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Museumsklimatisierung

Klimaregelung nach der absoluten Feuchte

Kompakt zusammengefasst
■ Für einzuhaltende Raumluftparameter wird neben der Lufttemperatur insbesondere die relative Feuchte verwendet.
■ Für eine physikalisch korrekte Auslegung und Regelung von Trocknungs- oder Befeuchtungsvorgängen muss jedoch die absolute Luftfeuchte herangezogen werden.
■ Bei der Museumsklimatisierung erfüllt die Regelung nach der absoluten Luftfeuchte das Gebot einer Minimierung des Wasserdampftransports in und aus den Objekten.
 

Bei der Festlegung von einzuhaltenden nutzungsbedingten Raumluftparametern werden und wurden im Allgemeinen die Lufttemperatur 𝜗L (in °C) und die relative Feuchte und ihre möglichen Toleranzen verwendet. Dies ist praktikabel, weil es auch ausreichende Messmessmöglichkeiten gibt.

Weitere Größen zur Beschreibung eines Zustandspunktes der „Feuchten Luft“ sind die absolute Feuchte (Feuchtegehalt) x und Teildruck des Wasserdampfs (Partialdruck) pD bei einem vorgegebenen barometrischen oder Gesamtdruck pG (siehe auch Gleichung 1). Dabei ist die relative Feuchte φ das Verhältnis von Wasserdampfpartialdruck zum Sättigungsdruck des Wasserdampfs pDS bei gleicher Temperatur. Mit diesen bekannten thermodynamischen Zusammenhängen wird der Luftzustand exakt beschrieben.

Es ergeben sich die Fragen, warum für die Regelung des Luftzustandes einerseits nicht die absolute Feuchte als Regelgröße in Ansatz gebracht wird und zum anderen nicht der Wasserdampfpartialdruck der Luft. Dieser wird als Bezugsgröße für die Bewertung des Feuchtetransports verwendet, da es bei unterschiedlichen Potentialunterschieden (Druck, Temperatur) zwischen zwei Zuständen immer das natürliche Bestreben gibt, diesen zu kompensieren bzw. einen Gleichgewichtszustand zu erreichen.

Beispiel: Museumsklimatisierung

Hauptaufgabe der Museumsklimatisierung ist die natürliche Alterung der Ausstellungsobjekte zu verzögern und konservatorische Eingriffe infolge unzulässiger Aufbewahrungsbedingungen zu vermeiden. Hinzu kommen aber auch Anforderungen aus der Gebäudesubstanz (bauphysikalische Randbedingungen bei der Sanierung historischer Gebäude) und solche die für das Wohlbefinden der Museumsbesucher und der Museumsmitarbeiter bei der Festlegung der einzuhaltenden Klimaparameter zu berücksichtigen sind. Die gleichen Überlegungen sind für Depots und Restaurierungswerkstätten anzustellen.

Diese Anforderungen stehen nicht immer im Einklang miteinander. Erschwerend kommt hinzu, dass die im Museum ausgestellten Kunstobjekte oft nicht nur einer Materialgruppe zuzuordnen sind. Auch sind oft Exponate vorzufinden, die aus einem Verbund unterschiedlicher Werkstoffe bestehen. Jeder Werkstoff reagiert anders auf das Raumklima.

Stofftransporte minimieren

Konservatorisches Ziel bei der Bewahrung von Sammlungsgut ist die Minimierung von Stofftransporten in und aus den Objekten. Dies ist bezüglich Wasserdampf bei organischen und hygroskopischen Objekten, insbesondere Holz, Textilien und Papier nur unter strenger Beachtung der Luftfeuchtigkeit in der Umgebungsluft zu gewährleisten, um ein Austrocknen oder Quellen der Objekte zu vermeiden sowie mikrobiologische Prozesse zu reduzieren.

Dabei muss es das Ziel sein, den Stofftransport Wasserdampf sowohl aus der Luft in das Objekt als auch aus dem Objekt in die Luft zu minimieren, wenn sich zuvor ein gewünschtes Verhältnis eingestellt hat. Voraussetzung dafür ist die Ausgeglichenheit des Wasserdampfpartialdrucks an den Grenzschicht Fester Körper (Objekt) und Gas (Luft).

Der Wasserdampfpartialdruck der feuchten Luft ist gekoppelt mit dem Wert des Wassergehaltes in der Luft, der absoluten Luftfeuchtigkeit x. Im h-x-Diagramm nach Mollier ist ersichtlich, dass sich bei Schwankungen bzw. Änderungen der Temperatur und gleichem Wassergehalt der Luft (konstante absolute Feuchte) auch die relative Luftfeuchtigkeit φ und umgekehrt verändert.

Das heißt für die Museumsanwendung, dass die bisher sehr enge Regelung der relativen Luftfeuchtigkeit durch Be- und Entfeuchtung bei eventuellen Temperaturänderung dazu führt, dass sich der absolute Feuchtegehalt der Luft verändert und damit infolge des Wasserdampfpartialdruckgefälles ein Stofftransport zwischen Luft und Objekt angestoßen wird.

Eventuelle kurzfristige Schwankungen der Raumtemperatur im Tagesgang (zum Beispiel durch äußere Lasten wie Sonneneinstrahlung oder innere Lasten wie große Besucherzahlen oder Wärmeeintrag durch Beleuchtung) sollten also nicht mit ausschließlichem Blick auf die relative Luftfeuchtigkeit mit der Veränderung des Wassergehaltes in der Luft (Luftbefeuchtung oder Luftentfeuchtung) kompensiert werden.

Es muss vielmehr betrachtet werden, ob und wie das Wasserdampfpartialdruckgefälle klein gehalten werden kann. Nur unter Minimierung des Wasserdampfpartialdruckgefälles zwischen Luft und Objekt kann der Stofftransport bei organischen und hygroskopischen Materialien auf ein Minimum beschränkt werden.

Raumklimaanforderungen

Letztendlich wird das festzulegende Raumklima immer ein Kompromiss der aus den genannten Anforderungen sein. Demzufolge kann es auch keine Standartwerte für die Raumklimaanforderungen für Museen geben.

Die einzuhaltenden Raumklimawerte sollten deshalb für jeden Einzelfall nur in enger Zusammenarbeit von Museumsfachleuten, Bauherr, Architekten und dem Planer der Technischen Gebäudeausrüstung festgelegt werden. Verallgemeinerungen sind für bestimmte Einzelfälle sicherlich möglich (z. B. Gemäldegalerien), bedürfen aber ebenfalls einer gemeinschaftlichen Bewertung.

Im Allgemeinen wird in der Literatur der Konstanz der relativen Feuchte eine höhere Priorität zugeordnet als der Raumtemperatur. Neuere Veröffentlichungen weisen auf die Möglichkeit der Vergrößerung des zulässigen Toleranzbands der relativen Feuchtigkeit hin, was aber teilweise von Restauratoren kritisch gesehen wird.

Mit einer Literaturauswertung lässt sich feststellen, dass die Angaben zu den anzustrebenden relativen Luftfeuchten in den letzten 100 Jahren tendenziell gesunken sind, aber die anzustrebenden Raumtemperaturen gestiegen sind. Das Ansteigen der zulässigen Raumtemperatur ist auf darauf zurückzuführen, dass bei früheren Literaturangaben vermutlich der Sommerfall überhaupt nicht berücksichtigt wurde und mit zunehmender Technisierung in den Museen auch auf Komfortansprüche der Besucher und Mitarbeitern reagiert wurde [2, 3].

Kaskadenregelung

Für die technische Auslegung von Klimaanlagen ist eine höhere zulässige sommerliche Raumtemperatur ein entscheidendes Mittel, um die Anlagengröße zu minimieren. Grenzen werden hier aber durch Sicherstellung eines Mindestvolumenstroms zur Erzielung der gleichmäßigen Temperatur- und Feuchteverteilung im Raum gesetzt. Da sprunghafte Temperatur- und Feuchtewechsel nicht gewollt sind, ist in Museen das saisonale Gleiten von Temperatur und Feuchte weit verbreitet.

In der Praxis wird man dazu eine Regelung, welche nebenbei eine sehr wirtschaftliche Fahrweise bietet – beispielsweise aus „dynamischer“ Kaskadenregelung für Temperatur- und Feuchteregelkreis zusammengesetzt – konzipieren. Als Messgrößen werden hierzu grundsätzlich Temperatur und relative Feuchte herangezogen, als Führungsgrößen werden jedoch Temperatur und absolute Feuchte (Berechnung aus Temperatur und relativer Feuchte) verwendet.

Hierdurch lässt sich ein bedeutend besseres dynamisches Verhalten des Reglers realisieren. Die Kaskadenregelung benötigt ferner zur Funktion drei wichtige Informationen: Grenzen des Sollwerts (z. B. Behaglichkeitsfeld oder ein anderes Feld der im Museum zulässigen Raumluftparameter im h-x-Diagramm), die Luftkonditionen für den Raumregler (berechnet aus raumseitiger Regeldifferenz den Zuluft-Sollwert) und die Konditionen für den Zuluftregler (berechnet aus zuluftseitiger Regeldifferenz den Bedarf).

Bild 2 Toleranzbereich nach Tabelle Bild 3.

Trogisch / Rogge

Bild 2 Toleranzbereich nach Tabelle Bild 3.
Bild 3 Regelstrategie für eine Klimaanlage. Beispielhafter Verlauf beim saisonalen Gleiten des Raumklimas für ein historisches Gebäude mit Sammlungsgut aus gemischten Materialien nach Hilbert [4].

Trogisch / Rogge nach [4]

Bild 3 Regelstrategie für eine Klimaanlage. Beispielhafter Verlauf beim saisonalen Gleiten des Raumklimas für ein historisches Gebäude mit Sammlungsgut aus gemischten Materialien nach Hilbert [4].

Klimakorridor

Aus dem vorkonditionierten Luftzustand und des Zuluft-Sollwerts ergibt sich so ein bestimmter Bedarf zum Heizen, Kühlen, Befeuchten, Entfeuchten (oder eine Kombination aus diesen Prozessen). Das Feld für die zulässigen Raumluftparameter wird sich bei einer Anwendung in einem Museum erheblich vom bekannten Behaglichkeitsfeld im h-x-Diagramm unterscheiten, denn es wird relativ klein und schmal sein, weil es ja die konservatorischen Vorgaben abbildet. Dafür sollte deshalb der der Begriff „Klimakorridor“ verwendet werden.

Für eine physikalisch korrekte Auslegung und Regelung von Trocknungs- oder Befeuchtungsvorgängen und infolge für die präzise Regelung einer Klimaanlage den Luftzustand eindeutig zu bestimmen, muss die absolute Luftfeuchte in g/kg als Auslegungs- und Berechnungsgrundlage herangezogen werden. Unabhängig davon kann eine besonders ökonomische Fahrweise einer Klimaanlage erreicht werden. Bei Präzisionsklimalösungen rechnet man häufig anstelle der relativen Feuchte mit der absoluter Feuchte (oder mit der zugehörigen Taupunkttemperatur), damit eine präzise Fahrweise erreicht werden kann.

Die praktische Umsetzung der Regelstrategie für das saisonale Gleiten einer Klimaanlage ist beispielhaft in (Bild 2 und 3) dargestellt.

20 °C, 50 % r.F. bei 100 lx und möglichst alles konstant, höchstens ± 2 K und ± 5 % r.F. oder weniger pro Stunde, sind schon immer „Traum aller Restauratoren“, wenn es um optimale Lagerung und Präsentation von Kunstgütern geht. Real betrachtet sind diese idealen Bedingungen selbst mit Vollklimaanlagen nicht wirklich (immer) einzuhalten, wenn diese mit Blick auf einen effizienten Energieeinsatz nicht überdimensioniert sein sollen (Bild 4).

Bild 4 Darstellung des Toleranzbereiches bei Forderung „Konstant-Klima“.

Trogisch / Rogge

Bild 4 Darstellung des Toleranzbereiches bei Forderung „Konstant-Klima“.

Eine Sollwertänderung im Raum ist somit nicht mehr von den aktuellen Witterungsbedingungen abhängig, sondern wird entsprechend (Bild 3) jahreszeitlich als automatisches Sollwertprogramm fest vorgegeben und mit einem Klimakorridor von 20…25 °C und 45…55 % r.F. begrenzt. Die Änderung des Sollwerts findet nur einmal im Monat statt, die eingestellten Werte sind für diesen dann konstant.

Nachteil dieses Programms ist der etwas höhere Energiebedarf für die Klimatisierung der Ausstellungsräume mit Exponaten in der Regel aus gemischten Materialien, jedoch steht dem die höhere Regelgenauigkeit der Klimaanlagen mit dynamischen Regelkreisen wie eingangs beschrieben, gegenüber.

Da die RLT-Anlage jedoch nach wie vor auf die aktuellen Witterungsbedingungen reagieren muss, sind geringe Tagesschwankungen der Istwerte nicht auszuschließen, allerdings betragen die Tagesschwankungen in der Regel nicht mehr als 3 K bzw. nicht mehr 3 % r.F. Eventuell auftretende Extremfälle können durch die Begrenzung auf einen Klimakorridor bei richtiger Anlagenauslegung und korrekter Reglereinstellung ausgeschlossen werden.

Literatur

[1] Trogisch, A, Franzke, U.: Feuchte Luft – h-x-Diagramm – praktische Anwendungs- und Arbeitshilfen. Berlin, Offenbach: VDE Verlag, 2. überarbeitete Auflage, 2016

[2] Recknagel/Sprenger/Albers: Taschenbuch für Heizungs- und Klimatechnik. Augsburg: ITM Inno Tech Medien, 80. Auflage, 2020

[3] Trogisch, A., Reichel, M.: Planungshilfen Lüftungstechnik. Berlin, Offenbach: VDE Verlag, 7. Überarbeitete und erweiterte Auflage, 2020

[4] Hilbert, G.: Sammlungsgut in Sicherheit: Beleuchtung und Lichtschutz. Klimatisierung. Schadstoffprävention. Schädlingsbekämpfung. Sicherungstechnik. Brandschutz. Berlin: Gebr. Mann Verlag, 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, 2002

Ralph Rogge
Bereich Luft- und Klimatechnik / Planung im Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH Dresden (ILK Dresden), ralph.rogge@ilkdresden.de, www.ilkdresden.de

ILK Dresden

Prof. (em.) Dr.-Ing. Achim Trogisch
Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH), Fakultät Maschinenbau, Lehrgebiet TGA, Telefon (03 51) 4 62 27 89, achim.trogisch@htw-dresden.de, www.htw-dresden.de

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