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Wirtschaftlichkeit contra Hygiene?

Regenwassernutzung auch im Krankenhaus

Das bayerische Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen schreibt 1996 in seinem Leitfaden „Die umweltbewusste ­Gemeinde“ [1]: „Bauen Sie eine Anlage als Musteranlage in einem öffentlichen Gebäude ein. Aufgrund des Publikumsverkehrs können öffentliche Einrichtungen dazu beitragen, die Idee der Regenwassernutzung weiter zu tragen. Die Nutzung von Dachablaufwasser ist nicht nur in Verwaltungsgebäuden, sondern grundsätzlich auch in Gemeinschaftseinrichtungen zulässig, an die besondere hygienische Anforderungen gestellt werden wie beispielsweise Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, Schulen und Kindergärten.

Dennoch ist besondere Vorsicht geboten, denn hygienische Probleme, die sich insbesondere aus einer irrtümlich hergestellten Verbindung von Rohrleitungen für Trinkwasser und solchen für ­Regenwasser ergeben, treffen hier nicht nur einen größeren, sondern zudem einen für Gesundheitsgefährdungen in der Regel anfälligeren Personenkreis. Es bleibt dem Träger der Einrichtung überlassen, sich unter Beachtung der Anforderungen, die an Bau und Betrieb von Regenwassernutzungsanlagen zu stellen sind, in eigener Verantwortung für oder gegen den Einbau derartiger ­Anlagen zu entscheiden.“

Hygiene

Entscheidungshilfen waren Mitte der 1990er Jahre Gutachten und Stellungnahmen zur Unbedenklichkeit aus Hamburg, Bremen, Hannover, Fulda und Stuttgart [2]. In den letzten Jahren ist es ruhig geworden um die Regenwassernutzung. Mit Inkrafttreten der aktuellen Trinkwasserver­ordnung am 1. Januar 2003, die übereinstimmend mit der DIN 1989-1 vom April 2002 die Regen­wassernutzung im Gebäude für Toilettenspülung, Wäschewaschen und Garten zulässt, ist auch die Hygienediskussion verebbt. „Als das Thema in den 1990er Jahren noch in aller Munde war, die Anwendung im Haus noch umstritten, haben wir nicht viel weniger Anlagen verkauft als heute“, stellt Klaus Kissel von der WISY AG in Kefenrod fest. Weitere Gründe für die damals starke Nachfrage waren sicherlich auch, dass noch ein Vielfaches an Eigenheimen erstellt wurde und dass das Land Hessen, vor der Ära Koch, von 1992 bis 1996 Regenwassernutzung landesweit be­zuschusst hat.

In Hessen konnte ab 1992 die Projektförderung aus der Grundwasserabgabe in Anspruch genommen werden. Laut Bestandsaufnahme 1997 wurden bis dahin im Rahmen der pauschalierten Zuwendung 410 Regenwasseranlagen in öffentlichen Gebäuden gefördert; darunter Schulen, Rathäuser, Dorfgemeinschaftshäuser, Stadtwerke, Friedhöfe, Bauhöfe, kommunale und vereinseigene Sporteinrichtungen etc. Auch der evangelische Regionalverband, Dachorganisation der 72 Kirchengemeinden und Sozialeinrichtungen in Frankfurt, initiierte 1996 für seine 500 Gemeindehäuser, Kindertagesstätten, Sozialstationen, Kirchen und sonstige Gebäude ein Wassersparprogramm einschließlich Regenwassernutzung.

Klinikum Bad Hersfeld

Das Klinikum hat im Jahr 1995, damals noch als Kreiskrankenhaus, von der hessischen Landesförderung profitiert und in einem 1. Bauabschnitt eine Regenwassernutzungsanlage eingebaut, die 2001 und 2008 erweitert wurde. Heute sind unter einem Dach 15 Kliniken zusammengefasst. Ein breit gefächertes medizinisches und pflegerisches Angebot und die zurzeit 577 Planbetten machen das Klinikum Bad Hersfeld zu dem medizinischen Kompetenzzentrum für Ost- und Mittelhessen. Mit rund 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist es einer der größten Arbeitgeber und ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor in der Region.

Haustechnik und moderne medizintechnische Technologie sind in einem Krankenhaus dieser Größe ein komplexer Aufgabenbereich. Bereits 1988 wurde im Klinikum eine „Arbeitsgruppe Umweltschutz“ eingerichtet. Seit vielen Jahren wird auch der Gedanke des strukturierten Qualitätsmanagements engagiert verfolgt. Die Zertifizierung des gesamten Klinikums im Umweltmanagement (Re-Zertifizierung EMAS II), die Zertifizierung der Zentralsterilisation nach DIN-ISO und die Integration eines RISK-Managements waren Voraussetzungen für den Aufbau eines umfassenden Qualitätsmanagements. Die Technik-Abteilung, nicht nur für die Beschaffung und Instandhaltung zuständig, zeichnet auch verantwortlich für die bereits zum 6. Mal veröffentlichte Umwelterklärung. [3]

Wasserbedarf

Umweltmanagementbeauftragter des Klinikums Bad Hersfeld ist Heiko Kohlrenken: „Unser Gesamtwasserverbrauch ist in den letzten fünf Jahren von 3,18 m3 pro Fall (stationär untergebrachter Patient) auf 2,67 m3/Fall gesunken.“ Bereits 1995 wurde in einem ersten Bauabschnitt das Regenwasser für die Bewässerung der Außenanlagen genutzt. Darüber hinaus werden ein Springbrunnen und ein Teich mit dem Wasser aus den Zisternen versorgt. Seit 2001 sind 71 Toiletten an Regenwasser angeschlossen. Im laufenden Jahr 2008 sollen nochmals 40 Toiletten für 140 Betten im südlichen Bettenhaus mit Regenwasser versorgt werden. Das bringt die weitere Einsparung von über 1600 m3/a. Kalkuliert sind pro Bett vier Spülungen pro Tag à 8 l an 360 Tagen im Jahr.

Besonders effektiv, ohne die Einsparung auf den Euro genau beziffern zu können, ist laut ­Kohlrenken die Kühlung von Vakuumpumpen für die Sterilisation. Wurde früher der Betriebsanleitung des Sterilisatoren-Herstellers folgend innerhalb eines Jahres 4000 m3 enthärtetes Trinkwasser mit maximal 14 °C genutzt und anschließend warm in die Kanalisation eingeleitet, so wird heute auf eigenes Risiko Regenwasser mit maximal 20 °C im geschlossenen Kreislauf durch die Zisterne geleitet, wo die Abwärme aufgenommen wird. Um das zirkulierende Wasser frisch zu halten, wird ein bestimmter Anteil des im Kreislauf geführten Kühlwassers nach und nach ausgetauscht. Zurzeit wird diese Menge, 1107 m3/a genutztes Regenwasser, in den Abwasserkanal geleitet. Später einmal soll es einer Nachnutzung zugeführt werden.

Für 2008 werden Teich und Bewässerung mit 40 m3/a und die Toilettenspülung mit 1800 m3/a veranschlagt. Dann erreicht die Regenwassernutzung ein Jahresvolumen von 2950 m3. Gegenüber dem Trinkwasserbedarf 1992 mit ca. 80000 m3/a sind aktuell nur noch ca. 60000 m3/a in den damals betrachteten Betriebsgebäuden pro Jahr notwendig. Der Anteil der Regenwasser-Kühltechnik an den gesparten 20 000 m3/a beträgt mit 4000 m3/a ein Fünftel.

Eingesparte Gebühren in 2007

2007 wurden aus der Zisterne 2564 m3 entnommen. Bei 384 m3 Trinkwassernachspeisung in Trockenzeiten blieben 2180 m3 genutzter Regenertrag. Dazu kommen die jedes Jahr gesparten 4000 m3 Kühlwasser, also 6180 m3. Bei einem Trinkwasserpreis von 2,12 Euro/m3 reduzierten sich die Kosten damit um 13101 Euro.

Das Klinikum profitiert seit dem 1. Januar 2003 auch von einer Satzungsänderung der Stadt Bad Hersfeld. Nach neuem Tarif wird Niederschlagswasser in der ganzen Stadt verursachergerecht mit 0,66 Euro/m2 versiegelter Fläche, die in den Kanal entwässert wird, abgerechnet. Bei Zisternen für Betriebswassernutzung mit Kanalanschluss, wie hier im Klinikum, können je m3 Fassungsvermögen 15 m2 Dachfläche abgezogen werden. Die 45,4 m3 großen Regenspeicher führen demnach zu einer Minderung um 681 m2 bzw. 449,46 Euro/a bei der Niederschlagsgebühr. Zusammen mit der Trinkwassergebühr spart das Klinikum Bad Hersfeld also 13550 Euro/a durch die Regenwassernutzung.

Die Betriebskosten einschließlich Filterwartung und Strom für die Regenwasserpumpen werden in etwa ausgeglichen durch die nicht mehr erforderliche Enthärtung des Trinkwassers für die Kühlung.

Regenwassertechnik

Der 1995 erstellte Regenspeicher mit 29,4 m3 Nutzvolumen ist aus Stahl, die 2001 zusätzlich aufgestellte Batterie besteht aus acht Kunststofftanks mit insgesamt 16 m3 Nutzvolumen. Beide Zisternen sind miteinander verbunden, werden aber parallel mit Regenwasser gespeist. Davor sitzt jeweils ein Filter – für die Wasserqualität und den störungsfreien Betrieb das entscheidende Bauteil einer Regenwassernutzungsanlage. Rechtzeitig vor dem Boom der 1990er Jahre wurde von WISY das hier eingesetzte Prinzip des Wirbelfilters erfunden: Ohne den Leitungsquerschnitt zu verengen, sitzt die Filterhülse als zylindrisches, perforiertes Bauteil mit 0,28 mm Filterfeinheit in der Wandung des Zulaufrohres. Dies ermöglicht den sogenannten Schmutzverwurf (Filtertyp C gemäß DIN 1989-2).

Gefilterte Partikel werden in die Abwasserleitung abgespült, ohne den Filter zu verstopfen oder entsorgt werden zu müssen. Daraus resultiert ein hoher Wirkungsgrad und eine lange Standzeit, d.h. hohe Wasserausbeute, gute Reinigungsleistung, lange Reinigungsintervalle. Laut DIN 1989-1 muss ein Filter mindestens ein Mal pro Jahr gereinigt werden. Auch für den Dauerbetrieb in der Industrie sind solche Wirbelfilter im Einsatz, dort zusätzlich mit automatischer Reinigung per Spritzdüse.

Öffentlichkeitsarbeit

Im Rahmen des Umweltprogramms 2008 ist zusätzlich zu den rein technischen Maßnahmen vorgesehen, eine Wanderausstellung mit Zahlen, Daten und Fakten für die Öffentlichkeit bereitzustellen. Damit soll Mitarbeitern, Patienten und Besuchern vermittelt werden, welche Umweltauswirkungen vom Klinikum Bad Hersfeld ausgehen. Der Vergleich mit anderen Krankenhäusern ist ein Teil davon. Den braucht das Klinikum Bad Hersfeld nicht zu scheuen.

https://www.klinikum-bad-hersfeld.de/

http://www.wisy.de

Literatur

[1] Die umweltbewusste Gemeinde, Band 1, Handlungskonzepte/Band 2, Maßnahmenbeschreibung. Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen. München, 1996

[2] König, K.: Expertenmeinungen, Seiten 94 bis 97 in: Regenwasser in der Architektur, Ökologische Konzepte. Ein Fachbuch der Regenwasserbewirtschaftung. Dokumentation ausgeführter Beispiele, mit Angaben zu den Kosten. Ökobuch-Verlag Staufen, 1996

[3] https://www.klinikum-bad-hersfeld.de/ upload/File/Umwelterklaerung_2007.pdf

[4] Holländer, R. (u.a.): Mikrobiologisch-hygienische Aspekte bei der Nutzung von Regenwasser als Betriebswasser für Toilettenspülung, Gartenbewässerung und Wäschewaschen. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag, Öffentliches Gesundheitswesen 05-1996.

[5] Holländer, R. in: Das Handbuch der Regenwassertechnik, was Profis wissen. Seite 81. Fachbuch, Autor Klaus W. König. Dortmund: Hrsg. Wilo Brain, 2001.

[6] http://www.platzregen.info/kommune

[7] Schriftenreihe fbr Band 6, Projektbeispiele zur Betriebs- und Regenwassernutzung. Öffentliche und gewerbliche Anlagen. Darmstadt: Hrsg. Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e.V., Seite 65 bis 66, 2007

Klaus W. König

Dipl.-Ing. Architekt, ö.b.u.v. Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Fachjournalist und Vorstandsmitglied der Fachvereinigung für Betriebs- und Regenwassernutzung (fbr), Überlingen, Telefon (0 75 51) 6 13 05, E-Mail: mail@klauswkoenig.com, http://www.klauswkoenig.com