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Trends bei Wohnungslüftung

Auflauf gegen trockene Luft

Die deutschen Hersteller von Wohnungslüftungssystemen (WL) sind mit der aktuellen Marktentwicklung nur bedingt zufrieden. „Die Branche hat in den letzten Jahren sehr viel Geld in die Information von Bauherren und Fachfirmen gesteckt, was sich aber in den Absatzzahlen noch nicht bemerkbar macht“, klagt Bernhard Fritzsche von der Heinemann GmbH, Dießen. Dennoch habe sich der Aufwand gelohnt. Die Konjunkturaussichten für Wohnungslüftungssysteme seien heute bedeutend besser.

Treibende Kraft seien die Vorgaben der EnEV sowie die zahlreichen Meldungen in den Medien über den Schimmelbefall in Neubauwohnungen wie auch sanierten Altbauten aufgrund von Lüftungsdefiziten.

Der Verband für Wohnungslüftung (VFW), Viernheim, hat die Chancen des Dauerthemas Schimmel in Wohnungen erkannt und das Rechtsgutachten „Erfordern die allgemein anerkannten Regeln der Technik in Wohnungen eine kontrollierte Lüftung?“ in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist so, dass sich die Branche auf höhere Absatzzahlen einstellen kann, ohne dass mit einer Überhitzung zu rechnen ist. Demnach kommen die Akteure am Bau, sprich Bauherr, Architekt und Planer, künftig nicht umhin, sich prinzipiell über das Thema Lüftung abzustimmen und mögliche Folgen eines Nichteinbaus ins Kalkül zu ziehen.

Schäden arbeiten für WL-Branche

So müsse nach der geltenden Energieeinsparverordnung (EnEV) wie auch nach DIN 4108-21) die Gebäudehülle dauerhaft luftundurchlässig abgedichtet sein, so das Gutachten. Indessen schreiben beide Regelwerke auch einen dauerhaften Luftwechsel vor, der – aus Sicht der Gutachter – durch eine Fensterlüftung den Mietern bzw. Nutzern von Wohnungen in der Regel nicht abverlangt werden könne. Ergo: Auch wenn die am Bau Beteiligten für sich in Anspruch nehmen, die allgemein anerkannten Regeln der Technik sähen keinen zwingenden Einbau einer Lüftung vor, so könne man nicht davon ausgehen, dass ein Käufer oder Mieter einer Wohnung aus beruflichen oder sonstigen Gründen in der Lage ist, diese alle paar Stunden durch Fensteröffnen zu lüften, um einer möglichen Schimmelbildung vorzubeugen.

Doch die Zeit – vielleicht auch der Schimmel in den Bädern von Neubauwohnungen oder in fenstersanierten Bestandsgebäuden – arbeitet für die Riege der Wohnungslüfter. Die Gutachter formulieren vorsichtig: Zu einem nicht näher zu bestimmenden Zeitpunkt werde die mechanische Wohnungslüftung zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik gehören. Wer also gerichtliche Auseinandersetzungen um den Zielkonflikt dichte Gebäudehülle hier, Mindestluftwechsel dort vermeiden will, sollte als Planer auf die Notwendigkeit einer mechanischen Lüftung hinweisen und sich schriftlich absichern, wenn der Bauherr davon Abstand nimmt.

Während der Einfamilienhausbesitzer das Thema Wohnungslüftung noch als drittrangig ansieht und sein Geld lieber in eine Solaranlage steckt, agieren Wohnungsbauunternehmen hier sensibler. So bestätigt Helmut Schindler von der Maico-Tochter Aerex einen wachsenden Bedarf an WL-Systemen für den Geschosswohnbau, wohl mit dem eindeutigen Ziel, mögliche Regressansprüche von Mietern und Eigentümern zu vermeiden. „Viele Architekten haben das Lüftungsproblem in Neubauten nach EnEV-Standard erst einmal ignoriert. Nun ist die Anzahl der Schadensfälle so groß, dass die Wohnbauunternehmen von sich aus die Notwendigkeit einer Lüftung einsehen“, sagt Schindler. Schon auf der BAU in München im Januar dieses Jahres signalisierte ein VFW-Vertreter, dass man die Präsenz der VFW-Mitglieder auf den Baumessen verstärken wolle. In München erreiche man die Zielgruppe Architekt eher als in Frankfurt, so der Tenor. Auf der ISH würde man weitgehend die informieren, die ohnehin über das Thema Bescheid wüssten.

Kontrolle der EnEV mangelhaft

Viele Hersteller von Wohnungslüftungen bemängeln inzwischen den laschen Umgang des ­Gesetzgebers mit der Kontrolle der EnEV und damit auch der Luftdichtheit von Gebäuden. Eberhard Paul von der gleichnamigen Paul Wärmerück­gewinnung GmbH, Mühlsen, weist im Zusammenhang mit der aus seiner Sicht überzogenen Deregulierung der Vorschriften am Bau auf das Nachbarland Holland hin, in dem der WL-Markt seit einiger Zeit boomt. „Die Gesetze sind dort viel straffer, nicht so lasch wie in Deutschland“, so Paul. „Außerdem werden dort die Neubauten durch die Baubehörden kontrolliert“.

Paul schätzt den Geräteabsatz in den Niederlanden auf derzeit 30000 bis 40000 Stück pro Jahr, obwohl das Land gerade mal ein Achtel der Einwohner von Deutschland habe. Hätte man hier eine ähnliche Marktdynamik wie in den Niederlanden, könnten pro Jahr rund 240000 Geräte ver­kauft werden, so Paul. Auch in Schweden boome der Markt für WL-Systeme, weil dort mehr kontrolliert werde.

Paul bemängelt, dass hierzulande die Not­wendigkeit einer Wohnungslüftung bei den meisten Endverbrauchern noch immer nicht erkannt werde, vielfach sei die Technik sogar noch völlig unbekannt. Deshalb begrüße er jegliche Markt­aktivitäten der etwa 80 in Deutschland tätigen WL-Anbieter. Ob ein derart vielfältiges Marktan­gebot denn gut wäre fürs Geschäft? „Jeder An­bieter trägt zur Marktaufbereitung bei. Je mehr Marketing für die Wohnungslüftung, desto besser“, betont Paul. Bei Großprojekten kämen ohnehin nur etwa 10 bis 15 Anbieter zum Zuge. Alle anderen hätten nur eine regionale Bedeutung.

Stetiger Verbesserungsprozess

Doch auch die WL-Branche hat aus den ­Fehlern der Vergangenheit gelernt, ihre Geräte ­modifiziert und neue Regelungsstrategien ent­wickelt. Dem latenten Vorwurf, WL-Geräte seien Stromfresser und würden sich energetisch nicht amortisieren, begegnete die Branche mit einem weitgehenden Austausch der Standardventilatoren gegen energiesparende EC-Ventilatoren. Die ­meisten Gerätehersteller haben dadurch die elektrische Anschlussleistung bei gleicher Luftleistung halbiert. Bei der Wärmerückgewinnung gilt ein Wärmerückgewinngrad von 90 % heute fast schon als Standard.

Auch höhere Filterqualitäten sind inzwischen kein Tabu mehr. WL-Pionier Paul sieht das so: „Wir wollen ein Verschmutzen des Leitungs­systems in jedem Fall verhindern, da eine Reinigung – wie sie beispielsweise in Schweden Vorschrift ist – nur die zweitbeste Lösung darstellt. Wir setzen deshalb Luftfilter der Filterklasse H10 ein, auch wenn das keine Vorschrift ist, nicht ­einmal die VDI 6022 schreibt das vor. Der H10Filter ist ideal für Wohnungslüftungssysteme, weil er bei niedrigem Druckverlust eine hohe ­Filterleistung aufweist.“

Thema Lufttrockenheit

Auch für das leidige Thema Lufttrockenheit durch Wohnungslüftungssysteme hat die Branche jetzt Rezepte parat. Die einfachste Möglichkeit sei, den Luftstrom in Abhängigkeit der aktuellen Anzahl der Bewohner zu variieren. Bei Aerex hat man festgestellt, dass insbesondere große Wohnhäuser „überlüftet“ seien, da die Luftleistung der Anlagen nach dem Raumvolumen und nicht nach der Anzahl der Bewohner ausgelegt werde. Oft bliebe auch die in Gebäuden immer noch vorhandene natürliche Luftinfiltration von etwa 0,3 h-1 bei der Geräteauslegung bzw. beim Betrieb unberücksichtigt.

Fast alle Anbieter von Wohnungslüftungs­geräten haben aufgrund der Erfahrungen mit überlüfteten und zu trockenen Wohnungen ihr Angebot an speziellen Regelungsgeräten erweitert. Genvex bietet einen Hygrostaten an, der die Ventilatoren bei fallender Innenraumfeuchte stufenweise ­zurückschaltet. Auch Aerex empfiehlt, den Luftstrom stärker in Abhängigkeit der Anzahl der ­Bewohner bzw. in Abhängigkeit der Luftfeuchte zu variieren. Außerdem habe man festgestellt, dass bei Abwesenheit der Bewohner die Luftrate meist noch zu hoch sei und damit Energie verschwendet werde.

Offensichtlich fehlt am Markt ein Regelungsgerät, das Temperatur, Feuchte, CO2, den VOC-Gehalt der Raumluft sowie die Präsenz bzw. die Anzahl der Personen in einem entsprechenden Raummodell verarbeitet, um damit einen Ventilator anzusteuern. Auffallend ist, dass die WL-Gerätehersteller relativ wenig über die Sensorik-Neuheiten der einschlägigen Anbieter aus der MSR-Branche Bescheid wissen. Dem entgegnet ein Mitarbeiter von Schako, dass der Nutzer oftmals mit den angebotenen digitalen Reglern nicht zurechtkäme. Obwohl Schnittstellen für Luftqualitäts- und Feuchtefühler vorhanden seien, würde diese Option nur selten genutzt. Am einfachsten sei die Zeitschaltuhr, um von der energieverbrauchsintensiven Dauerlüftung wegzukommen. Insgesamt müsse man aber der Regelung von WL-Geräten künftig mehr Beachtung schenken.

Neuheiten und Trends

Pluggit machte es vor, jetzt ziehen andere Hersteller nach: Die Klick-Montage soll die Installation von WL-Systemen beschleunigen und dabei auch Kosten einsparen. Auch Aerex setzt jetzt auf werkzeuglose Klickverbindungen und bietet ein „All-in-one-Rohrsystem“ für die Wohnungslüftung an. Eine Besonderheit: Anstelle von Revisionsdeckeln sind Staubsauger-Adapter angebracht, an die jeder handelsübliche Staubsauger für Reinigungszwecke angeschlossen werden kann.

Wohnungslüftungssysteme sind aber nicht nur in Europa gefragt, sondern auch in Schwellen­ländern wie Indien oder in den Öl-Ländern am Golf. Der weltweite Lieferant von Sorptionswärmerückgewinnern DRI, Desiccant Rotors International, Dehli/Indien, stellte in Frankfurt erstmals ein WL-Gerät „Made in Indien“ vor. Dirk Glerum, DRI-Vertreter für Europa, sieht speziell bei Luxus­wohnungen im Mittleren Osten einen wachsenden Bedarf an Wohnungslüftungssystemen mit Feuchterückgewinnung. Angeboten werden Geräte mit 250, 500, 850, 1200 und 1700 m3/h. Das DRIGerät ähnelt sehr stark der Lösung von Hoval mit CoolVent-Technik, einer Symbiose von kontrollierter Wohnraumlüftung und Split-Klimagerät, das ebenfalls mit einem Sorptionsrotor ausgerüstet ist.

Helios geht davon aus, dass in den nächsten Jahren rund 30 % aller Neubauten mit ein oder zwei Wohneinheiten über eine WL-Anlage verfügen werden. Ähnliche Entwicklungen werden im Geschosswohnbau erwartet. Mit einer KWLOffensive will sich Helios künftig als Komplett­anbieter positionieren. Neu sind die Wandgeräte KWL EC 300 und 450 mit EC-Ventilatoren, Wärmerückgewinnern mit über 90 % Rück­gewinngrad, automatischer Bypassfunktion sowie einem integrierten Filterkonzept. Neben Flach­kanalsystemen aus Kunststoff und verzinktem Stahlblech ist nun auch ein flexibles Endlosrohrsystem (innen glatt) für die Verlegung in der Betondecke im Programm. Als Alternative zum hygienisch nicht unumstrittenen Erdwärmetauscher führt Helios jetzt auch einen Solewärmeübertrager im Programm. Dieser wird auf der Sauberkeitsschicht unter der Grundplatte eines Hauses verlegt und sorgt so im Winter für die Vorerwärmung der Außenluft und im Sommer für Kühlung.

Eine der unauffälligsten und nutzergerechtesten Lösungen für die Grundlüftung von Wohnungen dürfte das Lunos-System sein. Entsprechend dem Bedarf und der Raumluftfeuchte transportieren die Lüfter die Abluft aus Bad, Küche und WC ins Freie oder in Abluftschächte. Der Clou: Die Bewohner müssen sich dank Feuchtesensorik um nichts kümmern; es wird nur so viel Luft wie nötig, meist zwischen 30 und 90 m3/h, abgeführt.

Paul hat sein ohnehin schon reichhaltiges WL-Programm um das Zu-/Abluft-Einzelraumgerät „Ventos 50 DC“ ergänzt, das maximal 120 m3/h leistet. Zusammen mit Zehnder bietet Paul außerdem ein Kombigerät an, das aus einem Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinner und vorgesetztem Heizkörper besteht.

„Leiser, energiesparender und bequemer“ waren die Leitlinien beim neuen Wohnungslüftungsgerät Recovair von Vaillant. Der Alumi­niumkreuzgegenstrom-Wärmetauscher soll einen Rückgewinnungsgrad von bis zu 95 % erreichen, so dass sich eine Frostschutzschaltung ­erübrige.

Fazit

Die WL-Branche hat die Kritik der vergangenen Jahre an ihren Geräten aufgenommen und mit zahlreichen Innovationen geantwortet. Energiesparende EC-Motoren sind heute so gut wie Standard, ebenso Hocheffizienz-Wärmerückgewinner. Viele Gerätehersteller haben ihr Portfolio erweitert und bieten Gesamtsysteme inklusive Klickmontage-Luftverteilsysteme an. Die nächste Innovationsrunde dürfte auf der Regelungsseite liegen, denn hier fehlt es noch an preiswerten Angeboten, mit denen der Nutzer auch gut ­zurechtkommt.

Die Anzahl von 80 Geräteanbietern beim ­vergleichsweise kleinen Marktvolumen lässt auf ein noch hohes Kostensenkungspotenzial durch Massenfertigung schließen. Hier muss sich der Markt aber erst noch konsolidieren. Auch hier gilt: Weniger (Anbieter) wäre mehr (Markt).

Die im Vergleich zur Einwohnerzahl von Deutschland niedrigen Absatzzahlen signalisieren aber auch, dass es in Deutschland noch keine ­Lüftungskultur wie beispielsweise in Holland oder Skandinavien gibt. Eine aktuelle ForsaUmfrage im Auftrag von Techem belegt, dass die deutschen Haushalte jetzt erst einmal beim Benzinverbrauch, dann bei Strom und erst dann beim Heizenergieverbrauch einsparen wollen. Auch bei den aktuellen Trendzahlen aus dem ­Heizungsbereich ist die WL-Branche nicht dabei: Laut BDH wachse die Bereitschaft des Verbrauchers zu regenerativen Energien wie Holzpellet-Heizkessel oder Solaranlagen. Dass die Abluft ­unserer Gebäude auch ein rege­neratives Energiepotenzial besitzt, scheinen die Marketingab­teilungen der WL-Gerätehersteller noch nicht ­entdeckt zu haben.

Wolfgang Schmid, Freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München , E-Mail: wsm@netsurf.de

1) DIN 4108-2 Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden – Teil 2: Mindestanforderungen an den Wärmeschutz, Juli 2003

Gegen trockene Luft

Das schweizerische Internetportal „Luftwechsel“ – die Plattform zum Thema Wohnungslüftung (http://www.luftwechsel.ch) – gibt zum Thema Lufttrockenheit in Wohnungen mit Lüftungsanlagen folgende Empfehlungen:

• in Wohnungsanlagen sollten mit Rücksicht auf hygienische Risiken grundsätzlich keine Einrichtungen zur Zuluftbefeuchtung eingebaut werden

• Belegung der Wohnung/des Hauses bei der Bemessung des Außenluftvolumens stärker beachten

• individuelle Regelung der Volumenströme vorsehen; möglichst auch bei Mehrwohnungsanlagen

• Raumtemperatur bei Lufttrockenheit absenken

• Wohnraumtüren bei Lufttrockenheit innerhalb der Wohnung öffnen, damit sich vorhandene Feuchtepotenziale ausgleichen

• Bei trockener Außenluft öfters mal Backofengerichte, Eintöpfe oder Aufläufe kochen. Einziges Problem: Geruchsübertragung

• Die Befeuchtungswirkung von Pflanzen sollte nicht überbewertet werden; eine ca. 80 cm hohe Yucca-Palme gebe nur etwa 2 g/h ab

• Geräte mit Sorptionsrotor zur Wärme- und Feuchterückgewinnung einsetzen (Feuchterückgewinngrad bis zu 80 %). Die Leckagerate dieser Geräte sollte unter 3 % liegen, sonst gebe es Geruchsübertragungen. Rotoren seien aber generell heikler als Plattenwärmeübertrager.

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