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Bewirtschaftung von Niederschlägen

Mit Profis am Werk bringt Regen Segen

Kompakt informieren

  • Die Bewirtschaftung von Regenwasser bietet für Gebäudebetreiber und das Stadtklima gleichermaßen Vorteile.
  • Beispielsweise lassen sich durch Verdunstung von Regenwasser die Kühllast und der Hitzeinsel-Effekt verringern. Auch die Leistung von Photovoltaik-Anlagen kann so optimiert werden.
  • Weitere Maßnahmen sind die Bevorratung von Regenwasser zur betrieblichen Nutzung und die Versickerung.
  • Vorzeigeprojekte, wie der Bosco Verticale, zeigen, dass erhebliche Synergien selbst bei Hochhäusern möglich sind.

Stadtplaner wissen es längst und Betreiber von Photovoltaik-Anlagen wissen es zu schätzen: Begrünte Dächer kühlen hervorragend. Sie haben eine hohe Effektivität und funktionieren mit einer kostenfreien Energiezufuhr aus der Umwelt. Je nach Temperatur und relativer Feuchte der Luft verdunsten sie gespeichertes Regenwasser.

Bei diesem selbsttätig ablaufenden natürlichen Prozess wird die in der Umgebung verfügbare Wärme gebunden, was zu einer deutlichen Abkühlung führt – und damit den Hitzeinsel-Effekt in Stadtzentren lindert. Bei einem Versuchsdach, halb mit einer nackten Bitumenbahn und halb mit Begrünung bedeckt, wurde an Sommertagen über der Abdichtung 60 °C gemessen, über dem Grün zeitgleich 34 °C [1].

Synergie Photovoltaik / Verdunstung

Wer auf Dachflächen durch Photovoltaik Strom erzeugt, sollte wissen, dass die Stromausbeute sich erhöht, wenn die Umgebung bei gleicher Einstrahlung möglichst kühl ist. Man wird also den Verdunstungsprozess des Gründachs nutzen, wenn nicht gar optimieren. Dachbegrünung nach heutiger Bauart ist ein System aus mehreren Schichten mit Substratstärken ab 8 cm und mit Verdunstungsraten im Jahresmittel von 30 % bis über 90 % der auftreffenden Regenmenge. Allerdings sind besondere Vorrichtungen notwendig, um Solarpaneele in der Dachbegrünung zu verankern und Regenwasser auch den Pflanzen unter der Photovoltaik-Fläche zuzuführen.

Eine Variante zur Kühlung der Photovoltaik durch Regenwasser ist die offene Wasserfläche, gespeist aus dem unterirdischen Regenspeicher. Bei der Solar-Fabrik im Freiburger Industriegebiet In der Haid hängen die Solarpaneele in der Glasfassade zwischen den Fenstern und festverglasten Scheiben direkt über dem Wasser. Besucher der Firma haben das flache, mit Seerosen besetzte und von Regenwasser langsam durchflossene Becken links und rechts unter ihren Füßen, wenn sie sich über einen Steg auf den Haupteingang in der Mitte der Glasfassade zubewegen. Es wirkt als Spiegelteich, erhöht so die Intensität der Einstrahlung und kühlt durch Verdunstung das von den Dachabläufen gesammelte Regenwasser. Auch hier ist die erhöhte Stromausbeute neben der architektonischen Wirkung gewollt und geschickt geplant [1].

Regenwasser nutzen statt versickern

Wenn der Platz für Versickerung fehlt, wird der Abfluss von den Dachflächen am besten in Zisternen gesammelt, in neu erstellten Gebäuden im Untergeschoss platziert. Beispiele sind das Sony-Center, das Debis-Areal am Potsdamer Platz und das Institut für Physik der Humboldt Universität auf dem Campus Adlershof in Berlin. Bei einer Intensivbegrünung mit entsprechender Aufbaudicke wird nahezu die gesamte anfallende Niederschlagswassermenge zurückgehalten, durch die Vegetation genutzt und verdunstet.

Das verbleibende, von den Gründächern abfließende Wasser kann anschließend in Zisternen aufgenommen werden. Die Kombination eines Gründachs oder eine Fassadenbegrünung mit einer Zisterne zur Verwertung des Restabflusses führt automatisch zu einer Entlastung der Kanalisation und außerdem zur Verminderung von Grundwasserentnahmen, da ein Teil des benötigten Trinkwassers durch Zisternenwasser ersetzt wird. In Ballungsräumen ist dies besonders von Vorteil.

Die Regenwassernutzung ist in Deutschland genehmigungsfrei, allerdings meldepflichtig bei Trinkwasserversorger und Gesundheitsamt. In der Regel wird das Regenwasser von den Dachflächen verwendet. Bei Abläufen von Gründächern kommen besonders Toilettenspülung, Bewässerung von Außenanlagen, Innenbegrünung, Fassadenbegrünung und intensiver Dachbegrünung für die Regenwassernutzung in Betracht [2, 3, 4].

Für die hier genannten Segmente der Regenwasserbewirtschaftung sind aufeinander abgestimmte, allgemein anerkannte Regeln der Technik vorhanden:

  • Verdunstung: FLL-Dachbegrünungs-Richtlinie, März 2008
  • Nutzung: DIN 1989-1, April 2002
  • Versickerung: DWA-A 138, April 2005 (außerhalb von Verkehrsflächen); FGSV MVV R2, 2013 (innerhalb von Verkehrsflächen)

Senkrecht gestapelter Wald

Nach den Erfordernissen der Botanik die Haustechnik auslegen, das wird im Gewächshaus jedes botanischen Gartens gemacht. Die Pflanzen stehen innen, das Gebäude schützt sie. Die Möglichkeiten der Botanik aber vorrangig nutzen und die Haustechnik als Ergänzung betrachten, das wird in einer bislang bei Wolkenkratzern nicht da gewesenen Konsequenz in Mailand realisiert. Hier stehen die Pflanzen außen und schützen das Gebäude und seine Bewohner – selbst im 20. Stockwerk.

Es handelt sich um zwei Wohnhäuser mit 80 und 112 m Höhe, deren Fassadenbegrünung zusammengenommen einen Hektar Wald abbildet. Die Versorgung des senkrecht gestapelten Waldes (Bosco Verticale) erfolgt mit Betriebswasser. Kühlaggregate kommen bei diesem ehrgeizigen Projekt im Sommer nur zum Einsatz, falls die Verschattung durch die Laubgehölze und die Verdunstungskühlung durch die gesamte Pflanzengesellschaft an der Fassade nicht ausreicht. Die Zertifizierung erfolgt nach LEED. Das Investitionsvolumen beträgt 60 Mio. Euro. Das Projekt verspricht Vorteile für die Energiebilanz des Objekts und zugleich positive Auswirkungen auf das Stadtklima. Im Jahr 2015 ist es Teil der EXPO Milano zum Thema „Den Planeten ernähren, Energie für das Leben“ sein.

Literatur

[1] König, K. W.: Kühlen mit Regenwasser. Arnsberg: Strobel Verlag, IKZ Haustechnik 10-2014

[2] Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. Berlin: Hrsg.: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Broschüre, 1. Auflage, 2010

[3] fbr top Blätter 3, 7, 9, 10, 12: Loseblatt-Reihe zu grundsätzlichen Themen der Regenwassernutzung. Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V. Darmstadt: fbr-Dialog, laufend aktualisierte Ausgaben unter: www.fbr.de/fbrpublikationen

[4] Kaiser, M. und Schmidt, M.: Einsatz von Regenwasser zur Kühlung von Gebäuden und Prozessen. Ratgeber Regenwasser, für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen, Versickern und Behandeln von Regenwasser. Donaueschingen: Hrsg.: Mall, 5. Auflage, 2014

Dipl.-Ing. Klaus W. König

ist freier Fachjournalist und Buchautor, von der IHK Bodensee-Oberschwaben ö.b.u.v. Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser, Lehrbeauftragter an der Uni Stuttgart und an der HS Reutlingen sowie Mitarbeiter im DIN-Ausschuss NA 119-05-08 AA Wasserrecycling / Regenwasser- und Grauwassernutzung; Überlingen am Bodensee, www.klauswkoenig.com

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