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Burkhard Maier über die neuen Gas-Brennwertheizkessel von Brötje

Mit Elefantenrüsseln energetisch optimiert

TGA: Herr Maier, Brötje stellt zur ISH 2013 in der Premiumklasse den Gas-Brennwertwandkessel WGB EVO vor. Was war der Antrieb, was ist an ihm neu?

Maier: Die Einflüsse sind sehr vielschichtig. Ein entscheidender Faktor ist bei Brötje stets die enge Zusammenarbeit mit unseren Großhandelspartnern GC-Gruppe, Pfeiffer & May-Gruppe sowie der GUT-Gruppe. Aus dem intensiven fachlichen Austausch ergeben sich häufig Impulse und Anforderungen für die Entwicklung. Sobald Chancen für einen besseren Markterfolg erkennbar werden, wird bei uns ein Prozess zur weiteren Überprüfung in Gang gebracht.

Der Wand-Gas-Brennwertheizkessel WGB EVO kommt im Juli auf den Markt und ist eine komplette Überarbeitung des bisherigen WGB Pro EVO1); technisch entsprechend wird das bodenstehende Brennwertsystem BBS Pro EVO1) als BBS EVO aktualisiert. Neu sind die Hauptplatine und die gesamte Brennerbaugruppe Abb. 3 mit Ansaugschalldämpfer, Gebläse, saugseitiger Mischung von Luft und Gas, Gasventil und einem ungewöhnlich geformten Mischkanal – den wir intern auch als Elefantenrüssel bezeichnen, der Brenner und die dritte Leistungsgröße mit 28 kW.

TGA: Das klingt nach einer umfangreichen Entwicklungsarbeit. Lässt sich denn die Gas-Brennwerttechnik noch verbessern? Häufig ist zu hören, dass das physikalische Limit ­erreicht ist?

Maier: Beides ist richtig und steht nicht im Widerspruch. Beim Normnutzungsgrad ist tatsächlich die Grenze erreicht. Unter diesen normierten Messsituationen sind an einem Prüfstand die Verluste minimal. Was sich jedoch noch verbessern lässt, ist der im praktischen Einsatz zu erreichende Anlagennutzungsgrad. Die hier existierenden Optimierungspotenziale sind jedoch vom Gerätehersteller viel schwieriger zu erschließen, weil sie vielen individuellen Einflüssen der Gesamtanlage bzw. des Gebäudes unterliegen.

Damit die Geräte auch unter den realen Marktbedingungen ihren Betrieb bestmöglich an die vorhandene Anlage anpassen können, ist eine Menge Know-how erforderlich. Naheliegende Ansätze sind ein großer Modulationsbereich und die elektronische Verbrennungsoptimierung. Aus unseren Felduntersuchungen wissen wir aber, dass auch eine Feinjustierung der Betriebsparameter auf Basis der in einer Heizperiode aufgezeichneten Daten attraktive Einsparpotenziale erschließen kann. Jedoch erhalten die Handwerksbetriebe von den Betreibern dafür zu selten die Gelegenheit, oft existiert nicht einmal ein Wartungsvertrag und eine gezielte Nachfrage nach einer Optimierung der Parametrierung existiert mangels Wissen bei den Privatkunden nicht.

TGA: Dann erläutern Sie bitte, welchen ­Beitrag die neuen Bauteile leisten. Womit fangen wir an?

Maier: Mit der neuen Hauptplatine. Die WGB/BBS-EVO-Geräte haben damit vollständigen Anschluss an die ISR-Regler von Brötje und können dadurch viele bisher nicht nutzbare Zubehöre verwenden, beispielsweise das Funkraumgerät. Für den Handwerker ist der Unterschied enorm, innerhalb des Brötje-Portfolios muss er künftig für Neuanlagen regelungstechnisch nur noch ein Gas-Brennwertgerät beherrschen. Heute haben wir noch zwei Welten. Die althergebrachte Clip-In-Technik – für einen zusätzlich anzusteuernden Mischer muss man dabei beispielsweise einen Clip-In „Mischer“ aufstecken, um diese Funktionen zu erhalten.

Die zweite Welt, die wir für die Geräte der Serie E mit der neuen Hauptplatine schon eingeführt haben, sind Erweiterungsmodule, im Prinzip eine Hardwareergänzung über Steckplätze. Die gesamte Software zur Regelung befindet sich hingegen schon auf der Platine. Der Standardfall – ein Mischerkreis und ein Pumpenheizk­reis und sogar eine Solaranlage zur Trinkwassererwärmung und Heizungsunterstützung sowie eine Kaskadensteuerung – ist auch bei den einfachsten WGB-Ausführungen schon an Bord. Für komplexere Anlagenkonzepte sind dann Erweiterungsmodule erforderlich. Die Regelung erkennt automatisch, welche Module sich auf den Steckplätzen befinden.

TGA: Die Hardwareerweiterung über Steckmodule ist eine einfache Lösung, lohnt sich denn die Differenzierung, wäre eine Multi­platine, die alles abdeckt, zu teuer?

Maier: Ja, gemessen am Gerätepreis wäre eine alle Fälle abdeckende Hardware relativ teuer. Auch wenn wir viele Verkaufsargumente haben, die andere Hersteller nicht bieten, stehen wir natürlich trotzdem auch preislich im Wettbewerb. In der Praxis ist bisher bei ca. 40 % der ausgelieferten Geräte keine ­Erweiterung erforderlich. Es gibt allerdings im deutschen Markt eindeutig die Tendenz zu komplexen Anlagen und Anlagenerwei­terungen mit hoher Individualität.

Soll beispielsweise ein Gas-Brennwertheizkessel mit einer Elektro-Wärmepumpe zu einer bivalenten Hybridanlage kombiniert werden, ist üblicherweise eine übergreifende Steuerung erforderlich, etwa um den bestmöglichen Punkt zu treffen, bei dem die Wärmepumpe abschaltet und der Heizkessel die Wärmeversorgung allein übernimmt. Solche Dinge sind in unseren Komponenten bereits vorbereitet, durch die Verbindung mit einem Zweidrahtbus entsteht ein parametrierbares System. Gleichzeitig lässt sich so ein einheitlicher Fernbedienungsanschluss realisieren. Früher waren derartige Anlagen eine Ausnahmen, jetzt werden sie zunehmend und häufig durch eine Anlagenerweiterung zum Standard. Daraus ergibt sich eine enorme Anlagenvielfalt. Unser Service „Hydraulikdatenbank“ umfasst aktuell über 2000 Hydrauliken.

TGA: Über 2000 Hydrauliken?

Maier: Ja, und es kommen immer noch welche dazu, um stets die beste Einstellung von den rund 500 verfügbaren Parametern zu ermöglichen. Der Handwerker kann mit der Hydraulikdatenbank eine Anlage über Auswahlfelder konfigurieren und bekommt dann die passende Hydraulik und die zu ändernden Parameterwerte. Das ist ein einfaches Verfahren mit großer Wirkung – so konfigurierte Anlagen laufen effizienter und besonders störungsarm. Der Aufwand der insgesamt dahinter steht, könnte nur von ganz großen Handwerksbetrieben geleistet werden – bei uns sind kontinuierlich sechs Mitarbeiter mit der Erweiterung der Hydraulikdatenbank befasst, quasi täglich kommen neue Lösungen dazu.

TGA: Und als Schnittstelle zwischen der ­Datenbank und dem Gerät fungieren nur die Parameter?

Maier: Ja genau. Die Hydraulikdatenbank läuft eigenständig. Die Gerätesoftware wird nicht geändert, nur einige Parameter sind bei jeder Hydraulik anzupassen. Natürlich muss die Hydraulik der Anlage dann auch wie ausgewählt realisiert werden, inklusive der Platzierung von Fühlern etc.

TGA: Die elektronische Verbrennungsoptimierung EVO…

Maier: …ist nicht neu, konnte jetzt aber auf der neuen Hauptplatine inklusive allen Verbesserungen, die in den letzten Jahren in der Praxis erkannt und in unserer Forschung entwickelt worden sind, integriert werden.

Die EVO ist ein prägnantes Beispiel für die Differenz zwischen Normnutzungsgrad und Anlagennutzungsgrad. Auf einem Normnutzungsgrad-Prüfstand macht sich ihr Vorteil kaum bemerkbar. In der Praxis kann sie jedoch an 365 Tagen Schwankungen der Brennstoffqualität berücksichtigen. Durch die permanente Selbstkalibrierung benötigen die Geräte keine Einstellung mit „Schwankungsreserve“ um Störungen auszuschließen. Neben der besseren Brennstoffausnutzung profitieren die Betreiber auch finanziell von einem auf drei Jahre verlängerten Überwachungsintervall.

TGA: Dann machen wir mit dem Wärmeübertrager weiter.

Maier: Der Wärmeübertrager ist – abgesehen von einer durch Strömungssimulationen verbesserten Nockengeometrie – weitgehend gleich geblieben, jedoch gibt es eine neue 1,5-Glied-Ausführung für einen WGB/BBS EVO mit 28 kW. Nun haben wir in den Serien 15-, 20- und 28-kW-Geräte. Alle WGB-EVO-Leistungsgrößen haben das gleiche Gehäuse, das gegenüber den Vorgängergeräten eine um 20 mm geringere Tiefe aufweist – aber noch Platz für ein 10-l-Membranausdehnungsgefäß aus dem Zubehörprogramm hat. Neu ist eine stärkere Visualisierung der „Brötje-Kugel“ auf der Gerätefront Abb. 2.

TGA: Dann bleibt noch die Brennerbaugruppe, bei der quasi alle Bauteile neu sind.

Maier: Die Brennerbaugruppe ist ein ganz ­neues System. Ein wesentlicher Aspekt für die WGB/BBS-EVO-Überarbeitung war, den ­Modulationsbereich zu vergrößern, daran ­haben alle neuen Bauteile einen Anteil. Der Schlüssel für einen großen Modulationsbereich ist eine sehr homogene Durchmischung von Gas und Verbrennungsluft und man benötigt auch eine saubere Verbrennung, damit man überhaupt ein Messsignal erhält, um das Gasventil richtig ansteuern zu können. Im unteren Modulationsbereich ist das eine komplexe Herausforderung.

Gab es früher ein membrangesteuertes Gas-Luft-Verbundverhältnis, haben wir nun in der Brennerbaugruppe einen elektronisch angesteuerten Stellmotor auf einem sehr genau arbeitenden Gasventil. Das Stellsignal wird permanent auf Basis der Messwerte der Ionisationselektrode ermittelt. Neu ist auch, dass wir das Gas jetzt schon auf der Saugseite des Gebläses zuführen, sodass Gas und Luft noch besser vermischt werden.

TGA: Und wie vergrößert ein Ansaugschalldämpfer den Modulationsbereich?

Maier: Die dazu erforderliche, sehr gute Gas-Luft-Durchmischung wird schon im Ansaugschalldämpfer eingeleitet. Hier befinden sich im Einströmbereich zum Gebläse durch Strömungssimulationen entwickelte Leitkanäle. Die aus dem Raum oder über das Luft-Abgas-System angesaugte Verbrennungsluft strömt dadurch mit einem die Vermischung unterstützenden Drall in das Venturi-Rohr.

In Strömungsrichtung hinter dem Gebläse befindet sich standardmäßig eine Rückschlagklappe, sodass die Geräte ohne weitere Einrichtungen gegen rückwärts strömendes Abgas kaskadierbar und zur Mehrfachbelegung verwendbar sind.

Ein Novum ist, dass der Flüssiggasbetrieb ohne Umbausatz nur durch Drehen der speziell gekröpften Ionisationselektrode Abb. 4 und der Veränderung des Parameters „Gebläsesollleistung in Teillast“ möglich ist. Durch die Verwendung des saugseitigen Mischsystems mit Venturi-Rohr entfällt der Wechsel einer Düse oder einer Luftblende.

TGA: Und nun kommt der Elefantenrüssel ins Spiel.

Maier: So lautet tatsächlich intern unsere Arbeitsbezeichnung für den Mischkanal zwischen Gebläse und Brennerdeckel. Der „Elefantenrüssel“ Abb. 5 fällt mit seiner besonderen Wölbung natürlich auf. Wir haben durch Strömungssimulationen festgestellt, dass es bei einer geraden bzw. nicht speziell gestalteten Anbindung ungleiche Druck- und Strömungsverhältnisse im Brennerstab gibt. Das hat negative Auswirkungen, konkret entstehen dadurch unterschiedlich lange Flammenspitzen, was zu höheren NOx-Emissionen führt.

Außerdem würde der Modulationsbereich eingeschränkt, um einen Flammenrückschlag aufgrund örtlich zu geringen Drucks auf der Frischgasseite sicher ausschließen zu können. Nun können wir mit den 20-kW-WGB/BBSEVO-Geräten bis zu einem robusten Betriebspunkt von 2,9 kW (14,5 %) heruntermodulieren, vorher waren es 3,5 kW. Das klingt zunächst nicht nach einem großen Unterschied, die Laufzeiten werden in der Übergangszeit jedoch bereits deutlich verlängert und so der Anlagenwirkungsgrad verbessert. Und wir arbeiten daran, den Modulationsbereich künftig nochmals zu erweitern.

TGA: Was bedeutet robuster Betriebspunkt?

Maier: Dass praktisch alle Anlagen bis zu diesem Punkt ohne eine Gerätestörung bei besonderen äußeren Einflüssen modulieren können. Mit einer weiteren Senkung des unteren Modulationspunkts steigt die Störungswahrscheinlichkeit, beispielsweise bei Inversionswetterlagen. Es widerspricht aber unserer Unternehmensphilosophie, dass wir einen nur vermeintlichen Vorteil in die technischen Daten schreiben. Wenn wir Daten zusichern, dann sind die auch abgesichert.

TGA: Der Elefantenrüssel fungiert also als Gleichrichter?

Maier: Ja, durch seine besondere Geometrie werden die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der einzelnen Strömungspfade angeglichen. Danach folgt der Brenner, dessen Lochbild speziell an unsere Geräte angepasst wurde. Auch wenn man sich das kaum vorstellen kann, die Anordnung der Löcher kann sogar einen deutlich hörbaren Einfluss haben.

Es gehört schon ein wenig Mut dazu, ein so verschnörkeltes Bauteil in einem modernen Heizkessel einzubauen. Wir würden uns nicht wundern, wenn man uns fragt: ‚Was haben Sie denn da gemacht, sind Sie nicht um die Kurve herumgekommen, oder ist da etwas beim Gießen schief gegangen?‘ Ich kann aber versichern, dass die ungewöhnliche Geometrie pure Absicht ist und sich durch den so nach unten ausgeweiteten Modulationsbereich positiv beim Anlagenwirkungsgrad bemerkbar macht. Unterm Strich wird mit dem Gleichrichter der Anlagenbetrieb energetisch optimiert – auch wenn sich dies im Normnutzungsgrad nicht abbildet.

Der Elefantenrüssel wird übrigens auch bei den großen Gas-Brennwertheizkesseln EuroCondens SGB 400-610 E mit vier Leistungsgrößen und einer Nennwärmeleistung von 80 bis 610 kW und einer Modulation bis 20 % eingesetzt. Wir stellen den SGB auf der ISH als 4er-Kaskade mit einer Leistung von 2,4 MW aus Abb. 6 . Ich kann jedem TGA-Planer und Anlagenbauer nur empfehlen, sich auch diese Brötje-Neuheit einmal näher anzuschauen, denn sie hat viele Details, die insbesondere bei einer Heizkesselerneuerung vorteilhaft sind.

TGA: Vielen Dank für das Gespräch. •

1) Die Produktbezeichnung „Pro“ wurde für eine EffizienzklasseA-Heizungspumpe eingeführt. Im November 2005 hatte Brötje mit dem WGB Pro auf der shk Hamburg als erster Hersteller einen Gas-Brennwertheizkessel mit dieser Pumpentechnik vorgestellt. Später ergänzte die elektronische Verbrennungsoptimierung EVO die Gerätebezeichnung zu WGB Pro EVO. Da inzwischen hocheffiziente Heizungspumpen zum Standard geworden sind, wird die Produkt­bezeichnung entsprechend reduziert.

Vita

Burkhard Maier (Jahrgang 1967) hat an der Technischen Universität Kaiserslautern Maschinenwesen studiert und kam als Dipl.-Ing. (TU) 1995 zur Fröling GmbH wo er späterer die Leitung der Produktprogrammentwicklung übernahm und zuletzt als Bereichsleiter für die Anlagentechnik verantwortlich war. Im August 2005 wechselte Maier zur August Brötje GmbH, wo er die Verantwortung für das Produktmanagement und ab 2007 zudem die Führung der Abteilungen Marketing und Schulung übernahm. Seit 2011 ist Maier bei Brötje Bereichsleiter Marketing.

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Herr Maier, die Energiewende… benötigt zum Gelingen die Heizungsbranche. Wir können dazu beitragen, die CO2-Emissionen deutlich und kostengünstig zu verringern.

2020… werden wir mit Sicherheit noch in großem Umfang mit Gas heizen. Wir stehen deswegen in der Verantwortung, den Anlagenwirkungsgrad und die Einspeisung erneuerbarer Wärme zu erhöhen, um den Gasverbrauch überproportional zu senken.

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Das Marktanreizprogramm… ist wichtig für die Heizungsbranche und wir sind froh, dass bei der Förderung jetzt mehr auf Kontinuität gesetzt wird.

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Die ISH 2013… werden wir für die Vorstellung unserer neuen Gas-Brennwertheizkessel und Wärmepumpen und für die eine oder andere Überraschung nutzen.

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