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GLASWELT vor Ort: Fenster-Türen-Treff Salzburg

20 Jahre Vorausdenken

Die Jubiläumsausgabe des beliebten Branchentreffs durchzog ein roter Faden: „Wie leben wir morgen.“ Auf vielfältige Weise wurden Antworten und Lösungen vermittelt. Kongressinitiator Peter Schober hatte dabei bewusst den Begriff „Morgenfenster“ ins Spiel gebracht, das „Fenster der Zukunft“ sei mittlerweile zu häufig gebraucht und man würde damit zu sehr auf einer fernere Zukunft projizieren.

Beim Morgenfenster ist jedem klar, dass es sich um zügig umsetzbare Fensterkonzepte handele. Schober: „Wir befinden uns in einer Zeit des Umbruchs, globale Entwicklungen wie der Klima­wandel, Urbanisierung, Digitalisierung, demografische Entwicklung und mehr stellen große Herausforderungen dar. Diese Entwicklungen haben und werden immer stärker auch Einzug in die Branche finden. Es gilt die Unternehmen und ihre Produkte fit für diese Herausforderungen zu machen.“

Demzufolge widmete man sich auf dem Kongress den Zukunftsfragen Digitalisierung, Antworten auf den Klimawandel und revolutionäre Konstruktionsentwicklungen. Für Schober ist klar, der Kunde verlangt nach multifunktionalen Elementen und smarten Antrieben.

Auch müsse die Branche Antworten auf die sommerliche Erwärmung finden – wie wäre es also mit einem Fenster, das im Sommer zur Kühlung beiträgt? Als weitere Erfolgsfaktoren hat der Experte der Holzforschung Austria die Themen Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Recycling aus­gemacht.

Mastermind des Fenster-Türen-Treffs: Peter Schober, Leiter des Fachbereichs „Fassaden, Fenster, Türen und Beschläge“ an der Holzforschung Austria

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Mastermind des Fenster-Türen-Treffs: Peter Schober, Leiter des Fachbereichs „Fassaden, Fenster, Türen und Beschläge“ an der Holzforschung Austria
Trendforscherin Oona Horx-Strathern (Zukunftsinstitut Horx) zeigte auf, wie wir in Zukunft leben.

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Trendforscherin Oona Horx-Strathern (Zukunftsinstitut Horx) zeigte auf, wie wir in Zukunft leben.
Rolf Baumann von der Berner Fachhochschule wagte ganz konkrete Branchen-Ausblicke.

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Rolf Baumann von der Berner Fachhochschule wagte ganz konkrete Branchen-Ausblicke.

Was ist eine blaue Ökologie?

Trendforscherin Oona Horx-Strathern (Zukunfts­institut Horx) zeigte bei ihrem Keynote-Vortrag Megatrends, wie etwa „Gesundheit“, „Silver Society“, „Individualisierung“ und „Sicherheit“ auf, und wie wir infolgedessen in Zukunft leben, wohnen und arbeiten werden. Auch gehe es künftig um die „blaue Ökologie“: „Wir wollen vielmehr ein Teil der Natur werden, es werde nicht mehr nur darum gehen Müll zu vermeiden, es wird immer wichtiger, die Ressourcen in geschlossenen Kreisläufen zu belassen. Horx zeigte ganz neue Gebäudevisionen, wie ein Vertikal ­Village mit vielen neuen Eigenschaften: Design, Natur und Material werden eine größere Rolle spielen als die Technik, so ihr Fazit.

Morgen oder Heute?

Rolf Baumann (Berner Fachhochschule BFH / CH) wagte ganz konkrete Branchen-Ausblicke: In naher Zukunft – oder schon jetzt, das ließ er offen) – wird es die Lochfenster-Maßaufnahme mit dem Smartphone geben, wird es die vollautomatische Auftragsbearbeitung geben, wird es eine smarte Fensterfabrik geben, die völlig mannlos produziert und werden Montagerahmen oder -adapter die Fenstermontage extrem vereinfachen und die Grundlage für eine Robotermontage bilden. Der Fenstertausch ohne Bauschäden werde somit Realität. Weitere Annahmen von Baumann: Das Fensterputzen wird sich erledigt haben, der Fenster-Nutzen wird verkauft werden und nicht das Produkt, der Fokus liege auf dem Lifecycle Management.

Unausweichliche Entwicklungen

Der Umbruch ist auf jeden Fall vorgezeichnet und werde uns alle schnell überrennen: Der Verkauf fällt weg, die Sachbearbeitung fällt weg, die Produktion läuft automatisch; die Montage wird sich stark vereinfachen und die Preise werden erodieren. Diese Entwicklungen sind seiner Meinungen nach unausweichlich, unumkehrbar und werden ungeheuer schnell kommen.

Zum Schluss gab Baumann den Teilnehmern noch wichtige Tipps ins neue Zeitalter mit auf den Weg: Zum Beispiel, dass es alleine schwierig werde: „Teilen Sie Ideen, Risiken, Kosten, Hard- und Software. Suchen Sie Mitbewerber, Lieferanten und Hochschulen als Partner.“

Sonnenschutz wird immer wichtiger

Wie sich Fenster im Zeichen des Klimawandels verändern müssen, darauf gingen in einem Co-Referat Fensterbauer Thomas Pfisterer und Dr. Julia Bachinger von der Holzforschung Austria näher ein. Wobei der Fenstermacher die Fragen an die Bauphysikerin richtete. Herausgearbeitet wurde dabei, dass das Fenster über ein paar wesentliche Parameter großen Einfluss auf die Temperatur im Innenraum nehmen kann. Die hauptsächlichen Einflussgrößen sind der außen liegende Sonnenschutz und Glaseigenschaften. In einer Studie, die Bachinger erarbeitet hatte, kam heraus, dass man künftig auch bei Nordfenstern auf den Sonnenschutz achten müsse.

Die Studie konnte auch darlegen, dass für künftige Klimabedingungen eine Reduktion der Fensterfläche nicht der Weg ist, der beschritten werden muss. Die Fensterfläche, die ja auch zur Belichtung und für den Bezug zum Außenraum wichtig ist, kann in den heute üblichen Dimensionen im Einfamilienhausbau bestehen bleiben. Viel wichtiger ist ein durchdachtes und gelebtes Sonnenschutzkonzept.

Das VIG gab den Anstoß

Schließlich traten Peter Schober und Ulrich Pont (von der TU Wien) auf die Bühne, um ein ganz besonderes Forschungs- und Entwicklungsprojekt vorzustellen: Das Morgenfenster.

Ausgangspunkt war die Frage, wie sich Vakuum-Isolierglas (VIG) in ein Fenster konstruktiv einbauen lassen könnte, wobei dann auch die Spezifika von VIG berücksichtigt werden sollten. Das Fenster wurde als Gesamtsystem neu überdacht – gewissermaßen das Fenster um das Vakuumglas neu konstruiert. Dazu hatten sich Experten der TU Wien, der Holzforschung Austria und einiger Fensterhersteller Konzepte erarbeitet, die teilweise radikale Ansätze betreffend Öffnungsrichtung, Bedienbarkeit und Einbausituation vorschlagen. Diese Fensterkonzepte wurden bereits auf dem letzten Fenster-Türen-Treff vorgestellt. Das laufende Folge-Forschungsprojekt wurde heuer vorgestellt – dabei kristallisierten sich vier Prototypen heraus, die mit ganz konkreten Umsetzungsansätzen dargestellt wurden. Dabei wurde gefeilt an innovativen Konstruktionen, besonders schlanken Profilgeometrien, neueren Öffnungsarten, mechatronischen Antriebskonzepten, Vakuum-Dichtungssystemen und Verbundwerkstoffen. Diese vier voll funktionstüchtigen Prototypen, die weit über die klassischen Denkmuster hinsichtlich Fenster hinausgehen, wurden in einer gesonderten Ausstellung vorgestellt.

Mit den unter Morgenfenster bezeichneten Prototypen konnten zukunftsweisende Möglichkeiten und technische Lösungen aufgezeigt werden, welche die Branche anlässlich des FTT 2020 auch begreifen und testen konnte. Schober und Pont sind davon überzeugt, dass die ein oder andere Innovation schon bald Einzug in die Branche und damit dann in neue Firmenentwicklungen finden werde (Lesen Sie dazu auch den Kastentext auf der nächsten Seite).

Die Sonderausstellung „Morgenfenster“ auf dem FTT 2020.

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Die Sonderausstellung „Morgenfenster“ auf dem FTT 2020.
Christopf Rellstab in der Podiumsdiskussion: „Ich mag den Herrn Sieberath gerne, aber ich mag nicht gerne, dass er bzw. Institutionen mir sagen, was wir zu tun haben.“

Foto: Daniel Mund / GLASWELT

Christopf Rellstab in der Podiumsdiskussion: „Ich mag den Herrn Sieberath gerne, aber ich mag nicht gerne, dass er bzw. Institutionen mir sagen, was wir zu tun haben.“

Sieberath vs. Rellstab

Erwähnenswert bleibt im Rückblick auch noch das Streitgespräch zum Thema „Normen: Fluch oder Segen“. Dabei prallten unterschiedliche Ansätze von Prof. Sieberath aus Deutschland und Prof. Rellstab aus der Schweiz aufeinander. Während Sieberath sich als Normen-Freund outete, weil diese „die Basis für alles“ darstellen, kritisierte Rellstab die Normungswut, an welcher die Gesellschaft oft leide. „Es entstehen neue Normen, ohne dass die alten verschwinden.“ Für ihn sind Normen auch Innovationsbremser und vor allem auch ein Bestandteil der Lobbyarbeit größerer Industrien. In Deutschland würde man viel zu oft fragen, „habt ihr eine Zulassung vom DIBT?“. 

Weitere interessante Informationen lieferten

  • Fritz Kukula, der über Brandschutzverglasungen in der Praxis berichtete,
  • Dr. Kai Oberste-Ufer (Dorma Kaba), der aufzeigte, dass BIM für Industrie das ist, was Sex für Teenager ist: „Jeder redet darüber, niemand weiß genau, wie es geht, jeder denkt, dass es alle anderen machen und daher behauptet jeder, dass er es auch macht.“
  • Dr. Christian Lux (Holzforschung Austria), der über das Leistungsspektrum und Grenzen von Vakuumglas informierte,
  • Martin Langen von B+L Marktdaten, der einen aktuellen Überblick über die Neubau- und Renovierungsentwicklung in Europa vermittelte. 
  • Schlussendlich war das ein Branchentreffen, an dem auch der Netzwerk-Aspekt nicht zu kurz kam, schließlich hatte man in den ­Pausen und auch abends in gemütlicher Runde im Stiegl-Keller genug Zeit für den Austausch und einen Besuch der umfangreichen Begleitausstellung.

    Der nächste Fenster-Türen-Treff findet vom 4. bis 5. März 2021 statt. Das Team der Holzforschung Austria hat sich dazu entschieden wiederum im Congress Salzburg zu tagen.

    Daniel Mund

    Blick in die Pausenrunde mit der begleitenden Ausstellung.

    Foto: Daniel Mund / GLASWELT

    Blick in die Pausenrunde mit der begleitenden Ausstellung.

    Vier Fensterkonstruktion wurden unter dem Begriff Morgenfenster vorgestellt:

  • Typ A (flächenbündiges, nach innen öffnendes Dreh-Fenster): Das Fenster besitzt raumseitig eine Ganzglasoptik und hat keine vorspringenden Bedienelemente. Durch Motor-Ansteuerung wird der Flügel entriegelt und mittels Abstellmodul auf einer Seite 60 mm geöffnet (Lüftungsstellung). Die Öffnungsfunktion gibt das Fenster frei. 
  • Typ B (nach außen öffnendes Parallel-Abstell-Dreh-Fenster): Das in die Laibung integrierte Fenster wird nach Entriegelung durch die Ecklagermodule und das Abstellmodul nach außen abgestellt (Lüftungsstellung). Die Öffnungsfunktion gibt den Flügel frei, das Fenster kann nach außen gedreht werden. Reduzierte Optik: Laibungslichte = Stocklichte = Flügellichte = Glaslichte.
  • Typ C (Schwing-Klapp-Fenster): Das in der Laibung sitzende Fenster kommt ohne bewegende Schließteile aus. Zum Öffnen wird der Flügel motorisch angehoben. Die so eingeleitete Schwing-Klapp-Bewegung wird durch einen Spindelantrieb und eine Schere bis zu einer ca. 85° Öffnung fortgesetzt. Der Flügel kann in jeder Stellung angehalten werden. 
  • Typ D: Bei diesem Fenster in Ganzglasoptik (außen oder innen) ist die Öffnungsart zunächst ein Abstellen und darauffolgend ein Verschieben vor die Außenwand. Der Fensterstock bildet die innere Laibung mit Bedienschalter. Durch Ansteuerung wird es 100 mm weit abgestellt und kann anschl. per Hand auf die Seite geschoben werden. Zum Schließen führt man den Flügel in die Endposition. Antriebe erzeugen den erforderlichen Anpressdruck für die Dichtungen. 
  • Foto: Daniel Mund / GLASWELT

    Typ A ist ein raumseitig flächenbündiges, nach innen öffnendes Dreh-Fenster.

    Foto: Daniel Mund / GLASWELT

    aluplast-GF Patrick Seitz am Morgenfenster Typ C (Schwing-Klapp-Fenster).

    Foto: Daniel Mund / GLASWELT

    Beim Typ D ist die Öffnungsart zunächst ein Abstellen und darauffolgend ein Verschieben zur Seite vor die Außenwand.