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Das ist die perfekte Welle

Bevor diese wunderbare Geschichte beginnt, ist es wichtig, sich mit folgender Definition zu befassen: „Ein Ornament ist ein sich meist wiederholendes, abstraktes oder abstrahiertes Muster mit symbolischer Funktion.“ Aufmerksame Beobachter finden entsprechende Beispiele auf Stoffen oder Tapeten, an Giebeln oder Dachaufsätzen und natürlich in der Wiege deutscher Ornamentspenglerei – genauer gesagt in der Ornamenten-Manufaktur des Fachbetriebs Lorenz Sporer Spenglerei und Bedachungen GmbH. In der altehrwürdigen Münchner Werkstatt entstehen bisweilen klassische Rekonstruktionen formschöner Zinkschnecken oder imposante Dachspitzen für denkmalgeschützte Jugendstilvillen. Aber auch überaus moderne Interpretationen werden von geübten Händen der Ornamentenspengler in Form gebracht. Fast immer gleich ist der Entstehungsprozess, der mit einer Entwurfsskizze beginnt und dem erste Werkstattversuche folgen. Oft unzählige Male, bis am Ende ein mit beeindruckender Perfektion gefertigtes Ergebnis vorliegt. Ein Bauteil, das geschaffen wurde, um viele Jahrzehnte zu überdauern. Und fast immer beginnt es mit einer Welle …

Schlussstein und Treibform

Bild: Sporer

Schlussstein und Treibform
Traumhaft: Detailreiche Schlusssteine aus Zink …

Bild: Sporer

Traumhaft: Detailreiche Schlusssteine aus Zink …
… zieren später die rekonstruierten Gaubenbögen

Bild: Sporer

… zieren später die rekonstruierten Gaubenbögen

Blech-Magie

Wenn Detlef Rheinwein und sein Werkstattteam Zinkschnecken zum Leben erwecken oder dreidimensionale Schlusssteine aus glatten Blechen formen, wird sie sichtbar – die erste Welle. Sie entsteht, wenn sich Metall unter schwerem Gewicht verformt. Sie belebt spiegelglattes Blech und erzeugt oft tausend Falten. Die für Laien nicht unbedingt nachzuvollziehende Herangehensweise ist Resultat jahrhundertealter Berufserfahrung und durchaus beabsichtigt. Am Anfang jedes Entstehungsprozesses nimmt der erfahrene Spengler ein entsprechend dimensioniertes, glattes Blech aus dem Regal. Mal positioniert er es unter dem Fallwerk. Mal traktiert er es mit verschiedenen Hämmern. Und fast immer bedarf es dabei der Energie von Hitze und Kraft sowie punktgenauer Platzierung derselben auf dem Werkstück.

Oft wiederholen sich ähnliche Vorgänge wieder und wieder, bis sich unter fachkundiger Handhabung erste Konturen abzeichnen. Anschließend geht es an die Ausarbeitung der Feinheiten. Erneut werden dann mit gezielten Hammerschlägen Details herausgearbeitet. Kleine Meißel und Spezialwerkzeuge, die sogenannten Punzen, sind dabei überaus hilfreich. Zur Umformung ins Blech geprägte oder getriebene Linien und Muster verleihen den Werkstücken erstaunliche Details. Das größte Geheimnis der ornamentalen Blechbearbeitung ist jedoch die Standfestigkeit der eingesetzten Werkstoffe. Weder Holz noch Stoff, Papier oder Leder lassen sich durch bloßes Umformen so dauerhaft und vor allem so formstabil in die dritte Dimension transferieren.

Löten, Schweißen und Nieten

Oft kommt es vor, dass die Streckgrenze des Ausgangsblechs erreicht ist, aber die Tiefe des Bauteils noch weiter gesteigert werden muss. Ein anderes Mal ist es aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll, die Bauteile aus mehreren Teilstücken zusammenzusetzen. In beiden Fällen entstehen die beeindruckenden Werkstücke der Münchner Ornamentenspengler aus mehreren Komponenten. Beispielsweise, indem sie verschiedene Kugelsegmente, Blumen oder Blätter aufsetzen. Handelt es sich dabei um Zinkornamente, kommt dazu fast ausschließlich Weichlöttechnik zum Einsatz. Werden Ornamente hingegen aus Kupfer hergestellt, greifen die Handwerker auf moderne Schweißtechnik zurück. Fügetechniken wie das Kleben werden von Ornamentenspenglern eher selten angewandt, denn: Klebetechnik ist nur schwer mit den Vorgaben der Denkmalschutzbehörden und erst Recht nicht mit dem Handwerksstolz des Sporer-Teams zu vereinbaren. Etwas anders verhält es sich bei der Verarbeitung von Vollnieten. Je nach Anwendungsfall werden Bauteile durchaus miteinander vernietet, es sei denn, die entstehenden sichtbaren Befestigungspunkte sind unerwünscht. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Eindruck vermittelt werden soll, dass entsprechende Bauteile aus einem einzigen Stück hergestellt wurden. Das kommt besonders dann vor, wenn Spenglerornamente aus Metall aus statischen Gründen eingesetzt werden. Entsprechend lackiert sehen sie dann aus, als wären sie aus Stein gefertigt, bringen dabei aber nur einen Bruchteil des Gewichts auf die Waage. Dieser Vorteil kommt zum Beispiel bei mächtigen Firstabschlüssen in Vasenform zum Tragen.

Tradition trifft Moderne

Während Steinmetze einen Rohling so lange bearbeiten, bis durch Abtrag die gewünschte Form entsteht, drehen Ornamentenspengler den schöpferischen Prozess einfach um. Sie verformen Bleche und setzen mehrere Teile zu einem großen Ganzen zusammen. Dieses Vorgehen ist nicht nur dazu geeignet, Restaurationsaufgaben zu erledigen. Immer wieder werden die handwerklichen Fähigkeiten zur Umsetzung künstlerischer Projekte eingesetzt. Die bei Sporer entstandene Skulpturen-Reihe des Künstlers Jan Davidoff ist ein beeindruckendes Beispiel. Die Skulpturen mit den Bezeichnungen Pfahl oder Hochpfahl werden aus zahlreichen Kuben zusammengesetzt. Harmonisch aneinandergereiht ergeben sie ein formschönes Ganzes. Auf der Kupferoberfläche der nach exakten Vorgaben des Künstlers gefertigten Skulpturen scheinen Lichter und Schatten unentwegt miteinander zu tanzen. Ändert der Betrachter seine Position, verändert sich die reliefartige Haut der Skulptur, um sich im nächsten Augenblick erneut zu verwandeln – und sich wieder und wieder als neues Kunstwerk zu präsentieren. Dieses Wechselspiel ist durchaus mit dem Tanz der Wellen am Strand vergleichbar. Mehr noch: Es ist der Beweis, dass Spengler in der Lage sind, perfekte Wellen zu erzeugen – übrigens ganz ohne Porsche! 

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