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Heizungs-Check

Maßanzug statt Radikalkur

„Wer nicht friert, modernisiert nicht“, sagt Bruno Schliefke, Präsident des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima/Gebäude- und Energietechnik Deutschland (ZVSHK). Fünf Worte, die das bisherige Dilemma der gesamten Heizungsbranche zuspitzen. Solange die alte ­Heizungsanlage ohne Mucken das Haus erwärmt, tendiert die Modernisierungsbereitschaft der ­Eigentümer gegen Null. Der persönliche Nutzen einer vorzeitigen Heizungserneuerung oder -optimierung ist vielen Hausbesitzern schlichtweg nicht bekannt.

Dazu kommt bei denen, die sich schon mit einer Investition auseinandersetzen, eine gehörige Portion Verunsicherung: Unklare politische Vorgaben, unkalkulierbare Preisentwicklung der Energieträger, unübersichtliche Förderstrukturen, hohe Investitionskosten und relativ lange Amortisationszeiten; Ängste vor Versorgungsengpässen – Investitionsentscheidungen werden verzögert. So kommt es, dass in knapp einem Viertel der deutschen Heizungskeller 4 Mio. völlig veraltete Wärmeerzeuger teure Energie mit lausigem Nutzungsgrad in Wärme umwandeln. Viel besser ist es allerdings auch nicht um die anderen Anlagenteile bestellt: Fehlender Hydraulischer Abgleich, ungenügende Rohrleitungsdämmung, falsche Regler- und Pumpeneinstellungen sowie Überdimensionierungen erhöhen unnötig den Energieverbrauch und drücken die Effizienz des Wärmeerzeugers.

50000 Heizungs-Checks in 2008

Zum Teil hat das Heizungshandwerk diese Mängel selbst hinterlassen. Der kritische Blick ­zurück nutzt zwar wenig, sollte aber Antrieb jeder Qualitätsoffensive sein: Denn 69 % aller Hauseigentümer in Deutschland sehen im Heizungsbauer- und Installateurbetrieb den kompetenten Ratgeber für eine Senkung der Heizkosten1). Dies ergab eine Umfrage von Emnid im Auftrag des ZVSHK. Schliefke: „Diesen Vertrauensbeweis wollen wir nutzen, um die Modernisierung von ­Heizungsanlagen voranzubringen.“ Das Mittel zum Zweck heißt Heizungs-Check und ist der ­Öffentlichkeit erstmals Anfang April vorgestellt worden.

Schon in wenigen Wochen wird der Heizungs-Check laut Schliefke bundesweit von qualifizierten Fachleuten angeboten. Bis zum Jahresende sollen 50000 Bewertungen durchgeführt sein. Bei der Kombination von Messungen (siehe Kasten) und einer visuellen Begutachtung werden energetische Schwachstellen anhand eines Checklisten-Verfahrens aufgedeckt: Abgasverlust, Oberflächenverlust des Wärmeerzeugers, Ventilationsverlust, Brennwertnutzung, Kesselüberdimensionierung, Art und Einstellung der Regelung, (fehlender) Hydraulischer Abgleich, Heizungspumpe, Rohrleitungsdämmung, Heizkörperventile bzw. Raumregler werden erfasst. Die Qualifizierung erfolgt mit bis zu 100 Malus-Punkten, wobei für jedes Kriterium eine detaillierte und eindeutige Festlegung zur Bestimmung der Bewertungspunkte existiert (DIN 4792, nationaler Anhang zur DIN EN 15378). Das Ergebnis des Heizungs-Checks liegt unmittelbar nach der Begutachtung der Anlage vor und wird in einem Inspektionsbericht mit den einzelnen Punktebewertungen und konkreten Verbesserungsvorschlägen dokumentiert. Wie beim Energieausweis signalisiert ein farbiger Bandtacho Handlungsbedarf auf einen Blick.

Nicht immer Heizkesselaustausch

Schliefke: „Der Heizungs-Check zeigt Haus­besitzern detailliert, welches Kosteneinspar­potenzial ihre Heizung besitzt.“ Entscheidend ­hierbei sei, dass oft schon geringe Investitionen ausreichten, um den Energieverbrauch merklich zu senken. „Es muss nicht immer gleich der ­Kesseltausch sein. Je nach Heizungsanlage können Maßnahmen wie Pumpentausch, Einstellung der Regelung oder auch die Dämmung von Rohrleitungen bis zu einem Viertel der Energiekosten einsparen.“

Galt früher die Radikalkur mit Komplett­erneuerung der Wärmeerzeugung als Maßnahme der Wahl, erkennt die Branche zunehmend, dass auch mit kleinen Handlungen viel zu erreichen ist. Seit dem das Optimus-Projekt 2005 große und ­besonders wirtschaftliche Einsparpotenziale durch eine „sanfte“ Heizungsoptimierung belegt hat, dämmert es in der Branche: Stimmt die Peripherie nicht, kann auch ein neuer Wärmeerzeuger nicht effizient arbeiten. Oder: Wird die Peripherie in ­Ordnung gebracht („Heizungsoptimierung“), kann auch mit dem vorhandenen, noch nicht völlig ­überalterten Wärmeerzeuger viel gespart werden. Allerdings beflügelt noch eine zweite Entwicklung das Umdenken in der Branche: Den Markteinbruch beim Heizkesselabsatz im letzten Jahr hat das SHK-Handwerk durch den starken Ausbau des Geschäftsfelds Service und Wartung zu großen Teilen kompensiert und will diesen Weg weiter ­beschreiten.

Feldtest bestanden

Klappt die angestrebte Finanzierung (siehe Kasten), hat der Heizungs-Check als geförderter Service hervorragende Möglichkeiten, sich am Markt zu etablieren. Denn die Praxistauglichkeit wurde Ende letzten Jahres in einem groß ­angelegten Feldtest in Hessen überprüft und ­nachgewiesen. 45 beteiligte Wartungsfachbetriebe haben mehr als 500 Heizungs-Checks durch­geführt, wobei der Schwerpunkt bei Anlagen lag, die älter als zehn Jahre waren. Ebenso scheint das Konzept aufzugehen: Jeder dritte Kunde aus dem Feldtest hat angegeben, dass er durch den Heizungs-Check vorgeschlagene Modernisierungsmaßnahmen umsetzen will. Und der Bedarf ist riesig. Beim Feldtest wurde festgestellt, dass 25 % der Anlagen vollständig sanierungsbedürftig sind, bei 50 % in jedem Fall optimiert werden sollte und nur 10 % als „gut“ eingestuft werden konnten.

Die Zahlen verwundern kaum, wenn man ­einen Blick auf die Zustandsstatistik der untersuchten Anlagen wirft:

  • 40 % aller Heizkessel sind überdimensioniert
  • 97 % aller Heizkessel sind keine Brennwertheizkessel
  • 23 % aller Heizkessel haben keine zeitgemäße Regelung
  • 90 % aller Anlagen haben keinen Hydraulischen Abgleich
  • 89 % aller Pumpen verbrauchen viel zu viel Strom
  • 90 % der Rohrleitungen sind nicht oder zu wenig gedämmt

Zudem wurde bestätigt, dass eine Abgas-Messung wenig über die energetische Qualität ­einer Heizungsanlage aussagt: Weniger als 5 % aller untersuchten Heizkessel hätten die BImSchV-Messung nicht bestanden. Auch hier offenbart sich ein Problem: Neben dem technischen Ver­sagen ist das Nichtbestehen der BImSchVMessung laut einer Untersuchung des BDH der zweite „automatische“ Grund, für eine Er­neuerung des Wärmeerzeugers [2]. Offensichtlich fällt jeder fünfte Heizkessel durch das bis­herige Netz.

Die mit der Zustandsbewertung aufgezeigten Potenziale sind nach Auskunft von Andreas Müller, stellv. Hauptgeschäftsführer und Leiter Technik des ZVSHK zu einem großen Teil durch eine ­Sanierung oder eine Optimierung wirtschaftlich umsetzbar. Durchschnittlich könnte so der ­Energieverbrauch bei einer zehn Jahre alten ­Heizungsanlage um 10…20 % gesenkt werden, bei einer 20 Jahre alten Heizungsanlage in ­Abhängigkeit der Nutzung sogar um bis zu 30 (40) %.

Modernisierungen werden angestoßen

Der Feldtest in Hessen ist von der Fachhochschule Gießen-Friedberg wissenschaftlich begleitet und ausgewertet worden. Die Auswertung ergab, dass das SHK-Handwerk den Heizungs-Check mit sehr hoher Genauigkeit durchgeführt hat: Die Messwerte waren stimmig, die Dokumentation der Messwerte vollständig und die schriftlichen Sanierungsempfehlungen korrelierten gut mit den theoretischen Sanierungsmöglichkeiten.

Gute Noten haben auch die Kunden ausgestellt, für die der Heizungs-Check im Feldversuch kostenlos war: Mehr als 80 % aller Kunden halten ihn für informativ, objektiv und transparent. Und die angekündigte Umsetzung von Modernisierungsvorschlägen waren keine Lippenbekenntnisse: Bis Mitte März konnten, bezogen auf 237 durchgeführte Heizungs-Checks, 19 Heizkesselsanierungen mit Hydraulischem Abgleich (davon jede vierte mit Solaranlage), 25 Optimierungen (Hydraulischer Abgleich) ohne Heizkesselaustausch und 22 Heizungspumpen mit Energielabel A verbucht werden.

Der Erfolg des Heizungs-Checks scheint vorprogrammiert – wenn die Fachbetriebe mitmachen und geeignetes Personal für die Kommunikation mit dem Kunden einsetzen. Denn der Kundenzugang über die Wartung bietet enorme Chancen: Etwa 60 % aller Heizungsanlagen werden von SHK-Fachbetrieben regelmäßig gewartet.

Branchenkonflikte?

Vorprogrammiert scheint aber auch ein gewisses Murren bei den Heizkesselherstellern zu sein. Schliefke: „Die Datenauswertung unseres Feldtests zeigt deutlich, dass bei den Anlagenkomponenten Wärmeerzeuger und Wärmeverteilung ebenbürtige Energieeinsparpotenziale vorhanden sind. Konkret: Geringinvestive Maßnahmen sind nachweislich geeignet für eine deutliche Energie- und Kostenreduzierung.“ Bisher hatten die Heizkesselhersteller einen Großteil der möglichen Einsparungen bei der Heizungsmodernisierung für sich reklamiert. Michael von Bock und Polach, Hauptgeschäftsführer des ZVSHK: „Durch den zweiten Fokus des Heizungs-Checks auf geringinvestive Maßnahmen erwarte ich innerhalb der Branche durchaus Diskussionen. Aber: Wir sind bei der Gestaltung unserer Angebote nur unseren Kunden und nicht der vorliefernden Industrie verpflichtet.“

Handwerk und Kunden müssen sich den Konflikt fast wünschen: Belastet er den Absatz von Wärmeerzeugern, wird dort der Innovationsdruck höher. Dann werden die Heizkesselhersteller gezwungen, sich „nicht weiter auf der Brennwerttechnik auszuruhen“, sondern sich mit den Wärmeerzeugern und seinen Wechselwirkungen mit dem Gesamtkomplex Anlagentechnik-Gebäude-Nutzer stärker ins Benehmen zu setzen und Gesamtlösungen mit höherer Energieeffizienz anzubieten. Vom Gesetzgeber wünscht sich die Heizungsindustrie strenge Grenzwerte (siehe Seite 32); Verpflichtungen aus dem Markt können dann wohl kaum schädlich sein.

Konfliktträchtig könnte die von der Branche seit Jahren geforderte Verbesserung des EnEV-Vollzugs in ihrer tatsächlichen Ausgestaltung sein. Ein Arbeitspapier des Bundesbauministe­riums vom 2. April zur aktuell vorbereiteten EnEV-Novelle 2009 sieht beispielsweise vor, dass die Bezirksschornsteinfeger im Rahmen der Feuerstättenschau prüfen, ob Heizkessel bzw. Zentralheizungen, Umwälz- und Zirkulationspumpen, Wärmeverteilungs- und Warmwasser­leitungen sowie Armaturen die sich aus der EnEV ergebenden Anforderungen erfüllen. Bei ­Abweichungen sollen dann Fristen zur Erfüllung gesetzt werden. Allerdings sieht der Arbeitsentwurf auch vor, dass die Anforderungen alternativ von privaten Fachbetrieben oder privatem Fachpersonal bescheinigt werden können. Trotzdem würde der privatwirtschaftliche Ansatz des Heizungs-Checks dann bei Bestandsanlagen (mit diffe­rierendem Leistungsangebot) im Wettbewerb mit einer gebührenpflichtigen Zwangsmaßnahme ­stehen. Jochen Vorländer

1) Bei der gleichen Repräsentativumfrage im März 2008 nannten 11 % den Hersteller, 3 % den Architekten und 2 % den Baumarkt als Informationsquelle über Einsparmöglichkeiten im Heizungskeller. 15 % konnte keinen Ansprechpartner benennen.

Literatur

[1] Vorländer, Jochen: VdZ-Heizungs-Check – Energetische ­Inspektion von Heizungsanlagen. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 11-2007

[2] Vorländer, Jochen: Heizungsmodernisierung – Fehlende ­Impulse. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 2-2008

[3] Vorländer, Jochen: Optimus-Projekt zeigt Defizite und ­Lösungen auf – Geschäftsfeld Optimierung. Stuttgart, Gentner Verlag, TGA 8-2005

Versorger beteiligen sich an Kosten

Der Heizungs-Check wird von extra geschulten Fachbetrieben des Heizungshandwerks angeboten und nimmt etwa eine Stunde in Anspruch. Auf dieser Basis gibt der ZVSHK einen Richtpreis von 100 Euro an. Im Regelfall soll der Heizungs-Check aber im Zusammenhang mit einer Wartung durchgeführt werden, was die Kosten durch die entfallene Anfahrt und die schon vorliegende Abgasverlustmessung auf 50 Euro reduzieren würde. Allerdings steht auch eine Kostenbeteiligung der Versorgungswirtschaft in dieser Höhe im Raum. Von Bock und Polach: „Die Ölwirtschaft hat sich bereit erklärt, unabhängig von der ausstehenden gesetzlichen Regelung, Heizungs-Checks an Ölheizungen, die älter als 15 Jahre sind, mit jeweils 50 Euro für den ausführenden Fachbetrieb zu bezuschussen.“ Der ZVSHK-Hauptgeschäftsführer geht davon aus, dass auch mit der Gaswirtschaft eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden kann.

Motivation für die Energieversorger ist dabei die anstehende nationale Umsetzung der EU-Richtlinie über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen. Sie sieht u.a. (optional) vor, dass Energieverteiler und Energieeinzelhandelsunternehmen Endkunden unmittelbar und/oder mittelbar über andere Erbringer Ener­giedienstleistungen oder Energieeffizienzmaßnahmen mit wettbewerbsorientierter Preisgestaltung anbieten oder finanzieren müssen. Laut von Bock und Polach ermittelt der ZVSHK zurzeit betriebswirtschaftliche und organisatorische Kenngrößen für ein ganzes Bündel von Energiedienstleistungen, aus dem die Energiewirtschaft auswählen kann. Dabei werde der Heizungs-Check nach seiner Einschätzung zu einem Standardangebot werden.

Messtechnische Erfassung

Eine besondere Herausforderung bei der Entwicklung des Heizungs-Checks war es, ein praxisgerechtes Verfahren zur Verfügung zu stellen, das mit geringem Aufwand realistische Aussagen zu den tatsächlichen Verlustgrößen eines diskreten Wärmeerzeugers liefert. Herstellerdaten, sofern überhaupt verfügbar, helfen hier nicht weiter, gilt es doch einerseits die tatsächliche Einbau- und Nutzungssituation und andererseits auch den „Zahn der Zeit“, beispielsweise eine verrutschte Wärmedämmung, zu berücksichtigen. Eine messtechnische Lösung für dieses Problem wurde von Wöhler Messgeräte und Kehrgeräte realisiert, mit der vor Ort neben dem „normalen“ Abgasverlust auch der Oberflächen- und der Ventilationsverlust eines Heizkessels gemessen werden können. Die über die Oberfläche abgestrahlte Wärmemenge wird relativ einfach mit einem gekapselten Oberflächentemperaturfühler ermittelt. Dagegen ist die Messung des Ventilationsverlusts 30 s nach Brennerschluss eine wesentlich größere Herausforderung. Denn hier sind kleinste Strömungsgeschwindigkeiten zu erfassen. Wöhler hat dazu eine „S-Tube Messsonde“ entwickelt, die in Verbindung mit einem Handmessgerät Drücke mit einer einzigartigen Auflösung von 0,01 Pa messen kann. Eine im Messgerät hinterlegte Gleichung ermöglicht die unmittelbare Übernahme des Ergebnisses in den Heizungs-Check. Mittlerweile wurde das Messverfahren in DIN 4792 übernommen und wird als nationaler Anhang zur DIN EN 15378 „Inspektion von Heizungsanlagen“ ebenfalls Anwendung finden.

Bruno Schliefke

"Wir sind erstaunt über den nach wie vor hohen Anteil von Haus­besitzern, die ihre Heizungs­anlage irrtümlich auf dem Stand der ­Technik wähnen."

Michael von Bock und Polach

"Den Heizungs-Check wollen wir gemeinsam mit der Versorgungswirtschaft als anerkannte Energiedienstleistung etablieren."