Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung

Konstantes Klima für hochgenaue Technik

Kompakt informieren

  • Konstante Raumlufttemperaturen sind eine Grundbedingung für die Fertigung von Präzisionsmaschinen.
  • Durch hohe innere Wärmelasten müssen die Montagehallen beim Maschinenbauer Hermle schon ab einer Außentemperatur von etwa 15 °C gekühlt werden.
  • Für eine neue Montagehalle hat Hermle ein KWKK-Konzept realisiert, dass gegenüber den bisher realisierten Lösungen deutlich geringere Energie- und Betriebskosten aufweist.

Die Maschinenfabrik Berthold Hermle AG gehört zu den mittelständischen Technologieführern, für die Baden-Württemberg rund um den Globus bekannt ist. „Besser fräsen“ lautet der Slogan des 1938 gegründeten Unternehmens, wobei Hermle-Maschinen weit mehr als das können: Die CNC-gesteuerten Hermle-Bearbeitungszentren drehen, fräsen, bohren und schleifen Metallteile aller Art, von metergroßen Verdichterrädern für Flugzeugtriebwerke bis zu filigranen Titan-Implantaten für die Medizintechnik.

Alle Maschinen werden am Hauptsitz von Hermle in Gosheim, in der Nähe von Rottweil, gefertigt. Das anhaltende Firmenwachstum sowie der Umzug der Automatisierungstochter Hermle-Leibinger Systemtechnik (HLS) nach Gosheim machten jüngst eine Flächenerweiterung erforderlich. Deshalb wurde eine neue Montagehalle mit angedocktem Bürotrakt errichtet. Die Halle weist eine Montagefläche von 2000 m2 und eine lichte Höhe von 14 m auf, sodass auch die größten Hermle-Anlagen der Reihen C 50 und C 60 ohne Weiteres darin Platz finden. Die Maschinen werden hier an mehreren Montageinseln aufgebaut, automatisiert und vor der Auslieferung ausgiebigen Tests unterzogen.

Schon in der Vorplanungsphase der neuen Halle hatte man sich bei Hermle dafür entschieden, ein modernes Gesamtkonzept zur Energieversorgung zu entwickeln. Dies geschah sowohl aus ökologischen als auch aus wirtschaftlichen Überlegungen; signifikante Einsparungen sollten vor allem durch die Eigenerzeugung von Strom sowie durch Reduktion der Laufzeiten von Kompressionskältemaschinen erzielt werden.

Kühlung steht im Mittelpunkt

Bezüglich der Temperierung der Montagehallen steht bei Hermle das Thema Kühlung im Mittelpunkt: Vor allem während der Tests laufen die Maschinen oft mehrere Stunden, wobei sie viel Abwärme an die Hallenluft abgeben. Ohne Gegenmaßnahmen wäre dies problematisch, denn starke Temperaturschwankungen können Ungenauigkeiten bei der Justierung der Maschinen zur Folge haben – ein absolutes No-go für Hermle, dessen Produkte gerade wegen ihrer sprichwörtlichen Präzision geschätzt werden. „Schon bei einem Grad Erwärmung liegen die Maßabweichungen in der Größenordnung von einem Hundertstel Millimeter auf einen Meter Guss“, erklärt Hermle-Produktionsvorstand Alfons Betting. „Und dieses Hundertstel ist oft schon das Maß, das wir erreichen wollen.“ Kritisch sind Temperaturgradienten von über 0,5 K/h.

Eine Klimatisierung der Montagehallen ist daher unabdingbar. Betting: „Schon in der Übergangszeit müssen wir wegen der Maschinenabwärme kaum noch heizen. Wir haben hier also weniger ein Wärme- als vielmehr ein Kälteproblem.“ Steigt die Außentemperatur über 15 °C, ist bereits eine aktive Kühlung der Halle erforderlich. Während die ältere Montagehalle über herkömmliche Kompressionskältemaschinen klimatisiert wird, strebte Hermle bei der neuen Halle eine zeitgemäße, Ressourcen schonende Lösung an. Entwickelt wurde dazu ein Anlagenkonzept mit Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK). Betting: „Neben der Erzeugung von Nutzkälte aus der BHKW-Abwärme reizte uns die Möglichkeit, dass wir auch Strom für den Eigenverbrauch produzieren können.“

BHKW-Kaskade statt Einzelanlage

Beim BHKW entschied sich Hermle für ein modulares System von Frako Power Systems aus Teningen bei Freiburg im Breisgau. Drei kaskadierte Anlagen vom Typ fp20, ausgerüstet mit zuverlässiger Motorentechnik von Volkswagen, liefern eine Wärme-Ausgangsleistung von je rund 40 kW; diese wird einem 5-m3-Schichtenspeicher zugeführt. Die BHKW-Module wurden hydraulisch nach dem Tichelmann-Prinzip miteinander verbunden.

In der kalten Jahreszeit wird die BHKW-Abwärme zur Temperierung (Betonkernaktivierung) des Hallenbodens auf 16 °C und zur Trinkwassererwärmung verwendet – die meiste Zeit des Jahres wird sie jedoch ganz oder teilweise von der Absorptionskältemaschine beansprucht. Je nach Außentemperatur wird die Lufttemperatur in der Halle konstant bei 22 bis 23 °C gehalten.

Das ganze Jahr über ist somit eine sehr hohe Auslastung der BHKW sichergestellt: Bei Hermle rechnet man mit Laufzeiten von 7000 bis 7500 h/a. Wichtig war dafür eine exakte Abstimmung der BHKW auf die Kälteanlage: Die Wärmeleistung der drei BHKW entspricht in etwa dem Wärmebedarf der Absorptionskältemaschine von 111 kW, die damit 83 kW Nutzkälte erzeugt. Die Kältemaschine hat eine bevorzugte Zuschaltung, das heißt, bei maximalem Kältebedarf arbeiten alle drei BHKW ausschließlich für die Kühlung.

Zwei als Reserve für besonders kalte Tage vorgehaltene Brennwert-Heizkessel wurden bisher kaum benötigt – die Wärmeerzeugung der BHKW erwies sich im ersten Betriebswinter als vollkommen ausreichend. Der erzeugte Strom – ein Drittel der BHKW-Gesamtleistung – geht komplett in den Eigenverbrauch und deckt die Grundlast ab. Auf diese Weise wurde die aus dem Netz bezogene Strommenge erheblich reduziert und damit mehr Unabhängigkeit von steigenden Strompreisen gewonnen.

Hohe Ausfallsicherheit und Flexibilität

„Im Unterschied zu einer Einzelanlage bietet das modulare System Vorteile sowohl im Betrieb als auch bei der Wartung“, betont Jan van het Reve, Geschäftsführer von Frako Power Systems. „Wir erreichen damit eine hohe Ausfallsicherheit, außerdem lässt sich der Betrieb flexibel an den momentanen Energiebedarf anpassen.“ In Abhängigkeit von der Temperatur im Pufferspeicher werden die fp20-Module automatisch zu- oder abgeschaltet. Dabei gilt das Prinzip der Laufzeitsynchronisation: Es wird immer das BHKW mit der geringsten Laufleistung zuerst eingeschaltet, um die Wartungsintervalle zu harmonisieren. Der übliche Wartungszyklus liegt bei 3000 Betriebsstunden.

Betting: „Das Konzept, anstelle einer großen Anlage kleinere Module zu kombinieren, hat uns überzeugt. Auf diese Weise ist bei der Wartung oder bei Reparaturen nie die gesamte Anlage außer Betrieb.“ Alle Ein- und Ausschaltvorgänge erfolgen, gesteuert über Sensoren im Wärmespeicher, vollautomatisch, ohne dass bei Hermle jemand eingreifen muss. Dies gilt auch im Fall von Anlagenstörungen, denn Frako Power Systems hat ein Fernwartungssystem via Mobilfunk (UMTS) installiert. „Damit sind wir in der Regel früher als unsere Kunden im Bilde, dass es überhaupt eine Störung gibt“, so die Erfahrung von van het Reve. „Wir können die relevanten Maschinendaten sofort auswerten und so nicht nur gezielt innerhalb kürzester Zeit reagieren, sondern auch vorausschauend agieren.“

Planung am runden Tisch

Die Idee, statt herkömmlicher Kompressionskühlung ein KWKK-Konzept zu realisieren, wurde bei Hermle im eigenen Haus entwickelt. Die anschließende Planung und Umsetzung erfolgte in enger Zusammenarbeit mit bewährten Fachfirmen. „Auch für uns war es eine positive Erfahrung, direkt mit allen Beteiligten am runden Tisch zu sitzen, um eine gemeinsame Lösung von Grund auf zu erarbeiten“, berichtet van het Reve. „Die enge Abstimmung hat sehr gut funktioniert, alle beteiligten Gewerke haben ihre jeweilige Kompetenz eingebracht und Hand in Hand gearbeitet.“ Von Frako Power Systems stammen die drei BHKW-Module inklusive der Regelungstechnik für die Kaskadierung.

Das Ergebnis der engen Kooperation kann sich sehen lassen: Im Vergleich zu einer Klimatisierung mittels Kompressionskälte rechnet man bei Hermle dank KWKK mit Einsparungen bei den jährlichen Energie- und Betriebskosten im mittleren fünfstelligen Bereich.

KWKK bei der Hermle AG

Grundlast

drei BHKW-Module fp20 von Frako Power Systems mit je 19,2 kWel und 36,1 kWth, Gesamtwirkungsgrad 94,7 %; zusätzliche Wärmenutzung durch nachgeschalteten Abgas-Wärmeübertrager

Absorptions-Kältemaschine Wegracal SE80 von EAW mit 83 kW Kälteleistung

Reserve / Spitzenlast

zwei Brennwertkessel WTC-GB-210A von Weishaupt mit je 210 kW Wärmeleistung

zwei Kaltwassersätze EWLD-J-SS 165 von Daikin mit je 165 kW Kälteleistung

Planung

Anton Mayrhofer, Leiter Technik und Konstruktion bei Frako Power Systems, 73991 Teningen, www.frakopowersystems.de