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TGA 4.0

Digitale Prozessketten in der Gebäudetechnik

Kompakt informieren

  • Künftig wird es immer wichtiger, Gebäude nicht nur formal und ästhetisch, sondern auch haustechnisch, statisch und energetisch zu optimieren sowie innerhalb durchgängiger digitaler Prozessketten zu planen, zu berechnen, zu produzieren und zu bewirtschaften.
  • BIM und andere Technologien, Entwicklungen, Initiativen, Forschungs- und Pilotprojekte haben sich eine konsequente Digitalisierung von Prozessen im Baubereich zum Ziel gesetzt.
  • Aufholbedarf besteht vor allem noch bei der Übergabe von Planungsdaten an die Fertigung und Montage. Durchgängige digitale Prozesse im Sinne von Industrie 4.0 lassen sich allerdings nur realisieren, wenn einheitliche Standards, herstellerübergreifende Absprachen und leistungsfähigere Schnittstellen zur Verfügung stehen und sich auch ausführende Betriebe beteiligen.

Medienbrüche, Mehrfacheingaben, unterschiedliche Datenstände und Software-Werkzeuge sowie mangelnde Absprachen bestimmen auch im digitalen Zeitalter den Büro- und Baustellenalltag. Daraus resultieren häufig Planungs-, Fertigungs- und Montagefehler, Termin- und Kostenüberschreitungen sowie Mehraufwand.

Was in anderen Industriezweigen längst gängige Praxis ist, etwa im Maschinen-, Fahrzeug- oder Anlagenbau, soll nun auch in der Bau- und TGA-Branche Standard werden: durchgängige digitale Prozessketten von der Projektdatenerfassung über die Planung und Ausführung bis zur Realisierung. Das ist zumindest erklärtes Ziel zahlreicher Initiativen und Verbände (BuildingSmart, BTGA, DeuBIM, planen-bauen 4.0, VDI etc.) sowie staatlicher Stellen (BBSR, BMVI etc.).

Industrie 4.0 in der TGA

Industrielle Fertigungsabläufe lassen sich nicht direkt mit Bau- und Montageprozessen vergleichen. Schließlich werden im Hochbau in der Regel keine Serienprodukte hergestellt, sondern im Rahmen arbeitsteiliger handwerklicher Tätigkeiten individuelle Bauwerke realisiert. Dennoch lassen sich viele Aspekte von Industrie 4.0 auch auf die Bauindustrie und einige auf das Bauhandwerk übertragen.

Das Schlagwort Industrie 4.0 steht für ein Zukunftsprojekt des Bundesministeriums für Forschung und Bildung (BMBF). Wesentliche Merkmale der „vierten industriellen Revolution“ sind unter anderem eine durchgängige Digitalisierung der Fertigung und Logistik sowie die Vernetzung autonomer, „intelligenter“ Objekte und Systeme – mit dem Ziel, die Produktion zu flexibilisieren und zu optimieren.

Auf den TGA-Bereich übertragen, tun sich mit der vierten industriellen Revolution viele Möglichkeiten auf: Werden Prozesse über alle Planungs- und Bauphasen oder Gewerke hinweg konsequenter digitalisiert und besser vernetzt, lassen sich Arbeitsabläufe optimieren, Datenredundanzen vermeiden, Fehlerquellen minimieren, Kosten senken und die Flexibilität von Unternehmen verbessern.

Auch die Termin- und Kostensicherheit, die Arbeitsproduktivität und Ausführungsqualität werden verbessert. So lassen sich Untersuchungen zufolge nur durch leistungsfähigere Schnittstellen zwischen den Projektbeteiligten 15 bis 20 % an Projektplanungskosten einsparen.

BIM forciert Digitalisierung am Bau

BIM ist ein treibender Faktor für die Digitalisierung von Prozessen im Baubereich. Die konsequente, redundanzfreie Nutzung einmal eingegebener und kontinuierlich gepflegter Gebäudedaten steht im Zentrum der Planungsmethode Building Information Modeling (BIM, TGA 03-2015: Digitaler Ruck bei Bau- und Gebäudetechnik,  Webcode  637676). Durchgängige digitale Prozessketten, strukturierte Koordinations- und Kommunikationsabläufe bilden die Grundlage für den interdisziplinären Austausch von Gebäudemodelldaten in der gesamten Wertschöpfungskette von Bauprojekten.

Bauvorhaben lassen sich virtuell realisieren, bevor man sie real umsetzt. Dadurch können Problembereiche, Kollisionen und Engpässe vorher erkannt, Kosten, Abläufe und Termine präziser vorhergesagt werden. Im Idealfall nimmt der Detaillierungsgrad der BIM-Bauwerksdaten mit dem Planungs-, Bau- und Montagefortschritt sukzessive zu, sodass man sie für die Planung und Realisierung vielfältig nutzen und nach Mengen-, Kosten-, Material-, Ressourcen- oder Zeitkriterien auswerten kann.

BIM-Modelldaten ermöglichen im Vorfeld statische, bauphysikalische, energetische, lüftungs- oder brandschutztechnische Optimierungen, Kollisionskontrollen oder Simulationen von Bau- und Montageabläufen. Kosten, Massen, Mengen und Stücklisten lassen sich automatisch aus dem 3D-Modell generieren und bei Änderungen aktualisieren, ebenso wie alle aus dem 3D-Modell automatisch abgeleiteten Pläne. Letztere werden in der Planungsphase für die Abstimmung mit Planungsbeteiligten immer häufiger durch BIM-Viewer, Koordinations- und Kooperationsplattformen ersetzt.

BIM-fähige CAD-Programme etablieren sich als Datenzentralen für planungs-, ausführungs- und nutzungsrelevante Daten. Über immer leistungsfähigere Schnittstellen werden die Daten mit CAD-Programmen anderer Gewerke, Berechnungs- und Simulationsprogrammen inklusive aller Objekteigenschaften ausgetauscht, sodass haustechnische Informationen, wie Heizlast, Kühllast, Luftmengen, Raumzuordnung etc., erhalten bleiben.

Da es künftig immer wichtiger wird, Gebäude nicht nur formal und ästhetisch, sondern auch haustechnisch, statisch und energetisch zu optimieren, passen sich auch die Planungswerkzeuge an: So werden in CAD-Konstruktions- und Gestaltungsprogramme für Architekten zunehmend energetische Optimierungswerkzeuge integriert (TGA 10-2014: Form follows Energy,  Webcode  610501). Mit Werkzeugen zur Koordination, Kooperation und Kontrolle von Modelldaten, wie Navisworks, Solibri Modell Checker etc., ist sogar eine neue Softwarekategorie entstanden, die dazu dient, IFC- und andere BIM-Daten zu testen, auf Kollisionen zu prüfen, logische Abfragen durchzuführen und die Modellqualität zu verbessern.

Digitale Produktion: vom BIM zum CIM

Werk- und Detailpläne, Massen-, Mengen- und Stücklisten bilden derzeit den Endpunkt der CAD- oder BIM-Planung. Auf Grundlage von Papier- oder PDF-Dokumenten werden Baustoffe und Bauprodukte bestellt, individuell angepasst und verbaut. Einen Schritt weiter geht die digitale Produktion. Dabei werden Planungsdaten direkt in digitaler Form an Produktions- und Fertigungsanlagen übergeben.

Diese durchgängige Datennutzung für digitale Herstellungsprozesse (Computer Integrated Manufacturing, CIM) ist weitgehend schon Standard in den Bereichen Stahl-, Holz- oder Betonfertigteilbau. Dort fräsen, drehen, schneiden oder sägen numerisch gesteuerte Maschinen und Bearbeitungszentren nahezu beliebige Objekte direkt aus den 3D-Modelldaten. Bauteile können dadurch schneller und präziser gefertigt werden. Maschinen, Anlagen und Fertigungsabläufe lassen sich besser auf neue Anforderungen anpassen. Unternehmen können flexibler und kostengünstiger auf Kundenwünsche oder Markterfordernisse reagieren.

Im TGA-Bereich beschränkt sich die digitale Produktion nicht nur auf die RLT-Kanalfertigung, bei der Lüftungskanäle mithilfe von CNC-gesteuerten Stanz-, Abkant- oder Biegemaschinen gefertigt werden. Inzwischen werden auch komplette Sanitärzellen, Installationskerne oder Rohrdurchführungen auf der Grundlage grafischer CAD- und Berechnungsdaten dimensioniert, geplant, gefertigt und montiert. Basierend auf Normen oder Vorgaben der Hersteller werden Positionen und Maße für Durchbrüche direkt aus dem BIM-Modell übernommen. Mit den Daten werden anschließend Wasserstrahl- oder Laserschneideanlagen angesteuert.

Eine medienbruchfreie digitale Fertigung insbesondere komplex geformter Bauteile ermöglichen generative Fertigungsverfahren, wie der 3D-Druck resp. die additive Fertigung. Basierend auf 3D-CAD- oder BIM-Konstruktionsdaten lassen sich individuelle Einzelobjekten oder Kleinserien rationell und wirtschaftlich produzieren. Dabei werden Objekte additiv aus einem flüssigen, pulverförmigen oder festen Ausgangsmaterial aus Kunststoff, Kunstharz, Keramik, Metall, Beton oder anderen Materialien mithilfe chemischer und / oder physikalischer Prozesse schichtweise aufgebaut (TGA 1-2016: Prototypen und Bauteile aus dem Drucker,  Webcode  690232). Neben Einzelstücken oder Kleinserien werden in der Bauindustrie vor allem Prototypen dreidimensional gedruckt, teilweise sogar Gebäudebauteile oder komplette Gebäude, siehe z. B.: www.3druck.com/tags/3d-druck-bauwesen

Mobile und Cloud Computing

Digitale Prozessketten werden häufig dann unterbrochen, wenn Daten extern erfasst werden, etwa auf der Baustelle oder beim Kunden. Dann müssen handschriftliche Notizen eingegeben oder Fotos eingelesen und Räumen, Gewerken oder Vorgängen zugeordnet werden. Werden die Daten sofort digital erfasst, spart man einen Arbeitsschritt und vermeidet Übertragungsfehler.

Mobile Anwendungen für das Aufmaß, die Projektdatenerfassung, Ressourcen-Einsatzplanung oder Baustellen-Dokumentation ermöglichen einen medienbruchfreien Datenfluss. Direkt vor Ort können digitale Aufmaße angefertigt, Arbeitszeiten digital dokumentiert oder Mitarbeiter, Maschinen und Material koordiniert werden. Unterwegs kann man Termine organisieren, Adress- und Kontaktdaten erfassen und verwalten oder wichtige Controllingfunktionen nutzen. Mit mobiler Hard- und Software sowie drahtlosen Kommunikationstechnologien lassen sich Informationen genau dort eingeben oder abrufen, anzeigen und modifizieren, wo sie gerade anfallen oder benötigt werden.

Unterstützt und erweitert werden die Möglichkeiten des mobilen IT-Einsatzes durch Internet-basierende IT-Dienste und das Cloud Computing. Da Programme und Daten nicht mehr auf der Festplatte des Büro-PCs gespeichert, sondern auf Servern im Internet abgelegt sind, kann man auf Programme und Daten plattform-, zeit- und ortsunabhängig von der Baustelle oder vom Homeoffice aus zugreifen, sofern vor Ort eine ausreichend schnelle Internetverbindung vorhanden ist. Die Softwareinstallation und -wartung werden ebenso überflüssig wie der Abgleich von Baustellen- und Bürodaten, was die kooperative Projektplanung entscheidend vereinfacht.

RFID und Internet der Dinge

Auch die RFID-Technik kann zu einer Verbesserung digitaler Prozessabläufe beitragen: So lassen sich beispielsweise im Zuge von Fertigungs-, Bau- und Montageprozessen tatsächlich erbrachte Leistungen, verbaute Materialien oder Bauteile dokumentieren. Nur so können Unternehmensressourcen- und Produktionsplanungssysteme (ERP, PPS) mit dem realen Geschehen in der Fabrikhalle, Werkstatt oder der Baustelle Schritt halten und als verlässliche Entscheidungshilfe dienen.

Die technische Grundlage dazu bieten Techniken zur berührungslosen Objektidentifizierung, wie QR-Codes (Quick Response) oder die RFID-Technik (Radio-Frequenz-Identifikation). Werden QR-Code-Aufkleber oder RFID-Transponder (Funk-Chips) auf oder in Bauteile, Maschinen, Werkzeuge oder Fahrzeuge aufgebracht oder eingebaut, lassen sie sich mit stationären oder mobilen Lesegeräten berührungslos identifizieren.

Auf diese Weise erhält man smarte Bauteile mit dezentral gespeicherten Daten, die über den gesamten Gebäude-Lebenszyklus genutzt werden können. Neben den Eigentümern, Betreibern und Nutzern profitieren auch Handwerker: Die Möglichkeiten reichen von der Steuerung von Bau- und Montageprozessen über die Echtzeitverfolgung von Bauteilen (Produktion, Lieferung, Lagerung, Montage), Abnahmen oder Leistungsverfolgungen, die Geräte-/Maschinenverbuchung, die Wartungs- und Instandhaltungskontrolle und die Rückverfolgbarkeit eingebauter Materialien bis zur Steuerung von Recyclingprozessen etc., siehe z. B.: www.rfidimbau.de

Noch mehr Möglichkeiten bietet das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT, TGA 8-2016: Wenn das Smartphone mit der TGA spricht,  Webcode  724169), die Vernetzung physischer Objekte mit dem Internet. Direkt am Objekt angebrachte Sensoren ermöglichen eine Erfassung von Zuständen für deren Weiterverarbeitung im Netzwerk oder die Ausführung von Aktionen. Das ermöglicht beispielsweise eine wechselseitige Abstimmung von Bauteilen oder Geräten untereinander, was eine wichtige Voraussetzung für zahlreiche Automatisierungsprozesse im Zuge von Industrie 4.0 ist.

… aber es fehlen Standards

Durch die Verknüpfung von CAD-, Büro- und Projektmanagement-Systemen mit neuen Technologien, wie BIM, Mobile und Cloud Computing, RFID, IoT etc. sind medienbruchfreie digitale Prozessketten in weiten Teilen technisch schon heute möglich.

In der praktischen Umsetzung hapert es aber noch, weil Standards, herstellerübergreifende Absprachen und leistungsfähigere Schnittstellen und damit entscheidende Glieder in der Prozesskette fehlen. Hersteller versuchen eigene, proprietäre Standards zu etablieren, die untereinander konkurrieren und nicht kompatibel sind.

Oft mangelt es aber einfach nur an Konsequenz. Werden etwa in den Planungsbüros oder Handwerksbetrieben Aufmaße, Kunden- oder Projektdaten mit Papier und Stift erfasst, Arbeitszeiten auf Zetteln notiert, Rechnungen, Stücklisten oder Pläne auf Papier ausgedruckt, können keine digitalen Prozessketten entstehen.

Das gilt auch für die Ausführung: BIM-Daten werden von ausführenden Unternehmen bisher selten genutzt, sodass der BIM-Prozess häufig mit der Ausgabe von Werk- und Montageplänen endet. Rationalisierungspotenziale lassen sich aber nur dann maximal ausschöpfen, wenn sich alle Projektpartner daran beteiligen.

Andererseits ist TGA 4.0 nicht die Lösung aller Probleme. Zeit- und Kostendruck, Stress, mangelndes Nachdenken, eine mangelhafte Bedarfs- und Detailplanung oder ständige Änderungen nach Baubeginn werden auch weiterhin Probleme und Fehler verursachen.

An einer konsequenteren Umsetzung digitaler, medienbruchfreier Prozessketten im Sinne von Industrie 4.0 kommt man dennoch mittel- und langfristig nicht vorbei, denn sie machen Unternehmen bereit für künftige Herausforderungen und Entwicklungen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Marian Behaneck

Literatur und Infos (Auswahl)

[1] Borrmann, A., König, M., Koch, C., Beetz, J. (Hrsg.): Building Information Modeling. Technologische Grundlagen und industrielle Praxis, VDI-Buch, Springer, Heidelberg 2015

[2] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI, Hrsg.): Stufenplan Digitales Planen und Bauen. Einführung moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken, Eigenverlag, Berlin 2015

[3] Hauschild, M./ Karzel, R.: Digitale Prozesse – Planung, Gestaltung, Fertigung, DETAIL Praxis, Institut für internationale Architektur-Dokumentation, München 2010

www.aec3.de BIM-Prozessoptimierung

www.bim-handwerk.de BIM im Handwerk

www.baugewerbe-online.info Bericht: Baustelle 4.0

www.buildingsmart.de IFC/BIM-Anwendergruppe

www.buildingsmart-tech.org BuildingSmart International

www.deubim.de DeuBIM-Initiative

www.digitales-bauen.de Initiative „Digitales Bauen“

www.ebauen.de Digitale Geschäftsprozesse

www.mefisto-bau.de Bauablaufsimulations-Projekt

www.mittelstand-digital.de Digitalisierung im Mittelstand

www.planen-bauen40.de Initiative Planen Bauen 4.0

www.wikipedia.de Suchwort „Industrie 4.0“ etc.

Industrie 1.0 bis 4.0

Industrie 4.0, auch „vierte industrielle Revolution“ genannt, bezieht sich auf die erste, durch die Mechanisierung per Wasser- und Dampfkraft eingeleitete industrielle Revolution, gefolgt von der zweiten durch die Fließbandfertigung geprägten industriellen Revolution. Die dritte industrielle Revolution entspricht der durch die EDV eingeleiteten digitalen Revolution. Industrie 4.0 steht unter anderem für die Digitalisierung von Produktionsprozessen. Unter Handwerk 4.0 versteht man die Übertragung wichtiger Grundprinzipien von Industrie 4.0 auf das Bauhandwerk.

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