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Dezentrale Wohnungslüftung

Push-Pull-Prinzip: Ist das nachhaltig?

Kompakt informieren

  • Dezentrale Lüftungskonzepte mit alternierend betriebenen „Push-Pull-Geräten“ werden immer häufiger verwendet, obwohl zahlreiche Unsicher-heiten beim Einsatz von dezentralen alternierenden Lüftungsgeräten bestehen.
  • Gegenüber technisch einfacheren Lösungen mit definierten Luftdurchlässigkeiten (Freie Lüftung) bieten sie eine Wärmerückgewinnung, benötigen aber Antriebsenergie und ihr Ventilator ist eine Geräuschquelle.
  • In einer Gesamtbetrachtung und -bewertung stellt sich die Frage, ob eine Fugenlüftung nicht die ökonomisch und ökologisch zweckmäßigere Variante ist.

DIN 1946-6 [1] fordert zur Gewährleistung der hygienischen Behaglichkeit und zur Vermeidung von Feuchteschäden einen Mindestaußenluftvolumenstrom im Wohnbereich. Für die Zuführung dieses Luftvolumenstroms gibt es drei Hauptgruppen: Freie Lüftung, ventilatorgestützte Lüftung und kombinierte Lüftungssysteme. Die ventilatorgestützte Lüftung unterscheidet in Abluft-, Zuluft- und Zu-/Abluftsysteme. Grundsätzlich sollten (müssen) die Systeme den allgemeinen Anforderungen nach [1] gerecht werden, sie betreffen:

  • den Brandschutz (Brennbarkeit der Materialien und Übertragung von Feuer und Rauch in andere Geschosse),
  • den Schallschutz, einschließlich einzuhaltender Schutzmaßnahmen,
  • die Einhaltung der thermischen Behaglichkeit und
  • die Realisierung geforderter Luftvolumenströme für besondere Räume mit oder ohne Nutzerunterstützung.

In einem Forschungsvorhaben [5] wurde eine Systemlösung nach dem „Push-Pull-Prinzip“, auch als alternierende Betriebsweise bezeichnet, untersucht. Obwohl die Studie zu dem Forschungsvorhaben trotz Ankündigung noch nicht zugänglich ist, gibt es schon einige Publikationen (u. a. [4]) sowie Stellungnahmen dazu.

Bemerkungen

Eine grundlegende Kernaussage der Studie bzw. der alternierenden Betriebsweise ist, dass die Wirkungsweise analog einer Verdünnungslüftung (Mischlüftung) ist. Der Begriff Push-Pull wurde schon im Rahmen von möglichen Wärmerückgewinnungssystemen in den 1990er-Jahre für ein Gerät aus der Schweiz verwendet. Diese Lösung hat sich jedoch kaum durchgesetzt.

Die Funktionsweise aktueller Push-Pull-Geräte – im eigentlichen Sinn ein ALD (Außenluftdurchlasselement) – zeigt Abb. 1. Der ALD wird ergänzt durch einen „Wärmespeicher“ (deshalb im Weiteren auch als ALDWRG bezeichnet) und einem Pendelventilator (alternierende Ventilatordrehrichtung).

Die Wärmerückgewinnung erfolgt über einem Kurzzeit-Wechselspeicher (Regenerator). Die in [3] ausgewiesenen „Rückwärmzahlen“ (richtigerweise Temperaturübertragungsgrad) im Bereich von 90 % erscheinen unrealistisch hoch, zumal Zu- und Abluftvolumenstrom in der gleichen Größe sind und nur eine Temperaturübertragung erfolgt. Eine Taupunktunterschreitung im Speicher sollte nicht vorhanden sein.

Bei einer Recherche in Produktinformation zu einem dezentralen Wohnungslüftungsgerät mit WRG von Tecalor [7] zeigte sich, dass es sich bei dem ausgewiesenen Wert von ca. 90 % um einen „Wärmebereitstellungsgrad“ nach DIN V 18599-6 [8] handelt. Dieser ist ebenda wie folgt definiert:

„Für die Bestimmung des Gesamt-Temperaturänderungsgrades der Wärmerückgewinnung im Lüftungsgerät j t,unit,j nach Gleichung (16), ist der Prüfwert des Temperaturänderungsgrades ‘t,unit,j zu verwenden. Der Prüfwert des Temperaturänderungsgrades charakterisiert die Temperaturerhöhung der Zuluft, bezogen auf die maximal mögliche Temperaturerhöhung. Der Temperaturänderungsgrad kann als Heizperiodenmittel angegeben werden. In den Prüfwert des Temperaturänderungsgrades des Lüftungsgerätes gehen neben der Betriebscharakteristik des Wärmeübertragers (WÜT) auch die Abwärme von elektrischen Komponenten (Ventilatoren, Regelung) und die thermischen Auswirkungen von inneren Geräteleckagen ein.

Als Prüfwert des Temperaturänderungsgrades des Lüftungsgerätes können die im Rahmen der nationalen Zulassung der Lüftungsgeräte bestimmten Kennwerte

  • Wärmebereitstellungsgrad, oder
  • Temperaturänderungsgrad auf Basis europäischer Prüfnormen (DIN EN 13 142 in Verbindung mit DIN EN 308 bzw. DIN EN 13 141-7 sowie DIN EN 13 141-8) verwendet werden.“

Weiterhin werden nach [3] mindestens zwei Geräte für einen Raum benötigt, die zeitlich gegenläufig arbeiten. Ob, wie in Abb. 2 nach [4] dokumentiert, auch eine Durchströmung von mehreren Räumen durch Schalten der einzelnen Geräte als Zu- bzw. Abluftgeräte erfolgreich sein kann, wäre hinsichtlich der möglichen auftretenden Druckverluste zwischen den Räumen erst in der Praxis zu überprüfen.

Leider ist aus den bisher vorliegenden Dokumentationen u. a. nicht ersichtlich:

  • in welcher Größenordnung die Schall-leistungspegel eines einzelnen Gerätes bzw. der zwei notwendigen liegt,
  • wie groß der Anschlusswert der Pendelventilatoren ist,
  • in welcher Größenordnung der Luftvolumenstrom liegt und ob die nach [1] geforderten Werte in welcher Kategorie eingehalten werden,
  • ob die Wärmerückgewinnung wartungsarm ist und
  • wie aufwendig und wie häufig notwendig der Filterwechsel ist.

KWL vs. Fugenlüftung

In den bisherigen Verordnungen zum energiesparenden Wärmeschutz und aktuellen Verordnung [2] liegt ein Fokus auf der Minimierung der Lüftungswärmeverluste. Dies hat unter anderem dazu geführt, dass sowohl auf die Dichtheit des Gebäudes (Blower-Door-Methode) als auch auf die Dichtheit der Fensterkonstruktion besonders geachtet werden muss, § 6 Abs. 1 EnEV 2016: „Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche einschließlich der Fugen dauerhaft luftundurchlässig entsprechend den anerkannten Regeln der Technik abgedichtet ist.“

Dabei schreibt die EnEV [für Neubauten] kein System zur Lüftung von Räumen vor, § 6 Abs. 2 EnEV 2016 fordert „nur“: „Zu errichtende Gebäude sind so auszuführen, dass der zum Zwecke der Gesundheit und Beheizung [Anmerkung: bei raumluftabhängigen Feuerstätten] erforderliche Mindestluftwechsel sichergestellt ist.“

Hinsichtlich der Minimierung der Transmissionswärmeverluste soll zudem der Einfluss konstruktiver Wärmebrücken in der Außenwandkonstruktion auf den Jahres-Heizwärmebedarf nach den anerkannten Regeln der Technik und den im jeweiligen Einzelfall wirtschaftlich vertretbaren Maßnahmen so gering wie möglich gehalten werden.

Die hohen Anforderungen an die Dichtheit bzw. Minimierung der Lüftungsheizlast führen zwangsläufig zu dezentralen bzw. zentralen Lüftungssystemen (auch als kontrollierte Wohnungslüftung bzw. KWL) bezeichnet, obwohl auch die freie Lüftung eine Lösung sein kann, um die hygienischen Aspekte in Wohnungen gewährleisten zu können.

Die KWL, ob dezentral oder zentral, ist als sinnvoll und notwendig zu bewerten, wenn es einerseits um geringe Schadstoffkonzentrationen (auch Allergene ) oder die Verringerung akustischer Belastungen (z. B. Verkehrslärm) im Raum oder andererseits um Ansprüche an den gewünschten Wohnkomfort geht.

Unter diesem Aspekt sollte eine kontrollierte Fugenlüftung (mit definierter Fugendurchlassfähigkeit) eines Fensters einer nachhaltigen Betrachtung Abb. 3 unterzogen werden. Verdeutlicht man sich die Funktion einer Fensterfuge Abb. 4, ist erkennbar, dass die Funktionen Filterung und Schalldämmung und bei einer konstruktiv vorgegebenen Fugendurchlässigkeit eine Belüftung eines Raumes durch freie Lüftung (in der Regel ein Außenluftwechsel in der Größenordnung von 0,3 bis 0,5 h-1) in Form der Mischlüftung gegeben sind. Gegenwärtig sind Fensterkonstruktionen mit einer vorgegebenen Fugendurchlässigkeit verfügbar, jedoch etwas kostenintensiver.

Jeder konstruktive Eingriff in die Außenwandkonstruktion bzw. Fensterkonstruktion in Form eines ALD WRG sind diesbezüglich die Freiheitsgrade etwas größer, zudem gibt es Fenster, bei denen ALDWRG integriert sind.

Grundsätzlich ist zu bedenken, dass separate (sichtbare) Öffnungen für einen ALD/ALDWRG in der Außenwand auch aus architektonischer Sicht problematisch (unerwünscht) sind und die Anordnung der Zuluftdurchlässe und dessen Gestaltung an der Innenseite der Außenwand oder im Kämpfer des Fensters Einfluss auf die Raumströmung und auch auf die Raumgestaltung haben. Besonders die Zuluftdurchlässe sind so zu gestalten, dass eine Wartung der Filter und auch der Ventilatoren möglich ist.

Unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit der Lüftung von Wohnräumen erscheint dem Autor eine Fugenlüftung gegenüber dezentralen Lüftungssystemen über ALD oder ALDWRG die ökonomisch und ökologisch zweckmäßigere Variante zu sein.

Schlussfolgerungen

  • Die auszugsweise Publizierung von Ergebnissen aus Studien zur alternativen Betriebsweise eines ALD<sub>WRG</sub> ist kontraproduktiv, da es momentan keinen Zugriff zu diesen Studien gibt (zumindest Forschungsvorhaben EwWalt).
  • Die vorgestellte Lösung einer dezentralen Belüftung von Wohnräumen bedarf einer kritischen Bewertung hinsichtlich ihrer Praxistauglichkeit.
  • Nur der Aspekt, dass mit dieser Lösung eine adäquate Form der Mischlüftung möglich ist, erscheint als Ergebnis einer Studie zu mager.
  • Bei Veröffentlichung projektrelevanter Daten sollten die normgerechten Bezeichnungen verwendet werden, um eventuelle Fehlinterpretationen zu vermeiden.
  • Bei der notwendigen Belüftung von Räumen sollte nicht nur der energetische Aspekt (bisher vorrangig durch die EnEV gefordert) berücksichtigt werden, sondern insbesondere Aspekte, die die Nachhaltigkeit einer Lösung beeinflussen.
  • Der Autor ist (nach wie vor) der Meinung, dass eine vorgegebene Fugenlüftung einer Fensterkonstruktion ökonomisch sinnvoll, praktikabel, nutzerfreundlich ist und ausreicht, die Forderungen entsprechend DIN 1946-6 zu erfüllen. Damit wird nicht in Abrede gestellt, dass unter bestimmten Randbedingungen eine KWL sinnvoll und zweckmäßig sein kann, wobei eine zentrale KWL zu bevorzugen ist.

Literatur

[1] DIN 1946-6 (Entwurf): Raumlufttechnik – Teil 6: Lüftung von Wohnungen – Allgemeine Anforderungen, Anforderungen an die Auslegung, Ausführung, Inbetriebnahme und Übergabe sowie Instandhaltung. Berlin: Beuth Verlag, Januar 2018

[2] EnEV 2016: Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV) vom 24. Juli 2007 (BGBl I Seite 1519), zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 24. Oktober 2015 (BGBl I Seite 1789) geändert

[3] Europäisches Testzentrum für Wohnungslüftungsgeräte (TZWL), Özbiyik, T.: Ringversuch zum Vergleich des Prüfverfahrens für dezentrale Lüftungsgeräte mit alternierender Ventilatordrehrichtung zwischen drei Prüfstellen zur energetischen Bewertung. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2017

[4] Dezentrale Wohnraumlüftung hat hohe Lüftungseffizienz. Stuttgart: TGAnewsletter 10c-2018 vom 25. Oktober 2018  Webcode  845050

[5] EwWalt Energetische Bewertung dezentraler Einrichtungen für die kontrollierte Wohnraumlüftung mit alternierender Betriebsweise. Forschungsprojekt der Projektpartner: RWTH Aachen, Forschungsgesellschaft HLK Stuttgart mbH und ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden; Fördergeber: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Förderkennzeichen SWD-10-08.18.7-16.32

[6] Trogisch, A., Reichel, M.: Planungshilfen Lüftungstechnik. Berlin: VDE-Verlag, 6. Auflage, 11-2017

[7] Produktinformation der Firma Tecalor, www.tecalor.de

[8] DIN V 18599-6 Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung – Teil 6: Endenergiebedarf von Lüftungsanlagen, Luftheizungs-anlagen und Kühlsystemen für den Wohnungsbau. Berlin: Beuth Verlag, September 2018

Prof. Dr.-Ing. (em.) Achim Trogisch

Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH), Fakultät Maschinenbau, Lehrgebiet TGA, Telefon (03 51) 4 62 27 89, achim.trogisch@mw.htw-dresden.de, www.htw-dresden.de