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Holger Thiesen über den Klimatechnik- und Wärmepumpenmarkt

“Bisher nicht ein Projekt, bei dem Kältemittelmangel ein Thema war“

Ständig neue Herausforderungen durch Gesetzgeber, Klimawandel und den Markt oder kontinuierlich neue Herausforderungen im Objektgeschäft – Mitsubishi Electric scheint nichts aus der Ruhe zu bringen, wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung der letzten zehn Jahre anschaut. Im Gegenteil: Mit zahlreichen Neu- und Weiterentwicklungen von Produkten in den letzten Jahren posit-ioniert sich das Unternehmen einmal mehr als einer der Innovations- und Technologieführer der Branche.

TGA: Herr Thiesen, wie ist das Jahr 2018 für Mitsubishi Electric verlaufen?

Thiesen: Die Geschäftsentwicklung in 2018 war für uns überraschend gut – trotz der zahlreichen Vorhersagen in puncto eines harten Kältemittelausstiegs bei R410A, der natürlich seine Spuren hinterlassen hätte. Die vergangenen eineinhalb Jahre waren extrem durch diese Kältemitteldiskussion geprägt. Letztendlich zählt R410A aktuell – wie durch uns prognostiziert – weiterhin zu den festen Lösungen im Markt. Gleichzeitig bieten wir unseren Partnern alternativ eine Fülle an Produkten mit anderen Kältemitteln, beispielsweise R32, R744 (CO2), R513A oder R1234ze. Diese Produkte haben ebenfalls einen Platz im Markt gefunden und setzen sich allmählich weiter durch – da, wo sie besser geeignet oder effizienter als Produkte mit dem Kältemittel R410A sind.

TGA: Welchen Einfluss hatte der außergewöhnlich warme und lange Sommer 2018?

Thiesen: In der Unternehmenszentrale Ratingen sind wir nicht nur für Deutschland, sondern auch zahlreiche Märkte im europäischen Ausland verantwortlich. Deswegen können wir sagen, dass dieses Wetterphänomen nicht in ganz Europa durchgängig war, sondern wir in zahlreichen Märkten sogar einen äußerst durchwachsenen Sommer erlebt haben. Gerade unsere typischen Volumenmärkte in Osteuropa waren durch einen eher mittelmäßigen Sommer geprägt. Das hat insbesondere im Klein-Klimageräte-Markt lange nicht zu der Performance wie in Westeuropa geführt. Insgesamt haben sich diese gegensätzlichen Entwicklungen aber mehr als ausgeglichen, sodass wir mit der Gesamtentwicklung äußerst zufrieden sind.

TGA: Wenn wir den Markt differenziert nach Produktgruppen betrachten – galt die positive Entwicklung 2018 uneingeschränkt für alle Technologien?

Thiesen: Insbesondere im deutschen Markt wurden wir in den Sommermonaten von einer extrem hohen Nachfrage nach Klein-Klimageräten überrascht. Es fehlten im Markt vor allen Dingen Einbaukapazitäten. Nach unserer derzeitigen Einschätzung wird sich das Geschäft in diesem Bereich bis tief in den Winter hinein ausdehnen und so dem Fachhandwerk die Möglichkeit bieten, Aufträge abzuarbeiten. Unserer Meinung nach haben wir bei Klein-Klimageräten noch lange nicht die maximale Marktentwicklung erreicht. Wenn wir unseren Auftragseingang sehen, dann wird sich der Absatz für unsere M-Serie in den kommenden Jahren weiter erhöhen.

Im Bereich der kommerziellen Anwendungen mit unseren Mr.-Slim-Geräten hat sich der Markt stabil gezeigt. Eigentlich hatten wir erwartet, dass aufgrund der Kältemitteldiskussion insbesondere Ladenketten nur zögerlich investieren. Das hat sich jedoch nicht bestätigt. Deswegen sehen wir für 2018 Zahlen über dem Vorjahr. Hierbei hilft uns die Kältemittelvielfalt, die wir mit unseren Produkten bieten können.

Das VRF-Geschäft mit unserer City-Multi-Serie läuft äußerst positiv. Auch hier bieten wir seit Frühjahr 2018 eine alternative Variante mit R32 an. Anhand der Vorlaufdaten können wir erkennen, dass sich der Markt weiterhin sehr gut entwickeln wird. Unser Angebot an Hybrid-VRF-Systemen bewegt sich in die gleiche Richtung. Es zahlt sich aus, dass wir bei beiden Systemen die Kältemittelmenge im Gebäude deutlich reduzieren konnten. Beim Hybrid-VRF-System können unsere Partner seit der Chillventa 2018 flexibel auf der Basis von R410A oder R32 planen.

Der Wärmepumpen-Markt entwickelt sich ebenfalls extrem positiv – und daran partizipieren wir. Unsere neuen Ecodan-Wärmepumpen sind im Markt sehr gut angenommen worden. Das gilt nicht nur für den Einsatz in Ein- und Zweifamilienhäusern, sondern auch in gewerblichen Anwendungen. Dabei hilft uns die Kaskadierbarkeit bis zu einer Heizleistung von 138 kW.

In puncto Kaltwassererzeugern ist es uns gelungen, das Programm von Climaveneta mit den Werten und Qualitäts-Maßstäben von Mitsubishi Electric anzureichern. Das wird vom Markt honoriert und insofern schauen wir zufrieden auf die Wachstumsraten, die deutlich machen, dass wir Marktanteile gewinnen und in diesem Segment Fuß gefasst haben. Bei der IT-Kühlung muss man deutlich nach zwei Marktsegmenten unterscheiden. In Großprojekten sind die Entscheidungswege extrem lang und führen teilweise auch über mehrere Kontinente. Dafür braucht man ein gewisses Durchhaltevermögen und japanisch geprägte Ruhe, die wir mitbringen. Bei kleinen und mittleren Rechenzentren haben wir bereits einen guten Eindruck hinterlassen. Dabei kommt die Stärke des Fachhandwerks zum Tragen, mit dem wir seit Langem zusammenarbeiten. Wir sind auch in diesem Fall auf einem gesunden Wachstumskurs. Das hat auch die Chillventa und das große Interesse der Besucher für unsere Lösungen in der IT-Kühlung gezeigt.

TGA: Was war aus Ihrer Sicht über alle Bereiche hinweg entscheidend für die derzeitige gute Entwicklung?

Thiesen: In erster Linie handelt es sich dabei immer um das Produktprogramm mit seinen Lösungen in der Gesamtheit. Der fortlaufende enge Dialog mit unseren Kunden sowie die kontinuierliche Marktbeobachtung helfen uns dabei, unsere bestehenden Produkte weiterzuentwickeln und auch ganz neue Lösungen zu präsentieren. Das lässt sich sehr gut anhand des Hybrid-VRF-Systems sehen, das wir auf den Markt gebracht haben, lange bevor die Kältemittel-Diskussion in der bekannten Schärfe anfing. Unsere gesamte Mannschaft im Außen- und Innendienst funktioniert an dieser Stelle wie ein Seismometer und fängt die Strömungen im Markt auf. Diese Informationen laufen in der Zentrale zusammen und werden dann ständig ausgewertet.

TGA: Vor zwei Jahren hat Mitsubishi Electric gesagt: „Wer sich jetzt eine Anlage mit R410A zulegt, wird diese über die gesamte Lebenszeit problemlos betreiben können.“ Stehen Sie weiterhin zu dieser Aussage?

Thiesen: Es ist natürlich sehr schwierig, gegenwärtig den Kältemittel-Markt vorherzusagen, aber lassen Sie uns die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre anschauen. 2017 war durch eine enorme Überhitzung des Kältemittelmarktes geprägt – mit teilweise fragwürdigen Vorgehensweisen. Dadurch waren zum Ende des Jahres Verfügbarkeiten bei allen Kältemitteln plötzlich nicht mehr für jeden Marktteilnehmer gegeben. 2018 hat sich die Lage sehr schnell entspannt und wir hatten bislang kein einziges Projekt, in dem Kältemittelmangel ein Thema gewesen wäre.

Insbesondere R410A ist ja auch in der Zukunft nicht verboten. Das Kältemittel wird weiterhin einsatzfähig sein. Man wird nur mehr darüber nachdenken, wofür es verwendet wird. Die Frage, ob R410A in fünf oder zehn Jahren für den Servicebereich zur Verfügung steht, ist keine rechtliche, sondern eine rein kommerzielle Entscheidung. Dafür müssen wir uns die Preisentwicklung anschauen. Der Preis für R410A ist gestiegen und wird weiter steigen. Derzeit geben Hersteller teilweise bereits Preisgarantien von rund 56 Euro/kg für die kommenden Jahre ab. Wenn ein Hersteller von Kältemitteln das eine Produkt für 56 Euro/kg und das andere für 20 Euro/kg verkaufen kann, wird er nicht auf das Produkt für 56 Euro/kg verzichten. Denn der Mehrpreis fließt ja nicht in Steuern oder Abgaben. Insofern bin ich mir sicher, dass die Kältemittelindustrie auch künftig einen ausgewogenen Mix an Kältemitteln anbieten wird.

Letztendlich handelt es sich beim Phase-down-Szenario ausschließlich um eine schrittweise, künstliche Beschränkung der am Markt verfügbaren Mengen an teilfluorierten Kohlenwasserstoffen bis zum Jahr 2030 auf ein Fünftel der heutigen Verkaufsmengen. Dazu zählt auch R410A. Der F-Gase-Phase-down hat jedoch keine Auswirkungen auf aufbereitetes Kältemittel, das sich bereits im Markt befindet und umweltschonend wiederverwendet wird. Dieses Recycling wird bereits praktiziert und erzeugt technisch einwandfreies Kältemittel, das die gleichen Eigenschaften wie neu hergestelltes Kältemittel hat.

TGA: Wie sieht dieses Argument gerade am Wärmepumpen-Markt für Anwendungen im Ein- und Zweifamilienhaus aus? Der Markt wächst deutlich und ist bislang bei allen Marktteilnehmern nahezu ausschließlich auf R410A ausgerichtet. Kann das in den kommenden Jahren so weitergehen?

Thiesen: Zunächst einmal: Auch wenn sich der Markt mit rund 80 000 Heizungs-Wärmepumpen jährlich sehr interessant anhört, benötigt er im Vergleich zum Klimamarkt verhältnismäßig geringe Mengen an Kältemitteln. Dennoch werden wir aus unserer Sicht in den kommenden Jahren neue Trends sehen. Diese Entwicklungen werden nicht ausschließlich das Kältemittel betreffen, sondern auch mit der eingesetzten Technologie korrespondieren. Denn es wird unter anderem darüber nachgedacht, welche Kältemittel ich räumlich in das Haus hole – oder ob ich sie außerhalb des Gebäudes in einer Monoblock-Lösung einsetze, die mir insgesamt die beste Effizienz und gleichzeitig größtmögliche Sicherheit garantiert.

Natürlich bietet sich bei Wärmepumpen für den Einsatz im Ein- und Zweifamilienhaus eine Zwischenlösung über R32 an. Die Technologie ist aus der Klimatechnik bekannt und als Alternative zu R410A bewährt. Wir glauben jedoch nicht, dass dies auf Dauer den Markt wie derzeit R410A dominieren wird. Vielmehr wird man in den kommenden Jahren über neue Gesamtlösungen nachdenken, die sowohl das Kältemittel als auch die Wärmepumpentechnik beinhalten. An diesem Punkt befinden sich aktuell alle namhaften Hersteller.

TGA: Wenn wir einen Blick auf 2019 werfen – wovon gehen Sie in der weiteren Marktentwicklung aus?

Thiesen: Alle angesprochenen Teilmärkte, Technologien und Produkte bieten nach unserer Ansicht auch 2019 weiteres Wachstumspotenzial. Was der Branche und nahezu allen ähnlich strukturierten Märkten mittlerweile fehlt, sind sowohl Einbau- als auch Transportkapazitäten. In diesem Bereich liegen derzeit die Grenzen des Wachstums – nicht in der Aufnahmekapazität der Märkte. Insbesondere in Deutschland sind wir in diesem Jahr an die Grenzen der Logistik gestoßen. Unsere eigenen Speditionen können den Transport noch pünktlich erfüllen, beim nächsten Schritt vom Schiff auf die Straße waren Lkw und Fahrer kaum noch verfügbar. Das wurde 2018 durch den geringen Wasserstand der Flüsse noch verschärft, weil Ware von der Binnenschifffahrt auf die Straße verlagert werden musste.

TGA: Herr Thiesen – vielen Dank für das Gespräch.

Vita

Holger Thiesen (Jahrgang 1961), Dipl.-Ing. für Produktionstechnik, ist seit Juli 2008 für Mitsubishi Electric tätig, seit Januar 2019 Vice President Mitsubishi Electric Europe B.V. German Branch und seit 2011 General Manager des Geschäftsbereichs Living Environment Systems. 2010 hatte Mitsubishi Electric den ursprünglichen Geschäftsbereichs Air Conditioning in Living Environment Systems (LES) umbenannt, um der wachsenden Bedeutung von Geschäftsfeldern außerhalb des Kernsegments im Klimagerätemarkt Rechnung zu tragen. www.mitsubishi-les.de