Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
6. Geothermie-Kongress in Offenburg

Höchste Zeit für Tacheles am Bohrloch

Kompakt informieren

  • Schadensfälle bei der Bohrung von Erdwärmesonden haben Qualitätsprobleme aufgezeigt. Die Bohrfirmen klagen trotzdem über zu hohe Anforderungen in Normen, Vorschriften und Zertifizierungsgrundlagen. Politik und Richtliniengeber fordern weitere qualitätssichernde Maßnahmen.
  • Forschung und Entwicklung arbeiten zurzeit daran, die Verpressqualität von Erdsonden messbar zu ­machen.
  • Die Branche ist bisher kaum in die intelligente ­Bewirtschaftung von Erdwärmesonden(feldern) eingestiegen. Sie würde eine kostengünstigere und effizientere Nutzung oberflächennaher Geothermie ermöglichen.

Man mag es kaum glauben, aber es kommt immer noch vor, dass angelernte Friseure im Akkord Bohrlöcher für Erdwärmesonden abteufen. Und leider gibt es auch renommierte und zertifizierte Bohrunternehmen, die die Vorgaben des DVGW-Arbeitsblatts W1201) missachten, unpassendes Bohrgerät einsetzen, keine Notfallausrüstung parat haben und es mit der Verpressung des Bohrloches nicht so genau nehmen. Nach einer Häufung von Schadensfällen in Baden-Württemberg – allein in Staufen im Breisgau wird der Schaden durch vermeintliche Kosteneinsparungen bei der geologischen Recherche und durch den Zuschlag an die preiswerteste Bohrfirma auf mittlerweile 60 Mio. Euro geschätzt – zog die Landesregierung in Stuttgart die Notbremse und verhängte einen Quasi-Bohrstopp, das heißt, die Bohrtiefe wurde auf den ersten Grundwasserleiter begrenzt.

Inzwischen hat sich das Umweltministerium Baden-Württemberg mit den Branchenverbänden auf eine breit angelegte Qualitätsoffensive geeignet. Dabei geht es in erster Linie um die Durchsetzung des DVGW-Arbeitsblatts W 120-2 (Entwurf)1), eine forcierte Zertifizierung der Bohrunternehmen sowie um mehr Kontrolle durch externe Sachverständige beim Bohr- und Verfüllprozess. Die Messe Offenburg als Ausrichter der Geotherm hat deshalb das diesjährige Kongressprogramm im Teil II, Oberflächennahe Geothermie, ganz auf die Qualitätssicherung abgestimmt.

Baden-Württemberg hat verstanden

In keinem Bundesland wurde die oberflächennahe Geothermie von politischer Seite so forciert wie in Baden-Württemberg. In keinem Bundesland wurde nach einer Häufung von Schadensfällen dann derart auf die Bremse getreten wie im Südweststaat. Letztendlich brachten drei gravierende Schadensereignisse innerhalb von drei Wochen das Fass zum Überlaufen. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft verhängte am 18. August 2011 kurzerhand einen Quasi-Bohrstopp. Hauptprobleme waren angebohrte gespannte Grundwasserleiter und die ungenügende Abdichtung des Bohrlochs.

Die Schäden durch die unsachgemäßen ­Geothermie-Bohrungen in der Altstadt von Staufen werden inzwischen auf 60 Mio. Euro ­geschätzt. Von offiziellen Stellen wurden in Baden-Württemberg innerhalb der letzten beiden Jahre ­84 gravierende Schadensmeldungen registriert (62 Fälle in 2010, 22 in 2011) bei insgesamt 25000 niedergebrachten Erdwärmesonden. Allerdings wird von Geothermie-Fachleuten die Grauzone als nicht unerheblich eingeschätzt. Bemerkenswert ist, dass auch nach DVGW W 120 zertifizierte Bohrunternehmen mit guter Reputation und viel Erfahrung mit Schäden zu kämpfen hatten.

Die Konsequenzen aus der Schadenshäufung ließen nicht lange auf sich warten. Zusammen mit den Branchenverbänden und Zertifizierungsstellen setzte das baden-württembergische Umweltministerium eine verschuldungsunabhängige Haftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 1 Mio. Euro durch. Die Mindestdeckung der Haftpflichtversicherung der Bohrunternehmen wurde von 3 auf 5 Mio. Euro erhöht. Bohrgeräteführer müssen künftig eine mindestens zweijährige Berufserfahrung nachweisen. Außerdem müssen bei geologisch schwierigen Untergrundverhältnissen – die gibt es häufig in Baden-Württemberg – die Baustellen durch einen externen Sachverständigen überwacht werden. Darüber hinaus wurde eine Notfall-Hotline für Bohrführer eingerichtet. Mit Einführung der „Leitlinien Qualitätssicherung in Baden-Württemberg“ wurde die Tiefenbegrenzung wieder aufgehoben. Offen ist, welche Verfahren künftig für die Überwachung des Abdichtungsvorgangs im Bohrloch empfohlen werden.

Eva de Haas vom Umweltministerium in Stuttgart ist das jedoch noch nicht genug: „Mittelfristig brauchen wir eine Verordnung, die das verbindlich regelt.“ Vorstellbar sei auch ein Geothermie-Sachverständiger als neuer Berufszweig. Es gäbe eindeutig zu wenig Sachverständige für die Vor-Ort-Überwachung. Vorstellbar sei aber auch, dass der Planer der Geothermie-Bohrung die Arbeiten selbst überwacht.

Melderegister gegen schwarze Schafe

Auch die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW), Bonn, sieht als Richtliniengeber Nachholbedarf bei der Qualitätssicherung. Die oberflächennahe Geothermie gerate ins Hintertreffen, wenn die Branche die vorgegebenen Qualitätskriterien nicht erfülle, beispielsweise die Einhaltung der DVGW-Zertifizierungsgrundlage W120-2. Udo Peth, Diplom-Geologe beim DVGW, kam ohne Umschweife zur Sache. „Die Branche leidet unter den Schadensfällen in Staufen im Breisgau, Leonberg, Wiesbaden und Kamen.

Peth verwahrt sich gegen die aktuelle Kritik der Brunnenbauer und Geothermie-Bohrfirmen, die Normen, Vorschriften und Zertifizierungsgrundlagen rund ums Bohrloch seien zu hoch. Zitat Peth: „Die Zertifizierungsgrundlage DVGW W120-2 ist die Straßenverkehrsordnung für die Branche. Es reicht bei Weitem nicht aus, das Regelwerk in den Schrank zu stellen.“ Das Personal müsse regelmäßig überprüft werden, auch die Meister.

Wer am Bohrloch arbeite, müsse auf alle Unwägbarkeiten reagieren können. Die eingesetzte Gerätetechnik sei entscheidend für die Bohrqualität. 97 % der Schadensfälle rund um das Bohrloch könnten vermieden werden, wenn das DVGW-Arbeitsblatt W120-2 umgesetzt werden würde. Peth betonte jedoch auch, dass die DVGW keine Überwachungsbehörde sei, sondern die Zertifizierungsgrundlage für Bohr- und Brunnenbauunternehmen schaffe. „Verstöße gegen Normen sind Sache der Staatsanwaltschaft und nicht der DVGW.“

Obwohl die oberflächennahe Geothermie bereits 2005 auf Wunsch der Bohrfirmen mit in das bewährte DVGW-W-120-Zertifizierungsverfahren aufgenommen wurde, sei weiterer Regulierungsbedarf zur Qualitätssicherung am Geothermie-Bohrloch notwendig, bekräftigt Udo Peth. In dem überarbeiteten DVGW-Arbeitsblatt W120-2 gibt es jetzt einen gesonderten Teil, der sich ausschließlich mit der oberflächennahen Geothermie beschäftigt. Allerdings bedürfe es nach den jetzt vorliegenden Erfahrungen weiterer qualitätssichernder Maßnahmen rund um das Bohrloch für Erdwärmesonden, so Peth. Dazu müssten jedoch alle beteiligten Verbände und Behörden mitmachen. Offen sei, wie man mit unseriösen Firmen umgehe. Aus seiner Sicht sei ein Melderegister erforderlich, damit sich die seriös arbeitenden Unternehmen der Branche von ihren schwarzen Schafen absetzen können.

„Keine Chance für Friseure am Bohrer“

DVGW-W-120-Zertifizierer, wie Zertifizierung Bau, Berlin, wollen wegen der vermehrten Schadensfälle künftig bei zertifizierten und unzertifizierten Bohrunternehmen, ebenso bei deren Subunternehmen und Teilauftragsnehmern, genauer hinsehen. Durch die Prüfung der Dokumentation von abgeschlossenen Projekten sowie einer Betriebshof- und Baustellenkontrolle will die Zertifizierungsstelle sichergehen, dass am Bohrloch regelwerkskonform gearbeitet wird.

„Der Sub aus Osteuropa mit Friseuren am Bohrer darf keine Chance mehr am Bohrmarkt bekommen“, sagt Christina Buddenbohm von Zertifizierung Bau. Betroffene Unternehmen, Bauherren und Wettbewerber hätten die Möglichkeit, sich offiziell bei den Zertifizierungsstellen über Bohrunternehmen zu beschweren, die nicht regelkonform arbeiten. Bekannt seien Fälle, bei denen sogar zertifizierte Bohrunternehmen Erdwärmesonden regelmäßig nicht oder nur unzureichend verpresst hätten.

Messung der Verpressqualität

Die jüngsten Schadensfälle in Baden-Württemberg im Zusammenhang mit der Erstellung von Erdwärmesonden gehen einher mit der Forderung nach zuverlässigeren und genaueren Messmethoden bei der Verpressung der Sonden bzw. bei der Schadendiagnose. Doch bisher fehlt es an ausreichenden Erfahrungen und baustellentauglichen Messmethoden. Mehr Aufschluss über die Eignung verschiedener Messverfahren erhofft sich die Branche aus dem Forschungsprojekt EWSplus des Solites Instituts, Stuttgart, das vom Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg gefördert wird.

Im Rahmen dieses Projektes wurden vier Bohrungen mit einer Tiefe von 32 m erstellt, in die nacheinander 20 Erdwärmesonden eingebaut wurden. Die Wiederverwendung der Bohrlöcher wird über zwei ineinander stehende, konzentrische Rohre erreicht. Ziel ist, die Verpressqualität unter Baustellenbedingungen abgeteufter Erdwärmesonden zu untersuchen, und zwar nach der Qualität der hydraulischen Abdichtung – auch zwischen verschiedenen Grundwasserleitern – und der thermischen Effizienz.

Untersucht wurden die Verfahren Enhanced Geothermal Responce Test (tiefenabhängige Wärmeleitfähigkeitsbestimmung), Gamma-Gamma-Dichtemessungen (Messverfahren zur Überprüfung der Gleichförmigkeit der ­Hinterfüllungsdichte einer Erdwärmesonde), Gamma-Roy-Logs (Messung der natürlichen Gammastrahlung von Ringraumhinterfüllung und Gebirge), kontinuierliche Temperaturmessung mit Glasfaserkabeln zur Untersuchung der Hydrationswärme sowie Ultraschallmessung. Bewusst wurden dabei Wasser- und Luftfehlstellen in das Bohrloch eingebaut, um deren Lage mittels der zur Verfügung ­stehenden Messverfahren zu detektieren und zu analysieren.

Digital überwachte Abdichtung

Ein besonders hochwertiges Messverfahren stellten Claus Dietrich und Thorsten Weyrauch von Dietrich Erdwärme, Weilheim an der Teck, vor. Mithilfe eines sich noch in der Entwicklung befindlichen Gerätes der Fa. Sotronix wurde erläutert, wie ein optimaler Verpressvorgang einer Bohrsonde reproduzierbar aufgezeichnet und dokumentiert werden kann. Die er­forderlichen Parameter sind die Suspensionsdichte des Verpressmaterials, die Durchflussmenge pro Zeiteinheit, der Druck der Suspensionssäule über der Druckmesssonde sowie deren Einbautiefe im Bohrloch zu jedem Zeitpunkt. Hinzu kommt die Erfassung aller Messdaten über die Zeitachse. Herzstück des Ver­fahrens ist das elektronische Aufzeichnungs­gerät DBO 1/3 (Digital Bohrhole Observation), das alle Messdaten so dokumentiert, dass der Verpressvorgang an jedem Zeitpunkt und jeder Bohrtiefe zurückverfolgt werden kann und damit eine lückenlose Dokumentation für alle Beteiligten zur Verfügung steht, auch für den Bauherrn, der ja bekanntlich das volle Risiko der Bohrung trägt.

Messungen in Erdwärme-U-Rohrsonden

Während in Offenburg bei den meisten Vorträgen in punkto Schäden um den heißen Brei herum geredet wurde, nannte André Voutta von der gleichnamigen Firma für Grundwasserhydraulik, Herrenberg, die Probleme der Branche beim Namen. Durch mangelhafte Qualität am Bohrloch kam es in den letzten Jahren speziell in Baden-Württemberg zu Geländesetzungen und Geländehebungen, verbunden mit oft gravierenden Gebäudeschäden. Außerdem seien Quellen trocken gefallen und Brunnen versiegt. In allen Fällen waren fehlerhafte Hinterfüllungen der Erdwärmesonden die Ursache, so Voutta. Inzwischen seien mehrere bewährte Verfahren aus der Bohrlochgeophysik so miniaturisiert, dass Messungen innerhalb von Erdwärme-U-Rohrsonden möglich sind. In der Praxis werden folgende Verfahren zur Güteprüfung von Erdwärmesonden eingesetzt:

  • Ruhetemperaturprofile. Dabei wird die ­Temperatur über die gesamte Tiefe des Bohrlochs zu unterschiedlichen Nutzungszeiten aufgezeichnet, z.B. Februar, Mai, ­August und November.
  • Kurz-Thermal-Response-Test. Die Hinter­füllung einer Erdwärmesonde wird mit ­hoher Energiezufuhr kurzfristig aufgeheizt. Nach Abschluss der Energiezufuhr wird das thermische Verhalten der Hinterfüllung durch multitemporale Temperaturprofil­messungen beobachtet. Anhand der ­Temperaturaufzeichnungen wird sichtbar, in welchen Abschnitten sich stehendes oder fließendes Grundwasser befindet, wo eine Ringraumzementation intakt und wo sie ­unvollständig ist.
  • Dichtemessung mit angepasster Gamma-Gamma-Messsonde. Mit diesem Verfahren werden die Zementation kontrolliert und Dichteanomalien in der Ringraumverfüllung angezeigt.

Rein messtechnisch seien die Verfahren ausgereift, ob sie baustellentauglich sind müsse die Praxis zeigen. Offen ist, was zu tun ist, wenn sich die für die Gamma-Gamma-Messung notwendige Strahlenquelle – Caesium 137 – im Bohrloch verhakt. Auf jeden Fall sei das Verfahren sen­sibel und nicht für Experimente geeignet, so André Voutta.

Intelligenz statt Bohrmeter

Oberflächennahe Geothermie heißt heute nicht zwangsweise, möglichst tief zu bohren um damit die Anzahl der Bohrlöcher zu minimieren. Schon wegen der Begrenzung der Bohrtiefe sowie strengeren Sicherheitsauflagen in einigen Bundesländern geht der Trend zu einer größeren Vielfalt bei den Sondensystemen. Dr. Markus Kübert, tewag, Regensburg, ist der Auffassung, dass in vielen Fällen weniger tiefe Speichersonden besser als die üblichen Doppel-U-Rohrsonden seien. Mit Speichersonden könnten die geothermischen Standortverhältnisse besser berücksichtigt und gegenüber einer konventionellen Bohrung mit Doppel-U-Sonden rund 24 bis 40 % an Bohrmetern eingespart werden.

Kübert erklärt die Vorteile so: Speichersonden haben ein Volumen von 12 bis 14 l pro Bohrmeter, Doppel-U-Sonden kommen nur auf 2,14 l pro Bohrmeter. Durch die Speicherwirkung der Sonde werde die Leistungsanforderung der Wärmepumpe nicht unmittelbar auf den Untergrund übertragen; es komme deswegen zu einem gleichmäßigeren Wärme- bzw. Kälteentzug. Aufgrund des koaxialen Aufbaus der Speichersonde entstehe außerdem eine größere effektive Wärmeübertragungsfläche, so Kübert.

Und: Die Regeneration der Speichersonde erfolge auch während Stillstandszeiten durch einen weitgehend konstanten Wärmefluss mit geringer Entzugsleistung. Simulationsrechnungen hätten ergeben, dass Lastspitzen des Gebäudes über Speichersonden besser abgepuffert werden als durch Doppel-U-Sonden. Die genauen thermischen Prozesse im Inneren der Speichersonde werden im Zuge eines F&EProjektes derzeit von der RWTH Aachen, Lehrstuhl für Wärme- und Stoffübertragung, unter­sucht. Kübert schränkt ein, dass Speicher­sonden nur für Wärmepumpen mit geringer bis mäßiger Laufzeit, möglichst unter 2000 h/a ­geeignet sind.

Exergetisch optimierte Betriebsführung

Dass in der oberflächennahen Erdwärmenutzung noch ein hohes Effizienz- und Optimierungspotenzial besteht, ist in der Branche unbestritten. Übergreifende exergetische Betrachtungen von Erdwärme-Sondenfeldern, Wärme- und Kälteversorgungssystemen sowie deren Verteilsystemen sind eher noch die Ausnahme. Beim neuen Hauptgebäude des Energieforschungszentrums E.on ERC der RWTH Aachen soll im Rahmen eines vom Bundewirtschaftsministerium geförderten Projekts auch die Qualität der verwendeten Energie an die thermischen Anforderungen der verschiedenen Nutzungsbereiche des Gebäudes angepasst werden – die Energieströme werden auf unterschiedlichen Exergie-/Temperaturniveaus bereitgestellt.

Dazu wurde von der Geophysica Beratungsgesellschaft, Aachen, ein umfassendes Messkonzept für die gesamte Versorgungskette, also von der Einzelsonde über das Sondenfeld, die Wärme- und Kälteversorgung bis zum Raum entwickelt. Daraus sollen Erkenntnisse über den Energieverbrauch unter realen Bedingungen gewonnen werden. Diese Informationen dienen gleichzeitig als Grundlage für ein noch zu entwickelndes Regelungssystem, das den An­lagenbetrieb an den Exergiebedarf des Gebäudes anpasst.

Ein Schwerpunkt des Projekts ist die thermische Überwachung des Erdsondenfelds – 40 Sonden à 100 m Tiefe – mittels Glasfaser­kabel. Zwei Sonden sind außerdem mit Heiz­kabeln für den „Enhanced Thermal Response Test“ ausgerüstet. Durch die gezielte Sondenbeheizung sei es möglich, auch die vertikale Wärmeleitfähigkeit des Erdreichs zu bestimmen, so Geophysica-Mitarbeiter Dr. Darius Mottaghy. Alle Daten fließen in ein geothermisches 3-D-Modell ein, um herauszuarbeiten, welche Daten in welcher Detailgenauigkeit für die Modellerstellung benötigt werden. Durch Inversion von elektrischen Tomographie-Daten soll auch untersucht werden, wie sich die Sonden-Bewirtschaftung nach exergetischen Gesichtspunkten auf die weitere Umgebung des Sondenfelds auswirkt.

Falsche Berechnung vorprogrammiert

Nicht nur rund um das Bohrloch werden Regeln gebrochen und Schludrigkeiten begangen, auch bei der Planung von Erdwärmesonden kann einiges schief gehen, wobei hier offensichtlich die Software eine der Ursachen ist. Dr. Sven Rumohr vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie, Wiesbaden, weist darauf hin, dass bei der in Deutschland am häufigsten eingesetzten Software für die Bemessung von Erdwärmesonden bzw. Erdwärmesondenfelder – Earth Energy Design (EED) – einzelne Eingangsparameter von den Planern falsch interpretiert werden. Dr. Rumohr hat die Erfahrung gemacht, dass bei Planern insbesondere bei den Eingabefeldern „Grundlast“ und „Spitzenlast“ sowie „Untergrundtemperatur“ und „Geothermischer Wärmefluss“ Erklärungsbedarf bestehe.

Im EED-Programm sei der als „Spitzenlast“ bezeichnete Lastfall der Normalfall, mit dem die in einer Erdwärmesonde (im Heizfall) bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wärmepumpenleistung auftretenden mini­malen Temperaturen abgeschätzt werden, erklärt Dr. Rumohr. Ziel der Grundlast-Be­trachtung sei dagegen – im Heizfall – die ­Abschätzung der monatlich mittleren Tempe­ratur in einer Erdwärmesonde, bezogen auf einen kontinuierlichen Wärmepumpenbetrieb über 720 h/Monat (30 d à 24 h). Die dem „Grundlast“-Fall zugrunde liegende Wärme­leistung sei in der Regel deutlich geringer als die tatsächliche Leistung, sodass die resul­tierenden Temperaturabsenkungen ebenfalls deutlich niedriger seien. Die „Spitzenlast“ müsse immer dann berücksichtigt werden, wenn eine vorgegebene Temperatur, z.B. 0 °C, in einer Erdwärmesonde nicht unterschritten ­werden darf. Die Frage ist natürlich erlaubt, ob eine Auslegungssoftware überhaupt Interpretationsspielraum zulassen darf oder ob hier womöglich beim Softwaredesign Nachhol­bedarf besteht.

Solarthermische Erdreichregeneration

Zu hohe Entzugsleistungen, geringe Sondenabstände, aber auch der Zubau weiterer geothermischer Wärmepumpenanlagen in der Nachbarschaft können die Erdreichtemperatur langfristig absenken und damit die Effizienz der Wärmepumpe negativ beeinflussen. Um die Nachhaltigkeit der Erdreichbewirtschaftung zu gewährleisten, empfiehlt Arthur Huber von Huber Energietechnik, Zürich, preisgünstige unverglaste Sonnenkollektoren in die Wärmepumpenanlage einzubinden und zwar so, dass im Sommer die überschüssige Wärme auch zur Trinkwasser-Erwärmung eingesetzt werden kann.

Durch die Einspeisung von solarer Wärme über die Erdwärmensonden in das Erdreich könne dieses schneller regenerieren und stehe damit dauerhaft als Wärmequelle zur Verfügung. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass es rund um die Sonden zur irreversiblen Abkühlung kommt, die sich negativ auf die Effizienz der Wärmepumpe auswirkt. Bei richtiger Auslegung und Anordnung könnten Erdsondenfelder mithilfe der solaren Regeneration zu saisonalen Wärmespeichern ausgebaut werden. Dabei sei darauf zu achten, dass die Aufladung höher als der Wärmeentzug ist.

Eine optimale Erdspeichertemperatur liege bei 10 bis 20 °C; die maximale Einspeisetemperatur sollte 40 °C nicht überschreiten. Bei richtiger Auslegung, beispielsweise mit dem Programm EWS von Hertag, könne durch die solarthermische Regeneration die Anzahl der Sonden bzw. die Sondentiefe reduziert werden. Wichtig sei eine kompakte Anordnung der Sondenfelder, damit sich im Untergrund ein Erdspeicher ausbildet. Einzelsonden würden sich nicht für die Jahreszeitenspeicherung eignen. Eine Alternative zur solaren Regeneration sei das Geocooling oder Sonden-Freecooling über Fußbodenheizungen. Auch damit könnten erhebliche Sondenmeter eingespart werden, da sich das Erdreich durch den Wärmeeintrag schneller regeneriere. Wichtig sei, von Anfang an auf Frostschutz in den Sonden zu achten. Um einen Langzeitspeicher optimal zu beladen, könne es bis zu zehn Jahren dauern, bis sich der Speichereffekt einstellt, so Arthur Huber.

Non-Stopp-Drilling vom Coil

Qualitätsorientiertes Bohren ist teuer. Deshalb spielen innovative Bohrverfahren künftig eine größere Rolle. Coil Tubing, also das kontinuierliche Abteufen eines aufgewickelten Stahlrohrs – vergleichbar mit dem Prinzip der Rohrreinigung mittels einer flexiblen Spirale – entwickelt sich nach Aussage von Volker Wittig vom Internationalen Bohrzentrum Bochum (GZB) weltweit zu einem der wirtschaftlichsten Bohrverfahren. Insbesondere bei bestehenden, aber mit konventionellen Methoden bereits ausgebeuteten Öl- und Gaslagerstätten komme das schnelle und damit wirtschaftliche Bohrverfahren zum Einsatz.

Das GZB hat das Verfahren jetzt den Anforderungen der Geothermie angepasst, insbesondere um potenzielle geothermische Reservoire einfacher aufzuspüren. Das Verfahren sei, so Volker Wittig, vergleichbar mit einer Magen- oder Darmspiegelung, das heißt, die Art der Bohrung liefere mit geringem Aufwand eine hohe Informationsdichte und Informationssicherheit.

Coil Tubing gehöre damit zu einer der ­wichtigsten Bohrtechniken der Zukunft, ins­besondere für tiefes und hartes Festgestein. Es sei zudem um rund 30 % billiger und zwei- bis dreimal schneller als ein konventionelles Bohrverfahren. Stand der Technik sei der wassergetriebene In-Loch-Hammer, der eine bessere Bohrlochqualität liefere als ein Luft-Hammer. Derzeit arbeite das GZB an einem Wasserstrahl-Hammer mit dem Ziel, noch schneller, tiefer und in noch härterem Gestein zu bohren.

Fazit

Die Effizienz von geothermischen Wärmepumpenanlagen ist in hohem Maße von der Planung des Erdwärmesondenfelds, der Qualität der Bohrung und des Verpressvorgangs sowie der Sondenbewirtschaftung abhängig. Fehlerhafte Bohrungen und schlecht verpresste Bohrlöcher können für die Bauherren teuer werden. Wer an geologischen Gutachten spart und auf die Beaufsichtigung der Bohrung durch einen Sachverständigen verzichtet, geht das Risiko ein, dass er nicht das bekommt, was er bestellt und bezahlt hat. Reklamationen sind meist zwecklos: Anders als bei der Anlagentechnik im Gebäude kann im Bohrloch nicht nachgebessert werden. •

Mehr Infos zum Thema im TGAdossier Wärmepumpe: Webcode 718

1) DVGW-Arbeitsblatt W120 Qualifikationsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik, Brunnenbau und Brunnenregenerierung, Dezember 2005 DVGW-Arbeitsblatt W 120-1 (Entwurf) Qualifikationsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik, Brunnenbau, -regenerierung, -sanierung und -rückbau, Juli 2010 DVGW-Arbeitsblatt W 120-2 (Entwurf) Qualifikationsanforderungen für die Bereiche Bohrtechnik und oberflächennahe Geothermie ­(Erdwärmesonden), Dezember 2010

„Die oberflächennahe Geothermie muss in den Sanierungsmarkt“

Die gelegentliche Ausrüstung von Neubauten mit geothermischen Wärmepumpen reicht nach Ansicht von ­Rüdiger Grimm und Christian Lumm von Geoenergie Konzept, Freiberg, nicht aus, der oberflächennahen Geothermie zum Durchbruch zu verhelfen. Jetzt gehe es darum, den Sanierungsmarkt für die Geothermie zu gewinnen, insbesondere die etwa 30 Mio. Altbauten der Baujahre 1949 bis 1978. Zur Verbesserung der Energie­effizienz von geothermischen Wärmepumpen sei ein Anlagenmonitoring unbedingt nötig, einmal, um die bestehende Anlage zu optimieren, aber auch um Erfahrungen für künftige Planungen und Ausführungen zu sammeln.

Wichtig seien die Ermittlung der Anlageneffizienz und die Identifizierung von Optimierungsansätzen, zum Beispiel bei der Pumpenauslegung. Auch bei den Jahresarbeitszahlen (JAZ) der geothermischen Wärmepumpen sehen Grimm und Lumm noch Effizienzpotenzial. Auf Testständen kämen Geothermie-Wärmepumpen auf eine JAZ von 4,5, die gemessene Jahresarbeitszahl im Rahmen der Feldtests des Fraunhofer-Instituts ISE liege aber nur bei 3,5. Die Förderung nach BAFA setze jedoch eine (prognostizierte) Jahresarbeitszahl von mindestens 3,8 voraus.

Die Erfahrungen von Geoenergie Konzept mit Anlagenmonitoring bei geothermischen Wärmepumpenan­lagen in Sanierungsbauten haben gezeigt, dass in den ersten Betriebsjahren fast immer die Anlageneffizienz durch Optimierungsmaßnahmen gesteigert werden kann. Leider seien nur wenige Bauherren bereit, Geld ­ dafür auszugeben. Insgesamt komme die oberflächennahe Geothermie im Sanierungsbau nur zögerlich vor­an. Zitat: „Es existieren weitverbreitete Vorurteile gegenüber der Effizienz von Wärmepumpen im Sanierungsbau.“ Ob es sich tatsächlich um Vorurteile handelt oder nicht doch um reale Erfahrungen von Bauherren, sei dahingestellt. Unbestritten ist, wer das Image von oberflächennahen Geothermie-Wärmepumpenanlagen verbessern will, kommt nicht umhin, ein Monitoring in den ersten Betriebsjahren verbindlich festzulegen.

Wolfgang Schmid

ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ TGA+E-ePaper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Fokus TGA: Sonderhefte (PDF)
+ Weiterbildungsdatenbank mit Rabatten
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen