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Dezentrale Energieerzeugung mit Flüssigerdgas

Pilotprojekt: KWKK und LNG-Kälterecycling

Kompakt informieren

  • Bei der Regasifizierung von Flüssigerdgas (LNG) wird für den Phasenwechsel Wärmeenergie benötigt. Durch das niedrige Temperaturniveau des LNG kann der Prozess zur Erzeugung von (Tief-)Kälte als Sekundärprodukt genutzt werden.
  • Eine bei einem Tiefkühlkost-Vertrieb installierte KWKK-LNG-Pilotanlage nutzt Tiefkälte (– 45 °C) aus der Regasifizierung für die Warenlagerung, das gasförmige Erdgas für den Betrieb eines BHKW und dessen Abwärme u. a. für den Antrieb einer Absorptionskältemaschine (– 6 bis – 3 °C) inklusive Nutzung der Kondensationswärme sowie einen Teil des KWK-Stroms für eine CO<sub>2</sub>-basierte Tiefkühlkaskade (– 31 °C).
  • Entsprechende Anlagen können eine sinnvolle Alternative sein, wenn örtlich ein paralleler Bedarf an Wärme, Tiefkälte, Kälte und Strom vorliegt.

Durch Wärmeentzug und Druckeinwirkung zu LNG (Liquefied Natural Gas) verflüssigt, weist Erdgas lediglich ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens bei Normaldruck auf (siehe Info-Kasten). Daraus ergeben sich Vorteile für den Transport und die Speicherung: Ohne Pipeline-Bindung lässt sich LNG in gut wärmeisolierten Behältern auf dem Wasser-, Straßen- oder Schienenweg rund um den Globus befördern und in zentralen LNG-Terminals zwischenlagern.

Vor der Einspeisung in ein Gasnetz erfolgt der Prozess der Regasifizierung, der den auf – 162 °C heruntergekühlten Energieträger wieder in seinen gasförmigen Ursprungszustand zurückversetzt. Dieses Verfahren birgt den Zugang zu einer bis dato gänzlich unerschlossenen Energiequelle: (Tief-)Kälte als Sekundärprodukt von LNG, die bei der Rückvergasung automatisch freigesetzt wird. In der Vergangenheit verpufften die thermischen Potenziale dieses Prozesses zumeist ungenutzt im Meer oder in der Atmosphäre.

Technologie mit Hebelwirkung

Experten aus Wissenschaft und Industrie erkannten in der Erschließung der LNG-Kältekapazitäten sowohl vielversprechende Ansätze für eine wirtschaftlich attraktive (kommerzielle) Nutzung als auch weitreichende Chancen für eine umweltentlastende energetische Grundversorgung, die eine nachhaltige Alternative zur gegenwärtig etablierten Kompressionstechnik darstellt.

Ein Unternehmen verfolgte die Idee von einer hocheffizienten LNG-Kälterecycling-Technologie schließlich bis zur Marktreife weiter: der Kältetechnik-Spezialist Eco ice Kälte aus Borna in Sachsen. Mit Unterstützung des erfahrenen Energieanlagenentwicklers Yados legte der erst 2013 gegründete Betrieb ein richtungweisendes Systemkonzept vor, das die kombinierte Erzeugung von Strom, Wärme und Kälte (KWKK-Prozess) ergänzt um den thermischen Output von rückvergastem Flüssigerdgas.

Die entscheidende Komponente für diesen Vorgang – ein speziell für maximale Temperaturdifferenzen entworfener Wärmeübertrager – hatte Eco ice bereits im Gepäck. Dessen Hebelwirkung wurde 2016 durch die Auszeichnung mit dem Deutschen Kältepreis des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) bestätigt. Im Folgejahr ließ Eco ice seine Technologie patentieren. Die Frage, wie sich das Konzept in einem breiten gewerblichen Umfeld zielführend umsetzen lässt, beantworten die sächsischen Energieexperten nun erstmalig mit einem erfolgreichen Pilotprojekt in der Lebensmittel verarbeitenden Industrie.

KWKK-LNG-Referenzanlage

In Döbeln, nur rund 50 km vom Eco-ice-Firmensitz entfernt, steht heute die erste KWKK-LNG-Anlage ihrer Art auf dem Grund eines großen Tiefkühlkost-Vertriebs Abb. 1. Das Unternehmen ist seit über einem Vierteljahrhundert am Markt präsent und hat sich mit einem hohen Qua-litäts- und Nachhaltigkeitsanspruch über die Jahre bewusst umweltorientiert aufgestellt. Diese strategische Ausrichtung hatte auch Auswirkung auf den Sanierungsplan für ein 10 000 m3 umschließendes Kühlhaus und die Wahl eines adäquaten energetischen Versorgungskonzepts.

Als Referenzprojekt für die in Borna entwickelte und getestete Systemlösung waren Standort und Energiehaushalt des TK-Vertriebs besonders prädestiniert: Der Betrieb zeigte nicht nur einen grundlegenden Bedarf an Kühlleistung, Strom und Wärme an, sondern verfügte darüber hinaus auch über mehrere Abnehmer von Tiefkälte. Der hohe Kostenaufwand für den Bezug von externem Strom und eine unbefriedigende Ökobilanz machten den Umstieg auf Erdgas attraktiv; ohne bestehende Gasnetzanbindung fehlten hierfür jedoch die infrastrukturellen Voraussetzungen. Dass das Döbelner Unternehmen seine Objekte heute dennoch gasbasiert bewirtschaften kann, ist Ergebnis einer neuen dezentralen Versorgungsstruktur und der Lagerungsfähigkeit von LNG.

Speicherplatz von 60 m3 Flüssigerdgas ist ein doppelwandgesicherter, vakuumisolierter Außentank, der unmittelbar vor Ort installiert wurde. Ebenfalls als hausexterne Anlage geplant, konfektionierte Yados zwei nahezu identische Systemcontainer Abb. 2 mit hocheffizienten Komponenten für das erweiterte Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsverfahren: Einem BHKW (50 kWel, 81 kWth), einer Absorptionskältemaschine (Ammoniak-Wasser-AKM) sowie einer Tiefkühlkaskade mit CO2-Kälteverdichter. Nach abgeschlossener Vormontage beim Technologiepartner wurden beide Energiezentralen steckerfertig von Hoyerswerda nach Döbeln überführt.

TrigenerationPLUS-System

Mit der errichteten LNG-Satellitenanlage – die neben dem Sicherheitsspeicher Abb. 3 auch die patentierte Technik zur Kälterückgewinnung und -übergabe beherbergt Abb. 4 – sowie der redundant ausgeführten Energiezentrale, verfügte der TK-Vertrieb über zwei Primärinstrumente für eine verbrauchseffiziente dezentrale Energieproduktion. Wie sich aus den beiden unabhängigen High-End-Technologien durch einen intelligenten funktionalen Zusammenschluss ein neuer energietechnologischer Entwicklungsstand markieren lässt, zeigt der Prozesskreislauf des TrigenerationPLUS-Systems Abb. 5.

Ausgangspunkt des Verfahrens ist die Rückversetzung des – 149 °C kalten LNG in seinen gasförmigen Ursprungszustand (also NG: Natural Gas). Das Regasifizieren erfolgt über den speziell entworfenen LNG-Wärmeübertrager mit Verdampfer, der die Voraussetzungen für zwei parallel nachfolgende Nutzungsarten schafft:

  • Die im Verdampfungsvorgang freigesetzte Kälteenergie wird an ein Übertragermedium abgegeben und mit einer Temperatur von – 45 °C direkt zu den Kälteerzeugungsaggregaten im Kühlhaus weitergeleitet. Nachdem das Fluid den Abnahmepunkt passiert hat, wird es zum Wärmetauscher zurückgeführt, um erneut nutzbare Kältekapazitäten aus der LNG-Regasifizierung aufzunehmen. Pro m<sup>3</sup> Flüssigerdgas lassen sich bei diesem thermischen Recyclingverfahren bis zu 66 kWh Kälteenergie gewinnen. Die Einsparung an elektrischer Energie, die für denselben Output aufgewendet werden müsste, liegt bei 79 kWh.
  • Zeitgleich dazu wird das rückvergaste LNG in einem weiteren Prozessschritt erwärmt, bis es die erforderliche Temperatur für den BHKW-Eintritt erreicht hat. Das NG dient nun als Verbrennungskraftstoff für einen Otto-Motor, der neben einer elektrischen Leistung von 50 kW auch 81 kW Prozesswärme generiert. Als Koppelprodukt lässt sich die Prozesswärme effektiv für den Antrieb der zugeschalteten Absorptionskältemaschine einsetzen, die ein Kälteniveau zwischen – 6 und – 3 °C erzeugt. Eine zusätzliche Optimierung des Effizienzgrads erzielt das KWKK-System, indem auch die anfallende Kondensationswärme der AKM eine wirksame Weiterverwendung findet – etwa zur Lufttemperierung in den Energiezentralen, aber auch in der Lagerbeheizung oder zur Unterstützung von Abtauvorgängen. Komplettiert wird das Kälteerzeugungsverfahren durch Anbindung einer CO<sub>2</sub>-basierten Tiefkühlkaskade, die mit einer Kälteleistung von 20,4 kW Temperaturen bis zu – 31 °C bereitstellt. Der Einsatz einer Kompressionskältemaschine begrenzt sich damit auf die Versorgungssicherung bei technischem Ausfall oder bei Kapazitätsengpässen. Den Antriebsstrom bezieht die KKM vollständig aus dem BHKW-Betrieb.

Einsatzfelder und Zukunftsperspektiven

Grundsätzlich lässt sich die Erstkonzeption oder die Umstellung auf eine TrigenerationPLUS-Anlage überall dort als sinnvolle Alternative zum konventionellen Energiebezug erwägen, wo ein paralleler Bedarf an allen vier Koppelprodukten (Wärme, Tiefkälte, Kälte, Strom) vorliegt. Auf Basis einer passgenauen Systemauslegung, der Abdeckung auch kleinerer Leistungsklassen und einer flexiblen, modularen Ausführung wird das skizzierte Modell auch für mittlere Betriebe unterschiedlichster Branchenzugehörigkeit interessant.

Mit ihrem maximal optimierten Erzeugungs-Nutzungs-Konzept zeigt die Referenzanlage in Döbeln so neue Chancen für eine wirt-schaftlich wie ökologisch nachhaltige Energieversorgung auf. Die aktuellen Verbrauchs- und Emissionswerte des TrigenerationPLUS-Systems sind ein aussagefähiger Indikator für das hohe Effizienzpotenzial einer kombinierten KWKK-LNG-Lösung. Unter anderem leistet der TK-Vertrieb durch Einsparung von 300 t CO2/a einen wichtigen Beitrag zum lokal umgesetzten Klimaschutz und kann damit Vorreiterfunktion für viele weitere Unternehmen einnehmen, die ihren Energiehaushalt verbessern, reorganisieren oder neu planen wollen.

So wird aus Erdgas LNG

Bei Erdgas im bekannten gasförmigen Aggregatzustand handelt es sich um einen Energieträger mit besonders geringer volumetrischer Dichte. Da die Verfügbarkeit von Erdgas in der Regel an komplexe Verteil- und Lagerprozesse gebunden ist, wird die Entwicklung innovativer Transportsysteme und Speichertechnologien mit Nachdruck vorangetrieben. Gleichzeitig gilt der Flexibilisierung des Energieträgers selbst ein besonderes Interesse: Wird das Gas in einen flüssigen Zustand (Liquefied Natural Gas/LNG) versetzt, ergeben sich daraus geeignete Optionen für die Beförderung in Spezialtankern und für die Aufbewahrung, etwa in größeren Zentrallagern (LNG-Terminals, etwa in Zeebrugge, Belgien, oder Rotterdam, Niederlande) oder auch in sogenannten Satellitenanlagen direkt am Abnahmeort. Um Erdgas zu verflüssigen, wird es auf ein Temperaturniveau von – 162 °C heruntergekühlt und die dabei frei werdende Kondensationswärme abgeführt. Unter atmosphärischem Druck nimmt das Gas einen liquidartigen Zustand an, der eine 600-mal höhere Dichte, also nur noch ein Sechshundertstel des ursprünglichen Gasvolumens (bei 15 °C und Normaldruck von 1,013 bar) aufweist. Durch das spätere Verfahren der Regasifizierung mittels eines Verdampfers, kann das LNG wieder in seinen gasförmigen Ausgangszustand zurückversetzt werden. Bislang blieb das bei diesem Prozess frei werdende Kältepotenzial nahezu vollständig ungenutzt. Flüssigerdgasbehälter müssen gut wärmegedämmt werden, da die Zufuhr von Wärme zur Verdampfung führt. Das gasförmige Erdgas muss abgeführt werden, um einen Anstieg des Drucks im Behälter entgegenzuwirken. Das „Boil-off“-NG kann entweder direkt verbraucht oder durch Rückverflüssigung wieder dem Tank zugeführt werden.

Dipl.-BW (BA) Silvio Müller

ist Leiter Projektmanagement Energiesysteme bei der Yados GmbH, 02977 Hoyerswerda, silvio.mueller@yados.de, www.yados.de

Dipl.-Ing. Silvio Knorr

ist Projektingenieur bei der Eco ice Kälte GmbH, 04552 Borna, knorr@eco-ice.net, www.eco-ice.net

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