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Nicht wesentliche Abweichung bei Leitungsabschottungen

Nicht konform aber baurechtskonform

Kompakt informieren

  • Eine nicht wesentliche Abweichung von einem Verwendbarkeitsnachweis ist grundsätzlich durch den Hersteller der Bauart, also denjenigen, der das Brandschutzsystem montiert, zu bestätigen. Der Hersteller der Bauart kann sich hierbei der Unterstützung der Bauprodukthersteller bedienen.
  • Ob eine Abweichung wesentlich oder nicht wesentlich ist, kann anhand von drei Fragen eingeschätzt werden.
  • Für die Bestätigung einer Übereinstimmung mit nicht wesentlichen Abweichungen gibt es keine Formvorgaben. Es ist aber zu empfehlen, sich an den Übereinstimmungsbestätigungen aus den Verwendbarkeitsnachweisen zu orientieren.

In Deutschland bedürfen brandschutztechnische Rohr- und Kabelabschottungen eines nationalen Verwendbarkeitsnachweises (§ 16a MBO, Anhang 4 Pkt. 6.2 und 6.3 Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen MVV TB), um als erforderlich Brandschutzmaßnahme verbaut werden zu dürfen. Das Vorliegen einer europäischen technischen Bewertung (ETA) alleine reicht nicht aus, mit einer ETA darf das Produkt in Deutschland ausschließlich gehandelt, aber nicht als erforderliche Brandschutzmaßnahme verwendet werden.

Ein solcher Verwendbarkeitsnachweis wurde bisher durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Form einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung erteilt. Nach Anpassung des Baurechts an das europäische Recht wird dieses Dokument zukünftig als allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) bezeichnet. Für Produkte, die nach einem allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt werden können, ist ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis (abP), ausgestellt durch eine Materialprüfanstalt (MPA), notwendig (§ 19 Musterbauordnung MBO, Download: www.bit.ly/is_mbo ), eine Übersicht der Landesbauordnungen inklusive Downloads steht auf www.feuertrutz.de ).

Wird beispielsweise eine Brandschutzmanschette um ein Rohr montiert, so wird eine Bauart im Sinne von § 2 Abs. 11 MBO erstellt (siehe auch „Die Verwendbarkeit richtig nachweisen“, TGA 04-2019,  Webcode  867953). Die Bauart ist in diesem Fall die Brandschutzabschottung einer Leitungsanlage. Sie besteht typischerweise aus verschiedenen Bauprodukten, z. B. Wand, Rohr, Brandschutzmanschette, Befestigung und Isolierung. Derjenige, der diese Bauart im Bauwerk herstellt, muss die Übereinstimmung mit den technischen Baubestimmungen und insbesondere den Verwendbarkeitsnachweisen bestätigen und die Bauart mittels Beschilderung kennzeichnen Abb. 3.

In den Mustern der Übereinstimmungsbestätigungen, die sich in den Verwendbarkeitsnachweisen bzw. Einbauanleitungen finden, steht der folgende Satz:

„Hiermit wird bestätigt, dass die Rohrabschottung […] hinsichtlich aller Einzelheiten fachgerecht und unter Einhaltung aller Bestimmungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung […] eingebaut [..] wurde.“

Nun ist es nicht immer möglich, sämtliche Vorgaben vollständig einzuhalten. Um diesem Umstand gerecht zu werden, haben die Verfasser der Musterbauordnung klargestellt, dass „als Übereinstimmung […] auch eine Abweichung, die nicht wesentlich ist“, gilt (§ 16a Abs. 5 MBO). Ein Satz der die tägliche Baupraxis ermöglicht, aber gleichzeitig inhaltlich schwer zu greifen ist.

Das Verfahren

Die Übereinstimmung ist immer durch den Anwender der Bauart, also denjenigen, der beispielsweise die Brandschutzmanschette montiert, zu erklären (§ 16a Abs. 5 MBO). In Unternehmen muss dies nicht zwingend der einzelne Monteur sein, sondern es kann sich aus betrieblichen Regelungen ergeben, dass dieses Dokument durch Führungskräfte unterzeichnet wird.

Auch im Falle einer sogenannten nicht wesentlichen Abweichung muss die Übereinstimmungsbestätigung durch den Anwender erfolgen, wie sich aus dem Verweis auf § 21 Abs. 2 MBO ergibt. Dies bedeutet auch, dass diese Erklärungen nicht durch die Hersteller der Abschottungssysteme, durch Sachverständige oder sonstige Dritte abgegeben werden kann.

Grundsätzlich können aber Hersteller von Abschottungssystemen und – bei besonderem Fachwissen im Bereich der jeweils betroffenen Bauprodukte – Sachverständige den Verwender der Bauart mit technischen Stellungnahmen unterstützen, die dieser als Beleg zu seinen Akten nimmt.

Sollte keine „nicht wesentliche Abweichung“ vorliegen, sondern die Abweichung doch wesentlich sein, bleibt (ohne Erweiterung der aBG) nur der Weg über eine „Zustimmung im Einzelfall“ (ZiE) gemäß § 20 MBO, die für das konkrete Bauvorhaben gilt.

Für die Erteilung einer solchen ZiE ist immer die für den Bauort zuständige oberste Bauaufsicht zuständig. Im besten Fall wird eine solche ZiE erteilt und es kostet nur Zeit und Geld. In vielen Fällen wird die Erteilung aber verweigert, da es zulässige Lösungen gibt und diese vorrangig anzuwenden sind. Deshalb ist es immer sinnvoll, möglichst frühzeitig mit der obersten Bauaufsicht zu sprechen, ob eine entsprechende Zustimmung erteilt wird. Für die typischen Problemfälle und insbesondere kurz vor Abnahme der Abschottung, ist der Versuch eine ZiE zu erwirken, praktisch unmöglich.

Im Verfahren zur Erteilung einer ZiE können Bauprodukthersteller und Sachverständige durch technische Stellungnahmen die Arbeit der zuständigen Behörde unterstützen, aber diese bleibt Herrin des Verfahrens und kann auch ergänzende Versuche etc. verlangen.

Nur schwer zu fassen: Wann ist eine Abweichung nicht wesentlich?

Der Begriff der Nichtwesentlichkeit ist nicht eindeutig definiert und nur schwer zu fassen. Anhand der nachfolgenden drei Fragen, ist eine systematische Annäherung an den Einzelfall möglich:

1. Ist es ist keine gänzlich vom Verwendbarkeitsnachweis abweichende Verwendung? Wird ein Bauprodukt in einer Bauart in völlig anderer Art und Weise eingesetzt, als im Verwendbarkeitsnachweis beschrieben, handelt es sich keinesfalls um eine nicht wesentliche Abweichung (n.w.A.). Ein solcher Fall kann beispielsweise vorliegen, wenn eine Brandschutzmanschette statt für ein brennbares Rohr für ein nichtbrennbare Rohr oder zur Abschottung von Lüftungsleitungen verwendet werden soll.

Durch die Andersartigkeit der Verwendung ist grundsätzlich, unter Hinzuziehen der Hersteller der enthaltenen Bauprodukte umfassend zu prüfen, ob in der konkreten Anwendung das Produkt überhaupt wie vorgesehen funktionieren kann. Auf Basis einer solchen Begutachtung und gegebenenfalls weiterer Untersuchungen wäre möglicherweise die Erteilung einer ZiE möglich. Im Regelfall ist davon aber nicht auszugehen.

2. Ist die Funktionssicherheit für die notwendige Dauer sichergestellt? Weiterhin ist auf Basis einer Einschätzung der Bauprodukthersteller und gegebenenfalls weiterer spezieller Sachverständiger zu prüfen, ob der Feuerwiderstand für die geforderte Dauer sichergestellt ist. Bestehen hieran Zweifel, so muss entweder die Bauart konstruktiv verbessert oder der notwendige Feuerwiderstand durch andere Maßnahmen (Kompensationen) reduziert werden.

Hinsichtlich der Optimierung der Bauart können die Bauproduktehersteller im Regelfall unterstützen. Bezüglich der Anpassung der Feuerwiderstandsdauer ist der das Objekt verantwortlich betreuende Brandschutzplaner bzw. -sachverständige hinzuzuziehen. Es sei angemerkt, dass ein solches Vorgehen mit erheblichem Aufwand verbunden ist.

Für den Fall, dass der Bauproduktehersteller über keine relevanten Prüferfahrungen oder anderweitige Erfahrungen bezüglich der konkreten Situation verfügt, wird er hierzu keine positive Aussage tätigen können.

3. Ist die Lösung zulassungsfähig? Abschließend muss die Bauart überhaupt zulassungsfähig sein, um als nicht wesentliche Abweichung gelten zu können. Ist die Genehmigungsfähigkeit nicht gegeben, weil etwa im großen Rahmen leicht entflammbare Baustoffe verwendet werden, kann sich der Hersteller der Bauart sich nicht einfach über diese Einschränkungen hinwegsetzen. Bezüglich der einzelnen eingesetzten Bauprodukte können deren Hersteller Aussagen machen und den Anwender der Bauart unterstützen.

Bestätigung der nicht wesentlichen Abweichung durch den Anwender

Für die Bestätigung der nicht wesentlichen Abweichung durch den Anwender der Bauart gibt es keine ausdrücklichen Formvorschriften, die über die Anforderung der Verwendbarkeitsnachweise hinausgehen. Dort wird gefordert, dass die Bestätigung schriftlich gegenüber der Bauherrschaft zu erfolgen hat. Die beigefügten Musterformulare stellen einen Vorschlag dar, der den typischen Inhalt beschreibt.

Wichtig ist, nicht zu bestätigen, dass alle Bestimmungen des Verwendbarkeitsnachweises eingehalten wurden, sondern darauf hinzuweisen, dass eine nicht wesentliche Abweichung vorliegt. Ein möglicher Textbaustein könnte wie folgt lauten:

„Die Rohrabschottung wurde fachgerecht und gemäß der bauaufsichtlichen Bauartgenehmigung / Zulassung eingebaut. Es wurde bezüglich … in Rücksprache mit … des Brandschutzsystems nicht wesentlich abgewichen.“

Auf Verlangen der Bauüberwachung bzw. Bauherrschaft kann eine schriftliche Bestätigung über die Abstimmung beigefügt werden. Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass derjenige, der eine nicht wesentliche Abweichung bestätigt bzw. hierzu Stellung nimmt, für diese Aussage haftet. Deshalb ist grundsätzlich anzustreben, möglichst zulassungskonform ohne Abweichungen zu bauen.

Carsten Janiec, M.Sc.,

ist Leiter Vertriebsmanagement Brandschutz-Systeme bei Doyma, 28876 Oyten, www.doyma.de

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