parametern in Auslegungsberechnung und Simulation von Erdwärmesonden-Anlagen“. Im Fokus dieser Untersuchungen stehen der effektive Bohrlochwiderstand, die effektive Wärmeleitfähigkeit des Untergrunds sowie die ungestörte Untergrundtemperatur auf der Basis eines TRT.

Zur Erklärung: Der thermische Bohrlochwiderstand [(K · m)/W] beschreibt den Widerstand, der dem Wärmefluss von der Wärmequelle (Untergrund) zur Wärmeseite (zirkulierendes Fluid im Sondenrohr) entgegengesetzt wird. Kurz gesagt: Der thermische Bohrlochwiderstand gibt an, wie gut die Wärme vom Erdboden über die verpresste Erdwärmesonde zum Fluid in der EWS geleitet wird.

Die Untersuchungen von Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff und Philipp Feuerstein, Hochschule Biberach, zeigen, dass insbesondere dann signifikante Abweichungen auftreten, wenn der TRT einer Probebohrung mit Wasser und turbulenter Strömung in den Sondenrohren durchgeführt wurde, im späteren Betrieb, zum Beispiel durch den Einsatz eines Wasser-Frostschutzmittel-Gemisches, jedoch eine laminare Strömung vorliegt. In diesem Fall gehe die Wärmeentzugsleistung um 7 bis 10 % zurück, der Wärmeeintrag bei Kühlung sogar um bis zu 20 %. Koenigsdorff empfiehlt entsprechende Umrechnungsprogramme für Bohrlochwiderstände einzusetzen, um die Auswirkungen laminarer Strömungen zu kompensieren.

Wichtig bei kurzen Erdwärmesonden Abb. 9 sei die Analyse der ungestörten Bodentemperatur, da in diesem Fall das Grundwasser und der Einfluss der Außentemperatur saisonal zu signifikanten Schwankungen der Fluidtemperatur führen können. Bei geringeren Bohrtiefen sei es energetisch und wirtschaftlich oft günstiger, Speichersonden anstatt konventioneller Erdwärmesonden einzusetzen. Wichtig sei es auch hier, die aus einem TRT gewonnenen Daten mithilfe einer entsprechenden Software zu korrigieren. Nur so könne die Korrektheit der Auslegung und damit auch die Wirtschaftlichkeit der Wärmepumpe sichergestellt werden.

Markteinbruch durch Qualitätsdefizite

Die hohe Effizienz erdgekoppelter Wärmepumpen – die ErP-Effizienzklasse A+++ soll bereits im reinen Heizbetrieb machbar sein – darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Effizienzgewinne im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser teuer erkauft werden müssen. Neben hohen Strompreisen werden Verbraucher zunehmend durch aufwendige landesspezifische Genehmigungsprozedere und die damit zusammenhängenden hohen Planungs- und Erstellungskosten konfrontiert.

Leider haben die in der Vergangenheit aufgetretenen Qualitätsdefizite bei der Errichtung von Erdwärmeanlagen zu Vorbehalten gegenüber der theoretisch ausgereiften Technik geführt, klagt Dr. Martin Sabel vom Bundesverband Wärmepumpe (BWP), Berlin. Durch die Qualitätsoffensive gemeinsam mit den Zertifizierungsstellen DVGW Cert und Zertifizierung Bau hofft der Verband jetzt auf eine kontinuierliche Verbesserung des Qualitätsniveaus.

Laut der Branchenstatistik brach der bundesweite Verkauf von Wärmepumpen für die Nutzung oberflächennaher Erdwärme im Jahr 2014 um 12,8 % auf rund 18 500 Anlagen ein. In Baden-Württemberg ging die Anzahl der jährlich dem Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LZRG) gemeldeten Erdwärmesonden von maximal 4727 im Jahr 2008 auf nur noch 738 im Jahr 2014 (vorläufige Zahl) zurück (Quelle: Drucksache 15/6313 vom 22.12.2014, Landtag von Baden-Württemberg). Branchenkenner gehen davon aus, dass die abwartende Haltung bei kleinen EWS-Anlagen für Ein- und Zweifamilienhäuser noch einige Zeit anhalten wird, wohingegen sich im Objektbau die Stimmung bereits verbessert habe.

Alternativen zu Erdwärmesonden

Durch die spezielle geologische Situation in Baden-Württemberg, wie Bohrtiefenbegrenzung für Erdwärmesonden, kritischer Stockwerksbau, nicht genehmigungsfähige Brunnenanlagen und andere Bohrrisiken, wächst das Interesse an alternativen Erschließungssystemen. Dazu zählen unter anderem Erdwärmekörbe, Spiralsonden Abb. 11, Flächenkollektoren und Speichersonden. Ziel ist die indirekte Nutzung von oberflächennahen Grundwasserleitern mit überschaubarem Aufwand.

Dr. Markus Kübert, Tewag GmbH, Starzach-Felldorf, fordert, der Auslegung von Erdwärmesonden-Alternativen, insbesondere bei Großprojekten, mehr Beachtung zu schenken: „Im Gegensatz zu EWS mit relativ konstanten Untergrundtemperaturen von etwa 11 °C haben wir es bei den EWS-Alternativen – je nach Untergrund – mit einem Temperaturspektrum zwischen 4 und 14 °C zu tun.“ Bis ca. 10 m unter Geländeoberfläche gebe es einen erkennbaren Einfluss der Außentemperatur. Kiesige Böden seien für oberflächennahe EWS-Alternativen eher ungeeignet, da diese zu wenig Wasser enthielten.

„Wichtig bei der EWS-Alternative ist die Nutzung der latenten Wärme von Wasser, also des Phasenübergangs des Bodenwassers von flüssig zu fest“, sagt Kübert. Auch müsse darauf geachtet werden, dass sich alternative Erschließungssysteme im Sommer regenerieren können. Der Boden dürfe weder versiegelt noch verschattet oder überbaut sein.

Grundsätzlich sollten Systeme zur Erdwärmegewinnung für größere Projekte vor der Realisierung auf der Basis von Baugrundgutachten und Klimadaten simuliert werden, da in den Wintermonaten (Heizperiode) im Vergleich zu Erdwärmesonden wesentlich geringere Untergrundtemperaturen zur Verfügung stehen. Kostenvorteile gegenüber EWS sieht Kübert so gut wie keine, da der Platzbedarf für EWS-Alternativen höher sei. „Hier geht es in erster Linie um den Standortvorteil des jeweiligen Erschließungssystems und weniger um Kosten.“ Natürlich seien Helixsonden-Anlagen und Erdwärmekorb-Anlagen platzsparender als Flächenkollektoren, sagt Kübert. Bei kombinierten Heiz-/Kühlsystemen habe das Unternehmen mit Spiralsonden gute Erfahrungen gemacht.

Mehr Effizienz mit Multiquellensystem

Es könnte in der oberflächennahen Geothermie alles ganz einfach sein! Diesen Eindruck vermittelte Gerd Haug, Niederlassungsleiter der zu Uponor gehörenden Zent-Frenger GmbH, Leonberg, in seinem didaktisch mustergültigen Vortrag über die Gesamteffizienz eines geothermisch temperierten Gebäudes. Seine Empfehlung: Das Zusammenspiel der energieabgebenden Systeme innerhalb des Gebäudes, also der Heiz- bzw. Kühlsysteme, mit der Energiezentrale, sprich Wärmepumpe sowie der Energiequelle ganzheitlich zu betrachten. Dabei müsse das vom Kunden festgelegte Nutzungskonzept sowie der Standort des geplanten Gebäudes in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden.

Besondere Aufmerksamkeit verlangten Gebäude mit hohem Warmwasserbedarf oder ganzjährigem Kühlbedarf für IT-Einrichtungen. Wichtig sei es, eine nach Monaten unterteilte Gesamtbilanz für den voraussichtlichen Heiz- und Kühlbedarf aufzustellen. Ziel der Dimensionierung eines geothermischen Wärmepumpensystems bzw. eines multivalenten Energiesystems bei Nichtwohngebäuden müsse eine möglichst ausgeglichene Energiebilanz von Heiz- und Kühlbedarf sein. Zur Lösungsfindung hat Zent-Frenger eine Entscheidungsmatrix entwickelt, die Gebäude in fünf Kategorien von stark heizlastig bis stark kühllastig einteilt.

Im Hinblick auf das wachsende Stromangebot aus erneuerbaren Energien falle der Wärmepumpe künftig die zusätzliche Aufgabe einer netzdienlichen Betriebsweise zu. Soll heißen: Gebäudeeigene Speichermassen sollten von vornherein bei der Planung in das Energiekonzept miteinbezogen werden, um die Energieerzeugung von der Energieverwendung zu entkoppeln. Nur so könnten Stromüberschüsse aus dem Netz sinnvoll verwendet und Leistungsspitzen gedämpft werden, betont Haug.

Wichtig seien Niedertemperatur-Heiz-/-Kühlsysteme wie Betonkerntemperierung in Kombination mit hybriden Heiz- und Kühlflächen Abb. 13. Bei der Wärmequellenanlage sei es bei größeren Gebäuden meist sinnvoll, unterschiedliche Wärmequellen zu erschließen und zu kombinieren, zum Beispiel Sondenfelder, Eisspeicher und Trockenkühler. Zusammen mit Niedertemperatur-Heiz-/-Kühlsystemen seien durch die Nutzung der jeweils energetisch günstigsten Wärmequelle signifikante Verbesserungen beim COP der Wärmepumpe möglich.

Eine wichtige Funktion übernehme dabei der Trockenkühler, da dieser auch die Regeneration des Eisspeichers und gegebenenfalls der Erdwärmesonden übernehmen könne. Aus Sicht von Haug werde in Zukunft auch die Wärmequelle „städtisches Abwasser“ interessant. Ab einem Einzugsgebiet von etwa 2000 Einwohnern an einem Sammler könne man das Abwasserpotenzial als Energiequelle bereits wirtschaftlich nutzen. Auch Löschwasserspeicher könnten bei entsprechender Nutzungsbeschränkung (Temperaturhub ca. + 5 bis + 40 °C) als alternative Energiequelle erschlossen werden.

Erdwärme für Gas-Wärmepumpe

Viessmann sieht die Gas-Wärmepumpe (GWP), besser gesagt das Gas-Adsorptionsheizgerät, neben dem Mikro-KWK-Gerät als die Nachfolgetechnologie zur derzeit marktbeherrschenden Gas-Brennwerttechnik. Dr. Bernd Wenzel, Viessmann Deutschland GmbH, Allendorf/Eder, weist auf den gedämpften Zuwachs bei Elektro-Wärmepumpen sowie die Effizienzprobleme von Luft/Wasser-Wärmepumpen bei Anlagen mit vergleichsweise hohem Warmwasserbedarf hin.

„Wir stellen außerdem fest, dass es bei Heizungssanierungen eine geringe Neigung gibt, sich von vorhandenen Energieträgern zu verabschieden“, gibt Wenzel zu bedenken. Für den Energieträger Erdgas sprechen die im Vergleich zum Strom günstigen und stabilen Kosten sowie die einfache Gerätetechnik. Die Gas-Wärmepumpe sei damit geeignet, im Neubau die ab 2016 verschärften Auflagen der Energieeinsparverordnung (EnEV) zu erfüllen. Wenzel dazu: „Auch im Bestand bietet die Gas-Wärmepumpe die Möglichkeit, verschärfte Auflagen, wie beispielsweise das EEWärmeG in Baden-Württemberg, zu erfüllen.“

Was bei der Diskussion um die Gas-Adsorptions-Wärmepumpe oftmals untergehe sei die Vorgabe einer dauerhaft frostfreien Primärwärmequelle mit einer Mindesttemperatur von 3 °C. Aufgrund des speziellen Entzugsleistungsprofils – benötigt werden 1,25 kW bei 11 kW Heizleistung – kämen dafür oberflächennahe Erdwärmetauscher der Bauarten Flachkollektoren, Ringkollektoren, Erdwärmekörbe, Kurz-Erdwärmesonden oder Energiepfähle, aber auch Solarkollektoren infrage. Wichtig sei es, möglichst einfache Erdwärmetauscher einzusetzen, zum Beispiel Helix-Erdkollektoren Abb. 12, so die Empfehlung von Wenzel.

Passend zur Gas-Wärmepumpe „Vito Sorb“ bietet Viessmann ein Materialpaket mit drei Helix-Erdkollektoren an. Seit 1. April 2015 wird der Einbau der Vito Sorb-GWP mit 4500 Euro gefördert, mit einer neu installierten Solaranlage sogar mit 5000 Euro.

Schweiz: oft mitteltiefe Geothermie

Während in Deutschland im Normalfall Erdwärmesonden nur bis zu einer Tiefe von 99 m genehmigt werden, sind in der Schweiz größere Tiefen an der Tagesordnung. Alfons Ebnöther, HakaGerodur AG, Gossau / Schweiz ( www.hakagerodur.ch ), beschreibt die Entwicklung so: „Vor zehn Jahren lag die durchschnittliche Bohrtiefe einer Erdwärmesonde in der Schweiz bei 140 m, heute liegen wir bei rund 180 m. Das Kostenoptimum könnte bei etwa 200 m Bohrtiefe liegen.“

Als Gründe für mitteltiefe EWS gibt Ebnöther die begrenzten Platzverhältnisse in der Schweiz an, die keine breit angelegten Sondenfelder zulassen. Hinzu kommen die höheren Temperaturen in der Tiefe, sodass sich in vielen Fällen die Mehrkosten für die Bohrung durch eine größere Ergiebigkeit der EWS rechnen. Mit zunehmender Bohrtiefe wüchsen jedoch auch die Qualitätsanforderungen an die Projekte sowie an den Einbau dieser Systeme.

Ebnöther: „Notwendig ist eine 100%ige Kontrolle des Rohrmaterials, der Hinterfüllung und der Systembauteile. Alle Teile müssen zertifiziert und dokumentiert sein. Wichtig bei der Ausführung der EWS ist, den Bohrlochwiderstand klein zu halten.“ Inzwischen konnten druckfeste Erdwärmesonden aus Vollkunststoff bis in eine Tiefe von 500 m realisiert werden, so Ebnöther. HakaGerodur hat dafür die EWS Gerotherm Flux entwickelt, die auf einer konischen Bauweise des Rohres, das heißt, einer mit der Tiefe zunehmenden Wandstärke und damit auch einer höheren Druckfestigkeit beruht.

Fazit

Bohrfirmen, Bauleute und Komponentenlieferanten in Baden-Württemberg zahlen einen hohen Preis für die Hype-Phase der oberflächennahen Geothermie in den Jahren 2006 bis 2010. Erst jetzt wird deutlich, dass bis heute ungeeignete Materialien und Verpressverfahren zum Einsatz kommen und Bohrfirmen trotz strenger Auflagen Mindeststandards nicht einhalten.

Beachtenswert ist die Aussage eines geomesstechnischen Dienstleisters, der die vorbeugende Überprüfung bestehender Erdwärmesonden in geologisch kritischen Regionen fordert. Schon zeichnet sich ab, dass Grundstücke und Gebäude mit geothermischen Heizsystemen auf der Basis von Erdwärmesonden mit Risikoabschlägen bewertet werden.

Die hohen Kosten für die Qualitätssicherung von EWS-Systemen, die negative Mundpropaganda durch betroffene Bürger sowie die umfangreichen und detaillierten Schadensdokumentationen im Internet könnten das Aus für Erdwärmesonden – zumindest für kleinere Bauvorhaben – bedeuten.

Wie hoch ist das EWS-Schadensrisiko? Von Nichtkönnern, Ignoranten und Zeitbomben

Das Schadensrisiko durch oberflächennahe Geothermie liegt bei nur 0,002 % pro Jahr, so Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in einer Analyse auf Basis von neun Schadensfällen durch Erdwärmesonden-Bohrungen in Baden-Württemberg. Neueste Untersuchungen über die Qualität des Verpressvorgangs von Erdwärmesonden (EWS) lassen vermuten, dass die Anzahl der Langzeitschäden durch undichte Ringräume sowie Effizienzverluste durch Lufteinschlüsse und Suspensionstrennung mit zeitlicher Verzögerung weiter zunehmen werden. „Da waren Nichtkönner am Werk“, sagte Martin Herrenknecht, Chef des Weltmarktführers für Tunnelbohrmaschinen Herrenknecht, Schwanau, in der Badischen Zeitung über die Art und Weise, wie in Staufen / Breisgau nach Erdwärme gebohrt wurde.

Dass bei der Erstellung von Erdwärmesonden – und hier speziell bei der Verpressung des Bohrlochs – in der Vergangenheit geschludert wurde, wird heute nicht mehr in Abrede gestellt. Wichtig ist, die Schäden durch Quellungen, Hebungen und Setzungen aufgrund undichter Ringraumverfüllungen schnell zu sanieren und bestehende EWS-Anlagen in geologisch kritischen Lagen auf untypische Parameter zu untersuchen. Deshalb ist es wichtig, dass erprobte Rückbau-Verfahren zur Verfügung stehen, um schnell reagieren zu können. Solche Verfahren werden derzeit vor allem in Baden-Württemberg entwickelt, da es dort zu einer Häufung von Schadensfällen gekommen ist.

Ein Beispiel: Im Ortsteil Zumhof in der Gemeinde Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) wurden in den Jahren 2007, 2008 und 2009 insgesamt 20 Erdwärmesonden-Bohrungen mit Tiefen zwischen 38 und 70 m im Inlochhammer-Verfahren mit Luftspülung abgeteuft. Alle Bohrungen wurden von derselben Bohrfirma erstellt.

2009 erging seitens des Landesamtes für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) eine Auflagenempfehlung an die Unteren Wasserbehörden (Stichtag 03. Februar 2009), wonach spätestens nach Erreichen von Gips die Bohrarbeiten für Erdwärmesonden einzustellen sind. Demnach unterlagen die im Jahr 2009 in Rudersberg gebohrten Erdwärmesonden bereits der sogenannten „Gipsspiegelbegrenzung“. Aus dem Sachstandsbericht des LGRB über geologische Untersuchungen von Baugrundhebungen in Rudersberg-Zumhof geht Folgendes hervor:

  • Ein verklemmtes Bohrlochgestänge des Inlochhammers konnte nicht mehr geborgen werden; das Druckluftbohrgestänge mit Bohrhammer verblieb im Untergrund. Die Bohrfirma hat das Bohrloch unabgedichtet hinterlassen; eine Schadensmeldung an die Genehmigungsbehörde erfolgte nicht.
  • Mindestens eine der insgesamt 20 Erdwärmesonden-Bohrungen zeigt Auffälligkeiten (vertikaler Temperaturverlauf) bei gemessenen Ruhetemperaturprofilen. Die Geologen werten dies als Hinweis auf eine misslungene Ringraumabdichtung.
  • Obwohl es nach § 4 Lagerstättengesetz gegenüber dem geologischen Dienst (Regierungspräsidium Freiburg/LGRB) eine Anzeigepflicht der Bohrergebnisse gibt, wurde die Dokumentation der Bohrungen nicht übermittelt.
  • Die Bohrfirma war, entgegen den Vorgaben des Geothermie-Leitfadens Baden-Württemberg, nicht nach DVGW W 120 (Qualitätsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik, Brunnenbau …) zertifiziert. Vorgabe war deshalb, die Erdwärmesonden-Bohrungen durch einen sachverständigen Geologen überwachen zu lassen. Besonderheiten oder Probleme beim Bohren, beim Ausbau und beim Abdichten der EWS wurden nicht gemeldet.
  • Erste Hinweise auf Bauschäden in der Siedlung gab es bereits im Jahr 2010. Diese wurden jedoch nicht mit den Erdwärmesonden-Bohrungen in Verbindung gebracht.
  • Ein anonymer Hinweis am 24. April 2012 an die Gemeindeverwaltung Rudersberg über das abgerissene Bohrgestänge brachte den Stein endgültig ins Rollen. In der Zwischenzeit gab es Hebungen von bis zu 40 cm.
  • Im Juni 2012 wird vom Landratsamt Rems-Murr-Kreis der Arbeitskreis „Hebungen in Rudersberg-Zumhof“ einberufen.

Die örtliche Interessengemeinschaft der Geothermie-Geschädigten forderte im Juni 2014, die noch verbliebenen 19 Erdwärmesonden entfernen zu lassen. „Wir sitzen hier auf einer Zeitbombe“, klagte deren Vorsitzender Klaus Neutzer gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Frank Burkhardt, Burkhardt GmbH & Co. KG, Neuweiler, entwickelte eine Methode, wie eine defekte Erdwärmesonde komplett mit sämtlichen Einbauteilen geborgen und das Bohrloch anschließend sicher verfüllt werden kann.

Geothermie-Fachleute gehen inzwischen von einem Langzeitrisiko durch Erdwärmesonden aus. Mehr noch: Die Werterhaltung von Wohnhäusern mit EWS sinkt, auch wenn keine aktuellen Schäden vorliegen. WS

Wolfgang Schmid

ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de

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