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Abwasserleitungen: Innensanierung statt Neuverlegung (Teil 2)

Inhouse-Sanierung in der Praxis

Kompakt informieren

  • Das Prinzip der grabenlosen Sanierung von Abwasserkanälen steht inzwischen auch für horizontale und vertikale Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden inklusive DIBt-Zulassung zur Verfügung.
  • Eine punktuelle Reparatur mit Leitungsfreilegung und die komplette Neuverlegung der Abwasserleitungen können damit umgangen werden.
  • In Skandinavien existiert bereits ein Markt für die proaktive Sanierung von Entwässerungsnetzen zur Verlängerung der Nutzungsdauer.
  • Ein Referenzprojekt in Finnland dokumentiert die Abläufe in der Praxis und zeigt die Erfolgsfaktoren auf.

Die Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden (Inhouse-Sanierung), beispielsweise von Fallleitungen ist in Skandinavien seit einigen Jahren ein Standardgeschäft: In über 50 Dienstleistungsunternehmen arbeiten über 1000 Mitarbeiter tagtäglich an der Sanierung von ganzen Entwässerungsnetzen innerhalb von Gebäuden. Hier werden die Abwasserleitungen in festen Zeitintervallen – nach Ablauf einer betriebsüblichen Nutzungsdauer – vollständig renoviert. Dieser Ansatz ist in Deutschland mit der Vorgehensweise bei der Elektrik in Wohngebäuden vergleichbar, die etwa alle 30 bis 40 Jahre erneuert wird bzw. erneuert werden sollte.

Bei der Inhouse-Sanierung kommt sehr häufig das Schlauchlining-Verfahren zum Einsatz. Für Nennweiten kleiner DN 50 wird auf das Spray-Verfahren zurückgegriffen. In der Regel erfolgt die Sanierung im bewohnten Zustand, sodass die Störungen für die Bewohner möglichst gering gehalten werden müssen. Bei den häufig sehr komplexen Maßnahmen sind deshalb eine sorgfältige Planung und die Organisa-tion der einzelnen Schritte die Schlüssel für einen erfolgreichen Bauablauf.

Von der Planung bis zur Bauabnahme …

Die Fa. Picote Service Oy Ltd. aus Porvoo in Finnland saniert seit über zehn Jahren Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden. Somit liegen umfangreiche Erfahrungswerte bei der Planung, Organisation und Durchführung der Sanierungsmaßnahmen vor.

Die Planung und die Kalkulation einer Maßnahme laufen nach einem vergleichbaren Schema ab. Grundlage sind in der Regel vorhandene Bestandspläne 2. Im Gegensatz zur Sanierung von Abwasserleitungen außerhalb von Gebäuden, stimmen die Bestandspläne in den Gebäuden häufig mit der Bauausführung weitestgehend überein. Unstimmigkeiten werden noch vor Angebotsabgabe im Rahmen einer Ortsbegehung geprüft.

Auf eine komplette Inspektion des Entwässerungssystems vor Angebotsabgabe wird in den meisten Fällen verzichtet, da für die Planung und Kalkulation die Bestandspläne, die Ortsbegehung sowie die Erfahrungswerte aus vergleichbaren Sanierungen sehr gut ausreichen. Der Verzicht auf die komplette Zustandserfassung vor der Angebotsabgabe bedeutet eine deutliche Effizienzsteigerung, da eine derartige Inspektion sowieso direkt vor der Sanie-rung durchgeführt und somit Doppelarbeit vermieden wird.

Wichtige Einflussgrößen für die Planung und Kalkulation sind:

  • Anzahl der Wohnungen im Gebäude
  • Anzahl der Etagen
  • Anzahl der Fallleitungen
  • Anzahl der Abzweige und Anschlüsse
  • Länge der Entwässerungsleitungen (Fallleitungen, Anschlussleitungen)
  • Größe der Gesamtmaßnahme (erforderliche Anzahl Techniker und Projektmanager vor Ort)
  • Personalkosten
  • ergänzende Aufbruch- und Stemmarbeiten bei Bedarf
  • ggf. zusätzliche sanitärtechnische Arbeiten

Die Durchmesser der Leitungen spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle, da diese sich erfahrungsgemäß für horizontale Anschlussleitungen zwischen DN 50 und DN 70 und für vertikale Fallleitungen zwischen DN 100 und DN 150 bewegen. In einigen Fällen sind bei komplexen Leitungsverläufen lokale Stemm- und Aufbrucharbeiten erforderlich. Diese werden ebenfalls – soweit möglich – bereits in der Planungsphase berücksichtigt.

Die Ablaufplanung sowie die Vorbereitung und Organisation sind sehr wichtig für einen reibungslosen Bauablauf. Im Vorfeld wird u. a. genau festgelegt, wie und wo angefangen wird, welche und wie viele Leitungen am Tag saniert werden und wann die Baumaßnahme beendet wird 3. Der Bauablauf erfolgt in der Regel in acht Stufen.

Schritt 1: Arbeitsvorbereitungen

Sämtliche benötigten Materialien und das technische Equipment werden zur Baustelle transportiert. Bei größeren Maßnahmen, etwa mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser mit 15 bis über 60 Wohneinheiten, werden dafür Baucontainer verwendet. Hier können sich auch die betroffenen Bewohner während der Bauzeit bei den zuständigen Ansprechpartnern über den Baufortschritt informieren oder notwendige Absprachen vornehmen.

Bevor die Hausflure und in den Wohnungen die Böden in den Lauf- und Arbeits-bereichen mit Pappe oder Schutzpapier abgedeckt werden, werden vorhandene Schäden und Auffälligkeiten zur Beweissicherung fotografisch festgehalten. Im Anschluss werden sämtliche Entwässerungsgegenstände außer Betrieb genommen, abgedeckt und die Zugänglichkeiten für Reinigung, Inspektion und Sanierung hergestellt.

Schritt 2: Reinigung des Entwässerungssystems

Für die Reinigung der Leitungen werden je nach Werkstoff und Zustand verschiedene Werkzeuge eingesetzt. Bei Leitungen aus Guss werden beispielsweise Ketten und die Hochdruckspülung verwendet. Bei Kunststoffleitungen werden schonende Werkzeuge verwendet. Die Reinigungsarbeiten erfolgen im Standardfall von den unteren Geschossen hoch zu den oberen Geschossen, damit tiefer liegende Leitungen nicht durch herausgespülte Sedimente blockiert werden.

Um Verstopfungen im Hausanschlusskanal zu vermeiden, werden die Leitungen im Kellerbereich gekappt und die Reinigungsabwässer in Fässern aufgefangen. Feststoffe setzen sich hier ab, das Abwasser wird in den Anschlusskanal gepumpt.

Schritt 3: Kamera-Inspektion

Im nächsten Schritt werden sämtliche Leitungen mit Inspektionskameras befahren. Dabei werden die tatsächlichen Durchmesser der Leitungen, die Leitungslängen und die Anzahl und Positionen der Zuläufe und Abzweige bestimmt. Darüber hinaus dient die TV-Inspektion dazu, Besonderheiten zu erfassen. Zumeist sind dies starke Verwinklungen sowie Schäden und Abzweige, die nicht sanierbar sind. Anschließend können für diese Spezialfälle Lösungen sowie Stemm- und Aufbrucharbeiten eingeplant werden.

Schritt 4: Sanierung und Öffnen der Abzweige und Zuläufe

Um den Bauablauf zu optimieren, werden die nahtlosen Textilschlauch-Liner bereits in der Werkstatt in Porvoo für den Einbau abgelängt und vorbereitet 4.

Die Sanierung startet grundsätzlich mit den Fallleitungen vom Dach bis zum Keller 5. Die auf der Innenseite folierten Liner werden mit Epoxidharz imprägniert und in die vorhandene Leitung eingestülpt (invertiert), mit Druckluft beaufschlagt und anschließend mit einem Druckdeckel verschlossen. Die Aushärtung erfolgt im Normalfall bei Umgebungstemperatur. Hierzu wird die Druckluft über Nacht im Liner belassen. Ein eigens konstruiertes Überwachungsgerät misst permanent den Luftdruck. Das Überwachungsgerät ist mit einer App an ein Smartphone der ausführenden Kolonne gekoppelt, sodass ein Mitarbeiter eine gemeldete Störung vor Ort schnell lokalisieren und beheben kann.

Am nächsten Tag werden die Abzweige und Zuläufe geöffnet. Standardmäßig werden sie zulaufseitig mit mithilfe eines VortexCutters zunächst mit einem Bohrkopf aufgefräst und in einem zweiten Arbeitsgang mit Schleifpanels plangefräst. Ein erfahrener Techniker kann je nach örtlichen Gegebenheiten, innerhalb einer Stunde mehrere Zuläufe und Abzweige auffräsen. Je nach Werkstoff der Altleitung stehen hierfür verschiedene Werkzeuge zur Verfügung. Bei Mehrfamilienhäusern mit mehr als 25 Wohneinheiten sind oft mehrere Hundert Zuläufe und Abzweige zu öffnen.

Im nächsten Arbeitsschritt werden die horizontalen Anschlussleitungen saniert. Dabei werden zunächst die horizontalen Leitungen zur Fallleitung und dann – falls vorhanden – die noch kleineren horizontalen Leitungen der Entwässerungsgegenstände saniert. Die Liner-Inversion in den kurzen Seitenleitungen erfolgt auf Picote-Baustellen mit einer eigens entwickelten „Liner-Kanone“ im Openend-Verfahren 6. Die Liner-Enden sind dabei mit einer speziell entwickelten Kappe vorgeklebt, die nach vollständiger Aushärtung über ein Halteseil gezogen wird.

Für den Übergang bzw. die Anbindung oder Sanierung der Abzweige und Zuläufe stehen drei Möglichkeiten zur Verfügung: Der überlappende Einbau, der plangefräste Übergang und die Verwendung einer Brawoliner-Anschlussmanschette 7.

Sind an den seitlichen Anschlussleitungen weitere Anschlüsse und Anschlussleitungen angeschlossen, wiederholen sich die oben beschriebenen Prozesse. Mit guter Vorbereitung und Organisation ist Picote in der Lage, mehr als 40 Liner am Tag einzubauen.

Schritt 5: Wiederherstellen der Objektanschlüsse

Nach dem Abschluss der Sanierung werden die Entwässerungsgegenstände wieder angeschlossen. Zum Anschluss an die sanierten Leitungen verwendet Picote einen eigens entwickelten Verschluss, der mit Epoxidharz am System angeschlossen wird.

Schritt 6: Abschluss der Arbeiten in den Wohnungen

Nachdem das gesamte Leitungsnetz saniert ist und die Entwässerungsgegenstände wieder angeschlossen sind, wird die Baustelle aufgeräumt und die Bewohner können die Entwässerung wieder benutzen.

Schritt 7: Sanierung des Hausanschlusskanals

Auch die Hausanschluss- und Grundleitungen werden sozusagen als Nebengeschäft mit saniert. Diese spielen von der Länge und von der technischen Umsetzbarkeit der Sanierung im Vergleich zu den Leitungen innerhalb der Gebäude im Rahmen einer Gesamtmaßnahme nur eine untergeordnete Rolle.

Schritt 8: Bauabnahme und Qualitätssicherung

Zum Abschluss erfolgt die Bauabnahme und Qualitätssicherung. Sämtliche sanierten Leitungen werden mittels TV-Inspektion befahren und die Videos dem Auftraggeber übergeben.

Bauzeit zwischen ein und zwei Wochen

Mit dem beschriebenen Bauablauf kann die Sanierung eines mehrgeschossigen Mehrfamilienhauses in sehr kurzer Zeit abgeschlossen werden. Bei der Baumaßnahme in Helsinki-Pehlajesto mit 42 Wohnungen betrug die reine Bauzeit zwei Wochen. In diesem Zeitraum waren die Entwässerungsgegenstände außer Betrieb. Für weniger komplexe Mehrfamilienhäuser wird eine Woche reine Bauzeit ohne Nutzbarkeit der Entwässerung benötigt. Bei Einfamilienhäusern ist die Bauzeit deutlich kürzer.

Fortsetzung folgt: Im dritten und letzten Teil richtet sich der Blick auf Deutschland: Wie ist der Stand bei der Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden? Welche technischen Besonderheiten sind zu beachten? Welche bautechnischen Regeln sind einzuhalten? Welche zugelassenen Sanierungsmöglichkeiten sind verfügbar?

" class="chapter-heading">Historie, Technik und Markt

Teil 1 zum Thema „Innensanierung statt Neuverlegung“ ist in TGA 11-2017 unter dem Titel „Inhouse-Sanierung von Abwasserleitungen“ erschienen und kann über  Webcode  791462 abgerufen werden.

Brawoliner und Spray-Liner

Das Brawoliner-Verfahren wurde speziell für die grabenlose Sanierung von Haus- und Industriekanälen im Nennweitenbereich DN 50 bis DN 250 entwickelt. Die Sanierungslösung ist für alle Rohrmaterialien geeignet und über 50 Jahre haltbar. Bei der Sanierung wird ein nahtloser Textilschlauch mit nahtloser Folienbeschichtung mit Epoxidharz getränkt und anschließend mittels Luft- oder Wasserdruck in das defekte Rohr eingebracht. Nach der Aushärtung des Harzes ist ein komplett neues, dichtes Rohr im Altrohr entstanden, alle bestehenden und auch potenziellen Schäden werden somit beseitigt. Seine Schlingenkonstruktion macht den Textilschlauch extrem flexibel und ermöglicht den Einsatz bei Rohren mit Bögen bis zu 90° und bis zu zwei Dimensionsänderungen (Brawoliner 3D). Das Sanierungssystem Brawoliner HT (bis DN 200) ermöglicht auch eine Dampfaushärtung bei höheren Temperaturen und hat eine DIBt-Zulassung für die Sanierung von Abwasserleitungen innerhalb von Gebäuden, bietet eine Wärmeformbeständigkeit von über 93 °C und erreicht die Baustoffklasse B2. www.brawoliner.com

Kern des Spray-Liner-Verfahrens ist ein geruchsarmes 2K-Epoxidharz, das von innen auf fehlerhafte Rohrabschnitte gesprüht wird und eine formschlüssige Verbindung mit dem Rohrmaterial eingeht. Die Technik ist für Rohrdurchmesser von 34 bis 155 mm ausgelegt. Für die Sanierung werden vorhandene Zugangspunkte, beispielsweise Sanitäranschlüsse, genutzt. Das Spray-Liner-Verfahren ist für Rohre aus allen gängigen Werkstoffen, wie PVC, Beton, PE, PP, Gusseisen und Steinzeug geeignet. Es können die gängigen Schadensbilder mechanischer Verschleiß, Korrosion, Fehlstellen, Radial- und Längsrisse sowie Undichtigkeiten an Verbindungsstellen beseitigt werden. Beim Sanierungsvorgang wird ein Sprühkopf in die Abwasserleitung eingeführt, wo er durch eine Rotationsbewegung flüssiges Epoxidharz an die Rohrinnenwand schleudert. Durch eine mitgeführte Kamera wird der Auskleidungsvorgang kontrolliert. Das Spray-Liner-Verfahren verfügt aufgrund seiner Besonderheiten über eine maßgeschneiderte DIBt-Zulassung. www.spray-liner.eu

Dipl.-Ing. Sebastian Beck

ist Key-Account-Manager bei Brawoliner, 67659 Kaiserslautern, Telefon (06 31) 20 56 12 51, sebastian.beck@brawoliner.de, www.brawoliner.com, www.spray-liner.eu