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US-Studie

Snackwell-Effekt konterkariert ­Energiesparprogramme

Das Phänomen ist im Grundsatz nicht neu: Wer in Energieeffizienzmaßnahmen investiert, ist oft überrascht, wie wenig Energie unterm Strich damit eingespart wird. Eine Marktuntersuchung bei Hauseigentümern in den USA hat jetzt gezeigt, dass rund ein Drittel aller Befragten genauso viel Energie verbraucht wie bisher, obwohl sie in energiesparende Haushaltsgeräte, moderne Heizgeräte oder eine Energiesparbeleuchtung ­investiert haben.

Eine Studie der Universität von Michigan ­belegt, dass insbesondere nach Anschaffung einer energieeffizienten Waschmaschine der Stromverbrauch im Haushalt steigt, anstatt zu ­sinken. Untersuchungen zeigen, dass die Kon­sumenten nach Anschaffung von Energieeffizienzgeräten sorgloser mit Energie umgehen – im festen Glauben, dass sie ja viel Geld in die ­Anschaffung von Energiesparprodukten investiert haben. Quasi als Belohnung dafür gönnt man sich dann mehr Komfort. Typische Verhaltens­muster sind:

  • Häufigeres Waschen nach der Anschaffung energiesparender Waschmaschinen; gleichzeitig wird die Maschine weniger be­laden
  • Längere Einschaltdauer der Beleuchtung nach Anschaffung von Energiesparlampen
  • Höhere Raumtemperaturen nach Einbau von Energiespar-Heizkesseln
  • Tiefere Raumtemperaturen und längere Betriebszeiten nach Einbau neuer Raumklima­geräte.

US-Umweltschützer fordern deshalb, dass Ener­gieeffizienzmaßnahmen dem Endverbraucher besser erklärt werden müssten. „Die Leute sind nun mal so gestrickt“, versucht ein US-Chronist das Energieeffizienz-Paradoxon zu erklären. „Sie wollen abnehmen, kaufen deshalb Low-Fat-Cookies, essen dann aber gleich die ganze Packung auf einmal.“ Deshalb findet sich seit einiger Zeit auf den Packungen der Hinweis „Not for Weight Control“ – nicht zum Abnehmen geeignet. Auf Energieeffizienzmaßnahmen übertragen heißt das, man kauft sich einen neuen Heizkessel, glaubt damit große Mengen an Energie einzusparen und ist dann großzügiger beim Komfort. Fehlt eigentlich nur noch der Hinweis für US-Homeowners „Das Gerät entspricht der höchsten Energieeffizienzklasse, aber es eignet sich nicht zum Energiesparen.“

Auch in Europa ein Thema

Die Erkenntnisse der US-Marktforscher sind gar nicht so weit hergeholt, wie es den Anschein hat. Auch wenn sich der Begriff „Snackwell-Effekt“ in Europa noch nicht eingebürgert hat, so ist das Phänomen dennoch präsent. Auch bei uns wundern sich energiebewusste Hausbesitzer, wie stark beispielsweise der Einbau einer Wohnungslüftung den Stromverbrauch hochtreibt und wie wenig gleichzeitig der Gasverbrauch sinkt.

Von einem ähnlichen Effekt berichten Hausbesitzer nach dem Einbau einer thermischen Solaranlage: Offenbar verleitet solar erwärmtes Wasser dazu, ausgiebiger zu duschen – kostet ja nichts! Dass dabei zusätzlich Energie für Pumpenstrom und die Regelung verbraucht wird, steht auf einem anderen Blatt. Auch ein Energiespar-Auto kann verführerisch sein. Eine zusätzliche Spritztour am Wochenende fällt einem leichter, wenn der Öko-Flitzer nur 4 l auf 100 km schluckt. Auch bei der Anschaffung neuer Kühl- und Gefriergeräte macht sich das Energiespar-Paradoxon bemerkbar: Man entscheidet sich für die Energieklasse A, A+ oder A++, wählt dann aber ein größeres Gerät, vielleicht auch einen Side-by-Side-Kühl-/Gefrierschrank nach amerikanischem Vorbild mit Zusatzaus­rüstungen, wie Ice-Maker und Weintemperierer.

Die unerkannten Energieschlucker

Doch auch das Internet & Co tragen im Haushalt zu einem steigenden Energieverbrauch bei, trotz Energiesparlampen und A-Klasse-Haushaltsgeräten. Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) liegt in Deutschland der auf Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) entfallende Stromverbrauch bei 8 % am gesamten Stromverbrauch der End­energiesektoren. Allein der Energieverbrauch des Internets beläuft sich auf über 2 %, so das BMU, Tendenz weiter steigend.

Insbesondere die Flatrate-Angebote der Telekommunikationsunternehmen gelten als Antrieb, „always on“ zu sein. So soll der Stromverbrauch für das Surfen im Internet pro Anfrage bei 4 W/h (Quelle: Magazin Stern) bis 8 bzw. 11 W/h (Angabe: http://www.klimawandel.global.de ) liegen.

Zu den Triebkräften für eine höhere Verweildauer im Internet zählen insbesondere die sozialen Netzwerke wie Second Life, Facebook, My Space, StudiVZ, Xing, Twitter usw. Alle diese Portale verzeichnen exorbitante Zuwachsraten, bei der Erstregistrierung und noch mehr bei der portalinternen Kommunikation. Facebook will die Anzahl seiner Mitglieder von August 2008 bis August 2009 von weltweit 100 Mio. auf 200 Mio. erhöhen. Allein bei Facebook werden täglich rund 30 Mio. Bilder hochgeladen.

Auch Video on demand, Großbild-Fernseher sowie Zweit- und Dritt-TV-Geräte treiben den Stromverbrauch im Haushalt hoch. So hat ein 1 m breiter Plasma-Fernseher eine elektrische Leistungsaufnahme und Wärmeabgabe von rund 300 W – genug, um in einem Niedrigenergiehaus ein großes Zimmer zu heizen.

Mehr Energietransparenz vor Ort

In den USA werden deshalb Forderungen laut, den Energieverbrauch von Hocheffizienz-Geräten und -Systemen direkt am Gerät oder an einer markanten Stelle im Haushalt anzuzeigen. Damit soll der Verbraucher zu einem sorgsameren Umgang mit Energie erzogen werden. Das Argument: Auf jeder Kekspackung werden heute die Nährwerte angegeben. Warum nicht auch auf energieeffizienten Haushalts- und Heizgeräten? Es mag abgedroschen klingen, aber auch hier gilt die alte Erkenntnis: Energiesparen ohne zu messen kann man vergessen.

Wolfgang Schmid

ist Freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, E-Mail: wsm@tele2.de

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