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Künstliche Intelligenz

Eine neue Ära intelligenter Heizungssysteme

Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Bisher erfolgt die Wärmebereitstellung für Gebäude überwiegend nicht auf Basis eines direkt festgestellten Bedarfs, sondern als (zu hohes) Angebot auf Basis indirekter Messwerte und zumeist starrer Reglereinstellungen.
■ Erheblich effizienter kann eine Wärmebereitstellung erfolgen, wenn der aktuelle Bedarf sowie die künftige Nutzung und Witterung bekannt sind.
■ Im Forschungsprojekt SECAI steht die skalierbare energieminimierte Steuerung von HLK-Systemen auf Basis einer mehrdimensionalen Analyse und der Nutzung Künstlicher Intelligenz im Fokus.

Bild 1 Mit dem Forschungsprojekt SECAI bringt ein interdisziplinäres Konsortium KI in die Praxis der Gebäudetechnik.

SECAI

Bild 1 Mit dem Forschungsprojekt SECAI bringt ein interdisziplinäres Konsortium KI in die Praxis der Gebäudetechnik.

Künstliche Intelligenz verändert die Heiztechnik. Das Forschungsprojekt SECAI zeigt, wie smarte Algorithmen den Energieverbrauch in Gebäuden optimieren können: Ein KI-gesteuertes Heizsystem verknüpft Nutzerverhalten, Wetterdaten und Gebäudeeigenschaften intelligent miteinander und senkt so den Energieverbrauch um bis zu 18 %. Ein Blick auf eine Technologie, die die HLK-Branche zukunftsfähig machen kann.

Die Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik(HLK)-Branche steht aktuell an einem Wendepunkt: Hohe Energiepreise, strengere regulatorische Anforderungen und der Wunsch nach Klimaneutralität machen intelligente Steuerungen zunehmend attraktiv. Künstliche Intelligenz (KI) kann dafür an mehreren Stellen in der HLK einen Beitrag leisten. In Komponenten und Feldgeräten lassen sich etwa lernfähige Thermostate, vorausschauende Steuerungen oder Sensoren mit Mustererkennung einsetzen.

Für die Planung kommen intelligente Werkzeuge zum Einsatz, die Parameter optimieren und energieeffiziente Varianten vorschlagen. Für den Betrieb und das Monitoring analysiert KI beispielsweise Betriebsdaten in Echtzeit, erkennt Störungen frühzeitig und optimiert die Anlagensteuerung dynamisch und vorausschauend.

Aber es lohnt sich ein prüfender Blick auf die eingesetzten Lösungen. Denn nicht jedes „intelligente“ System nutzt echte KI. Klassische, adaptive Regler reagieren auf Veränderungen auf Basis festgelegter Parameter, sie lernen jedoch nicht selbstständig dazu. KI hingegen analysiert Daten, erkennt Muster und passt Strategien dynamisch und oft autonom an.

Wie KI die Heizung revolutioniert

In der Heizungstechnik kann dies bedeuten, dass Einflussfaktoren wie das Nutzerverhalten, die energetischen Eigenschaften eines Gebäudes oder Wetterverhältnisse berücksichtigt werden, um eine möglichst effiziente Steuerung des Heizsystems zu erreichen.

Ein besonders großes Potenzial liegt in der intelligenten Verknüpfung zwischen Einzelraumregelung und Zentralheizung. In vielen Bestandsgebäuden arbeiten Heizkörperthermostate dezentral und unabhängig vom zentralen Heizkessel. KI-Systeme ermöglichen es hingegen, alle verfügbaren Raum- und Verbrauchsdaten zu vernetzen. So kann die Heizkurve der zentralen Anlage laufend an das tatsächliche Nutzerverhalten angepasst werden.

Schlüsselfaktor intelligente Heizung

Bild 2 SECAI-App mit Heizungssteuerung und Heizplanerstellung.

DFKI // Screenshots aus der SECAI-App

Bild 2 SECAI-App mit Heizungssteuerung und Heizplanerstellung.

Wie dringend solche Lösungen erforscht und zur Marktreife gebracht werden müssen, zeigt die Statistik. In Deutschland entfällt rund ein Viertel des gesamten Endenergieverbrauchs auf private Haushalte. Davon wiederum werden etwa 70 % für die Beheizung von Wohnräumen verwendet. Überwiegend geschieht dies mit den fossilen Energieträgern Erdgas oder Heizöl.

Klassische Maßnahmen zur energetischen Sanierung wie Dämmung oder Fenstertausch reichen bei weitem nicht aus, um die nationalen Klimaziele – eine Minderung der ⁠Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 65 % gegenüber 1990 – zu erreichen. Eine effiziente, intelligente Heizungssteuerung birgt enormes, skalierungsfähiges Potenzial zur Energieeinsparung und damit zur dauerhaften Senkung von CO2-Emissionen.

KI-Funktionalität zum Nachrüsten

Das Projekt SECAI (Sustainable heating through Edge-Cloud based AI systems) verfolgt das Ziel, bestehende Heizsysteme in Mehrfamilienhäusern durch eine kostengünstige und datenschutzfreundliche Nachrüstung mit KI-Funktionalität zu modernisieren. Hierbei werden verschiedene Komponenten intelligent miteinander vernetzt. Thermostate passen die Raumtemperatur flexibel an, während die zentrale Heizungsanlage auf Basis von Echtzeitdaten aus dem Gebäude energieoptimiert gesteuert wird.

Ergänzend werden KI-gestützte Tools zur kontinuierlichen Überwachung des Heizsystems genutzt. Im Gegensatz zu herkömmlichen adaptiven Reglern, die nur auf Änderungen reagieren, kann KI durch kontinuierliches Lernen proaktiv agieren.

Mehrdimensionale Analyse

Ein Alleinstellungsmerkmal von SECAI ist der ganzheitliche Ansatz. Es stehen nicht nur technische Systeme im Fokus, sondern auch die Mietenden. Durch sogenanntes KI-basiertes „Nudging“ (Anstoßen, Stupsen; subtil beeinflussen, ohne Verbote oder finanzielle Anreize zu nutzen …), also gezielte Vorschläge für optimiertes Heizverhalten über eine eigens entwickelte Anwendung, werden Mietende aktiv eingebunden. Deren individuell an die Bedürfnisse angepassten Heizpläne werden dezentral auf Edge-Geräten (vor Ort) berechnet.

Die KI-Modelle schätzen zunächst den individuellen Wärmebedarf der Mietenden ab. Ein weiteres Modell berechnet darauf aufbauend den erforderlichen Energieeinsatz unter Berücksichtigung von Wetterdaten, die vom Partner Ubimet bereitgestellt werden. Diese Wetterprognosen werden gezielt heruntergerechnet, um ihren Einfluss auf den Wärmebedarf einzelner Gebäude möglichst genau abzubilden. Zusätzlich fließen weitere, maschinell erlernte Parameter wie Gebäudetyp, Ausrichtung oder thermische Trägheit ein.

Diese mehrdimensionale Analyse ermöglicht eine bedarfsgerechte Steuerung der zentralen Wärmeerzeugung. Derzeit existiert keine vergleichbare Lösung, das Nutzerfeedback, Heizungssteuerung und Wetterdaten in dieser Form miteinander verbindet.

Vorteile für Mietende und die Wohnungswirtschaft

Die Vorteile des SECAI-Systems sind vielfältig. Für Mietende bedeutet eine optimierte Heizungsregelung geringere Nebenkosten und damit eine direkte finanzielle Entlastung. Für Wohnungsunternehmen ergeben sich durch niedrigere Zahlungsausfälle und eine Wertsteigerung der Immobilien ebenfalls wirtschaftliche Vorteile.

Hinzu kommt eine signifikante Reduktion der CO2-Emissionen durch effizienteren Energieeinsatz. Für Vermietende ergibt sich daraus insbesondere bei mehreren Gebäuden eine doppelte Wirkung aufgrund des Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetzes (CO2KostAufG): Die aufzuteilenden CO2-Kosten sinken insgesamt und bei einem Sprung in eine geringere Einstufung zusätzlich der vom Vermieter zu tragende Anteil.

Auch der Wohnkomfort steigt, da die Heizleistung individuell an die Bedürfnisse der Bewohner angepasst werden kann. Über die Skalierbarkeit eignet sich SECAI auch für den Einsatz in ganzen Gebäudekomplexen.

Datenschutzfreundlich durch Edge-Cloud-Architektur

Ein zentrales Anliegen des Projekts ist der Datenschutz. SECAI setzt deshalb auf eine sogenannte Edge-Cloud-Architektur in Kombination mit einem sogenannten „Federated Learning“-Ansatz. Dabei verbleiben sensible Nutzerdaten lokal auf Edge-Geräten in der Wohnung. Die KI-Modelle werden dezentral trainiert und lediglich die Modellparameter in die Cloud übertragen, wo ein übergeordnetes Modell erstellt wird. Dieses wird anschließend wieder lokal ausgerollt. So kann das System skaliert werden, ohne zentrale Nutzerdaten zu sammeln. Die Architektur des Edge-Cloud-Ansatzes gliedert sich in vier Ebenen:

● Auf der Nano-Ebene befinden sich Sensoren und Aktoren innerhalb der Wohnräume, die Daten erfassen und Geräte steuern.

● Die Mikro-Ebene umfasst alle Geräte innerhalb einer Wohnung, deren Daten über ein Gateway aggregiert und für die lokale KI-Berechnung genutzt werden. Hier erfolgt auch eine Anreicherung mit externen Faktoren, etwa die Sonneneinstrahlung.

● Auf der Meso-Ebene wird das Verhalten ganzer Gebäude zusammengeführt und zentrale Anlagen gesteuert, beispielsweise der oder die zentralen Wärmeerzeuger bzw. die Wärmeverteilung.

● Schließlich bildet die Makro-Ebene ganze Gebäudebestände oder geografische Cluster, die vergleichbaren äußeren Bedingungen ausgesetzt sind, ab.

Bild 3 Ablauf des Modelltrainings im Forschungsprojekt SECAI.

SECAI

Bild 3 Ablauf des Modelltrainings im Forschungsprojekt SECAI.

Ausblick

Die nächsten Schritte im Projekt betreffen die Skalierung der Lösung sowie die stärkere Integration von Mietenden. Die Entwicklungen in SECAI zeigen, dass KI in der Heiztechnik mehr als ein Trend ist. Sie ist ein Instrument zur Effizienzsteigerung, zur Transparenz und zur Verbesserung der Versorgungssicherheit. Die HLK-Branche steht damit am Beginn einer neuen Ära: datenbasiert, lernfähig und intelligent gesteuert.

Beteiligt sind am Forschungsprojekt SECAI Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus den Bereichen Heizungstechnik, (Wetter-)Datenanalyse und KI-Entwicklung. Auch die Wohnungswirtschaft und der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) beteiligen sich an der Forschung. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, BMWE (ehemals BMWK), im Rahmen des Technologieprogramms „Edge Datenwirtschaft“. www.secai-energy.de

Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Gebäudeautomation

Simon Binz
ist Researcher am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). In SECAI ist er verantwortlich für das Datenschutzkonzept und den Datenmanagementplan sowie die Einhaltung ethischer Richtlinien beim Training von KI. www.secai-energy.de

DFKI

Dr. Florian Remark
ist Partner bei der Strategion GmbH. In SECAI hat er die Projektleitung inne und ist verantwortlich für die Implementierung der „Sustainable Heating“ sowie die zum Einsatz kommenden Federated-Learning-basierten KI-Algorithmen, die Datenverarbeitung und Cloud-Modelle. www.secai-energy.de

Dietmar Gust

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