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Berlin

Gebäudekommission fällt wohl unter den Tisch

Häufig wird der Koalitionsvertrag auf die Goldwaage gelegt, um auf vereinbartes zu pochen oder um Unliebsames nicht anfassen zu müssen. Beispielsweise markiert die Festlegung im GroKo-Vertrag bezüglich der Zusammenführung von EnEV, EnEG und EEWärmeG zu einem Gebäudeenergiegesetz „Dabei gelten die aktuellen energetischen Anforderungen für Bestand und Neubau fort.“ eine rote Linie.

Die Einrichtung von insgesamt 15 neuen Kommissionen auf wichtigen Politikfeldern kündigt der Koalitionsvertrag an. Besonders im Rampenlicht stand zuletzt die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“, meistens Kohlekommission genannt, da eine Nennung der Kernaufgabe – einen Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, einschließlich eines Abschlussdatums zu erarbeiten – wohl nicht attraktiv erschien.

Aufgabe der Kohlekommission war, ursprünglich bis Ende 2018, ein Aktionsprogramm mit Maßnahmen zu erarbeiten, die die Lücke zur Erreichung des 40-%-Reduktionsziels bis 2020 so weit wie möglich verringern und die das 2030-Ziel für den Energiesektor zuverlässig erreichen, einschließlich einer umfassenden Folgenabschätzung.

Zeitlich parallel sollte laut Koalitionsvertrag im Bau- und im Verkehrssektor vorgegangen werden, um eine Grundlage für das Erreichen der Sektorziele 2030 aus dem Klimaschutzplan 2050 zu schaffen. 2019 sollten dann die Aktionsprogramme aus den drei Kommissionen in einem Gesetz münden, dass die Einhaltung der Klimaschutzziele 2030 gewährleistet.

Eine Gebäudekommission wird nun wohl gar nicht mehr eingesetzt. Eigentlich hätte sie bis Ende 2018 liefern sollen, stand aber kurz vor Weihnachten schon einmal auf der Kippe. Ende letzter Woche platzte dann die Bombe: Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) meldete, dass die angedachte Gebäude-Kommission abgesagt sei. Eigentlich war geplant, dass die Gebäude-Kommission am 20. Februar im Bundeskabinett beraten wird. Ein Dementi der Bundesregierung blieb bisher aus.

Stimmen aus der Branche

  • Andreas Kuhlmann, Sprecher der Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz (geea) und Chef der Deutschen Energie-Agentur (dena): „Die kurzfristige Nachricht des vermeintlichen Aus für die geplante Gebäudekommission ist ein irritierendes Signal an die betroffenen Akteure. In der Frage, mit welchen konkreten Maßnahmen wir die hochambitionierten Energie- und Klimaziele im Gebäudesektor erreichen können, gibt es unter den Akteuren in Markt, Gesellschaft und Politik verschiedene Kontroversen. Eine Kommission könnte hier kurzfristig und effizient einen Konsens herbeiführen, ähnlich wie bei den sehr konfliktreichen Fragen zu Strukturwandel und Kohleausstieg. Nun steht die Politik in der Verantwortung, selbst entsprechende Vorschläge vorzulegen und für die erforderlichen Diskursräume zur Klärung der damit verbundenen sozialpolitischen Fragen zu sorgen. Wenn jetzt nicht entschlossen gehandelt wird, geraten auch die für 2030 gesetzten Ziele in Gefahr. Die Investitionszyklen im Gebäudesektor erfordern langfristige Sicherheit und Verlässlichkeit.“

  • „Wenn die Gebäudekommission nicht eingesetzt wird, würde komplett die Einbindung von Fachleuten und der Branche fehlen“, kritisiert Dr. Andreas Mattner, Präsident des ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss, Spitzenverband der Immobilienwirtschaft. „Wenn wir die Klimaschutzziele im Gebäudesektor erreichen wollen, brauchen wir sinnvolle und wirtschaftsverträgliche Maßnahmen. Dies kann nur auf Basis des Dialogs geschehen. Mit der Energie- und Verkehrsbranche wurde dieser geführt – die Immobilienwirtschaft bleibt hier außen vor. So sieht keine verantwortungsvolle Politik aus.“

  • „Die Hängepartie beim Klimaschutz im Gebäudesektor geht weiter. Nach dem schwachen Entwurf für ein Gebäudeenergiegesetz werden mit der Absage der Gebäude-Kommission Klimaschutz und Energiewende mal wieder vertagt“, so Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff). „Ohne konkrete Maßnahmen sind die Pariser Klimaziele nicht zu schaffen. Damit drohen eine weitere Blamage vor der Weltgemeinschaft und hohe Strafzahlungen aus Brüssel. Dabei stehen heimische Technologien und Lösungen längst bereit – Vorschläge für konkrete politische Maßnahmen ebenfalls – die Bundesregierung lässt also auch große wirtschaftliche Potenziale liegen.“

  • VDMA Forum Gebäudetechnik bezieht sich auf Meldungen, denen zufolge das Innenministerium (verantwortlich für das Bauwesen) und das Wirtschaftsministerium (verantwortlich für Energiethemen) davon ausgehen, genug Expertise zu besitzen, um geeignete politische Maßnahmenpakte selbst zu schnüren. Peter Hug, Sprecher des Forums Gebäudetechnik im VDMA: „Wenn die Ministerien diese Expertise haben, warum hinkt die energetische Ertüchtigung des Gebäudebestandes dann immer noch so weit hinterher? Und warum gelingt es seit Jahren nicht, die notwendig Erhöhung der Renovierungsquote herbeizuführen, die notwendig ist, um die Klimaziele zu erreichen?“

  • Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer, des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI): „Die Verschiebung oder der Verzicht auf die Einsetzung einer Gebäudekommission enthebt die Bundesregierung nicht der Verantwortung, Lösungen vorzulegen, die den Klimaschutz im Gebäudesektor voranbringen. Wenn die Bundesregierung ihre eigenen Klimaziele ernst nimmt, müsste Deutschland seine Gebäude ab sofort annähernd doppelt so schnell sanieren wie heute. Ohne positive Impulse für effizienten Klimaschutz bei öffentlichen und privaten Gebäuden droht die nächste Zielverfehlung. Die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung muss jetzt rasch und kraftvoll umgesetzt werden.“

Man darf gespannt sein, wie es weiter geht. Auch ein Rückzug vom Rückzug wäre möglich. Vielleicht sollten die Bundesminister noch einmal ganz an den Anfang des Koalitionsvertrags blättern. Dort steht in der Präambel: „Das Wahlergebnis hat gezeigt, dass viele Menschen unzufrieden und verunsichert sind. Daraus ziehen wir mit dem vorliegenden Koalitionsvertrag und seiner Politik die entsprechenden Schlüsse. Wir wollen sichern, was gut ist, aber gleichzeitig den Mut zur politischen Debatte, zu Erneuerung und für Veränderung beweisen. […] Wir machen Deutschland zur energieeffizientesten Volkswirtschaft der Welt. […] Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit von Politik wollen wir wieder stärken, indem wir Erneuerung und Zusammenhalt in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen.“ ■