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Trinkwasserhygiene

Desinfektion ohne Korrosion

Bauteile, Apparate und Werkstoffe, die bestimmungsgemäß mit Trinkwasser in Berührung kommen, müssen so beschaffen sein, dass weder eine Gefährdung noch eine unzulässige Beeinträchtigung des Trinkwassers erfolgen kann. Diese Forderung muss über die gesamte Nutzungsdauer beachtet werden. Weil in bestehenden Systemen bezüglich der Installationsbauteile keine Freiheitsgrade existieren, muss sie beim Aufbau einer Desinfektionskapazität über die richtige Auswahl des Desinfektionsverfahrens bzw. des Desinfektionsmittels erfüllt werden.

Korrosionsvorgänge sind sehr komplexe Prozesse. Es kommt auf das Zusammenspiel einer Reihe von Einflussgrößen an, die zum Teil auch interagieren. Dazu zählen:

  • der Werkstoff, aus dem die Rohrleitungen hergestellt sind,
  • die Zusammensetzung des Wassers,
  • die Betriebsbedingungen, z.B. Wassertemperatur, Fließgeschwindigkeit und Stagnation,
  • die Planung und Verarbeitung sowie
  • die Inbetriebnahme / Erstbefüllung / Druckprobe.

Zunächst ist Korrosion wertneutral zu betrachten. Beispielsweise ist die Flächenkorrosion als Reaktion von Wasserinhaltsstoffen (z.B. der Karbonathärte) sogar erwünscht: Es bilden sich schützende Deckschichten auf der Metalloberfläche aus, die einen weiteren Angriff auf das Metall verhindern. Negativ wird die Korrosion allerdings, wenn die Reaktion allein örtlich ablaufen würde (z.B. Bildung von Lokalelementen).

Die Zusammenhänge der verschiedenen Einflüsse auf den jeweiligen Werkstoff sind in DIN EN 12502 Teil 1 bis 5 sowie DIN 50930 Teil 6 und DIN 1988 Teil 7 beschrieben und seit Jahren anerkannte Regeln der Technik. Es können sich aber auch lange nach der ursprünglichen Planung und Installation die Randbedingungen in der Anlage ändern. Ein besonderes Augenmerk muss auf die mögliche Veränderung der Wasserzusammensetzung durch den Aufbau einer Desinfektionskapazität auf Basis von freiem Chlor oder Chlordioxid nach § 5 Abs. 4 TrinkwV1) gerichtet werden. Hierbei können auch korrosionschemische Parameter wesentlich verändert und damit die Korrosionswahrscheinlichkeit für metallische Werkstoffe erhöht werden.

Alle Desinfektionsmaßnahmen selbst unterliegen den Vorgaben des § 11 der TrinkwV und somit der „UBA-Liste“. Dort sind die Aufbereitungsstoffe, die Reinheitsanforderungen, zulässige Zugabemengen, Konzentrationsbereiche nach Abschluss der Aufbereitung, mögliche Desinfektions-Nebenprodukte, die einzuhalten sind, und die technischen Regeln eindeutig festgelegt (Tabellen 1 und 2). Sind Maßnahmen nach § 5 Abs. 4 TrinkwV erforderlich, kommen vor allem die Verfahren „Elektrolytische Herstellung und Dosierung von Chlor vor Ort“ bzw. „Dosierung einer vor Ort hergestellten Chlordioxid-Lösung“ zum Einsatz.

Chlor-Verfahren

Bei den Chlor-Verfahren werden die Reaktionen des Kochsalzes an der Anode zur Erzeugung von freiem Chlor bzw. der desinfektionswirksameren hypochlorigen Säure eingesetzt. Das „Anodenprodukt“ wird dann mengenproportional und konzentrationsgesteuert dosiert. Hintergrund: Eine einmalige Dosierung von z.B. 0,3 mg/l freiem Chlor in Warmwasser (Temperaturen 55…60 °C) unterschreitet infolge des thermisch begünstigten Zerfalls und der thermisch beschleunigten weiteren chlorzehrenden Prozesse die zur Desinfektion erforderlichen Konzentrationsbereiche nach Abschluss der Aufbereitung sehr schnell.

Anodenreaktionen erzeugen neben „freiem Chlor“ auch Säure und haben je nach Ausbeute noch einen messbaren Kochsalzanteil, der einen Chlorid­anstieg im behandelten Trinkwasser ver­ursacht. Vor allem Warmwassersysteme mit einer konzentrationsgesteuerten Chlordosierung werden in Phasen geringer Nutzung sehr stark belastet: In zehn überprüften Systemen wurden Chloridwerterhöhungen von 40 bis 800 mg/l nachgewiesen. Die aus der Schwimmbadtechnik entliehene Mess- und Regeltechnik (für den pH-Wert und das freie Chlor) bedarf einer professionellen Bedienung und konsequenten Betreuung, sonst kommt es zu einer Dauerdosierung einer 0,5- bis 2%ig sauren Kochsalzlösung.

Der pH-Wert des zu desinfizierenden Wassers ist beim Einsatz von Chlor der entscheidende Parameter für die Desinfektionswirksamkeit – aber auch zugleich für die Bildung von Desinfektionsnebenprodukten (siehe DVGW-Arbeitsblatt W 296). Untersuchungen haben gezeigt, dass das zu desinfizierende Wasser je nach pH-Wert in seiner korrosionschemischen Zusammensetzung wesentlich verändert wird (Tabelle 3). Die Einschätzung, dass selbst bei 5 mg/l freiem Chlor die Chloridkonzentration (kleiner 250 mg/l) und der etwas im sauren Bereich liegende pH-Wert (größer 6,5) noch innerhalb des vorgeschriebenen Bereichs der TrinkwV liege, ist korrosionschemisch nicht haltbar. Dennoch wird dies selbst in Gutachten über die Wirksamkeit der Anodenprodukte beworben.

Nach DIN EN 12502 sind für die Beurteilung der Korrosionswahrscheinlichkeit der Einfluss des pH-Wertes und der Chloridgehalte vor allem im Warmwasser besonders beachtenswert. Die TrinkwV schreibt in der Anlage 3 (zu § 7), dass das Wasser nicht korrosiv wirken sollte. Der pH-Wert ist für die Werkstoffe Kupfer und verzinkte Eisenwerkstoffe ein wichtiger Parameter. Geänderte Chloridgehalte beeinflussen die Korrosionswahrscheinlichkeit verzinkter Eisenwerkstoffe (siehe Korrosionsquotient S1 DIN EN 12502-3) und sollte selbst bei Edelstählen nicht unberücksichtigt bleiben. Nach DIN EN 12502-4 erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für Lochkorrosion

  • mit ansteigender Temperatur,
  • mit zunehmendem Gehalt des Wassers an Chlorid-Ionen und
  • bei hohem Redoxpotenzial.

Sicherlich kann der Einfluss des Chloridwertes auf die Korrosionswahrscheinlichkeit für ferritische und austenitische molybdänfreie Edelstähle nicht für molybdänhaltige Edelstähle herangezogen werden (Kaltwasser: größer 6 mmol/l ≈ 213 mg/l Chlorid; erwärmtes Wasser: etwa 1,5 mmol/l ≈ 53 mg/l Chlorid). Aber: Es ist bekannt, dass die Korrosion durch Lochfraß oberhalb einer bestimmten kritischen Temperatur merklich zunimmt. Diese kritische Temperatur ist bei den molybdänhaltigen Edelstahlsorten höher als bei den molybdänfreien. Die kritische Temperatur einer 3 n Natriumchloridlösung liegt für den 1.4301 bei 55 °C, für 1.4571 dagegen bei etwas mehr als 70 °C.

In diesem Zusammenhang sollten auch diese Erfahrungswerte aus dem Jahr 1994 bewertet werden: Eine Klinik wurde mit Wasser beliefert, dessen Chlorid-Wert die Vorgaben der Trinkwasserverordnung (250 mg/l, das Wasser sollte nicht korrosiv wirken) überschritt – es wurden Chloridgehalte von teilweise über 400 mg/l gemessen. Schon nach wenigen Monaten zeigten sich erhebliche Korrosionsschäden. Die Einspeisung des chloridhaltigen Wassers wurde 1995 umgestellt. In der Zustandsbeschreibung der Wasserinstallation im Jahre 2003 wurde festgehalten, dass die Rohre innenseitig kaum, die Verbindungen jedoch sehr stark geschädigt sind. Mehr als zwei Drittel der Verbindungen im Pressfitting-Bereich waren durch lokale Korrosion vorgeschädigt (50 % der untersuchten Verbindungen wiesen außenseitig Merkmale eines geringen Wasseraustritts auf). Insbesondere durch Einflüsse oder Ablagerungen, z.B. eingepresste Rost- oder Staubteilchen aus der Verarbeitung, kann es zu örtlicher Korrosion kommen. Lochfraß wird im Wesentlichen durch Halogen-Ionen, vor allem Chlorid-Ionen im Wasser, verursacht. Die Rohrleitungen mussten ausgetauscht werden.

Chlordioxid-Verfahren

Chlordioxid-Verfahren gibt es mehrere. Hier werden nur die in DVGW W 624 genannten betrachtet. Vor allem das Chlorit-Säure-Verfahren, das in der Praxis aus 1l Säurelösung und 1l Natriumchloritlösung Chlordioxid erzeugt, wurde auf pH-Wert- bzw. Chlorid-Veränderungen des zu desinfizierenden Wassers untersucht. Da aus diesen Lösungen „just in time“ eine Chlordioxidmenge von 40 bis 45 g erzeugt wird, die für die Behandlung von 100 bis 225 m3 Wasser bei einer Konzentration von 0,4 bzw. 0,2 mg/l Chlordioxid ausreicht, waren die Ergebnisse interessant:

  • eine pH-Wert-Veränderung des zu desinfizierenden Wassers lässt sich innerhalb der Messgenauigkeit nicht feststellen
  • der Chloridwert steigt selbst bei einer maximalen Dosierung von 0,4 mg/l Chlordioxid nicht über 1 mg/l
  • die Karbonathärte verringert sich bei 0,2 bis 0,4 mg/l Chlordioxid um 0,03 bis 0,1°dH.

Eine Weiterentwicklung von BWT Wassertechnik ist das Reaxan-Verfahren. Es bietet die Möglichkeit, für Kupfer- und verzinkte Eisenwerkstoffe eine integrierte Konditionierung (Säure: Antikorr) von Ortho-Phosphaten einzusetzen, die bei An­wesenheit von Härtebildnern als kathodische ­Inhibitoren wirken. Die Kupfer- bzw. Eisenabgabe an das Trinkwasser kann so dauerhaft reduziert werden.

Basis für die Auswahl einer Desinfektionsmaßnahme muss eine umfangreiche Rohwasser- und Kontrollanalytik sein. Vor allem auf die „Korrosivität“ zum eingesetzten Werkstoff ist zu achten.

Literatur:

[1] Schmidt, Christian: Schadenprisma, Nr. 1 2006

[2] D. Kreysig, D.; Sandt, B.: Elektrolytische Desinfektion von Trinkwasser, Fach Journal 2006/2007

[3] DIN EN 12502 Korrosionsschutz metallischer Werkstoffe – Hinweise zur Abschätzung der Korrosionswahrscheinlichkeit in Wasserverteilungs- und -speichersystemen – Teil 1: Allgemeines; Teil 2: Einflussfaktoren für Kupfer und Kupferlegierungen; Teil 3: Einflussfaktoren für schmelztauchverzinkte Eisenwerkstoffe; Teil 4: Einflussfaktoren für nichtrostende Stähle; Teil 5: Einflussfaktoren für Gusseisen, unlegierte und niedriglegierte Stähle. Berlin: Beuth Verlag, März 2005

[4] Einsatzbereiche von Edelstahl, Haus Huber AG, Maschinen- und Anlagenbau, Berching

[5] DVGW W 624 Dosieranlagen für Desinfektionsmittel und Oxidationsmittel: Dosieranlagen für Chlordioxid. Bonn: DVGW, Oktober 1996

1) TrinkwV § 5, Mikrobiologische Anforderungen, Abs. 4: „Soweit der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungs- oder Wassergewinnungsanlage oder ein von ihnen Beauftragter hinsichtlich mikrobieller Belastungen des Rohwassers Tat­sachen feststellen, die zum Auftreten einer übertragbaren Krankheit führen können, oder annehmen, dass solche Tatsachen vorliegen, muss eine Aufbereitung, erforderlichenfalls unter Einschluss einer Desinfektion, nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfolgen. In Leitungsnetzen oder Teilen davon, in denen die Anforderungen nach Absatz 1 oder 2 nur durch Desinfektion eingehalten werden können, müssen der Unternehmer und der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage eine hinreichende Desinfektionskapazität durch freies Chlor oder Chlordioxid vorhalten.“

Willibald Schodorf

Dipl.-Ing., Vertriebsleiter Technisches Geschäft bei BWT Wassertechnik, 69198 Schriesheim, Telefon (0 62 03) 7 31 60, E-Mail: willibald.schodorf@bwt.de, http://www.bwt.de

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