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Museumsklimatisierung

Der Klimakorridor braucht eine fachlich eindeutige Definition

Bild 1 Museen sind gesellschaftlich relevante und attraktive Institutionen (DMB). Mit einem wachsenden Bewusstsein für die Auswirkungen der Klimatisierungssysteme auf das Klima und die Museumsfinanzen werden auch die Anforderungen an das Raumklima diskutiert.

Jan Kranendonk – stock.adobe.com

Bild 1 Museen sind gesellschaftlich relevante und attraktive Institutionen (DMB). Mit einem wachsenden Bewusstsein für die Auswirkungen der Klimatisierungssysteme auf das Klima und die Museumsfinanzen werden auch die Anforderungen an das Raumklima diskutiert.

In der Energiekrise hat der Deutsche Museumsbund als Notfallmaßnahme und unter bestimmten Bedingungen die Einführung eines erweiterten Klimakorridors bei der Museumsklimatisierung empfohlen. Es gibt auch weitere Gründe für neue Richtlinien zur Museumsklimatisierung.

Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Der Deutsche Museumsbund hat im September 2022 vor dem Hintergrund der drohenden Energieknappheit für die Museumsklimatisierung einen Klimakorridor mit festen Grenzwerten statt eines einzelnen Sollwerts empfohlen.
■ Sofern das Sammlungsgut keinen spezifischen konservatorischen Anforderungen unterliegt, sollen alle Werte innerhalb des Korridors als akzeptabel bewertet werden.
■ Einen einheitlichen Klimakorridor zu definieren und anzuwenden, ist aus regelungstechnischen, energetischen und ökonomischen Aspekten richtig. Allerdings wirft die Empfehlung des Deutschen Museumsbunds bei der konkreten Umsetzung noch mehrere Fragen auf.
 

Zum dauerhaften Schutz wertvoller Objekte und Kunstwerke sollen in Museen und Ausstellungsräumen eng begrenzte, möglichst konstante Temperaturen und Luftfeuchten herrschen, die auch nur geringe zeitliche Schwankungen und Amplituden aufweisen dürfen. Gleichzeitig soll auch für Besucher ein angenehmes Raumklima sichergestellt werden. Die meisten großen Museen haben dazu teure und komplexe Klimaanlagen installiert, um die in ihrer Obhut befindlichen Werke zu erhalten.

Was sind aber nun enge Temperaturen und Feuchtewerte und möglichst geringe zeitliche Schwankungen? Wer ist am besten vorbereitet, um diese Komplexität zu erklären? Früher wurden die Anforderungen vom Restaurator, Wissenschaftlern und Kunsthistorikern definiert. Inzwischen sind noch der Facility-Manager und der Ausstellungsmanager dazugekommen. Aber auch Architekten und Ingenieure sollten ihren Beitrag leisten. Daraus wird ersichtlich, dass diese Entscheidungsfindung nur als multidisziplinäre Tätigkeit möglich sein kann.

Klimaanforderungen auf dem Prüfstand

International haben sich auch die großen Museen der Energiethematik gestellt. Ein wachsendes Bewusstsein für die Auswirkungen der Klimatisierungssysteme auf das Klima hat eine Reihe großer Institutionen dazu veranlasst, ihre grundlegendsten Klimaanforderungen zu überdenken. Seit Russlands Invasion in der Ukraine im vergangenen Jahr die Gas- und Strompreise in Europa in die Höhe trieb und sich ein vermeintlich weit entferntes Problem als eine unmittelbare Gefahr für die Museumsfinanzen herausstellte, haben einige der größten Museen zu handeln begonnen.

Im vergangenen Jahr haben große Museen, darunter das Guggenheim Bilbao in Spanien und das Rijksmuseum in den Niederlanden, ihre Standards gelockert und ihre Systeme neu kalibriert, um in einigen Galerien einen größeren Temperatur- und Feuchtigkeitsbereich zu ermöglichen. Diese Museen haben monatelange Studien durchgeführt, von denen sie sagen, dass sie beweisen, dass die Änderungen die Gegenstände in ihrer Obhut nicht gefährden [1].

Leider betrifft das nicht generell alle Räume in einem Museum. Für Bereiche, in denen Leihgaben ausgestellt sind, gelten noch die alten, strengen Maßstäbe. Leihverträge mit anderen Museen und privaten Sammlern bedeuten, dass diese Galerien möglicherweise weiterhin streng klimatisiert bleiben müssen, was die Institutionen in ihrem Bestreben behindert, Energiekosten und Emissionen zu senken. Hier sind noch intensive internationale Abstimmungen erforderlich.

Aber auch schon auf das „Bizot Green Protokoll“ [2] von 2014, verfasst von Direktoren der weltweit führenden Museen, ist zu verweisen, das das Ziel determiniert, durch „passive Methoden, einfache Technologie, die leicht zu warten ist, und energiesparende Lösungen“ den energetischen Aufwand für den Betrieb der Museen zu verringern. Die Notwendigkeit von Klimaanlagen sei kritisch zu bewerten, auf die Möglichkeit der Erweiterung der zulässigen Klimawerte (relative Luftfeuchte im Bereich von 40 bis 60 %, Temperaturen im Bereich von 16 bis 25 °C mit zulässigen Schwankungen der Feuchte < 10 % in 24 h) wird hingewiesen.

Bild 2 Klimakorridor gemäß der DMB-Empfehlung unter Punkt 1 „Ausstellungen“ [4].

Trogisch

Bild 2 Klimakorridor gemäß der DMB-Empfehlung unter Punkt 1 „Ausstellungen“ [4].

ASHRAE hat im Kapitel 24 „Museen, Galerien, Archive und Bibliotheken“ des „2019 ASHRAE Handbook − HAVC Application“ [3] diese Vorschläge aufgegriffen und es findet zu dieser Thematik eine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung statt. Im Ergebnis werden Lösungswege aufgezeigt, wie diese neuen Anforderungen realisiert werden können. Dabei ist weiter das vorrangige Ziel, die Existenz von Kulturgütern zu verlängern. Im Vorfeld der Planungen sind zunächst Risikobetrachtungen im Hinblick auf die zu formulierenden Anforderungen durchzuführen. Bei der Entscheidungsfindung ist insbesondere die intensive Auseinandersetzung mit den restauratorischen Anforderungen durch die beteiligten Nutzervertreter als Grundlage für die Festlegung der notwendigen klimatechnischen Rahmenbedingungen Voraussetzung.

Besondere Aufmerksamkeit ist bei der Festlegung der Grenzwerte und möglicher Schwankungsbereiche erforderlich. Bei den Überlegungen sollte auch beachtet werden, wie die Aufbewahrungsbedingungen in der Vergangenheit waren und ob es dadurch nachweislich zu Schäden an den Kunstwerken gekommen ist. Durch weiterführende wissenschaftliche Untersuchungen, Feldbeobachtungen etc. und ein größeres Bewusstsein für die Nachhaltigkeitserwägungen wurden klimatechnische Anforderungen hinsichtlich saisonaler Anpassungen und kurzfristige Schwankungen für viele Sammlungsumgebungen laut ASHRAE neu definiert. Weiterhin sollten sowohl der Gebäudetyp (Neubau oder historisches Gebäude) als auch die thermische und hygrische Speicherfähigkeit der Raumumschließungskonstruktion bzw. der Oberflächenmaterialien und natürlich mögliche zukünftige Betriebs- und Wartungskosten berücksichtigt werden.

In Anbetracht der Energieknappheit sind nun auch die Museen in Deutschland aufgefordert, ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Aus diesem Grund hat der Deutsche Museumsbund (DMB) gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Technik, Restaurierung, Wissenschaft und Verwaltung Empfehlungen für die Einführung eines erweiterten Klimakorridors bei der Museumsklimatisierung erarbeitet [4].

Erweiterter Klimakorridor

Die DMB-Empfehlung definiert (im September 2022) als Klimakorridor für Sammlungsgut:

„Statt eines einzelnen Sollwerts (single set point) wird ein Klimakorridor im Betrieb mit festen Grenzwerten (dual set point) empfohlen. Dies bedeutet, dass alle Werte innerhalb des Korridors als akzeptabel bewertet werden, sofern das Sammlungsgut keinen spezifischen konservatorischen Anforderungen unterliegt […]. Das dauerhafte Ausreizen der Grenzwerte sollte jedoch vermieden werden. Bei extremen Außentemperaturen sind zur Einhaltung der Grenzwerte ggf. ergänzende organisatorische Maßnahmen zur Reduzierung des Wärmeeintrags notwendig.

1. Ausstellungen: Temperatur Grenzwert: 18 °C (nach Arbeitsstättenrichtlinie ASR) und 26 °C [Bild 2]. Bei für die Öffentlichkeit länger geschlossenen Ausstellungen ohne ständigen Arbeitsplatz ist im Winter auch eine Raumtemperatur von 15 °C möglich (siehe: 2. Depot). Relative Luftfeuchtigkeit Grenzwert: 40 % und 60 %.

2. Depots: Temperatur: unterer Grenzwert 15 °C (wenn Arbeitsstättenrichtlinie ASR nicht greift), oberer Grenzwert wie Ausstellungen. Relative Luftfeuchtigkeit Grenzwert: wie Ausstellungen.

3. Schwankungen: Eine wesentliche Voraussetzung für den langfristigen Erhalt von Sammlungsgut sind materialspezifisch orientierte, stabile Klimabedingungen. Etwaige Schwankungen sollten nicht abrupt auftreten, sondern langsam verlaufen. Dies wird durch die Vorgabe möglichst flacher Gradienten (Schwankungen / Zeiteinheit) beschrieben. Als Änderungsgradienten und Richtwerte werden angegeben: Änderung der relativen Luftfeuchte innerhalb von 24 h: + 5 % oder − 5 %. Änderung der Temperatur innerhalb von 24 h: + 2 K oder − 2 K.

Diese Empfehlung wurde zur schnellen Umsetzung empfohlen. Eine kontinuierliche Begleitung und Evaluierung sind dringend erforderlich.“

Bemerkungen zur DMB-Empfehlung und zum Begriff „Klimakorridor“

Aus Sicht des Technikers ist zu begrüßen, dass besonders aus energetischen Gründen ein Betrieb mit festen Grenzwerten (dual set point) empfohlen wird. Das ist aber nicht (ganz) neu.

Schon Lampert hat im Rahmen seiner Dissertation 2005 [5] im Ergebnis bei 13 von 16 angefragten Museen festgestellt, dass die Klimaanlagen mittels sammlungsspezifischen Sollwertprogrammen (Klimakorridor) gesteuert wurden (Winter: 19 (21) °C, 45 (50) %; Sommer: 22 (26) °C und 50 (55) %; bei zulässigen Toleranzen von 1 bis 2 K und 3 bis 5 %).

Auch bei der Sanierung der historischen Gebäude auf der Berliner Museumsinsel (Alte Nationalgalerie, Bode-Museum Bild 3 und Neues Museum) wurden feste Grenzwerte für Temperatur und relative Feuchte für Sommer und Winter vereinbart. Die Klimaanlagen werden mit außentemperaturunabhängigen Sollwertprogrammen gesteuert. Die Anpassung der Sollwerte zwischen Winter und Sommer findet in den Monaten März bis Juni und September bis November automatisch statt. Die einzelnen Sollwerte sind auch manuell veränderbar. Die Sollwerte sind hier entsprechend der Sammlung differenziert festgelegt (Winter: 20 °C, 40 (50) % und Sommer 23 (26) °C, 45 (55) %, bei einheitlich festgelegten zulässigen Toleranzen von ± 1 K und ± 5 %). Betriebserfahrungen bestätigen die Einhaltung dieser Werte.

Neu bei der Empfehlung des DMB zum Klimakorridor ist die grundsätzliche Erweiterung des Grenzbereichs – natürlich mit der Einschränkung „sofern das Sammlungsgut keinen spezifischen konservatorischen Anforderungen unterliegt“!

Differenzen zwischen Wunschdenken und den praktischen Möglichkeiten

Bild 3 Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel. Bei der Sanierung wurden feste Grenzwerte für Temperatur und relative Feuchte für Sommer und Winter vereinbart.

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Bild 3 Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel. Bei der Sanierung wurden feste Grenzwerte für Temperatur und relative Feuchte für Sommer und Winter vereinbart.

20 °C und 50 % und beides möglichst konstant, höchstens ± 2 K und ± 5 % oder besser weniger pro Stunde, sind schon immer „Wunsch vieler Restauratoren“, wenn es um optimale Lagerung und Präsentation von Kunstgütern geht. Real betrachtet sind diese idealen Bedingungen auch mit Vollklimaanlagen nicht wirklich (immer) einzuhalten, wenn diese mit Blick auf einen effizienten Energieeinsatz nicht überdimensioniert sein sollen. Auch bei der Festlegung der zulässigen Toleranzen gibt es Differenzen zwischen Wunschdenken und praktischen Möglichkeiten.

Holl stellt in ihrer Dissertation [6] fest, dass die „Vorstellung von einem vollkommen homogenen Raumklima naiv ist. Beeinflusst durch angrenzende Flächen und Luftströmungen bildet sich insbesondere an Wandflächen ein anderes Mikroklima als in Raummitte aus. Folglich können die Klimavorgaben auf vielfältige Weise ausgelegt werden“.

Kann die Frage, welche (kurzfristigen?) klimatischen Schwankungen zulässig für Kunstwerke sind, ohne dass diese Schaden nehmen, überhaupt verallgemeinert beantwortet werden? Neu sind diese Fragen nicht – sie beschäftigen Restauratoren, Ingenieure und Anlagentechniker bereits seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts. Bisherige Monitoringversuche, Laboruntersuchungen und Simulationen zum mechanischen Verhalten von Kunstwerken sind begrenzt auf einzelne Objekte bzw. Materialien. Häufig werden Vereinfachungen getroffen, die das Ergebnis verfälschen können.

Selten finden die Erkenntnisse aus Untersuchungen und Laborversuchen Rückkopplung zu den Beobachtungen, die direkt vor Ort an historischer Ausstattung gewonnen wurden, sodass mögliche Empfehlungen immer wieder heftig diskutiert werden. Im Ergebnis der Untersuchungen in [6] wird aber festgestellt, dass Vorgaben mit stündlichen Schwankungen von ± 2,5 % der relativen Luftfeuchte kritisch zu sehen sind, da sie im Rahmen der Messungenauigkeit vieler Sensoren liegen. Anhand der Versuche im Labor konnte gezeigt werden, dass sich stündliche Schwankungen von ± 5 % bei der relativen Luftfeuchte kaum auswirken. Die relative Luftfeuchte zwischen 40 und 70 % ist ein für die meisten Kunstwerke akzeptabler Klimakorridor. Hier muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Untersuchungsergebnisse am Beispiel von Leinwandgemälden und gefassten Holzoberflächen ermittelt wurden.

Wenig Beachtung findet bisher der Einfluss der Beleuchtung (Akzentbeleuchtung) auf das Mikroklima im Bereich der Kunstwerke. Die Akzentbeleuchtung führt in der Regel zu einer Erhöhung der Oberflächentemperatur und damit hier zu einer Absenkung der relativen Feuchte. Es ist allerdings festzustellen, dass durch den Einsatz von LED-Leuchten diese Erscheinung abgemildert wird.

Schon Thomson sagte 1986:  „die Standardspezifikation von ± 4 oder 5 % der relativen Feuchte basiert mehr auf dem, was wir vernünftigerweise von der Ausrüstung erwarten können, als auf einem tiefen Wissen über die Auswirkungen kleiner Variationen auf das Exponat“ [7].

In DIN EN 15757 [8] und mit ähnlichem Wortlaut in [3] und [6] wird sogar folgende Empfehlung gegeben: „Allerdings wird sich ein Material, das über eine signifikante Zeitdauer (mindestens 1 Jahr) gelagert wurde, sogar in einer qualitativ geringwertigen Umgebung, an die Bedingungen akklimatisiert haben. Eine sorgfältige Analyse der Bedürfnisse des Materials ist erforderlich, um sicherzustellen, dass festgelegte Normwerte nicht weitere Beschädigungen nach sich ziehen. Jede Änderung eines historischen Klimas kann problematisch sein.“ Bei der Bewertung haben hier Restauratoren eine hervorgehobene Verantwortung.

Bild 4 Beschreibung des Luftzustands, Magnus-Formel.

GV

Bild 4 Beschreibung des Luftzustands, Magnus-Formel.

Gestützt wird diese Theorie dadurch, dass insbesondere in vielen historischen Gebäuden, die als Museen genutzt werden, ein konservatorisch vertretbares Raumklima auch ohne Einsatz größerer technischer Mittel aufrechterhalten werden kann. Stärkere Einschränkungen und Schwankungen im Sommer (Temperatur, Feuchte) werden oft toleriert bzw. durch Sonnenschutzmaßnahmen abgemildert. Im Winter (Feuchte) wird vielfach durch einfache mobile Befeuchter dem Absinken der Feuchte durch die Gebäudebeheizung entgegengewirkt.

Ob diese Maßnahmen dann ausreichen, wird im Wesentlichen durch die Intensität der Beleuchtung und die Anzahl der Besucher, die baupysikalischen Randbedingungen und natürlich von der Beurteilung durch die verantwortlichen Restauratoren bestimmt. In vielen Museen werden aber auch die Anforderungen durch wirtschaftliche Zwänge beeinflusst.

Für Museumsbesucher und Mitarbeiter besteht aus hygienischen Gründen zusätzlich die Anforderung, die Räume mit schadstoffarmer Außenluft zu versorgen. Bei historischen Gebäuden mit Einfach- bzw. Doppelfenstern kann das überwiegend über die natürlichen Fugen der Fensterkonstruktion sichergestellt werden, die sogenannte Fugenlüftung (Grenze bestimmt sich durch die Anzahl der Besucher). Die Intensität hängt vom Winddruck und den thermischen Gegebenheiten ab und ist somit nicht konstant! Bei sanierten Altbauten wird durch den Einbau neuer Fenster die Fugenlüftung stark eingeschränkt bzw. ganz unterbunden. Daraus ergibt sich dann die Notwendigkeit der mechanischen Lüftung [9], denn eine Stoßlüftung durch Fensteröffnung kann im Museum nur eine Notlösung sein.

Das Wasserdampfpartialdruckgefälle muss möglichst klein gehalten werden

Welche regelungstechnischen und technischen Randbedingungen sind nun bei der Umsetzung der Klimaanforderungen zu berücksichtigen?

Für die technische Auslegung von Klimaanlagen ist eine höhere zulässige sommerliche Raumtemperatur (erweiterter Klimakorridor) ein entscheidender Wert, um die Anlagengröße zu minimieren. Grenzen werden hier aber durch die Sicherstellung eines Mindestluftvolumenstroms zur Erzielung der gleichmäßigen Temperatur- und Feuchteverteilung im Raum gesetzt.

Weil sprunghafte Temperatur- und Feuchtewechsel nicht gewollt sind, ist in Museen das saisonale Gleiten von Temperatur und relativer Feuchte weit verbreitet. Weitere Größen zur Beschreibung eines Zustandspunkts der „Feuchten Luft“ sind die absolute Feuchte (Feuchtegehalt) x und Teildruck des Wasserdampfs (Partialdruck) pD bei einem vorgegebenen barometrischen oder Gesamtdruck pG (siehe auch: [10, 11, 12, 13]). Dabei ist die relative Feuchte φ das Verhältnis von Wasserdampfpartialdruck zum Sättigungsdruck des Wasserdampfes pDS bei gleicher Temperatur. Mit den bekannten thermodynamischen Zusammenhängen (Magnus-Formel, Bild 4) wird der Luftzustand exakt beschrieben.

Konservatorisches Ziel bei der Bewahrung von Sammlungsgut ist die Minimierung von Stofftransporten in und aus den Objekten. Dies ist bezüglich Wasserdampf bei organischen und hygroskopischen Objekten, insbesondere Holz, Textilien und Papier nur unter strenger Beachtung der Luftfeuchtigkeit in der Umgebungsluft zu gewährleisten, um ein Austrocknen oder Quellen der Objekte zu vermeiden sowie mikrobiologische Prozesse zu reduzieren.

Dabei muss es das Ziel sein, den Wasserdampf-Stofftransport sowohl aus der Luft in das Objekt als auch aus dem Objekt in die Luft zu minimieren, wenn sich zuvor ein gewünschtes Verhältnis eingestellt hat. Voraussetzung dafür ist die Ausgeglichenheit des Wasserdampfpartialdrucks an der Grenzschicht Fester Körper (Objekt) und Gas (Luft).

Der Wasserdampfpartialdruck der feuchten Luft ist gekoppelt mit dem Wert des Wassergehalts in der Luft, der absoluten Luftfeuchtigkeit x. Im h-x-Diagramm nach Mollier ist ersichtlich, dass sich bei Schwankungen bzw. Änderungen der Temperatur und gleichem Wassergehalt der Luft (konstante absolute Feuchte) auch die relative Luftfeuchtigkeit φ verändert.

Das heißt für die Museumsanwendung, dass die bisher sehr enge Regelung der relativen Luftfeuchtigkeit durch Be- und Entfeuchtung bei eventuellen Temperaturänderungen dazu führt, dass sich der absolute Feuchtegehalt der Luft verändert und damit infolge des Wasserdampfpartialdruckgefälles ein Stofftransport zwischen Luft und Objekt angestoßen wird.

Eventuelle kurzfristige Schwankungen der Raumtemperatur im Tagesgang (zum Beispiel durch äußere Lasten wie Sonneneinstrahlung oder innere Lasten wie große Besucherzahlen oder Wärmeeintrag durch Beleuchtung) sollten also nicht mit ausschließlichem Blick auf die relative Luftfeuchtigkeit mit der Veränderung des Wassergehalts in der Luft (Luftbefeuchtung oder Luftentfeuchtung) kompensiert werden.

Es muss vielmehr betrachtet werden, ob und wie das Wasserdampfpartialdruckgefälle klein gehalten werden kann. Nur unter Minimierung des Wasserdampfpartialdruckgefälles zwischen Luft und Objekt kann der Stofftransport bei organischen und hygroskopischen Materialien auf ein Minimum beschränkt werden.

Deshalb ist es sinnvoll und empfehlenswert, die absolute Feuchte als Regelgröße in Ansatz zu bringen. Außerdem ist der daraus resultierende Wasserdampfpartialdruck der Luft eine Bezugsgröße zur Bewertung des Feuchtetransports.

Bild 5 Beispielhafter Verlauf beim saisonalen Gleiten des Raumklimas für ein historisches Gebäude

Trogisch

Bild 5 Beispielhafter Verlauf beim saisonalen Gleiten des Raumklimas für ein historisches Gebäude

Kaskadenregelung

In der Praxis wird man dazu eine Regelung, welche nebenbei eine sehr wirtschaftliche Fahrweise bietet – beispielsweise aus „dynamischer“ Kaskadenregelung für Temperatur- und Feuchteregelkreis zusammengesetzt – konzipieren. Als Messgrößen werden hierzu grundsätzlich Temperatur und relative Feuchte herangezogen, als Führungsgrößen werden jedoch Temperatur und absolute Feuchte (Berechnung aus Temperatur und relativer Feuchte) verwendet.

Bild 6 Darstellung des Klimakorridors gemäß der DMB-Empfehlung unter Punkt 1 „Ausstellungen“ ohne Toleranzbereich gemäß Punkt 3 „Schwankungen“ [4].

Trogisch

Bild 6 Darstellung des Klimakorridors gemäß der DMB-Empfehlung unter Punkt 1 „Ausstellungen“ ohne Toleranzbereich gemäß Punkt 3 „Schwankungen“ [4].

Für eine physikalisch korrekte Auslegung und Regelung von Trocknungs- oder Befeuchtungsvorgängen, und in der Folge für die präzise Regelung einer Klimaanlage, muss die absolute Luftfeuchte in g/kg als Auslegungs- und Berechnungsgrundlage herangezogen werden. Gemeinsam mit der Temperatur kann damit der Luftzustand eindeutig bestimmt werden.

Unabhängig davon kann damit eine besonders ökonomische Fahrweise einer Klimaanlage erreicht werden. Man rechnet bei Präzisionsklimalösungen häufig anstelle von % relativer Feuchte mit der absoluten Feuchte x in g/kg trockene Luft (oder mit der zugehörigen Taupunkttemperatur in °C), damit eine präzisere Fahrweise von Klimaanlagen erreicht werden kann.

Bei der Festlegung von einzuhaltenden nutzungsbedingten Raumluftparametern wird im Allgemeinen auf die maximal zulässige Raumlufttemperatur ϑL (in °C) und die maximal zulässige relative Feuchte φ und ihre möglichen Toleranzen orientiert. Dies ist praktikabel, weil es auch ausreichende Messmöglichkeiten gibt.

Die praktische Umsetzung der Regelstrategie für die Klimaanlage für das saisonale Gleiten (d. h. im Klimakorridor) ist beispielhaft in Bild 5 und in Bild 6 im h-x-Diagramm dargestellt [11].

Fazit zur DMB-Definition Klimakorridor

Bild 7 Darstellung einer üblichen Schwankungsbreite bei einem mittleren Raumluftpunkt.

Trogisch

Bild 7 Darstellung einer üblichen Schwankungsbreite bei einem mittleren Raumluftpunkt.

Die in der DMB-Empfehlung unter Punkt 1 „Ausstellungen“ angegebenen Werte sind aus technischen Gesichtspunkten interpretationsbedürftig:

● Berücksichtigen die angegeben Grenzwerte bereits die zulässigen Regeltoleranzen (vergleiche Bild 2 und Bild 6)?

● Ist der zulässige Klimakorridor nach wie vor über ein außentemperaturunabhängiges, jahreszeitliches Gleiten von Temperatur und Feuchte zu realisieren?

Unter Klimakorridor sollte ein Bereich (schraffierte Zone in Bild 2) verstanden werden, in dem ein saisonales Gleiten der Klimaparameter einschließlich Regeltoleranzen unabhängig von der Außentemperatur möglich ist.

Auch die Richtwerte in Punkt 3 „Schwankungen“ der DMB-Empfehlung werfen Fragen auf:

● Der Änderungsgradient ist kein definierter Begriff; die vorgegebene Zeiteinheit von 24 h würde eine zulässige Änderungsgeschwindigkeit z. B. bei der Temperatur von ± 2 K/24 h von ± 0,083 K/h bedeuten! Besser wäre es, eine Schwankungsbreite innerhalb einer bestimmten Zeiteinheit anzugeben.

● Was bedeutet + 5 % oder − 5 %, was ist der Bezug? Eine technische Abweichung muss immer mit ± definiert werden!

● Stellen die Werte gemäß Punkt 1 „Ausstellungen“ Grenzwerte dar, in denen die Temperatur und / oder die relative Feuchte schwanken dürfen? Wenn ja, um welche Schwankungsbreite (siehe auch Bild 7)?

Unter der Annahme, dass die angegebenen Schwankung von + 5 % oder − 5 % nur eine regelungstechnische Schwankungsbreite von ± 2,5 % zulässt, ist eine regelungstechnische Umsetzung im Museum zu bezweifeln. Bezüglich der zulässigen Feuchteschwankungen wird hier auf die Aussagen in [2, 3 und 6] hingewiesen.

Schlussfolgerungen

Der Vorschlag, einen einheitlichen Klimakorridor zu definieren und anzuwenden, ist aus regelungstechnischen, energetischen und ökonomischen Aspekten richtig.

Bei der Festlegung von Grenzwerten wäre es empfehlenswert, eindeutige, fachlich und thermodynamisch nachvollziehbare Werte zu postulieren.

Bereits in der Vergangenheit ausgeführte Anlagen mit einem Klimakorridor haben gezeigt (siehe auch: [9, 5]), dass der Vorschlag aus Nachhaltigkeitsgründen auch zukünftig weiter verfolgt werden sollte. Eine Vergrößerung des zulässigen Toleranzbandes (Schwankungsbreite), wie im Bizot Green Protokoll [2] und von ASHRAE [3] angeregt, sollte dabei in weiteren Diskussionen thematisiert werden. Nicht allein durch die Erweiterung des Klimakorridors, auch durch eine Vergrößerung des zulässigen Toleranzbands sind weitere Energieeinsparungen möglich.

Was unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zur Energieeinsparung und energieoptimierten Auslegung von RLT-Anlagen weiter empfohlen werden kann:

● konsequentes Monitoring des Energieverbrauchs

● richtige Bemessung der Außenluftvolumenströme [9]

● Verwendung von Luftqualitätsfühlern, um den Außenluftvolumenstrom den jeweiligen Belastungen automatisch anzupassen

● eine Entfeuchtereinheit im Außenluftkanal anordnen [9]

● außerhalb der Öffnungszeiten bzw. in den Nachtstunden eine Abschaltung bzw. Minimierung des Luftvolumenstroms der RLT-Anlage vornehmen, wenn keine oder geringe Laständerungen zu erwarten und eine ausreichende Speicherkapazität der Raumumschließungskonstruktion vorhanden sind. Der Nachweis kann über Simulationen bei der Anlagenauslegung bzw. im Bestand durch ein erweitertes Monitoring geführt werden.

● Umfang und die Notwendigkeit akzentuierender Beleuchtung von Objekten in den Ausstellungen prüfen, besonders im Tageslichtfall.

Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Industrie- und Gewerbelüftung

Dipl.-Ing. Hans-Peter Thiele
ehemaliger Fachverantwortlicher TGA für alle Baumaßnahmen auf der Berliner Museumsinsel beim Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Prof. (em) Dr.-Ing. Achim Trogisch
HTW Dresden, Fakultät Maschinenbau

Literatur

[1] As energy costs bite, museums rethink a conservation credo. The New York Times und artdaily.com, Februar 2023 Aufruf über: www.bit.ly/tga1451

[2] Bizot Green Protocol – „Ökologische Nachhaltigkeit – Reduzierung des CO2-Fußabdrucks von Museen“, 2015, siehe: www.museumsbund.de/museumsklimatisierung

[3] 2019 ASHRAE Handbook – HAVC Application, Capter 24 „Museums, Galleries, Archives and Libraries“. Atlanta, Georgia, USA: American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers (ASHRAE), 2019

[4] Empfehlung zur Energieeinsparung durch die Einführung eines erweiterten Klimakorridors bei der Museumsklimatisierung. Berlin: Deutscher Museumsbund, September 2022

[5] Lampert. J.: Methodische Ansätze zur Energieverbrauchsberechnung bei raumlufttechnischen Anlagen in Museen unter besonderer Berücksichtigung des Lufttransports. Dresden: TU Dresden, Dissertation, 2005

[6] Holl, Katrin: Einfluss von Klimaschwankungen auf Kunstwerke im historischen Kontext. München: TU München, Dissertation, 2016

[7] Thomson G.: The Museum Environment. London, Butterworths, 1986

[8] DIN EN 15757 Erhaltung kulturelles Erbe – Festlegung für Temperatur und relative Feuchte zur Begrenzung klimabedingter mechanischer Beschädigungen an organischen hygroskopischen Materialien. Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2010

[9] John, M.; Thiele, H.-P.; Trogisch, A.: Kompendium Technik in Museen. Berlin, Offenbach: VDE Verlag, 1. Auflage, Februar 2023

[10] Trogisch, A.; Franzke, U.: Feuchte Luft – h-x-Diagramm – praktische Anwendungs- und Arbeitshilfen. Berlin, Offenbach: VDE Verlag, 2. überarbeitete Auflage, 2016

[11] Rogge, R.; Trogisch, A.: Museumsklimatisierung. Klimaregelung nach der absoluten Feuchte. Stuttgart: Gentner Verlag TGA 05-2021  Webcode  950086

[12] Recknagel/Sprenger/Albers: Taschenbuch für Heizungs- und Klimatechnik. Augsburg: ITM Inno Tech Medien, 81. Auflage, 2022

[13] Trogisch, A.; Reichel, M.: Planungshilfen Lüftungstechnik. Berlin, Offenbach: VDE Verlag, 7. überarbeitete und erweiterte Auflage, 2020

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