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Strom aus Geothermie und Abfallwärme

Großes Potenzial, aber zu geringe Rentabilität

Kompakt informieren

  • Der Verstromung von Niedertemperaturabwärme fehlt es bisher an energiepolitischer Unterstützung, finanzielle Förderung erfolgt weitgehend nur projektbezogen. Trotz großer Wärmepotenziale hat der Markt so bisher keine Dynamik entwickelt.
  • Der Planungsaufwand für eine ORC-Anlage ist hoch, sodass zur wirtschaftlichen Erschließung kleiner Wärmequellen eine Standardisierung und Skalierungseffekte erforderlich wären.
  • Wenn die Stromerzeugung im Vordergrund steht, ist die Rendite einer EEG- oder KWK-geförderten Stromerzeugungsanlage besser planbar und meistens auch höher als bei einer ORC-Anlage.

Nach einer Studie der gemeinnützigen Forschungseinrichtung Institut für Zukunftsenergiesysteme (IZEG), Saarbrücken, aus dem Jahr 2012, wurden 2008 in Deutschland durch Industrieprozesse nahezu 300 TWh Abwärme freigesetzt. Eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung (ISI) rechnete auf Basis einer Studie aus Norwegen hoch, dass im Jahr 2007 in Deutschland Abwärme in der Größenordnung von 87,7 TWh im Temperaturbereich von mehr als 140 °C und weitere 44,4 TWh zwischen 60 und 140 °C zur Verfügung standen. Schon damals hätte man mit dem vorhandenen Know-how trotz relativ bescheidener Prozesswirkungsgrade eine elektrische Leistung von 5 GW1) aus der „weggeworfenen“ Wärme generieren können, so der ORC-Fachverband (siehe Info-Kasten) in dem sich maßgebliche Planer, Hersteller und Betreiber von ORC-Anlagen sowie Vertreter aus Wissenschaft und Forschung zusammengeschlossen haben.

Weltweit 9500 ORC-Anlagen

Aus Sicht des Mitinitiators des ORC-Symposiums, Prof. Dr.-Ing. Johannes Reichelt, TWK, ist die Zeit reif, sich intensiver mit den beiden noch relativ jungen Stromerzeugungsverfahren ORC- und Kalina-Prozess auseinanderzusetzen. „Nach meiner persönlichen Schätzung gibt es weltweit rund 1500 größere ORC-Anlagen sowie ca. 8000 Klein-Anlagen mit etwa 4 kW elektrischer Leistung, die hauptsächlich für den kathodischen Korrosionsschutz von Pipelines eingesetzt werden.“

Auf Deutschland bezogen sieht Reichelt das Marktwachstum von ORC- Abb. 1 und Kalina-Anlagen in erster Linie im Ausbau der Tiefengeothermie begründet, insbesondere im Oberrheingraben und im Molassebecken des Voralpenlands. Besonders interessant ist der Münchner Raum Abb. 2, wo derzeit mehrere Tiefengeothermie-Anlagen entweder schon erstellt oder in Planung sind.

Vor dem Hintergrund des wachsenden Interesses an der Nutzung der Tiefengeothermie zur Stromerzeugung sei es wichtig, die theoretischen Grundlagen und praktischen Kenntnisse über ORC- und Kalina-Anlagen aufzufrischen bzw. zu erweitern. Die Hochschule Karlsruhe Technik und Wirtschaft, Fakultät Maschinenbau und Mechatronik, Institut für Kälte-, Klima- und Umwelttechnik, biete hierfür beste Voraussetzungen, da dort bereits in den 1980er-Jahren Vorlesungen über die ORC-Technik gehalten wurden und auch das Labormodell einer ORC-Anlage existiere, so Reichelt. Seit vier Jahren veranstaltet das TWK Fortbildungen zum Thema ORC, inklusive Laborübungen an einem größeren ORC-Aggregat.

Effizienzgewinne nicht um jeden Preis

Wie wichtig solide Kenntnisse über den ORC-Prozess, die Anlagentechnik und die Wahl des Arbeitsmediums sind, zeigte der Vortrag von Michael Stalter, seit 2004 Geschäftsführer des TWK Karlsruhe. „Entscheidend für den Betreiber ist der Gesamtwirkungsgrad der Anlage und damit die Rentabilität.“ Basis dafür sei der Wirkungsgrad der Entspannungsmaschine, der Wirkungsgrad der Energieumwandlung, das heißt die Effizienz aus Expander, Generator, Getriebe und Frequenzumrichter sowie der thermische Gesamtwirkungsgrad.

Oft werde jedoch der Einfluss der verwendeten Komponenten unterschätzt. So könnten falsch dimensionierte Hilfsaggregate den Gesamtwirkungsgrad einer ORC-Anlage dramatisch verschlechtern. Wenn beispielsweise der Prozess nicht exakt auf den Expander (Scroll- oder Schraubenexpander) abgestimmt ist, komme es zu einer Unter- oder Überex­pansion des Arbeitsmediums und dadurch zu einer Verschlechterung des Gesamtwirkungsgrads. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Anlagentechnik, Arbeitsmedium und Komponenten exakt aufeinander abgestimmt sein müssen. Allerdings könne ein im theore­tischen Vergleich eher schlechteres Konzept bei optimaler Abstimmung der Komponenten dennoch eine höhere Effizienz liefern. In jedem Fall sollte man prüfen, ob sich ein ­Effizienzgewinn durch höhere Investitionen wirtschaftlich lohnt, insbesondere unter dem Aspekt möglicherweise höherer Wartungs­kosten.

Landau: 30 % Eigenstromverbrauch

Ja lohnt sich denn der ganze Aufwand? Diese Frage wird sich mancher Teilnehmer nach dem Vortrag von Dr. Jörg Baumgärtner vom Geothermie-Generalunternehmen Bestec, Landau, gefragt haben. Neben einer aus­ufernden Bürokratie kämpfen die Pioniere der Tiefengeothermie auch mit den Vorbehalten der Bevölkerung. Diese will wissen, was da ­unten passiert und wie groß das Risiko ist ­(Seismik, Brandgefahr, chemische Stoffe im ORC-Kraftwerk, Zusammensetzung des Thermalwassers, Gefahr für Trinkwasser, Versorgungssicherheit).

Ohne ausführliche Information sei kaum mehr ein Projekt durchzusetzen, so Baumgärtner. Schließlich will der Betreiber die Wärme aus dem Geothermie-Projekt an die unmittelbar betroffene Bevölkerung verkaufen. Nach den „Erdbeben“ von Basel aufgrund geothermischer Bohrungen sei es nicht mehr so einfach, die Bevölkerung von der Tiefengeothermie zu überzeugen. Auch im Projekt Landau Abb. 1 gab es Seismik-Probleme, als die Geothermie-Anlage unter Volllast gefahren wurde.

Ein großes Thema sei auch die chemische Zusammensetzung des Thermalwassers. Generell sehe die Bevölkerung darin eine Gefahr für ihr Trinkwasser. Dass da kein Quellwasser gefördert wird, zeigt welcher Aufwand für den Schutz der Umwelt, aber auch für den Schutz der Rohrleitungen vor Ausfällungen und Inkrustierungen getrieben werden muss. „Wir kommen nicht umhin, unser Rohrsystem von Zeit zu Zeit mit Salzsäure zu reinigen“, berichtet Baumgärtner.

Die in Landau installierte ORC-Anlage mit rund 18 t Isopentan (C5H12) als Arbeitsmittel hält Baumgärtner für beherrschbar, allerdings habe man bei der Genehmigung der Anlage Neuland betreten müssen. Im Störfall bleibe das hochentzündliche Arbeitsmedium (Flammpunkt 3 großen Löschwasser­beckens.

In der Praxis habe sich gezeigt, dass bei der Wirtschaftlichkeit der Anlage nicht sehr viel Spielraum besteht. Um Ausfallzeiten gering zu halten, müssten teure Ersatzteile wie Turbine und Pumpe vorgehalten werden. Durch seismische Aktivitäten in der Umgebung sah sich der Betreiber in Landau gezwungen, die Leistung der Anlage um rund 30 % zurückzunehmen. Probleme bereiten Geothermie-Anlagen im Sommer, wenn durch die Siedlungsstruktur (reines Wohngebiet, kein Gewerbe) die Wärmeabnahme stagniert. Unterschätzt habe man auch den Aufwand für die Reinigung der Wärmeübertrager. Die Vergütung nach dem alten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 19 Ct/kWh reiche jedoch für einen wirtschaftlichen Betrieb. Rund 30 % des produzierten Stroms werde in der Anlage verbraucht Abb. 1.

Wasserchemie begrenzt Wirkungsgrad

Theorie und Praxis der ORC-Technik liegen oftmals weit auseinander. Dr.-Ing. Ulli Drescher von der GMK-Gesellschaft für Motoren und Kraftanlagen, Rostock, warnt vor pauschalen Wirkungsgradangaben für ORC-Anlagen. Bei Geothermie-Projekten bestimme oft die Wasserchemie (Ausfällungen bei zu starker Abkühlung) sowie die Auskühlungstemperatur des Thermalwassers mit entsprechenden Rückkopplungseffekten den elektrischen Wirkungsgrad des ORC-Prozesses. Grundsätzlich ließen sich mithilfe des ORC-Prozesses der Temperaturbereich zwischen 100 und 250 °C für die Stromerzeugung erschließen.

Bei einem elektrischen Wirkungsgrad des ORC-Prozesses von oftmals nur 6 % müsse man die Rahmenbedingungen und Wechselbeziehungen sehr genau analysieren, insbesondere den Stromverbrauch der Nebenantriebe. Auch die Art der Rückkühlung falle stark ins Gewicht. Wenn genügend Platz vorhanden sei, wären Trockenluftkühler – langfristig gesehen – wirtschaftlicher als ein Nasskühlturm.

Keinesfalls trivial sei die Auswahl des Arbeitsmediums. Wegen der großen Füllmengen in geothermischen ORC-Anlagen ist die Auswahl des Fluids eine komplexe Aufgabe. Synthetische Kältemittel kämen allenfalls noch für kleine Leistungen in Frage; für große ORC-Anlagen, wie in Landau, sei deren Einsatz zu riskant. Bei einer geothermisch angetriebenen ORC-Anlage mit fluorierten Arbeitsstoffen müsste man bei „Kältemittelverlust“ rund 1 Mio. Euro abschreiben. Deshalb sei es naheliegend, fluorfreie ORC-Arbeitsfluide einzusetzen, die ungiftig sind und sich klimaneutral verhalten. Bislang sei unklar, ob ORC-Anlagen den Verordnungen und Gesetzen von Kälteanlagen unterliegen. Hier scheint noch eine Grauzone zu bestehen, die insbesondere die Genehmigung dieser Anlagen erschwere, so Drescher.

Cryostar sieht Entwicklung positiv

Newcomer tun sich mit ORC- und Kalina-Anlagen schwer, bei alten Hasen laufen die Geschäfte gut. Robert-Gilles Entlesberger von der weltweit tätigen französischen Cryostar, ein Unternehmen der Linde-Gruppe, sieht die Entwicklung von ORC- und Kalina-Projekten positiv. „Wir können auf die Erfahrungen mit 2000 Turbinen und über 200 Turbogeneratoren für unser neues Anwendungsfeld Clean Energy zurückgreifen. Neben ORC-Anlagen für Geothermie- und Solar-Kraftwerke liefert Cryostar auch Anlagen zur Abwärmenutzung und für Erdgas-Reduzierstationen.

Der Leistungsbereich der eingesetzten Radialturbinen reicht von 50 kW bis 20 MW. Eine Besonderheit von Cryostar ist ein Turbinenrad mit optimierter Schaufelgeometrie und verstellbaren Laufschaufeln. Diese Funktion sei wichtig zur Verbesserung des Wirkungsgrads im Teillastbetrieb. Die projektbezogene Auswahl des Fluids spielt eine maßgebliche Rolle, betont auch Entlesberger. Ausschlaggebende Investitionskriterien seien Wirtschaftlichkeit, staatliche Förderprogramme, Sicherheit, Umwelt und Wartungskosten.

Beim Geothermie-Projekt Soultz-sous-Forêts (elektrische Leistung der ORC-Anlage 2 MW brutto, Thermalwassertemperatur 130 °C vor Turbine) habe man sich für das Fluid Isobutan entschieden. Im Geothermie-Projekt Unterhaching (3,7 MW elektrische Leistung, 122 °C Thermalwassertemperatur) sei der Kalina-Prozess mit dem Fluid Wasser/Ammoniak die bessere Lösung gewesen. Bei einer kompakten ORC-Anlage für ein kleines Solarkraftwerk (50 kWel, 250 °C Thermalwassertemperatur) kam R245fa (Pentafluorpropan) zum Einsatz, ebenso bei der Abwärmenutzung in einem Zementwerk (100 kWel).

Nutzung von Abwärme fokussieren

„Wenn die Tiefengeothermie im künftigen Wettbewerb mit anderen erneuerbaren ­Energien bestehen will, müssen ihre Strom­gestehungskosten halbiert werden.“ Für Dr. Johannes Gottlieb, Geschäftsführer der ­Montanes Holding, Karlsruhe, ist die Tiefengeothermie derzeit nicht konkurrenzfähig. Insbesondere die Photovoltaik werde der Tiefengeothermie zu schaffen machen, denn, Zitat: „die Wirkungsgrade von PV-Anlagen ­werde sich in den nächsten Monaten dramatisch verbessern. Stromgestehungskosten von 8 Ct/kWh sind dann möglich“. Die entscheidende Phase des Übergangs von festen StromEinspeisevergütungen nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz in den freien Markt habe ­begonnen.

In der Bevölkerung habe die Tiefengeothermie wegen der geringeren Wirkungsgrade und der vergleichsweise hohen Rücklauftemperaturen des Thermalwassers das Image einer riesigen Energievernichtungsmaschine die Lärm mache und die Vögel verschrecke. Das Problem der Branche sei, dass sie von Triebtätern bestimmt werde und nicht von Ökonomen, lästert Gottlieb.

Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit der Geothermie sei der weitere Ausbau der Fernwärmenetze. Der Bau von Plus-Energie-Häusern könnte jedoch die Fernwärme, zu­mindest in den Randbereichen der Städte, überflüssig machen, es sei denn, eine kalte Fernwärme mit Vorlauftemperaturen von 18 °C werde realisiert.

Da der ORC-Prozess bei einer Thermalwassertemperatur von 150 °C nur auf einen Wirkungsgrad von maximal 12 bis 14 % komme, müsse sich die Branche mehr um die Nutzung der Abwärme kümmern. Verbesserungspotenzial sieht Gottlieb in der Kopplung von ORC-Prozess und einer Holzvergaseranlage, um über die Abgaswärme einen zusätzlichen Temperaturhub zu erzeugen. Wer den Wirkungsgrad von ORC- und Kalina-Prozessen weiter verbessern wolle, müsse sich mit den Fluiden und hier insbesondere mit Stoffgemischen auseinandersetzen, zum Beispiel mit Wasser/Ammoniak, Wasser/Benzol oder Stickstoff/Kohlendioxid. Wichtig sei auch, die Rückkühlverluste durch die Rückführung der Abwärme in das System zu reduzieren.

Rankine-Prozess mit CO2 als Fluid

Dass im ORC-Prozess noch ein hohes Entwicklungspotenzial schlummert, zeigen auch die Untersuchungen am norwegischen Forschungsinstitut Sintef, Trontheim. Anstelle organischer Fluide empfiehlt Dr.-Ing. Armin Hafner das Arbeitsmedium CO2 in einem transkritischen Prozess einzusetzen. Dadurch sei es möglich, auch Wärmequellen mit sehr niedriger Temperatur zur Stromerzeugung zu nutzen. Vorteile von CO2 sind die niedrigen Kosten, die Nichtbrennbarkeit, die geringe Toxizität und das niedrige Treibhauspotenzial. Die einzige Herausforderung und anwendungsbezogene Entwicklungsaufgabe sei das Design und die Dimensionierung des Wärmeübertragers. Insbesondere für die Anwendung auf Ölplattformen habe sich der CO2-Rankine-Prozess bewährt, auch wegen der kompakten Bauart, die mit CO2 als Fluid möglich ist. Sowohl General Electric als auch Echogen-Dresser-Rand bieten hierfür bereits Lösungen an.

Ein weiterer Markt für CO2-Rankine-Aggregate entwickelt sich in der Schifffahrt durch den Wechsel von Schwerölmotoren zu Gas­motoren mit Flüssiggas (LNG) als Brennstoff. Eine dem Schiffsmotor nachgeschaltete CO2-Rankine-Anlage mit Meerwasser-Rückkühler könne in der einfachsten Ausführung bis zu 10 % an Treibstoff einsparen. Derzeit werde bei Sintef eine 30-kWel-CO2-Turbine mit einem Massenstrom von 250 kg/h bei einem Druck von 120 bar und Temperaturen von +160/–10 °C erprobt.

Ein weiterer Markt für CO2-Rankine-Anlagen entwickelt sich im Lkw-Bereich. Durch die Nutzung der Motorenabwärme zur Stromerzeugung mittels CO2-Rankine-Prozess könnte, so Hafner, der Brennstoffverbrauch bei Nutzfahrzeugen um bis zu 15 % verringert werden. Mit den ersten Installationen sei in einem Jahr zu rechnen, so Hafner.

ORC-Anlage im Zementwerksprozess

In der Zementindustrie fallen an den Zementdreh­öfen erhebliche Abwärmemengen bei Temperaturen von bis zu 400 °C an, die für die Niedertemperatur-Verstromung genutzt werden können. Schon im Jahr 1998 errichtete deshalb HeidelbergCement in seinem Werk Lengfurt eine vom Bund und dem Land Bayern geförderte ORC-Anlage, die beispielhaft dokumentiert ist. Zur Verfügung steht Wärme aus einem Abhitzekessel mit einer Temperatur von 275 °C und einem Wärmestrom von 14 MW. Aus Sicherheitsgründen ist zwischen dem mit Pentan angetriebenen ORC-Prozess und der Abwärmequelle ein Thermoöl-Kreislauf (Abhitzekessel) zwischengeschaltet Abb. 3. Die Bruttostromerzeugung der zweistufigen Ormat-ORC-Anlage (Nennleistung 1,5 MW) liegt bei 1,15 MW. Die Kosten für die Anlage beliefen sich auf ca. 4 Mio. Euro; umgerechnet auf die installierte Leistung sind das 2700 Euro/kW brutto bzw. 3700 Euro/kW netto.

Der Wirkungsgrad im Langzeitversuch liegt bei 13,7 %, bezogen auf den Nettostrom. An Wartungskosten fallen ca. 0,42 Ct/kWh an, für Reparaturen und Modifikationen 0,5 Ct/kWh. Gerhard Heidt von HeidelbergCement, der das Projekt betreut, lobt die einfache Handhabung der Anlage sowie die guten Wirkungsgrade bei Wärmequellentemperaturen unter 275 °C. Bei dem derzeitigen Strombedarf im Werk Lengfurt von 72 000 MWh und 260 Betriebstagen der Ofenanlage im Jahr werde mit der ORC-Anlage rund 7600 MWh Elektrizität erzeugt, das entspricht einer Senkung des Strombezugs von 11 %. Nicht minder wichtig für ein Zementwerk ist die Reduzierung der energieeinsatzbedingten CO2-Emissionen um 7620 t/a oder 29,1 %.

Wirtschaftlichkeit vor Wirkungsgrad

Was gut funktioniert und vordergründig auch wirtschaftlich erscheint, muss bei den ständig wechselnden Rahmenbedingungen der dezentralen Stromerzeugung auf Dauer nicht unbedingt wirtschaftlich sein. Betriebswirt und Kältetechnikspezialist Steffen Klein, Combitherm, Fellbach, rechnete nach der Target Costing Analyse am Beispiel einer Klein-ORC-Anlage (10 kW Stromausbeute, 8000 Betriebsstunden pro Jahr, Wärmequelle Wasser mit 100 °C, Wärmesenke Luft mit 10 °C, Wärmeleistung 100 kW) vor, wie stark die Wirtschaftlichkeit eines solchen Aggregates von den energiewirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie von den Effizienzfortschritten bei konkurrierenden Verfahren abhängig ist.

In jedem Fall sei es wichtig, bei der Kon­zeption einer ORC-Anlage auf marktgängige Komponenten aus der Kältetechnik zurückzugreifen und eine hohe Wirtschaftlichkeit, aber keine maximale Effizienz anzustreben. Die größten Unsicherheiten seien der künftige Strompreis sowie andere Technologien zur Stromerzeugung, die mehr Effizienzverbesserungspotenzial aufweisen. Der durchschnittliche Anlagengütegrad eines ORC-Aggregates müsste auf über 30 % gesteigert werden; das sei jedoch mit den vorhandenen Serienkomponenten eine große Herausforderung. Derzeit liege der durchschnittliche Anlagengütegrad – über ein Betriebsjahr betrachtet – noch bei unter 20 %. „Wir wissen genau, wo wir im ORC-Prozess Effizienz verlieren“, sagt Klein nüchtern, räumt aber ein, dass die Entwicklung noch ganz am Anfang stehe. Seine Botschaft: „Die Branche ist noch jung! Lasst uns das Ding angehen.“

Kältetechnikerfahrung für ORC-Anlagen

Erfahrungen mit NH3-Industriekälteanlagen sind eine gute Voraussetzung, Anlagen nach dem ORC-Prozess zu bauen. Peter Schäftlein von Johnson Controls Systems & Service (vormals Sabroe Industriekälte), Flensburg, kommt dabei zu ähnlichen Ergebnissen wie Klein: Die für eine ORC-Anlage notwendigen Komponenten sind am Markt verfügbar. Allerdings sei die Auslegung einer ORC-Anlage erheblich aufwendiger als die einer Industriekälteanlage und man müsse sich viel intensiver mit dem Strombedarf von Nebenantrieben auseinandersetzen.

Auch Schäftlein hat die Erfahrung gemacht, dass sich die Wirtschaftlichkeit einer ORC-Anlage derzeit nur über eine besondere Einspeisevergütung, ähnlich der für KWK-Anlagen, darstellen lässt. Dies hänge auch damit zusammen, dass konkurrierende Verfahren, wie der klassische Dampfprozess oder der Kalina-Prozess, spezifisch günstiger seien (2000 US-$/kW bzw. 3000 US-$/kW bei 15 MW Abwärmestrom). Beim Dampf- bzw. Rankine-Prozess müsse jedoch die Abwärme bei höheren Temperaturen (300 bis 400 °C bzw. 400 °C) ausgekoppelt werden.

Viele der früher in ORC-Anlagen eingesetzten Fluide, wie die bekannten Kältemittel R11, R114, R113, sind inzwischen verboten. Deshalb müsse man auf brennbare Fluide wie Butan und Pentan oder Ammoniak (toxisch) ausweichen. Dies führe zu höheren Kosten bei der Anlagentechnik (teilweise Ex-Schutz, höhere Anforderungen an Dichtigkeit, spezieller Maschinenraum) und damit zu einer Verlängerung der Amortisationszeit.

Am Beispiel einer 70-kWel-ORC-Anlage mit dem Arbeitsmedium Ammoniak (Wärmequelle 140/80 °C, Nassrückkühler 15 bis 20 °C) als nachgeschaltete Anlage zu einem Biogas-BHKW zeigte Schäftlein auf, welch hohe Vorgaben an die Verfügbarkeit (größer 95 %), Betriebszeit (8600 h/a) und Nutzungsdauer (15 bis 20 a) gestellt werden müssen, damit die Wirtschaftlichkeit annähernd erreicht werde. Hier sei auch der Gesetzgeber gefordert, der die Einspeisevergütung für ORC-Anlagen auf mindestens 19 Ct/kWh anpassen müsste, wenn dieser Markt in Gang kommen soll.

Stromgestehungskosten von 10 Ct/kWh

Auch die Ergebnisse aus den Geothermie-Projekten Soultz-sous-Forêts und Bruchsal zeigen, dass gut funktionierende Projekte mit Forschungscharakter noch lange kein Signal für einen Massenmarkt sind. Aus Sicht von Projektleiterin Hanna Mergner, EnBW, Karlsruhe, gibt es weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich des Lärms, des Austrags an natürlicher Radioaktivität und der Seismizität durch hydraulische und chemische Stimulationen im Bohrloch. Bei den Kraftwerken stehen Korrosion, die Vermeidung von mineralischen Ausfällungen und die Optimierung von Anlagenteilen im Mittelpunkt weiterer Forschungen.

Offen sei, welche Stromerzeugungsverfahren künftig wirtschaftlicher sind. Zwar arbeiten an beiden Standorten Systeme nach dem „Binary Cycle“ (Binärkreislauf mit Wärmeübertrager), jedoch wurde in Soultz-sous-Forêts eine ORC-Anlage installiert, in Bruchsal dagegen eine Kalina-Anlage. Beim Kalina-Prozess Abb. 4 gehe es in erster Linie um die Minimierung der Exergieverluste bei der Wärmeübertragung, insbesondere durch die Abstimmung von Wärmeübertragern und den entsprechenden Fluiden (Reinstoffe, zeotrope Gemische). Mergner ist überzeugt, dass die heutigen Stromgestehungskosten der beiden Geothermiekraftwerke durchaus mit anderen Verfahren aus erneuerbaren Energien konkurrieren können. Ziel sei jedoch, die Kosten innerhalb einer Dekade auf etwa 10 Ct/kWh abzusenken, denn nur so könne die Stromerzeugung aus Tiefengeothermie im Wettbewerb zu anderen Verfahren bestehen.

Ormat und die Kraft der Erfahrung

Wer nach diesen eher nüchternen Ergebnissen meinte, ORC-Anlagen seien wirklich nur etwas für Triebtäter, Geothermiefanatiker und Kraftwerkfreaks, der wurde beim Vortrag von Christian Scholz-Stahlhofen, Repräsentant der Fa. Ormat Systems, Reno, Nevada/USA, eines besseren belehrt. Bis heute hat Ormat über 1500 MWel an Kraftwerksleistung im Bereich der Geothermie und der Abwärmenutzung installiert – mit steigender Tendenz.

Die Palette des Unternehmens reicht von 8000 Klein-ORC-Anlagen zur dezentralen Stromversorgung an Öl- und Gas-Pipelines (zum kathodischen Schutz) bis hin zu Geothermie-Kraftwerken im 100-MWel-Bereich. Einen Teil der Anlagen betreibt Ormat selbst, sodass Betriebserfahrungen mittelbar in die Entwicklung, Planung und Realisierung einfließen. Inzwischen ist Ormat der drittgrößte private Stromerzeuger in den USA, so Schulz-Stahlhofen. Eine der ersten solarthermisch angetriebenen Ormat-Anlagen entstand bereits im Jahr 1966 im afrikanischen Mali; eine mit Waldholz befeuerte 50-kWel-ORC-Anlage wurde 1982 auf die Philippinen geliefert.

Legendär ist die ORC-Anlage (150 kWel) am Solar-Teich in El Paso, Texas/USA. Dort wird direktes Sonnenlicht in einem künstlich angelegten, geschichteten Salzwasserteich eingespeichert. Die unterste hochkonzentrierte Salzwasserschicht erwärmt sich dabei auf bis zu 90 °C. Dieses Temperaturniveau reicht aus, die Ormat-Maschine anzutreiben. Die Rückkühlung erfolgt über das an der Oberfläche des Solarteichs geschichtete Süßwasser mit 20 bis 32 °C.

Im isländischen Svartsengi Geothermie-Kraftwerk sind drei Ormat-Maschinen mit je 1300 kWel seit 1989 in Betrieb, weitere vier ­Aggregate mit je 1300 kWel wurden 1992 nachgerüstet.

Auch die ORC-Anlage in Landau stammt von Ormat. Sie ging 2007 in Betrieb und kommt auf eine Jahresverfügbarkeit von 97 %. Wegen der geringen Druckstufe kann die Anlage mannlos betrieben werden. Ein wesentlicher Vorteil der ORC-Anlage in Landau sei die hohe Teillastfähigkeit der Maschine. Dadurch könne die Leistung bis an die Grenze zum Eigenstrombedarf heruntergefahren werden, beispielsweise im Sommer, wenn wenig Wärme für das Fernwärmenetz benötigt wird.

Fazit

ORC-Anlagen sind bei großen Leistungen Stand der Technik. Der Kalina-Prozess konnte sich bisher nicht durchsetzen; in Europa gibt es erst drei Geothermie-Kraftwerke mit Kalina-Aggregaten. Die Wirtschaftlichkeit von ORCAnlagen kleinerer Leistung ist bei den aktuellen Einspeisevergütungen in Deutschland kaum darstellbar. Die Komponenten dazu sind jedoch auf dem Markt erhältlich, da sie mit denen für Industriekälteanlagen ­weitgehend identisch sind. Allerdings fehlen noch Erfahrungen, die Komponenten und ­Fluide optimal für den ORC-Prozess auszulegen. Wichtig ist, den Energieverbrauch der Nebenaggregate durch entsprechendes Downsizing zu senken.

ORC-Anlagen kleiner Leistung machen nur Sinn, wenn keine andere Option aus erneuerbaren Energien vorhanden ist. Fachleute gehen davon aus, dass Effizienzverbesserungen bei Solar- und Windkraftanlagen bei gleichzeitiger Kostensenkung künftig im Wettbewerb zu geothermischen Kraftwerken stehen.•

1) Zum Vergleich: Bei einer elektrischen Leistung von 5 GW und 8000 Jahresbetriebsstunden würde sich eine Strommenge von 40 TWh/a ergeben. 2012 wurden in Deutschland über das EEG rund 28 TWh Strom aus Photovoltaik-Anlagen vergütet, die installierte Leistung lag Ende 2012 bei 32,4 GWp, der Zubau betrug 7,6 GWp.

Wichtig für TGA-Planer, Anlagenbauer und Bauherren

TGA-Planer: Die Planung einer wirtschaftlich erfolgreichen ORC-Anlage setzt breites Know-how ­voraus. Wärmequelle, Anlagentechnik, Arbeitsmedium und Komponenten müssen exakt aufeinander abgestimmt werden. Gegenüber der klassischen TGA-Planung ist eine andere Rollenverteilung für die Projektbeteiligten erforderlich.

Anlagenbauer: ORC-Anlagen sind klassischer Anlagenbau. Die Effizienz und damit die Wirtschaftlichkeit wird von vielen – oft unterschätzten – Details beeinflusst. Eine besondere Herausforderung ist die projektspezifische Gestaltung und Dimensionierung der Wärmeübertrager.

Bauherren: Die Verstromung von (Ab)Wärmequellen auf geringem Temperaturniveau lohnt sich in der Regel finanziell nur, wenn der ganzjährig erzeugte Strom möglichst vollständig einen externen Stromeinkauf verdrängt. Günstigere Bedingungen können sich ergeben, wenn eine ORC-Anlage zur Erfüllung von (selbst gesteckten) Nachhaltigkeitszielen beitragen soll.

ORC-/Kalina-Prozess

Der ORC-Prozess (Organic-Rankine-Cycle) ist ein thermodynamischer Kreisprozess zum Antrieb von Dampfturbinen mit einem anderen Arbeitsmittel als Wasserdampf. In der technischen Umsetzung entspricht er dem klassischen Clausius-Rankine-Kreisprozess, jedoch bei deutlich niedrigeren Temperaturen und Drücken. Der Kalina-Kreisprozess basiert auf einem von Alexander Kalina entwickelten Wärmeübertragungsverfahren zur Ammoniak-Wasser-Dampferzeugung auf einem deutlich niedrigeren Temperaturniveau als bei klassischen Wasserdampfanlagen. Dabei wird gezielt die Eigenschaft eines Ammoniak-Wasser-Gemischs ausgenutzt, dass sich mit einer Änderung der Konzentration die Temperatur ändert.

ORC-Fachverband: Fakten zur Abwärme­nutzung in Deutschland

  • In Deutschland werden pro Jahr mehr als 280 TWh industrielle Abwärme freigesetzt.
  • Bis zu 5 GW elektrische Leistung kann aus industrieller Abwärme gewonnen werden.
  • Die elektrische Leistung, die mittels ORC-Anlagen aktuell in Deutschland erzeugt werden könnte, entspricht der vierfachen Nettohöchstleistung von Isar/Ohu 2, dem leistungsstärksten Kernreaktor in Deutschland (1485 MW).
  • Eine ORC-Anlage erzeugt pro 1 kW<sub>el</sub> installierte Leistung etwa 8000 kWh<sub>el</sub>/a.
  • Es sind ausreichend viele Fluide vorhanden, die ihren Siedepunkt bei Temperaturen unter 100 °C haben, thermisch geeignet, technisch beherrschbar und umwelt- bzw. gesundheitsverträglich sind, um in einem Organic Rankine Cycle (ORC) zur Stromerzeugung genutzt werden zu können.
  • Die Abwärmenutzung mit ORC-Anlagen entspricht den Zielen des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes, wird aber nicht gefördert.
  • Der ORC-Verband bemüht sich, dass die Verwendung industrieller Abwärme mit ORC-Anlagen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verankert wird.
  • Für Strom aus ORC-Anlagen zur Nutzung von industrieller Abwärme gibt es aktuell keine gesetzlich gesicherte Vergütung und keine Abnahmeverpflichtung des Netzbetreibers.
  • Nach der aktuellen Gesetzeslage wird Strom aus ORC-Anlagen nur mit etwa 3 Ct/kWh (Spotmarkt-Preis) vergütet, falls der Netzbetreiber die Einspeisung überhaupt zulässt.
  • Innerhalb der vorgenannten Rahmenbedingungen lässt sich eine ORC-Anlage für die Nutzung industrieller Abwärme in Deutschland nicht wirtschaftlich betreiben.
  • Quelle: <a href="http://www.orc-fachverband.de" target="_blank">http://www.orc-fachverband.de</a>

Wolfgang Schmid

ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de

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